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Berufsgenossenschaft - Allgemeines
Inhaltsübersicht
1.
2.
3.
4.
5.
1
Allgemeines
Träger der gesetzlichen Unfallversicherung
Organisation
Leistungen
Rechtsprechungs-ABC
5.1 Abgrenzung: privater Lebensbereich
5.2 Alkoholeinwirkung
5.3 Arbeitgeberhaftung
5.4 Arbeitsunfall - 1
5.5 Arbeitsunfall - 2
5.6 Arbeitsunfall - 3
5.7 Arbeitsunfall - 4
5.8 Arbeitsunfall - 5
5.9 Arbeitsunfall - 6
5.10 Beschädigung von Hilfsmitteln
5.11 Beschäftigung gegen Entgelt?
5.12 Beweismaßstab
5.13 Einfühlungsverhältnis
5.14 Erkrankung nach betriebsärztlicher Grippeschutzimpfung
5.15 Festsetzung der Gefahrtarife
5.16 Haftungsprivilegierung - 1
5.17 Haftungsprivilegierung - 2
5.18 Haftungsprivilegierung - 3
5.19 Handlungstendenz - Änderung
5.20 HWS-Beschwerden
5.21 Illegale Beschäftigung
5.22 Mitbestimmung
5.23 Privates Telefonieren
5.24 Raucherpausen
5.25 Regressansprüche der BG
5.26 Rückweg vom Vorstellungsgespräch
5.27 Schmerzensgeld
5.28 Studenten
5.29 Unfallbetrieb
5.30 Unfallversicherungsmonopol - 1
5.31 Unfallversicherungsmonopol - 2
5.32 Vor- und Nachbereitungshandlungen
5.33 Wegeunfall - 1
5.34 Wegeunfall - 2
5.35 Weihnachtsfeier
5.36 Wie-Beschäftigter
5.37 Zwangsmitgliedschaft - 1
5.38 Zwangsmitgliedschaft - 2
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Information
1. Allgemeines
Der Gesetzgeber hat die gesetzliche Unfallversicherung im Siebten Buch des Sozialgesetzbuchs (=
SGB VII) verankert. Die SGB VII -Vorschriften regeln zunächst ihre Aufgaben und Leistungen. Das
Organisatorische - wer ist Versicherungsträger? wer ist zuständig? - wurde in den §§ 114 ff. SGB VII
untergebracht. Soweit nicht besondere Unfallkassen (z.B. für den öffentlichen Dienst oder die Landwirtschaft)
eingerichtet wurden, sind die gewerblichen Berufsgenossenschaften Träger der gesetzlichen
Unfallversicherung ( § 114 Abs. 1 Nr. 1 u. 2 SGB VII ). Sie sind einer der klassischen
Sozialversicherungszweige.
In der Anlage 1 zu § 114 SGB VII sind zurzeit immer noch 35 einzelne gewerbliche Berufsgenossenschaften
gelistet. Angefangen bei der Bergbau-Berufsgenossenschaft und endend bei der See-Berufsgenossenschaft.
Die tatsächliche Anzahl rechtlich selbstständiger gewerblicher Berufsgenossenschaften wurde in den letzten
Jahren durch Fusionen geringer - zurzeit gibt es nur noch neun (s. dazu das Stichwort
Berufsgenossenschaft - Zuständigkeit ).
Jeder große Wirtschaftszweig hatte seine "BG". Einzelheiten ergeben sich aus den Satzungen.
Berufsgenossenschaften sind rechtsfähige Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung (
§ 29 Abs. 1 SGB IV ). Aktuelle Hinweise und die Adressen aller BG können im Internet unter
http://www.dguv.de beim Spitzenverband Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung - DGUV abgerufen
werden.
2. Träger der gesetzlichen Unfallversicherung
Die Berufsgenossenschaften sind Träger der gesetzlichen Unfallversicherung ( § 114 Abs. 1 SGB VII ). Zu
den Aufgaben der gesetzlichen Unfallversicherung gehört es, nach SGB VII -Vorgaben
• mit allen geeigneten Mitteln Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten sowie arbeitsbedingte
Gesundheitsgefahren zu verhüten ( § 1 Nr. 1 SGB VII ) und
• nach Eintritt von Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten die Gesundheit und die Leistungsfähigkeit
der Versicherten mit allen geeigneten Mitteln wiederherzustellen und sie oder ihre Hinterbliebenen
durch Geldleistungen zu entschädigen ( § 1 Nr. 2 SGB VII ).
Prägend für die gewerbliche Unfallversicherung ist das Genossenschaftsprinzip. Damit wird die Haftpflicht
(zu den Ausnahmen s. §§ 106 ff. SGB VII ) des einzelnen Arbeitgebers abgelöst und die Erfüllung der den
Unternehmern als Zwangsmitglied der BG gegenüber ihren Mitarbeitern obliegenden Pflichten sichergestellt.
Die Solidargemeinschaft der Arbeitgeber bringt mit ihren Beiträgen die Mittel auf, die den Leistungskatalog
der BG finanzieren.
Gegen Bescheide der BG steht der Rechtsweg offen. Zunächst ist das Widerspruchsverfahren
durchzuführen ( § 83 ff. SGG ). Bleibt der Widerspruch erfolglos, muss eine Klage beim Sozialgericht
eingereicht werden ( §§ 54 ff. SGG ). Widerspruch und Klage haben im Regelfall aufschiebende Wirkung (
§ 86a Abs. 1 SGG ), die aber in einigen Fällen - zum Beispiel bei der Anforderung von Beiträgen - auch
ausgeschlossen sein kann ( § 86a Abs. 2 SGG ).
3. Organisation
Die Berufsgenossenschaften sind rechtsfähige Körperschaften des öffentlichen Rechts mit
Selbstverwaltung ( § 29 Abs. 1 SGB IV ). Die Grundsätze der Verfassung aller Sozialversicherungsträger
werden in den §§ 29 ff. SGB IV geregelt. Einzelne BG dürfen sich auf Beschluss ihrer
Vertreterversammlungen zu einer Berufsgenossenschaft vereinigen ( § 118 Abs. 1 Satz 1 SGB VII ).
Die gewerblichen BG sind für alle Unternehmen, d.h.
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• Betriebe,
• Einrichtungen,
• Tätigkeiten und
• Verwaltungen
zuständig, soweit sie nicht nach den §§ 123 ff. SGB VII (s. dazu Berufsgenossenschaft - Zuständigkeit )
• den landwirtschaftlichen BG ( §§ 123 f. SGB VII ) oder
• den Unfallversicherungsträgern der öffentlichen Hand ( §§ 125 ff. SGB VII )
zugewiesen sind ( § 121 Abs. 1 SGB VII ).
