PDF ausgabe 2016-14 - Deutsche Gesundheits Nachrichten

Ausgabe | 14
15. April 2016
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Pharma
Regierung will in Arzneimarkt eingreifen
Mit einem neuen Maßnahmenpaket will die Bundesregierung zukünftig die Kosten für neue Medikamente deckeln
G
Entwicklung neuer Antibiotika
esundheitsminister Herund eine bessere Versorgung
mann Gröhe will nach
mit Kinderarzneimitteln stark
den Gesprächen mit der Pharmacht. Gerade aufgrund der
maindustrie rasch ein Gesetaufwendigen Entwicklung neuer
zespaket vorlegen, um den
Antibiotika brauchen wir eine
Umsatz neuer Arzneimittel
enge Zusammenarbeit der
zu drosseln. Einen Entwurf
forschenden Unternehmen,
wolle er bis zur Sommerpause
der Wissenschaft und der Polifertigstellen, sagte Gröhe auf
tik, um die Anstrengungen in
dem Pharmadialog. Ein Papier
diesem Bereich zu verstärken.
zum Abschluss dieser einDiese Partnerschaften wollen
einhalbjährigen Dialogreihe
wir gemeinsam verstärken.“
greift aber auch Forderungen
Ziel sei es aber auch, die
der Industrie auf.
Bislang dürfen Unternehmen den Preis für ein Medikament im ersten Jahr
Zahl der für Kinder geeigneFoto: Flickr/ Renate Meijer/CC by sa 2.0
Bislang dürfen Unterneh- frei bestimmen.
ten Arzneimittel zu erhöhen.
men den Preis für ein MediOft gibt es zwar Medikamente
kament im ersten Jahr frei
bestimmen. Erst danach gilt ein zwischen seiner Sicht müsse das Limit deutlich unter für Erkrankungen bei Erwachsenen, aber
Hersteller und Kassen ausgehandelter Preis. einer halben Milliarde Euro liegen. Mit einer zugeschnitten auf Kinder seien diese nicht
Insbesondere die Kassen kritisieren, die Schwelle von 250 Millionen Euro könne er immer. Die Gruppe der Kinder ist bei derartigen Medikamenten meist zu klein, sodass
Hersteller starteten mit einem viel zu hohen „sehr viel besser leben“:
„Damit schaffen wir die Grundlagen Pharmafirmen bisher kaum einen Anreiz
Preis. Ab einem bestimmten Umsatzvolumen soll daher rückwirkend der rabattierte dafür, dass Patientinnen und Patienten gesehen haben, mehr Aufwand für eine
Preis gelten. Gröhe sagte, die Schwelle müsse weiterhin einen schnellen Zugang zu bessere Versorgung der Kinder und Jugenddazu beitragen, dass die Finanzierung durch hochwertigen und zugleich bezahlbaren lichen zu schaffen.
In einer gemeinsamen Erklärung mahdie Kassen beherrschbar sei, zugleich aber Arzneimitteln haben. Es ist gut, dass sich
Innovationen nicht abgewürgt würden. Aus die pharmazeutische Industrie für die nen die beteiligten fünf Pharmaverbände
Analyse
Wachstumsmarkt Depression
Weltweit leidet fast jeder zehnte
Mensch an einer Depression beziehungsweise starken Angstzuständen. Das kostet
die Weltwirtschaft jedes Jahr etwa 900 Milliarden Euro. Vor allem durch Fehlzeiten und
Produktionsausfälle in Folge der Erkrankung
werden diese hohen Kosten verursacht, geht
aus dem aktuellen Bericht der WHO hervor.
Allerdings tut sich mit der wachsenden Zahl
psychisch Erkrankter auch ein weiterer
Markt für die Pharmaindustrie auf. Drei
Prozent des Gesundheitsbudgets werden
im Schnitt für die Behandlung psychisch
Erkrankter ausgegeben.
