22.09.2015 Nicaragua Rundbrief 1 Katharina „Ich gehe zwar, aber ich verschwinde nicht.“ - Martin Bangemann Ganz nach diesem Motto, hier mein erster Rundbrief für alle Interessierten, Freunde und Familie. Bitte beachtet hierbei, dass alle Eindrücke, die im Rundbrief beschrieben sind, auf meinen subjektiven Empfindungen und Erlebnissen beruhen und nicht repräsentativ für ganz Nicaragua sind! Am 13. August 2015 habe ich mich früh morgens auf den Weg zum Frankfurter Flughafen gemacht, dabei hatte ich mein Gepäck, meine Eltern, meinen Freund und natürlich viele Hoffnungen, auch Ängste, Vorfreude sowie Abschiedsschmerz. Wie meine Mutter später schön beschrieben hat „[fiel] der Abschied […] allen schwer“. Doch für mich begann an diesem Tag das größte Abenteuer meines bisherigen Lebens. Gleich am Flughafen sollte es beginnen abenteuerlich zu werden… Abflug, Ankunft und die erste Nacht …Alle acht Freiwilligen hatten sich rechtzeitig am Flughafen eingefunden, wir waren alle nervös und wurden noch nervöser, als das Einchecken nicht funktionierte. Unser Visum für Nicaragua sollten wir erst im Land erhalten, weshalb uns die Fluggesellschaft nicht einchecken konnte. Um 10 Uhr sollte der Flieger gehen, um 9 Uhr haben wir unsere Tickets umgebucht, dann fix eingecheckt, zum Terminal gesprintet und saßen somit rechtzeitig im Flieger. Vor uns lagen etliche Stunden Flug und ein ganzes Jahr in einem fernen Land. Mir wurde das im Flieger zum ersten Mal so richtig bewusst. Als wir endlich in Managua (Hauptstadt von Nicaragua) gelandet sind, hat uns Gabriel, unser „Landesverantwortlicher“, abgeholt. Als wir das Flughafengebäude gegen halb 9 Uhr nachts verließen, erschlug uns die Hitze fast. Die Luft war drückend, von Abkühlung nichts zu spüren. Von Managua aus ging die Reise nun weiter nach Granada, einer Kolonialstadt und Touristenmagnet. Dort sollten wir in einem von der Diözese Granada geführten Haus untergebracht werden. Zunächst gab es Kartoffelbrei/Salat, der wirklich sehr lecker war und dann ging es auf die Zimmer und ins Bett. 1 22.09.2015 Nicaragua Rundbrief 1 Katharina Mein erster Eindruck des Zimmers war, ehrlich gesagt, ein kleiner Schock. Schon vor meinem Abflug war mir klar, dass ich in Nicaragua, dem zweitärmsten Land von Lateinamerika, nicht denselben Luxus haben werde wie in Deutschland. Aber als Gabriel uns eröffnete, dass wir noch in der Nacht duschen sollen, da es am Tag wohl kein Wasser geben werde, die Zimmer statt Fensterglas nur ein Loch in der Wand haben, welches man mit Holz verschließen muss und es in dem Zimmer, das ich mir mit Johanna teilte, keinen Strom gibt, da wurde mir doch gleich noch mehr bewusst, was es bedeutet, ein Jahr in Nicaragua zu leben. Einführungstage – Die erste Woche in Nicaragua Ein Bild von Gallo Pinto, Tortilla und „Queso“ Nach den ersten Tagen hatte ich mich gut an das Duschen mit einer Schale, die nicht vorhandenen Fenstergläser und ständig anwesende Geckos gewöhnt und auch ansonsten gut eingelebt. Das Essen im Haus bestand meistens aus Bohnen, Reis und Tortilla. Ich war und bin nach wie vor überrascht davon, wie gut mir das Essen geschmeckt hat und nach wie vor schmeckt, denn in Deutschland habe ich Bohnen nie gemocht. Am ersten Tag gab