Die örtliche Zuständigkeit richtet sich in der Regel nach dem Sitz des Unternehmens ( § 130 Abs. 1
Satz 1 SGB VII ). Versichert sind gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII in erster Linie Beschäftigte, darüber hinaus
die in § 2 Abs. 1 Nr. 2 bis Nr. 17 , Abs. 1a bis 4 SGB VII genannten Personen. Die Satzung einer BG kann
vorsehen, dass der Unternehmer selbst und andere Personen versichert sind ( § 3 SGB VII ).
Beitragspflichtig ist der Arbeitgeber, nicht der Mitarbeiter ( § 150 SGB VII - s. dazu auch
Berufsgenossenschaft - Arbeitgeberpflichten ). Die Beitragshöhe richtet sich zum einen nach dem
Arbeitsentgelt der Versicherten ( §§ 153 ff. SGB VII ), zum anderen nach sogenannten Gefahrenklassen (
§§ 157 ff. SGB VII ). Wer als Arbeitgeber seinen Mitarbeitern Beiträge an die BG ganz oder teilweise auf das
Arbeitsentgelt anrechnet, begeht eine Ordnungswidrigkeit ( § 209 Abs. 2 SGB VII ). Weitere Erläuterungen
sind im Sozialversicherungslexikon hinterlegt.
4. Leistungen
Versicherte haben nach den SGB VII -Bestimmungen Anspruch auf:
• Heilbehandlung
• Leistungen der medizinischen Rehabilitation,
• Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und am Leben in der Gemeinschaft,
• ergänzende Leistungen,
• auf Leistungen bei Pflegebedürftigkeit sowie
• Geldleistungen.
Ein Arbeitnehmer, der
• infolge eines Versicherungsfalls arbeitsunfähig ist oder
• wegen einer Maßnahme der Heilbehandlung keine ganztägige Erwerbstätigkeit ausüben kann,
hat nach Maßgabe des § 45 SGB VII Anspruch auf Verletztengeld. Übergangsgeld wird gezahlt, wenn
Versicherte infolge des Versicherungsfalls Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben bekommen (
§ 49 SGB VII ). Unter den Voraussetzungen der §§ 56 ff. SGB VII hat die Berufsgenossenschaft eine Rente
zu zahlen.
Leistungen zur Heilbehandlung und Rehabilitation haben Vorrang vor Rentenleistungen ( § 26
Abs. 3 SGB VII ). Die BG hat möglichst frühzeitig mit geeigneten Mitteln
• den durch den Versicherungsfall verursachten Gesundheitsschaden zu beseitigen oder zu bessern,
seine Verschlimmerung zu verhüten und seine Folgen zu mildern ( § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII ),
• den Versicherten einen ihrer Neigung und Fähigkeiten entsprechenden Platz im Arbeitsleben zu
sichern ( § 26 Abs. 2 Nr. 2 SGB VII ),
• Hilfen zur Bewährung der Anforderungen des täglichen Lebens und zur Teilhabe am Leben in der
Gemeinschaft sowie zur Führung eines möglichst selbstständigen Lebens unter Berücksichtigung von
Art und Schwere des Gesundheitsschadens bereitzustellen ( § 26 Abs. 2 Nr. 3 SGB VII ),
• ergänzende Leistungen zur Heilbehandlung und zu Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und am
Leben in der Gemeinschaft zu erbringen ( § 26 Abs. 2 Nr. 4 SGB VII ),
• Leistungen bei Pflegebedürftigkeit zu erbringen ( § 26 Abs. 2 Nr. 5 SGB VII ).
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Die Berufsgenossenschaft bestimmt Art, Umfang und Durchführung der Heilbehandlung und der
Leistungen zur Teilhabe sowie die Einrichtungen, die diese Leistungen erbringen, im Einzelfall nach
pflichtgemäßem Ermessen ( § 26 Abs. 5 Satz 1 SGB VII ). Dabei prüft sie auch, welche Leistungen geeignet
und zumutbar sind, Pflegebedürftigkeit zu vermeiden oder zu vermindern ( § 26 Abs. 5 Satz 2 SGB VII ).
5. Rechtsprechungs-ABC
An dieser Stelle werden einige der wichtigsten Entscheidungen zum Thema Berufsgenossenschaften Allgemeines in alphabetischer Reihenfolge nach Stichwörtern geordnet hinterlegt:
5.1 Abgrenzung: privater Lebensbereich
Der vereinfachte Fall: Die freiwillig Unfallversicherte U arbeitete als Werbetexterin und Journalistin
überwiegend von zu Hause aus. Ihr Arbeitszimmer befand sich im ersten Obergeschoss ihres Wohnhauses.
Im August 2012 stürzte U auf der zwischen Erd- und Obergeschoss gelegenen Treppe. U gab an, es habe an
der Haustür geklingelt und sie zur Tür gehen wollen, um ein Paket mit Büromaterial entgegenzunehmen. Von
der Berufsgenossenschaft verlangte sie, den Sturz auf der Treppe als Arbeitsunfall anzuerkennen - was die
jedoch ablehnte.
Bei einem Unfall ist immer abzugrenzen, ob er sich im versicherten - betrieblichen - oder im
unversicherten - privaten - Bereich ereignete. Wege in einem vom Versicherten bewohnten Haus stehen
grundsätzlich nicht unter Versicherungsschutz. Die Außentür des Gebäudes bildet die Grenze. Anders ist es,
wenn sich in dem Wohnraum neben dem privaten auch ein Arbeitsbereich befindet. Dann muss beurteilt
werden, ob der Weg, den der Versicherte geht, im inneren - sachlichen - Zusammenhang mit der
versicherten Tätigkeit steht und dieser Tätigkeit zugerechnet werden kann. Dabei kommt es dann nicht auf die
subjektive Willensrichtung des Verletzten an: In dem Paket, das U entgegennehmen wollte, waren
Kaffeekapseln. Damit steht hier unter objektiven Gesichtspunkten die private Handlungstendenz im
Vordergrund - nicht die betriebliche (LSG Baden-Württemberg, 09.02.2015 - L 1 U 1882/14) .
5.2 Alkoholeinwirkung
Sachverhalt: Der Versicherte verunglückte auf dem Heimweg von der Arbeit. Er hatte zum Unfallzeitpunkt
eine rückgerechnete Blutalkoholkonzentration von 2,8 Promille. Soll dieser Unfall als Wegeunfall
anerkannt werden, muss der Tod des Versicherten nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB "infolge einer den
Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 [SGB VII] begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit)"
eingetreten sein. Unfallursache muss die "versicherte Tätigkeit" sein. Das Risiko eines Wegeunfalls schützt
Versicherte aber nur gegen die Gefahren für Leben und Gesundheit, "die sich während der gezielten
Fortbewegung im Verkehr aus eigenem, gegebenenfalls auch verbotswidrigem Verhalten, dem
Verkehrshandeln anderer Verkehrsteilnehmer oder Einflüssen auf das versicherte Zurücklegen des Weges
ergeben, die aus dem benutzten Verkehrsraum oder Verkehrsmittel auf die Fortbewegung wirken." "Die
Wegeunfallversicherung schützt nicht gegen Gefahren, die sich erst und allein aus dem Alkoholkonsum
ergeben" ( BSG, 13.11.2012 - B 2 U 119/11 R - Leitsatz - mit dem Ergebnis, dass hier kein Anspruch auf
Hinterbliebenenrente bestand).