Die Weltgesundheitsorganisation
warnte vor dem schnellen Anstieg der
Depressionen und Angstzuständen und
forderte auch eine verstärkte Forschung in
diesem Bereich. Das würde nicht nur den
Erkrankten helfen, sondern bringe auch
wirtschaftliche Vorteile mit sich, so die
WHO. Demzufolge habe ein investierter
Dollar in diesem Bereich einen Nutzen
von vier Dollar aufgrund verbesserter
Gesundheit und höherer Arbeitsfähigkeit
der Betroffenen. 2013 waren 615 Millionen
Menschen an Depressionen bzw. Angstzuständen erkrankt. 1990 waren es noch etwa
416 Millionen Erkrankte.
Neben humanitären Katastrophen
und Konflikten auf der ganzen Welt, sorge
gerade in den Industriestaaten Stress und
Unzufriedenheit für einen Anstieg der Depressionen und Angstzustände. Allein in
Deutschland beispielsweise wurden 2015
etwa 155.000 Klinikaufenthalte zur Reha
aufgrund psychischer Erkrankungen genehmigt. Vor zehn Jahren waren es lediglich
89.350. Bei deutschen Kindern und Jugendlichen im Alter zwischen drei und 17 Jahren
seien die Fallzahlen seit den 90erJahren
um 270 Prozent gestiegen. Das ging aus
der KIGGS-Studie der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie
hervor.
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ein „ausgewogenes und zukunftsfähiges
Maßnahmenpaket“ an. Die Krankenkassen
warnen vor Mehrkosten für die Versicherten.
Der Vorstandsvorsitzende des Verbands
forschender Arznei-Hersteller (vfa), Hagen
Pfundner, bezeichnete die von der Regierung
geplante Preisbremse für neue und teure
Medikamente als schwierigsten Punkt des
Regierungspapiers. Man nehme aber zur
Kenntnis, dass die Regierung auch für die
Stabilität der sozialen Sicherungssysteme
sorgen müsse. Es komme daher auf die Höhe
des Schwellwerts an. „Wenn die Schwelle zur
Technologiebremse wird, dann wäre das
für uns nicht akzeptabel“, sagte Pfundner.
Pfundner sagte, das Vorhaben sei für
die Branchenvertreter kein Grund gewesen, den Dialog platzen zu lassen. Positiv
wertete er, dass die ausgehandelten deutschen Arzneipreise nicht mehr öffentlich
bekanntgemacht werden sollen, was ihnen
eine bessere Basis für Verhandlungen im
Ausland geben soll. Vorgesehen ist zudem,
dringend benötigte Reserve-Antibiotika,
die im Notfall gegen resistente Keime eingesetzt werden können, bei Vergütungen
besserzustellen, um die Erforschung solcher Präparate anzukurbeln. Ärzte sollen
mit Hilfe einer neuen Praxissoftware über
Nutzenbewertungen von Arzneimitteln
informiert werden, um Verschreibungen
daran ausrichten zu können.
Gröhe zeigte sich überzeugt, dass mit
den Beschlüssen der Pharmastandort gestärkt wird. Höhere Kassenbeiträge schloss
er nach der Umsetzung nicht aus. „Die Wahr-
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heit ist, dass wir das heute noch nicht sagen
können“, sagte der CDU-Politiker. Es gebe
Punkte in dem Maßnahmenpaket, bei denen
es im Zweifel teurer werde. Andere wiederum
trügen dazu bei, Kosten zu senken.
Der Vizechef des Spitzenverbands der
gesetzlichen Krankenversicherung (GKV),
Johann-Magnus von Stackelberg, mahnte,
im parlamentarischen Verfahren auf die
Interessen der Beitragszahler zu achten.
„Denn die müssen am Ende alles bezahlen.“
Die geplante Umsatzschwelle bei Medikamenten sei ein Schritt in die richtige Richtung. Entscheidend werde jedoch sein, bei
welchem Wert diese liege. Einfacher und
konsequenter wäre es, die ausgehandelten
Preise rückwirkend vom ersten Tag an gelten
zu lassen, sagte Stackelberg.