es „Waschunterricht“. Eine der Frauen des Hauses hat uns gezeigt, wie man mit Waschbrett und Händen wäscht. Bei mir hat das leider noch nicht so ganz funktioniert, meine Wäsche wurde eher schmutziger als sauberer… Neben den Vorbereitungen für das Visum hat uns Gabriel viel über Nicaragua erzählt. Er hat ebenfalls Karin eingeladen. Sie kommt aus Deutschland, ist aber nicaraguanische Staatsbürgerin und hat ein Projekt auf der Insel Ometepe. So haben 2 22.09.2015 Nicaragua Rundbrief 1 Katharina wir viel über die Männer und Frauen, die „Rollenverteilung“ in einem repräsentativen nicaraguanischen Haushalt, wir als Deutsche in einem fremden Land, das Land selbst und die zukünftige Arbeit von Lisa erfahren. Zudem haben wir 16 Stunden Spanischunterricht bekommen, was auch wirklich nötig war. Ohne diese Stunden könnte ich mich niemals so gut auf Spanisch verständigen. In der ersten Woche haben wir die Kathedrale von Granada besucht und uns in einem Gottesdienst vorgestellt, der landesweit im Fernsehen übertragen wurde. Der Gottesdienst war anders als in Deutschland, es gab Ventilatoren, große Boxen und eine Band. Bei der Kommunion wurden, neben den in Deutschland üblichen Hostien und dem Messwein, im Gottesdienst auch andere Gaben geweiht, zum Beispiel Melonen, Maggipulver und anderes. Der Blick vom Dach des Seminarhauses Auch Granada war für mich sehr eindrucksvoll. Eine sehr große Stadt mit sehr viel Lautstärke und Gegensätzen. Gerade die Lautstärke hat mir als Dorfkind sehr zu schaffen gemacht, schon morgens um 4 Uhr fahren LKWs laut hupend und rumpelnd 3 22.09.2015 Nicaragua Rundbrief 1 Katharina durch die Straßen, Hunde bellen und Hähne krähen. Mittags hört und sieht man immer mal wieder Autos mit großen Boxen auf der Ladefläche, die für irgendetwas Werbung machen. Als die Woche langsam zur Neige ging, wurde ich auch zum ersten Mal in Nicaragua krank. Doch pünktlich zum Abschied von den Anderen wurde ich wieder gesund und konnte so zu meiner neuen Familie fahren. Meine Gastfamilie Die Straße zu dem Haus meiner Gastfamilie, innerhalb meines Aufenthaltes soll sie wohl neu gestaltet werden. Ich bin gespannt... Am Samstag der zweiten Woche fuhren wir mit einem privaten Bus los in Richtung Rivas. Nachdem alle erfolgreich bei Projekt oder Bus-/Schiffshaltestelle abgeliefert wurden, wurde auch ich als Vorletzte im Zentrum von Rivas bei Damaris, meiner neuen Chefin, abgesetzt. Dort wurde mir ein sehr freundlicher Empfang von Damaris und ihrem Mann Gerhard, welcher aus Deutschland kommt, bereitet. So fiel mir der Einstieg ins Spanische nicht besonders schwer, zumal ich bei Fragen immer mit Gerhard auf Deutsch sprechen konnte. 4 22.09.2015 Nicaragua Rundbrief 1 Katharina Nach einiger Zeit kam meine Gastfamilie zum Projekt, Damaris und Eliria (meine Gastmama) sind gute Freundinnen, um mich abzuholen. Mit Eliria kam ihre Tochter Astrid und ihre Enkeltochter Litzy. Astrid ist über 30 Jahre, ihre Schwester Wendy ebenfalls. Beide sind verheiratet und leben in Rivas, bzw. Astrid lebt die Woche über in Managua. Litzy ist Wendys Tochter, lebt aber bei Eliria, was sie irgendwie zu meiner Gastschwester macht. Sie hat noch einen kleinen Bruder, welcher Christopher heißt und den Tag über bei