5.3 Arbeitgeberhaftung
Bereits die Reichsversicherungsordnung (RVO) kannte ein Haftungsprivileg des Arbeitgebers, das dort in
§ 636 Abs. 1 geregelt war (= heute § 104 SGB VII ). § 636 RVO verlangte ein doppeltes Verschulden, bei
dem sich der Vorsatz sowohl auf die Verletzungshandlung als auch auf den Verletzungserfolg erstrecken
musste. Dabei indizierte der Verstoß gegen die zugunsten von Arbeitnehmern bestehenden Schutzpflichten
noch keinen Vorsatz in Bezug auf die Herbeiführung des Arbeitsunfalls. "Es verbietet sich, die vorsätzliche
Pflichtverletzung mit einer ungewollten Unfallfolge mit einem gewollten Arbeitsunfall oder einer gewollten
Berufskrankheit gleichzusetzen."
Aber: Es gibt keinen allgemeinen Erfahrungssatz, "dass derjenige, der vorsätzlich eine zugunsten des
Arbeitnehmers bestehende Schutzvorschrift missachtet, eine Schädigung oder eine mögliche
Berufskrankheit des Arbeitnehmers nicht billigend in Kauf nimmt". Entscheidend sind die Umstände des
Einzelfalls - auch wenn ein Arbeitgeber in der Regel darauf hofft, dass schon nichts passieren wird. Dabei
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kann es durchaus naheliegen, "dass der Schädiger einen pflichtwidrigen Erfolg gebilligt hat, wenn er sein
Vorhaben trotz starker Gefährdung des betroffenen Rechtsguts durchführt, ohne auf einen glücklichen
Ausgang vertrauen zu können, und es dem Zufall überlässt, ob sich die von ihm erkannte Gefahr verwirklicht
oder nicht" ( BAG, 26.06.2013 - 8 AZR 471/12 - in einem Fall, in dem der Arbeitgeber seinen Mitarbeiter in
einem asbestbelasteten Gebäude Sanierungsarbeiten durchführen ließ).
5.4 Arbeitsunfall - 1
Nach § 2 Abs. 1 Nr. 14 SGB VII sind auch Personen durch die gesetzliche Unfallversicherung geschützt, die
nach den Bestimmungen des SGB II oder SGB III der Meldepflicht unterliegen. wenn sie einer besonderen,
an sie im Einzelfall gerichteten Aufforderung einer Dienststelle der Bundesagentur für Arbeit nachkommen,
diese oder eine andere Stelle aufzusuchen. Sinn und Zweck der Regelung in § 2 Abs. 1 Nr. 14 SGB VII ist es,
auch den Personen Schutz durch die gesetzliche Unfallversicherung zu geben, die sich aufgrund eines
bestehenden öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses nicht ohne rechtliche Nachteile einer konkreten
Meldepflicht entziehen können. Das ist auch bei Teilnehmern an einer AB-Maßnahme der Fall ( BSG,
05.02.2008 - B 2 U 25/06 R ).
5.5 Arbeitsunfall - 2
Eine gegen Arbeitsunfälle versicherte Tätigkeit ist auch das mit einer versicherten Tätigkeit
zusammenhängende Befördern eines Arbeitsgeräts, wenn dies auf Veranlassung des Unternehmers
erfolgt, § 8 Abs. 2 Nr. 5 SGB VII . Erteilt der Arbeitgeber seinem Mitarbeiter die Anweisung, von seinem
Arbeitsplatz nach Hause zu fahren, um von dort einen Winkelschleifer zu holen, den der Arbeitnehmer zuvor
privat in Gebrauch hatte, ist das keine private Verrichtung, sondern eine versicherte Tätigkeit. Beförderung
im Sinn des § 8 Abs. 2 Nr. 5 SGB VII liegt aber nur vor, wenn der Beförderungszweck des Arbeitsgeräts die
bloße Fortbewegung des Arbeitnehmers so beherrscht, dass letztere dahinter als nebensächlich zurücktritt (
LSG Hessen, 12.02.2008 - L 3 U 115/05 ).
5.6 Arbeitsunfall - 3
In der gesetzlichen Pflichtversicherung sind über § 2 Abs. 1 Nr. 14 SGG VII kraft Gesetzes unter anderem
Personen versichert, die nach den Vorschriften des SGB II oder SGB III der Meldepflicht unterliegen, wenn
sie in einer besonderen, an sie im Einzelfall gerichteten Aufforderung einer Dienststelle der Bundesagentur
für Arbeit diese oder eine andere Stelle aufsuchen. Wenn ein Arbeit Suchender so einer - immerhin
sanktionsbewehrten - Aufforderung nachkommt, sich bei dem in der Aufforderung benannten Arbeitgeber
persönlich vorzustellen, ist das ein Fall des § 2 Abs. 1 Nr. 14 SGG VII . Das Gleiche gilt, wenn der Arbeit
Suchende den potenziellen Arbeitgeber kurz nach dem ersten Vorstellungsgespräch wegen noch offener
Punkte erneut aufsucht ( LSG Sachsen-Anhalt, 21.02.2008 - L 6 U 31/05 ).
5.7 Arbeitsunfall - 4
§ 105 Abs. 1 SGB VII sieht bei Arbeitsunfällen eine Haftungsbeschränkung auch dann vor, wenn der
Arbeitsunfall von "Versicherten desselben Betriebs" verursacht wurde und diese Versicherten ihn nicht
vorsätzlich herbeigeführt haben. Dabei wird von Rechts wegen nicht verlangt, dass Schädiger und
Geschädigter "Arbeitnehmer desselben Arbeitgebers" waren. Er reicht schon aus, wenn der ansonsten bei
einem anderen Arbeitgeber beschäftigte Geschädigte in den Betrieb eingegliedert war - wofür es ausreicht,
dass er wie ein Beschäftigter dieses Betriebs tätig geworden ist ( BAG, 19.02.2009 - 8 AZR 188/08 - zu
einem Fall, in dem ein Arbeitnehmer einem anderen Arbeitgeber für Montagearbeiten überlassen worden
war).
5.8 Arbeitsunfall - 5
Nimmt ein Arbeitnehmer (von 17 der insgesamt 110 Beschäftigten) im Zusammenhang mit einer
betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung, zusammen mit betriebsfremden Dritten an einer Ballonfahrt
teil und verletzt er sich dabei, dann steht die unfallbringende Ballonfahrt in keinem sachlichen
Zusammenhang mit der Beschäftigung dieses Arbeitnehmers. Voraussetzung für die Annahme eine
betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung ist, "dass der Arbeitgeber zu ihr alle Betriebsangehörigen - oder bei
Gemeinschaftsveranstaltungen für organisatorisch abgegrenzte Abteilungen des Betriebes alle Angehörigen
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dieser Abteilung - einlädt und damit auch der Wunsch des Arbeitgebers deutlich werde, dass sich möglichst
alle Beschäftigten freiwillig zu einer Teilnahme entschließen" ( BSG, 22.09.2009 - B 2 U 4/08 R ).