Pharma
Zoll stellt Millionen illegale Arzneimittel sicher
Der Zoll fischt immer mehr online gekaufte illegale Arzneimittel ab. Der Handel damit wird immer professioneller
: „Ich empfehle jedem, Medikamente online nur
aus nachweislich seriösen Quellen zu kaufen“, so
Schäuble.
Foto: Zoll
V
ergangenes Jahr wurden 3,9 Millionen
gefälschte Tabletten sichergestellt, wie
aus der veröffentlichten Zoll-Jahresbilanz
hervorgeht. Damit hat sich die Zahl binnen
eines Jahres vervierfacht. Der Handel mit
gefälschten Schlankmachern, Potenzmitteln oder Muskelaufbaupräparaten wird den
Fahndern zufolge immer professioneller
aufgezogen. „Hier deckt der Zoll zunehmend
kriminelle Strukturen auf“, warnte Finanzminister Wolfgang Schäuble, der auch der
Dienstherr des Zolls ist. Für die Verbraucher
bergen vermeintliche Schnäppchen hohe Risiken.
Insgesamt ist auch die Zahl der Personen,
gegen die der Zoll im Zusammenhang mit
Medikamenten ermittelt, gestiegen: von 3.100
auf 4.100. „Ich empfehle jedem, Medikamente
online nur aus nachweislich seriösen Quellen
zu kaufen“, so Schäuble.
Dabei seien seriöse von illegalen Onlineshops für viele Verbraucher häufig nicht auf
den ersten Blick zu unterscheiden, warnte der
Zoll. Helfen könne die Suche nach dem seit
2015 vorgeschrieben EU-Sicherheitslogo, das
Online-Apotheken auf ihrer Website führen
müssen. Den Zollfahndern zufolge drohen bei
illegalen Anbietern erhebliche Gefahren, nicht
selten enthielten falsche Präparate gefährliche
Chemikalien oder eingefärbten Dreck. Zudem
tragen Besteller das Risiko von Bußgeldern
oder Ermittlungsverfahren, wenn ihr Päckchen
angehalten wird.
Der Einkauf bei Online-Apotheken gerät
immer mehr in die öffentliche Aufmerksamkeit.
Die vermeintlich günstigeren Medikamente
und Produkte sind oft auch Lockmittel für
den Klau von Daten. Tatsächlich verfügen 74
Prozent der Versandapotheken über keinen
datenschutzkonformen Online-Shop. Und immerhin 68 Prozent informieren die Nutzer des
Apothekendienstes nicht über die potentielle
Weitergabe der eigenen Daten an Dritt-Anbieter.
Anfang April warnte der Branchendienst
Apotheke adhoc vor möglichen Arzneimittelfälschungen in deutschen Apotheken. Mehr
als 80 verschiedene Medikamente wurden
in Italien gestohlen. Das Bundesinstitut für
Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat
die Aufsichtsbehörden der Länder informiert,
auch Zoll- und Bundeskriminalamt wurden
eingeschaltet.
Einen Anstieg verzeichnete der Zoll auch
beim Rauschgiftschmuggel. Mit 16,7 Tonnen
seien 2015 über drei Tonnen mehr Rauschgift
aus dem Verkehr gezogen worden als 2014. So
stieg allein die sichergestellte Kokain-Menge
von 1,2 auf 1,7 Tonnen. Der EU-Kommission
zufolge stecken EU-Bürger jedes Jahr zwischen
21 und 31 Milliarden Euro in illegale Drogen.
Noch immer ist Cannabis in Europa die am
häufigsten konsumierte Droge. So liegt der
Anteil von Cannabis am illegalen Endverbrauchermarkt bei etwa 38 Prozent, was einem
Marktwert von mehr als 9,3 Milliarden Euro
jährlich entspricht.