der anderen Oma im Dorf „San Jorge“ lebt, welches ca. 5 km von Rivas entfernt liegt. Es gibt noch eine Tochter in der Familie, welche in Miami (USA) lebt und eine Tochter hat. Im Haus lebt auch noch Elirias Mann Santos – mein Gastpapa. Er ist krank, kann deshalb nicht mehr arbeiten und ist somit immer im Haus. Mit ihm rede ich sehr oft, auch über Deutschland, Santos hat als Student mal einen Monat in Ostberlin verbracht. Das Haus von Eliria und Santos gefällt mir sehr. Es ist zwar recht klein, aber in dem einen Stockwerk ist alles enthalten. Ich habe ein eigenes Zimmer mit großem Bett, eigenem Bad, Schreibtisch und Fenster mit Fensterglas. Meine Gastfamilie hat auch einen Wassertank, weshalb wir eigentlich immer Wasser haben. Auch meine Wäsche muss ich nicht von Hand waschen, da es eine Waschmaschine im Haus gibt. Auch hier gibt es ähnliches Essen wie im Haus in Granada. Eigentlich steht immer Gallo Pinto auf dem Herd, Tortillas und Queso sind im Kühlschrank. Es gibt hier aber auch oft Nudeln, viel Gemüse und Suppen. Auch Platanos (Kochbananen) werden hier oft frittiert oder vom Straßenhändler (in dünne Streifen geraspelt) gekauft. Noch eine Überraschung für mich, dass diese Kochbananen mir sehr gut schmecken, denn „normale“ Bananen esse ich nicht. Allerdings sind Platanos auch nicht so süß und eher fest. Meine Gastmama achtet auch darauf, dass ich niemals Wasser aus dem Hahn trinke, weil dieses Wasser nicht sehr gesund ist. Generell gibt es auch immer Obst und Toastbrot. Eliria arbeitet morgens in einer Schule und mein Gastpapa Santos war früher Schulleiter oder Stellvertretender Schulleiter einer großen Schule neben meinem Projekt, die Litzy aktuell besucht. Jetzt ist er jedoch krank und deshalb in Rente, allerdings gibt er hier im Haus täglich Nachhilfestunden für alle möglichen Altersklassen. Wendy und Keiro, ihr Mann, leben zwar nicht im Haus von Eliria, aber arbeiten hier, weshalb sie tagsüber eigentlich immer da sind. Am Wochenende gehe ich oft mit 5 22.09.2015 Nicaragua Rundbrief 1 Katharina Wendy, Keiro und Litzy „arbeiten“. Wendy verkauft im Umland von Rivas Cremes und Parfüme und so habe ich schon „Peñas Blancas“, die Grenzstadt zu Costa Rica, kennengelernt und viel von der Region „Las Salinas“ am Meer gesehen. Mir gefällt meine Gastfamilie sehr und ich genieße jeden Tag mit meiner neuen Familie. Es gibt nicht immer etwas zu tun, aber in Litzy habe ich eine Schwester und Freundin gewonnen, die gut Englisch kann und mir immer hilft, wenn ich ein Wort nicht verstehe oder ein Wort auf Spanisch suche. Meine Arbeit mit ACDIR Auch in meinem Projekt fühle ich mich sehr wohl, die Arbeit macht mir richtig Spaß. Zu dem Projekt gehören Damaris und Gerhard, in ihrem Haus ist die Projektzentrale. Sie ist die Chefin und Gerhard ist ihr Mann. Er bezieht Rente in Deutschland, lebt aber seit 15 Jahren hier in Nicaragua. Damaris und Gerhard sind so ziemlich im gleichen Alter. Zudem arbeiten noch Reinhard, ebenfalls Rentner aus Deutschland und Milagros, Damaris' Schwiegertochter (29 Jahre), welche Landwirtschaftstechnikerin ist bei ACDIR mit. Die Tochter von Milagros ist meistens im Haus von Damaris. ACDIR beschäftigt sich mit Familien auf dem Land. Sie wollen verschiedene