5.9 Arbeitsunfall - 6
Will man einen Arbeitsunfall annehmen, muss die Verrichtung, bei der sich der Unfall ereignet hat, der
versicherten Tätigkeit zugerechnet werden. Insoweit ist die Einnahme von Mahlzeiten auch während einer
zwischen zwei Arbeitseinsätzen liegenden Pause keine versicherte Tätigkeit. Die Nahrungsaufnahme ist ein
Grundbedürfnis eines jeden Menschen, bei dem betriebliche Belange regelmäßig zurücktreten. Daher liegt
auch in einem Fall, in dem ein Arbeitnehmer, der um die Mittagszeit in der Werkskantine seines Arbeitgebers
mit einem Tablett in der Hand auf Salatsoße ausrutscht, stürzt und sich dabei verletzt, kein Arbeitsunfall vor (
SozG Heilbronn, 26.03.2012 - S 5 U 1444/11 - mit dem Hinweis, dass dem Arbeitnehmer möglicherweise
zivilrechtliche Schadensersatzansprüche gegen den Arbeitgeber zustehen).
5.10 Beschädigung von Hilfsmitteln
Bei Gesundheitsschäden, die Arbeitnehmer infolge von Arbeitsunfällen erleiden, greift der gesetzliche
Unfallversicherungsschutz ( § 8 Abs. 1 SGB VII ). "Als Gesundheitsschaden " gilt nach § 8 Abs. 3 SGB VII
"auch die Beschädigung oder der Verlust eines Hilfsmittels." Voraussetzung für den Ersatz beschädigter oder
verlorener Hilfsmittel ist allerdings, dass dieses Hilfsmittel bei Eintritt des Versicherungsfalls
bestimmungsgemäß am Körper eingesetzt war. Das wiederum setzt voraus, dass der Versicherte das
Hilfsmittel zurzeit der Einwirkung auf seinen Körper in funktionsmäßigem Gebrauch in oder an seinem Körper
getragen hat. Rutscht ein Arbeitnehmer auf dem Heimweg von der Arbeitsstätte aus und fällt er auf eine
Tasche, in der sich das Brillenetui mit seiner Lesebrille befindet, ist das kein Fall des § 8 Abs. 3 SGB VII ( SG
Karlsruhe, 12.12.2013 - S 1 U 3461/13 ).
5.11 Beschäftigung gegen Entgelt?
§ 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII sieht die Versicherungspflicht von "Beschäftigten" vor. Wann eine Beschäftigung
vorliegt, steht in § 7 Abs. 1 SGB IV : "Beschäftigung ist die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in
einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine
Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers." Die Frage, ob der Weisungsgeber seinen
Arbeitnehmern ein Entgelt für ihre Tätigkeit zahlt, ist für die Annahme einer Beschäftigung i.S.d. § 2 Abs. 1
Nr. 1 SGB VII oder i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV unerheblich (s. dazu auch BSG, 26.06.1980 - 8a RU 48/79
und BSG, 30.06.2009 - B 2 U 3/08 R sowie BSG, 14.11.2013 - B 2 U 15/12 R ). Die Zahlung von
"Arbeitsentgelt setzt das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses voraus, begründet ein solches aber
nicht." So kann denn auch bei einer ohne Entgeltzahlung vorliegenden wirtschaftlichen Abhängigkeit eine
Beschäftigung vorliegen: "1. Eine Handballspielerin kann während des Trainings in der gesetzlichen
Unfallversicherung versichert sein, wenn sie Beschäftigte eines das Management ihrer Mannschaft
betreibenden Vereins ist. 2. Die Zahlung eines Entgelts ist keine zwingende Voraussetzung für den
Versicherungsschutz von Sportlerinnen und Sportlern" ( BSG, 23.04.2015 - B 2 U 5/14 R Leitsätze).
5.12 Beweismaßstab
Für die Beweiswürdigung der Tatsacheninstanz gilt bei einem behaupteten Arbeitsunfall, dass die Tatsachen
für die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung zur Zeit des Unfalls", "Unfallereignis" und
"Gesundheitsschaden" im Grad eines Vollbeweises (= mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit) für
das Gericht feststehen müssen. Für den Nachweis der naturphilosophischen Ursachenzusammenhänge
zwischen diesen Voraussetzungen genügt der Grad der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit - also weder
Glaubhaftmachung noch bloße Möglichkeit. "Erleidet ein in der gesetzlichen Unfallversicherung Versicherter
unter ungeklärten Umständen einen Gesundheitsschaden, liegt kein Arbeitsunfall vor, wenn er nicht in einem
engen zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit der Verrichtung der versicherten Tätigkeit verunglückt ist" (
BSG, 31.01.2012 - B 2 U 2/11 R ).
5.13 Einfühlungsverhältnis
Die gesetzliche Unfallversicherung knüpft in § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII an das Tatbestandsmerkmal
"Beschäftigte" an. Wer "beschäftigt" ist, wird in § 7 Abs. 1 SGB IV definiert. Auch ohne Arbeitsverhältnis
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kann eine Beschäftigung bejaht werden, "wenn der Verletzte sich in ein fremdes Unternehmen eingliedert
und seine konkrete Handlung sich dem Weisungsrecht eines Unternehmers insbesondere in Bezug auf
Zeit, Dauer, Ort und Art der Verrichtung unterordnet". Dabei ist die Zahlung von Arbeitsentgelt kein
entscheidender Faktor: Es kommt auf "die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird" an (1) .
Im entschiedenen Fall hatte sich ein arbeitsloser SGB II-Leistungsbezieher um eine Stelle als
Briefausträger beworben. Mit dem Unternehmen vereinbarte er, dass er in den ersten drei Tagen jeweils
sechs Stunden täglich als Postzusteller ohne Anspruch auf Entgelt eingesetzt werden sollte. Am letzten
Tag der Einarbeitungsphase wurde der Leistungsbezieher beim Austragen der Post von einem Hund
angefallen, stürzte und zog sich einen komplizierten Schienbeinkopfbruch zu. Die BG weigerte sich, den
Unfall als Arbeitsunfall anzuerkennen. Der Verunglückte sei kein "Beschäftigter" bzw. "Wie-Beschäftigter".
Das BSG meint dazu: "Wird mit der unfallbringenden Verrichtung einer sich aus einem zuvor begründeten
Rechtsverhältnis ergebende Hauptpflicht erfüllt, liege keine bloße [nicht versicherte eigenwirtschaftliche]
Anbahnung eines Beschäftigungsverhältnisses (mehr) vor" ( BSG, 14.11.2013 - B 2 U 15/12 R ).