Dagegen halbierte sich die Zahl der beschlagnahmten Schmuggelzigaretten nahezu
auf 75 Millionen. Den Rückgang führt der Zoll
auf neue Strategien der Täter zurück, die legale
und illegale Warenströme verstärkt miteinander
verbinden. Erst Ende März wurden im Ruhrgebiet eine viertel Million illegaler Zigaretten
vom Zoll sicherstellt. Der Steuerschaden der
illegalen, beschlagnahmten Zigaretten soll
bei über 40.000 Euro liegen. Noch dauern die
Ermittlungen im Auftrag der Staatsanwaltschaft
Essen an. Bei einer Verurteilung kann den Tätern
eine Haftstrafe drohen.
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Forschung
Samsung entwickelt smarte Kontaktlinse
Der Technologiekonzern Samsung forscht derzeit an einer smarten Kontaktlinse
N
ach Google traut sich auch Samsung
auf den Gesundheitsmarkt. Das Unternehmen arbeitet an einer smarten
Kontaktlinse und hat dafür bereits 2014
einen Patentantrag beim südkoreanischen Amt für geistiges Eigentum angemeldet. Wie die Bilder und Informationen aus dem Patentantrag zeigen, sollen
die Kontaktlinsen über eine eingebaute
Kamera verfügen.
Mit der Linse soll es dem Träger möglich sein, Augmented Reality direkt im
Auge zu erleben. Mit einem Smartphone
werden die Daten verarbeitet. Über eine
kleine, eingebaute Antenne verbindet sich
die Linse mit dem Smartphone. Dank Bewegungssensoren soll es dem Nutzer mit
Augenbewegungen bzw. Blinzeln möglich
sein, zu steuern, was er in der Augmented
Reality sieht. Eine kleine Kamera kann
unterdessen Videoaufzeichnungen durchführen.
Dem Patentantrag zufolge sei der
Hauptgrund für die Entwicklung der smarten Kontaktlinse die begrenzte Bildqualität, die eine Datenbrille wie von Google
entworfen mit sich bringt, berichtet sammobile.com. Mit den Kontaktlinsen sei
Augmented Reality auf natürlichere Weise
wahrnehmbar.
Probiotische E.coli-Bakterien eignen sich zur
Krebsbehandlung. Grafik: South Korean Intellectual Property Office
Novartis sicherte sich 2014 die Rechte
an Googles Smart Lens. Die entwickelten
Kontaktlinsen zeichneten sich dadurch
aus, dass sie beispielsweise den Blutzuckerspiegel messen konnten. Integrierte
Sensoren messen dabei den Blutzucker in
der Tränenflüssigkeit und leiten die Daten
an einen Miniatur-Chip in der Linse weiter.
Kontaktlinsen, die etwas mehr können
als die herkömmlichen, sind gefragt. Das
zeigen nicht nur Google und Samsung. Im
vergangenen Jahr hatten Schweizer Wissenschaftler die neue Kontaktlinse getestet,
die Objekte um das Dreifache vergrößern
kann, wenn ihr Träger einmal blinzelt. Eric
Tremblay von der Ecole Polytechnique
Federale de Lausanne (EPFL) hatte den
Prototyp auf einer Messe in Kalifornien
vorgestellt.
Das Projekt wird vom US-Militär finanziert. Ursprünglich sollte die Technologie
Soldaten mit einer „bionischen Optik“
ausstatten, berichtet der Business Insider.
Doch die Entwicklung gibt Menschen mit
einem eingeschränkten Sehfeld Hoffnung.
Die Linsen helfen vor allem gegen Makuladegeneration. Darunter wird eine Gruppe
von Erkrankungen der Netzhaut des Auges
zusammengefasst, die die Macula lutea
(Gelber Fleck) betreffen.
Die Linsen der Schweizer Forscher sind
1,55 Millimeter dick und enthalten sehr
dünne Teleskope, die Objekte um den Faktor
2,8 vergrößern können. Dabei reflektieren
kleine Spiegel im Inneren das einfallende
Licht und vergrößern so die Wahrnehmung
des Objektes.