Bäume („Banco de Proteina“ [übersetzt: „Proteinbank“]) anpflanzen, welche in der Regenzeit Regen benötigen und in der Trockenzeit trotzdem wieder austreiben. Somit wollen sie die Nahrung für Mensch und Tier auch in der Trockenzeit sichern. Zudem kauft das Projekt die Samen vom Moringabaum auf, was den Familien ein zusätzliches Einkommen bringt. Natürlich unterliegen die Familien, die am Projekt teilnehmen, auch bestimmten Auflagen. So sollen sie zum Beispiel ihr Grundstück frei von Müll halten und die Bäume pflegen. Ein weiterer Schwerpunkt des Projekts liegt auf der Arbeit mit Frauen. So bekamen zum Beispiel die Frauen ein Tier überschrieben, falls sie ein Tier von ACDIR für gute Mitarbeit bekommen haben. 6 22.09.2015 Nicaragua Rundbrief 1 Katharina Das ist eine „Banco de Proteina“ wie sie aussehen soll. Meine Arbeit sieht momentan so aus, dass ich ca. zwei Tage die Woche damit verbringe, an einer Website für ACDIR zu arbeiten. Ich habe so schon gelernt, welche „Sprachen“ man zum Schreiben einer Website verwendet und bin auch schon einigermaßen weit gekommen, wobei natürlich noch viel fehlt, bis man die Website veröffentlichen kann. Die restlichen Tage verbringe ich damit, mit Milagros oder Gerhard ins „Campo“ (übersetzt: „Feld“) zu fahren und Familien zu besuchen, welche am Projekt teilnehmen. Das gefällt mir immer sehr, weil ich sehr viele interessante Bekanntschaften mache. Letzte Woche haben wir angefangen mit einem „Diagnostico“ (übersetzt: „Diagnoseblatt“) zu arbeiten, mit welchem wir die Lebenssituation der Familien erfassen wollen. Zudem soll uns dieses Dokument dabei helfen zu erfassen, inwieweit die Arbeit von ACDIR den Familien hilft. Wenn wir mit der Erfassung aller Daten fertig sind, strebt ACDIR ein gemeinsames Projekt mit dem Frauenhaus in Rivas an. 7 22.09.2015 Nicaragua Rundbrief 1 Katharina Katharina und Spanisch Auch die Sprache fällt mir schon nicht mehr ganz so schwer. Ich bekomme viel Unterstützung von Gerhard und Litzy. Bei Grammatikfragen kann ich auch stets jeden fragen und wenn ich etwas Falsches sage, werde ich sofort auf freundliche Art verbessert, so macht das Lernen einer Sprache definitiv mehr Spaß als in der Schule. Die aktuelle Situation in der Pazifikregion Nicaraguas Normalerweise ist in Nicaragua von Mai bis November/Dezember Regenzeit. Das bedeutet, dass es normal täglich mindestens eine Stunde regnet. In der Zeit von Juni/Juli bis Mitte/Ende September ist es laut Gerhard normalerweise immer trocken. Jetzt ist es aber so, dass es seit Jahren immer weniger geregnet hat und letztes Jahr ist die „erste Regenperiode“ ausgeblieben. Dieses Jahr sieht es so aus, als würden beide Regenperioden ausfallen. Das wäre sehr schlecht, da die „Campesinos“ (übersetzt: „Landwirte“) so weder Reis, noch Bohnen, noch „Trigo“ (übersetzt: „Korn“) anbauen können. Das treibt die Preise in die Höhe, was mich sehr gespannt auf das kommende Jahr schauen lässt. Ich bin zwar gegangen, hoffe aber mit diesem Brief nicht aus euren Gedanken verschwunden zu sein und schaue nun mit sehr viel Spannung und Vorfreude auf die nächsten Monate mit meiner Gastfamilie, den Leuten aus meinem Projekt und den anderen Freiwilligen. Bis bald…Katharina 8
© Copyright 2024 ExpyDoc