5.14 Erkrankung nach betriebsärztlicher Grippeschutzimpfung
Arbeitnehmerin N war im Publikumsverkehr eines Museums beschäftigt. Sie nahm an einer vom
Arbeitgeber angebotenen Grippeschutzimpfung teil - und erkrankte nach der Impfung an einem
Guillain-Barré-Syndrom. Die Erkrankung wurde zwar als Impfschaden anerkannt. Die Berufsgenossenschaft
weigerte sich jedoch, die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Arbeitnehmerin als Arbeitsunfall
anzuerkennen. Auch wenn eine Impfung grundsätzlich geeignet ist, einen Arbeitsunfall i.S.d. SGB VII
darzustellen: Für die Folgen einer Grippeschutzimpfung muss die Berufsgenossenschaft nicht aufkommen.
Diese Maßnahme zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit ist dem nicht versicherten
Privatbereich zuzuordnen. Etwas anderes könnte man nur annehmen, wenn die Gefährdung, die mit der
Tätigkeit verbunden ist, eine Grippeschutzimpfung über die allgemeine Gesundheitsfürsorge hinaus
erforderlich mache - was bei einer Museumsmitarbeiterin im Publikumsverkehr nicht anzunehmen sei ( SG
Dortmund, 05.08.2015 - S 36 U 818/12 ).
5.15 Festsetzung der Gefahrtarife
Die Beiträge der gesetzlichen Unfallversicherer richten sich u.a. nach dem so genannten Gefahrtarif. Dieser
Gefahrtarif wird von den Unfallversicherungsträgern "als autonomes Recht" festgesetzt, § 157 Abs. 1
Satz 1 SGB VII . Der Vertreterversammlung des Unfallversicherungsträgers steht dabei "ein autonom
auszufüllendes Rechtsetzungsrecht" zu. "Den Unfallversicherungsträgern als ihre Angelegenheiten selbst
regelnde öffentlich-rechtliche Körperschaften ist hierbei ein Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum
eingeräumt, soweit sie innerhalb der ihnen erteilten gesetzlichen Ermächtigung autonomes Recht setzen".
Prüfungsmaßstab für die Rechtmäßigkeit eines Gefahrtarifs sind das SGB VII (und dort insbesondere
§ 157 SGB VII ) sowie die tragenden Grundsätze des Unfallversicherungsrechts sowie das höherrangige
Recht. Die Gerichte sind nicht befugt, zu prüfen, ob der Gefahrtarif die zweckmäßigste, vernünftigste oder
gerechteste Regelung trifft. "Die Abwägung zwischen mehreren, für die eine oder andere Regelung bei der
Ausgestaltung des Gefahrtarifs sprechenden Gesichtspunkte und die Entscheidung hierüber obliegt dem zur
autonomen Rechtsetzung berufenen Organ des Unfallversicherungsträgers" ( BSG, 11.04.2013 - B 2 U 4/12 mit dem Hinweis, dass der Unfallversicherungsträger im Rahmen der vorgezeichneten Regelungsbefugnis
selbst bestimmen kann, welche und wie viele Tarifstellen der Gefahrtarif enthalten soll).
5.16 Haftungsprivilegierung - 1
Wirken Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen oder Unternehmen des Zivilschutzes zusammen oder
verrichten Versicherte mehrerer Unternehmen vorübergehend betriebliche Tätigkeit auf einer gemeinsamen
Betriebsstätte, gelten die §§ 104 , 105 SGB VII auch für die Ersatzpflicht der für die beteiligten
Unternehmen Tätigen untereinander ( § 106 Abs. 3 SGB VII ). Das heißt: "Die Haftungsprivilegierung im
Sinne des § 106 Abs. 3, 3. Alternative SGB VII gilt auch gegenüber dem geschädigten versicherten
Unternehmer, der freiwillig oder kraft Satzung versichert ist" ( BGH, 17.06.2008 - VI ZR 257/06 Leitsatz - mit
dem Erfolg, dass der verletzte Unternehmer weder gegen den Arbeitgeber des schädigenden Mitarbeiters
noch gegen den Arbeitnehmer selbst einen Anspruch auf Schadensersatz hat).
5.17 Haftungsprivilegierung - 2
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"a) Besteht zwischen mehreren Schädigern ein Gesamtschuldverhältnis, können Ansprüche des
Geschädigten gegen einen Gesamtschuldner (Zweitschädiger) auf den Betrag beschränkt sein, der auf
diesen im Innenverhältnis zu dem anderen Gesamtschuldner (Erstschädiger) endgültig entfiele, wenn die
Schadensverteilung nach § 426 BGB nicht durch eine sozialversicherungsrechtliche Haftungsprivilegierung
des Erstschädigers gestört wäre."
"b) Die unanfechtbare Entscheidung des für den Verleiher zuständigen Versicherungsträgers, in der der
Unfall eines auf Grund eines wirksamen Vertrags entliehenen Arbeitnehmers im Unternehmen des Entleihers
als Arbeitsunfall anerkannt wird, hindert die Zivilgerichte nicht, den Unfall haftungsrechtlich dem
Unternehmen des Entleihers zuzuordnen und diesen gemäß § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII als
haftungsprivilegiert anzusehen. c) Die durch eine sozialversicherungsrechtliche Haftungsprivilegierung des
Erstschädigers bewirkte Störung des Gesamtschuldverhältnisses wird nicht dadurch "ausgeglichen", dass
dem aus übergegangenem Recht klagenden Sozialversicherungsträger ein Rückgriffsanspruch aus § 110
Abs. 1 SGB VII gegen den Erstschädiger zusteht" ( BGH, 18.11.2014 - VI ZR 47/13 Leitsätze a) bis c)).
5.18 Haftungsprivilegierung - 3
Arbeitgeber sind nach dem SGB VII nur dann zum Ersatz eines Personenschadens verpflichtet, wenn sie den
Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 versicherten Weg herbeigeführt
haben. Bei einem Leiharbeitsverhältnis ist ein Arbeitsunfall haftungsrechtlich auch dem Arbeitgeber
zuzuordnen, der den Verletzten zum Unfallzeitpunkt in seinem Betrieb (hier: auf einer Baustelle) als ein ihm
überlassener Leiharbeitnehmer eingesetzt und damit für ihn als Versicherten beschäftigt hat. Und das gilt
unabhängig von dem Umstand, dass die für das Unternehmen des Verleihers zuständige
Berufsgenossenschaft den Unfall des Geschädigten bereits als Arbeitsunfall anerkannte: "Die unanfechtbare
Entscheidung des für den Verleiher zuständigen Versicherungsträgers, in der der Unfall eines - auf Grund
eines wirksamen Vertrags - entliehenen Arbeitnehmers ( § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG ) im Unternehmen des
Entleihers als Arbeitsunfall anerkannt wird, hindert die Zivilgerichte nicht, den Unfall haftungsrechtlich dem
Unternehmen des Entleihers zuzuordnen und diesen als haftungsprivilegiert anzusehen" ( BGH, 18.11.2014 VI ZR 141/13 Leitsatz).