Forschung
Genschere: Embryonen erstmals mit HIV-Immunität versehen
Erneut haben Forscher mithilfe einer Genschere das Erbgut von Embryonen verändert
D
ie Forschung an Stammzellen ist ein
heiß diskutiertes Thema. Wie stark
darf der Mensch in die Natur eingreifen
und wo setzt man einen Strich unter die
Forschung zur Heilung schwerer Krankheiten. Die Diskussion wird weiter gehen,
die Forschung auch. Wichtig in diesem
Zusammenhang ist die entwickelte Genschere Crispr-Cas9. Hiermit können Veränderungen am Erbgut sehr genau und weniger aufwendig vorgenommen werden. Das
führt dazu, dass auch kleinere Labore und
nicht so umfangreich finanziell ausgestattete Forschungsteams sich mit Erbgutver-
änderungen beschäftigen können.
Wie gefragt die Technik ist, zeigt nun
ein Team chinesischer Forscher der Guangzhou Medical University. Sie haben mit der
Genschere erstmals einen Embryo mit einer
HIV-Immunität ausgestattet. Dafür griffen
die Forscher auf eine Mutation namens
CCR5 zurück, die bei einigen Menschen
zu finden ist – bekannt als CCR5Δ32. Diese
konnten sich nicht mit dem HIV-Virus
infizieren. Die Mutation verhindert nämlich, dass sich das HIV-Virus an den Zellen
andocken und diese infizieren kann. Mit der
Genschere konnte diese Mutation künstlich
nachgebildet und in die Embryonen eingesetzt werden, heißt es im Fachmagazin
Nature.
Die Wissenschaftler nutzten dafür 213
befruchtete Eizellen, die 87 Patienten zur
Verfügung gestellt hatten. Die Embryonen
konnte jedoch nicht für eine potentiell
künstliche Schwangerschaft genutzt werden, da sie über ein zusätzliches Chromosomenpaar verfügten und somit nicht
lebensfähig waren.
Schlussendlich versuchten die Wissenschaftler 26 Embryonen mit der Mutation
zu versehen. Bei vier von ihnen war die Ein-
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Eine Mutation sollte helfen, die Zellen vor dem HIV-Virus zu schützen.
Foto: Flickr/Stuart Caie/Cc by 2.0
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bettung der Mutation erfolgreich. Bei den
anderen Embryonen wurden unerwartete,
andere Mutationen festgestellt.
Erst vor einem Jahr hatte ein anderes
Forscherteam aus China bereits das Erbgut von Embryonen verändert. Damals
versuchten sie, mit dem Eingriff in das
menschliche Erbgut, das Gen für die Blutkrankheit Thalassämie erfolgreich zu manipulieren. Auch hier waren die Ergebnisse
ernüchternd. Von den 86 Embryonen, die
sie benutzt hatten, überlebten 71. Nachdem
54 dieser genetisch getestet wurden, stellte
sich heraus, dass sich das Erbgut bei 28
der Embryonen verändert hatte. Lediglich
vier der Embryonen jedoch wiesen die
intendierte Mutation auf.
Gesundheitswesen
Digitalisierung lähmt Bevölkerung
Die Zahl der Deutschen, die sich im Alltag viel bewegt, wird immer kleiner
D
eutschland wird zum Land der Bewegungsmuffel. Nur mehr die Hälfte der
deutschen Bevölkerung ist sportlich aktiv.
Die andere Hälfte bezeichnet sich selbst als
Sportmuffel oder sogar bewussten Sportgegner. „Dank der Digitalisierung können wir uns
viele Wege sparen“, sagt Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der Techniker Krankenkasse. Dies
führe aber auch dazu, dass der Aktionsradius
vieler Menschen immer kleiner wird. „Mehr
als jeder Dritte bewegt sich im Alltag weniger als eine halbe Stunde. Ein weiteres Drittel
bleibt unter einer Stunde. Das ist definitiv zu
wenig.“
Nicht nur, dass die Menschen sich in ihrer
Freizeit weniger bewegen, auch während der
Arbeit ist die Bewegung eingeschränkt. Stress,
Computerarbeit und Zeitdruck sind dabei für die
notwendige Aktivität des Körpers genauso Gift
wie für die seelische Verfassung der Menschen.