5.19 Handlungstendenz - Änderung
Der Weg zur Arbeitsstätte und von der Arbeitsstätte wieder zurück nach Hause ist bei Arbeitnehmern
gesetzlich gegen so genannte Wegeunfälle versichert ( § 8 Abs. 2 SGB VII ). Nun ist es nicht gerade selten,
dass Arbeitnehmer ihren berufs- oder arbeitsbedingten Hin- oder Rückweg unterbrechen, um etwas
Privates zu erledigen.Sie treten den Weg zunächst mit dem Bewusstsein an, auf direktem Weg zum Betrieb
bzw. nach Hause zu fahren. Sobald die Handlungstendenz jedoch geändert wird, gilt: "Wird der Weg zu oder
von der Arbeitsstätte durch eine private Besorgung mehr als nur geringfügig unterbrochen, besteht während
der Unterbrechung kein Versicherungsschutz. Dieser setzt erst wieder ein, wenn die eigenwirtschaftliche
Tätigkeit beendet ist und die Handlungstendenz auch nach außen erkennbar wieder darauf gerichtet ist, den
ursprünglichen, versicherten Weg wieder aufzunehmen" ( BSG, 04.07.2013 - B 2 U 3/13 R - zu einem Fall, in
dem der versicherte Arbeitnehmer seinen Heimweg unterbrach, um an einem Stand an der Straße Erdbeeren
zu kaufen).
5.20 HWS-Beschwerden
Berufsgeiger bekommen infolge der so genannten "Schulter-Kinn-Zange" beim Halten des Instruments im
Lauf der Zeit Probleme mit ihrer Halswirbelsäule. Trotzdem werden diese Probleme von der
Berufsgenossenschaft nicht als Berufskrankheit anerkannt. Zum einen stehen diese Beschwerden nicht als
Berufskrankheit in der BK-Liste. Zum anderen handelt es sich auch nicht um eine "Wie"-Berufskrankheit i.S.d.
§ 9 Abs. 2 SGB VII : Es gibt noch keine ausreichenden medizinischen Kenntnisse darüber, dass die
"Schulter-Kinn-Zange" geeignet ist, bei Berufsgeigern Halswirbelsäulenbeschwerden auszulösen. Es reicht
nicht aus, dass der Ursachenzusammenhang nur von einzelnen Medizinern angenommen wird ( BSG,
18.06.2013 - B 2 U 3/12 R - mit dem Hinweis, dass eine Mehrheit von Sachverständigen, die auf diesem
Gebiet über besondere Erfahrungen und Erkenntnisse verfügen, zu derselben wissenschaftlich fundierten
Meinung gelangt sein muss).
5.21 Illegale Beschäftigung
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Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII sind "Beschäftigte" kraft Gesetzes unfallversichert. Bei der gesetzlichen
Unfallversicherung kommt es nicht darauf an, ob die Beschäftigung legal oder illegal erfolgt. Nach § 7
Abs. 2 SGB VII schließt "Verbotswidriges Handeln .. einen Versicherungsfall nicht aus". Das bedeutet, dass
auch eine "Schwarz"-Beschäftigung in den SGB VII -Schutzbereich fällt und die Berufsgenossenschaft für
den Arbeitsunfall eines illegal Beschäftigten - hier: serbischer Staatsangehöriger mit Touristenvisum ohne
Arbeitserlaubnis - eintreten muss ( LSG Hessen, 30.09.2011 - L 9 U 46/10 ).
5.22 Mitbestimmung
Der Betriebsrat hat nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG mitzubestimmen, wenn der Arbeitgeber die Absicht hat,
nach § 3 Abs. 2 ArbSchG Arbeitsschutzmaßnahmen durchzuführen und eine entsprechende Organisation
aufzubauen. § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG erfasst seinem Wortlaut nach "Regelungen über die Verhütung von
Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen
Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften". Die Mitbestimmung setzt allerdings voraus, dass der
Arbeitgeber bei der Regelung einen Gestaltungsspielraum hat. Diesen Gestaltungsspielraum lässt § 3
Abs. 2 ArbSchG zu - er schreibt dem Arbeitgeber kein bestimmtes Modell für die Umsetzung vor, sondern
zeigt einen Rahmen auf, an dem er sich orientieren kann ( BAG, 18.03.2014 - 1 ABR 73/12 ).
5.23 Privates Telefonieren
Verlässt ein Lagerarbeiter seinen Arbeitsplatz, um auf der Laderampe privat mit seiner Ehefrau zu
telefonieren, verliert er seinen gesetzliche Unfallschutz. Mitentscheidend kommt es auf die
Handlungstendenz des Arbeitnehmers an. Dabei ist die Frage zu beantworten, ob er mit seinem Tun eine
dem Beschäftigungsunternehmen dienende Verrichtung ausüben wollte. Hier hat der verunglückte
Arbeitnehmer extra seinen Arbeitsplatz verlassen, um ein privates Telefonat mit seiner Frau zu führen - eine
Handlung, die ausschließlich eigennützigen Zwecken dient. Das wiederum hat zur Folge, dass für die
ausschließlich zu privaten Zwecken erfolgte Unterbrechung der versicherten Tätigkeit kein SGB VII
-Versicherungsschutz besteht ( LSG Hessen, 17.09.2013 - L 3 U 33/11 ).
5.24 Raucherpausen
§ 8 Abs. 1 SGB VII gewährt Arbeitnehmern Schutz gegen Arbeitsunfälle. Arbeitsunfälle sind "Unfälle von
Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte
Tätigkeit)." Auch oder gerade wenn Arbeitnehmer innerhalb der Betriebsgebäude nicht rauchen dürfen und
deswegen zum Rauchen nach draußen gehen müssen: Rauchen ist keine versicherte Tätigkeit. Und eine
Raucherpause ist keine notwendige Handlung des Arbeitnehmers, mit der er seine Arbeitskraft wiederherstellt
- selbst dann nicht, wenn man von einer gesteigerten Nikotinabhängigkeit ausgeht. Insoweit liegt kein
Arbeitsunfall vor, wenn eine Pflegehelferin bei Rückkehr aus ihrer Raucherpause mit einem Haushandwerker
zusammenstößt ( SG Berlin, 23.01.2013 - S 68 U 577/12 ).
5.25 Regressansprüche der BG
Überlässt ein Arbeitgeber vorübergehend einem anderen Unternehmen Arbeitskräfte zur Durchführung von
Montagearbeiten auf einer Baustelle, ist der Vorgesetzte dieser Mitarbeiter dort verpflichtet, den entliehenen
Kräften keine Tätigkeiten zuzuweisen, bei denen die Gefahr von Gesundheitsschäden besteht, weil die von
der Berufsgenossenschaft vorgeschriebenen Schutzmaßnahmen nicht eingehalten werden. Arbeiten die
Leihkräfte ungesichert auf einem Dach, kann das dazu führen, dass der gesetzliche Unfallversicherungsträger
bei dem Vorgesetzten wegen der unfallbedingten Leistungen an geschädigte Versicherte Regress nimmt.
Dabei wird die Haftung des Vorgesetzten nicht durch die Grundsätze der eingeschränkten
Arbeitnehmerhaftung eingeschränkt ( OLG Koblenz, 22.05.2014 - 2 U 574/12 ).
5.26 Rückweg vom Vorstellungsgespräch
Nach § 2 Abs. 1 Nr. 14 lit. a) SGB VII sind auch die Personen gesetzlich unfallversichert, die nach SGB-IIoder SGB-III-Vorschriften der Meldepflicht unterliegen, "wenn sie einer besonderen, an sie im Einzelfall
gerichteten Aufforderung der Bundesagentur für Arbeit, des nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Zweiten
Buches zuständigen Trägers oder eines nach § 6a des Zweiten Buches zugelassenen kommunalen Trägers
nachkommen, diese oder eine andere Stelle aufzusuchen." Mit "andere Stelle" i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 14 lit. a)
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SGB VII ist auch ein Arbeitgeber gemeint, bei dem sich der Leistungsempfänger vorstellen soll. Dabei
umfasst die Aufforderung der Bundesagentur, sich bei einem bestimmten Arbeitgeber zu bewerben, auch
persönliche Vorstellung des Leistungsempfängers bei diesem Arbeitgeber (auch wenn die Bundesagentur ihn
dazu nicht ausdrücklich aufgefordert hat). Erleidet der dann auf dem Rückweg vom potenziellen Arbeitgeber
einen Unfall, ist das ein Wegeunfall i.S.d. § 8 SGB VII , der vom gesetzlichen Unfallschutz erfasst wird ( SG
Konstanz, 26.11.2014 - S 11 U 1929/14 ).
5.27 Schmerzensgeld
Unternehmer sind den Versicherten, die für ihre Unternehmen tätig sind, nach anderen gesetzlichen
Vorschriften nur dann zum Ersatz des Personenschadens, den ein Versicherungsfall verursacht hat, nach
§ 104 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VII nur verpflichtet, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich
herbeigeführt haben. Wird eine Tierarzthelferin während der Behandlung eines Tieres von diesem gebissen,
kann sie von ihrem Arbeitgeber kein Schmerzensgeld verlangen. Man kann dem Arbeitgeber auch keinen
bedingten Vorsatz unterstellen, weil er nicht billigend in Kauf genommen hat, dass seine Mitarbeiterin bei
der Behandlung des Tieres - hier: Kastration eines Katers - gebissen würde ( LAG Hessen, 14.07.2009 - 13
Sa 2141/08 ).
5.28 Studenten
Der Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 8c SGB VII (früher: § 539 Abs. 1 Nr. 14d RVO ) setzt
grundsätzlich eine Zulassung durch die Hochschule, in aller Regel eine Immatrikulation, voraus.
Mitglieder der Hochschule sind - u.a. - die eingeschriebenen Studenten. "Das Erfordernis einer
Hochschulzulassung für den Versicherungsschutz als Studierender entspricht der Systematik des
Versicherungsschutzes sonstiger Personen in der gesetzlichen Unfallversicherung, die sich aus- und
fortbilden, denn dieser Schutz erstreckt sich grundsätzlich nur auf an einer bestimmten Lehrstätte Lernende.
Unter Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung stand und stehen Teilnehmende an einer
Aus- und Fortbildung nur, soweit Letztere mit Anbindung an eine Ausbildungsstätte stattfindet" ( BSG,
13.02.2013 - B 2 U 24/11 R - und zugleich Bestätigung von LSG Rheinland-Pfalz, 14.07.2011 - L 5 U 240/10
).
5.29 Unfallbetrieb
§ 105 SGB VII sieht eine "Beschränkung der Haftung anderer im Betrieb tätiger Personen" vor - es sei
denn, der Versicherungsfall wurde vorsätzlich herbeigeführt oder es handelt sich um einen Wegeunfall. Beim
Werkverkehr gilt: "Diente die Tätigkeit des Schädigers sowohl dem Interesse des Unfallbetriebs als auch
dem seines eigenen bzw. seines Stammunternehmens, kann sie dem Unfallbetrieb nur dann im Sinne des
§ 105 Abs. 1 Satz 1 SGB VII zugeordnet werden, wenn sie der Sache nach für diesen und nicht für das
eigene Unternehmen geleistet wurde (Leitsatz b)." Bei einer gemeinsamen Betriebsstätte gibt es ein
unternehmensübergreifendes Haftungsprivileg nach § 106 Abs. 3 Fall 3 SGB VII . Aber: "Nach der gefestigten
Rechtsprechung des erkennenden Senats erfasst der Begriff der 'gemeinsamen Betriebsstätte'
betriebliche Aktivitäten von Versicherten mehrerer Unternehmen, die bewusst und gewollt bei einzelnen
Maßnahmen ineinandergreifen, miteinander verknüpft sind, sich ergänzen oder unterstützen, wobei es nicht
ausreicht, dass die gegenseitige Verständigung stillschweigend durch bloße Tun erfolgt. Erforderlich ist ein
bewusstes Miteinander im Betriebsablauf, das sich zumindest tatsächlich als ein aufeinander bezogenes
betriebliches Zusammenwirken mehrerer Unternehmen darstellt. Die Tätigkeit der Mitwirkenden muss im
faktischen Miteinander der Beteiligten aufeinander bezogen, miteinander verknüpft oder auf gegenseitige
Ergänzung und Unterstützung ausgerichtet sein" ( BGH, 30.04.2013 - VI ZR 155/12 ).
5.30 Unfallversicherungsmonopol - 1
Das Unfallversicherungsmonopol der Berufsgenossenschaften ist rechtmäßig. Die Art. 49 ff. EGV sind
unanwendbar, weil den Mitgliedsstaaten die Befugnis zur eigenständigen Ausgestaltung ihrer Systeme der
sozialen Sicherheit verliehen wurde. Eine Vorlage an den EuGH ist in dieser Frage nicht notwendig, weil sie
durch den EuGH - 22.01.2002 - Rs. C-218/00 - für die italienische Unfallversicherung bereits geklärt ist (
BSG, 11.11.2003 - B 2 U 16/03 R ).
5.31 Unfallversicherungsmonopol - 2
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Trotz der BSG-Entscheidung vom 11.11.2003 in Sachen B 2 U 16/03 R besteht nach Art. 234 EGV eine
Vorlagepflicht an den EuGH. Das Alleinstellungsrecht der Berufsgenossenschaften als Träger der
gesetzlichen Unfallversicherung verstößt gegen den EG-Vertrag. Nach der EuGH-Rechtsprechung können
gesetzliche Dienstleistungsmonopole als Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht ( Art. 81 ff. , 86 EGV ) und
gegen die Dienstleistungsfreiheit ( Art. 49 EGV ) angesehen werden ( LSG Sachsen, 24.07.2007 - L 6 U
2/06 ).
5.32 Vor- und Nachbereitungshandlungen
Bei Vor- und Nachbereitungshandlungen eines Beschäftigten kann nur dann von einer versicherten
Tätigkeit ausgegangen werden, wenn a) die verrichtete Handlung zumindest dazu ansetzt und darauf
gerichtet ist, eine eigene objektiv bestehende Haupt-oder Nebenpflicht aus dem
Beschäftigungsverhältnis zu erfüllen, b) zwar eine objektiv nicht geschuldete Handlung verrichtet wird, das
aber mit dem Motiv und in der Annahme, eine vermeintliche Pflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis zu
erfüllen, c) der verletzte Arbeitnehmer unternehmensbezogen Rechte aus dem Beschäftigungsverhältnis
ausübt. Verunglückt ein Profi-Eishockeyspieler bei einer Klettertour, ist das keine versicherte Vor- und
Nachbereitungshandlung. Klettern ist weder als Haupt- noch als Nebenpflicht aus dem
Beschäftigungsverhältnis geschuldet ( BSG, 13.11.2012 - B 2 U 27/11 R - mit dem Hinweis, dass eine bloß
mittelbare Betriebsnützigkeit des Handelns nicht ausreicht).
5.33 Wegeunfall - 1
Eine gegen Arbeitsunfälle versicherte Tätigkeit ist nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII auch "das Zurücklegen des
mit der versicherten Tätigkeit zusammengehörenden oder unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der
Tätigkeit". Umwege sind nur dann mitversichert, wenn sie unerheblich sind. Das Gleiche gilt für zeitlich
begrenzte Unterbrechungen. Erhebliche Abweichungen und erhebliche Unterbrechungen führen nicht nur
dazu, dass Abweichung und Unterbrechung versicherungslos sind, sondern auch der Restweg ( BSG,
27.10.2009 - B 2 U 23/08 R - hier die Annahme eines Wegeunfalls abgelehnt, weil der Kläger nicht
nachweisen konnte, dass er im Zeitpunkt des Unfalls noch auf einem versicherten Weg war).
5.34 Wegeunfall - 2
Der vereinfachte Fall: Eine Arbeitnehmerin wurde morgens von einem verschmähten Liebhaber
vergewaltigt, als sie in einer nur von außen zugänglichen Garage auf ihrem Hofgrundstück in ihren Wagen
steigen wollte, um von dort zur Arbeit zu fahren. Auch wenn grundsätzlich die Voraussetzungen für die
Annahme eines Wegeunfalls - der Versicherungsschutz beginnt mit dem Durchschreiten der Außentür des
Hauses und besteht in der nur von außen zugänglichen Garage fort - vorliegen, so gibt es hier doch einen
Ausschlussgrund für die Wegeunfallversicherung: "Die von der Klägerin auf diesem Weg durch den Überfall
erlittenen Einwirkungen i.S.d. § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII begründeten jedoch keinen Arbeitsunfall, weil sie
nicht i.S.v. § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII 'infolge' des Zurücklegens des versicherten Weges auftraten und damit
nach dem Schutzzweck der Norm nicht der versicherten Tätigkeit zuzurechnen waren" ( BSG, 18.06.2013 - B
2 U 10/12 R ).
5.35 Weihnachtsfeier
Der gesetzliche Unfallversicherungsschutz kann auch während der Teilnahme an betrieblichen
Gemeinschaftsveranstaltungen - z.B. an einer Weihnachtsfeier - bestehen, setzt aber einiges voraus. So
muss die Unternehmensleitung die Weihnachtsfeier als eigene betriebliche Veranstaltung durchführen oder
durchführen lassen, damit der Veranstalter nicht aus eigenem Antrieb handelt. Es reicht daher nicht aus,
wenn die Unternehmensleitung eine von Mitarbeitern veranstaltete Weihnachtsfeier einfach nur hinnimmt.
Haben die Beschäftigten einer Abteilung ihre Weihnachtsfeier außerhalb des Betriebs auf einer Bowlingbahn
selbst organisiert, ist das keine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung. Verletzt sich ein Arbeitnehmer dann
infolge eines Sturzes, ist das kein Fall für die gesetzliche Unfallversicherung ( BSG, 26.06.2014 - B 2 U
7/13 R ).
5.36 Wie-Beschäftigter
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Nach § 2 Abs. 2 SGB VII sind Personen bei Unfällen versichert, "die wie nach Absatz 1 Nr. 1 Versicherte (=
Beschäftigte) tätig werden". Das setzt allerdings voraus, dass die zum Unfall führende Handlung eines
Wie-Beschäftigten eine ernste, dem fremden Unternehmen zu dienen bestimmte Tätigkeit war und dem
ausdrücklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers oder seines Vertreters entsprochen hat.
Zudem muss die Tätigkeit ihrer Art nach von Personen verrichtet werden könnte, die in einem
Beschäftigungsverhältnis stehen und sie unter Umständen verrichtet wird, die im Einzelfall der Tätigkeit im
Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses entsprechen ( SG Aachen, 17.03.2010 - S 8 U 34/09 - hier
bejaht für die Mithilfe eines Kunden bei einem Entladevorgang).
5.37 Zwangsmitgliedschaft - 1
"Die Art. 81 und 82 EG sind dahin auszulegen, dass eine Einrichtung wie die im Ausgangsverfahren in Rede
stehende Berufsgenossenschaft, der die Unternehmen, die in einem bestimmten Gebiet einem bestimmten
Gewerbezweig angehören, für die Versicherung gegen Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten beitreten
müssen, kein Unternehmen im Sinn dieser Vorschriften ist, sondern eine Aufgabe rein sozialer Natur
wahrnimmt, soweit sie im Rahmen eines Systems tätig wird, mit dem der Grundsatz der Solidarität umgesetzt
wird und das staatlicher Aufsicht unterliegt, was von dem vorlegenden Gericht zu prüfen ist" ( EuGH,
05.03.2009 - C-350/07 , 1. Leitsatz - zur Maschinenbau- und Metall-Berufsgenossenschaft).
5.38 Zwangsmitgliedschaft - 2
"Die Art. 49 und 50 EG sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der im
Ausgangsverfahren streitigen nicht entgegenstehen, nach der die Unternehmen, die in einem bestimmte
Gebiet einem bestimmten Gewerbezweig angehören, verpflichtet sind, einer Einrichtung wie der im
Ausgangsverfahren in Rede stehenden Berufsgenossenschaft beizutreten, soweit dieses System nicht über
das hinausgeht, was zur Erreichung des Ziels der Gewährleistung des finanziellen Gleichgewichts eines
Zweigs der sozialen Sicherheit erforderlich ist, was vom vorlegenden Gericht zu prüfen ist" ( EuGH,
05.03.2009 - C-350/07 , 2. Leitsatz - zur Maschinenbau- und Metall-Berufsgenossenschaft).
Anmerkung 1:
"und die praktische Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist"
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