Viele Deutsche bevorzugen einen gemütlichen
Abend auf der Couch. Foto: Techniker Krankenkasse
Zumal gerade bei sitzenden Tätigkeiten und
schlechter Stimmung, Sport gut für den Körper
und die Seele sein kann. Und Sport heißt dabei
nicht automatisch, dass man jeden Tag zehn
Kilometer Joggen gehen muss. Mehr als 40 Prozent der Befragten, bei den jungen Erwachsenen
sogar 55 Prozent, sagen, dass sie den Feierabend
am liebsten auf der Couch verbringen.
Wie sich die fehlende Bewegung auf die
Gesundheit auswirkt, wird schon jetzt deutlich.
So waren 2015 die TK-versicherten Erwerbspersonen durchschnittlich 15,4 Tage krankgeschrieben. Das entspreche einem Krankenstand
von 4,23 Prozent, dem höchsten seit Beginn
der TK-Gesundheitsberichterstattung. „Zivilisationskrankheiten wie Rückenbeschwerden,
Typ2-Diabetes und Herz-Kreislauf-Beschwerden
nehmen zu. Schon bei den 18- bis 39-Jährigen
gibt jeder Siebte an, aufgrund einer chronischen
Erkrankung in regelmäßiger Behandlung zu
sein“, so Baas:
„Es steht uns als Krankenkasse nicht zu,
jemandem zu sagen, was er zu tun und zu lassen hat. Aber die Zunahme lebensstilbedingter
Krankheiten hat Folgen für das Gesundheitswesen und die Gesellschaft, die es finanziert. Und
es hat Auswirkungen auf die Wirtschaft und die
Unternehmen, die die steigenden Krankenstände und die damit verbundenen Kosten ebenfalls
mitfinanzieren müssen. Darüber müssen wir
sprechen.“
Generell gab die Mehrheit der Befragten
Vor allem in Berlin, Brandenburg, Rheinland Pfalz
und Hessen setzen immer weniger Bürger auf Bewegung.
Foto: Techniker Krankenkasse
an, dass sie sich mehr bewegen würden, um
gesundheitliche Schäden zu vermeiden. Finanzielle Unterstützung von der Krankenkasse (33
Prozent) oder dem Arbeitgeber (21 Prozent)
sowie bessere Karriereaussichten (15 Prozent)
oder Kritik des Partners (28 Prozent) könnten
den Versicherten zufolge Anreize sein. Aber
immerhin 15 Prozent der Teilnehmer sagen, dass
sie keiner der genannten Gründe motivieren
könnte, sportlich aktiv zu werden.
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Umwelt
EU-Parlament stimmt für Glyphosat-Zulassung
Trotz des großen Widerstands der Bürger hat das EU-Parlament einer neuerlichen Zulassung zugestimmt
da keine Mehrheit für den
Beschluss zustande kam. Der
EU-Umweltausschuss hatte
sich Ende März gegen eine
Verlängerung der Zulassung
ausgesprochen. „Solange weiter ernsthafte Sorgen über die
krebserregenden Eigenschaften des Herbizids Glyphosat“,
das hundertfach auf Feldern
und im öffentlichen wie privaten Bereich angewendet
wird, bestehen, „sollte die
Europäische Kommission
dessen Zulassung nicht erneuern“, so der Umweltausschuss. 38 Abgeordnete des
Umweltausschusses votierten gegen den Glyphosat-VorDas EU-Parlament hat sich für eine Verlängerung der Zulassung um sieben Jahre ausgesprochen. Foto: EU-Kommission
schlag der EU-Kommission.
Acht befürworteten diesen,
18 enthielten sich.
In der Bevölkerung ist die Kritik an
as EU-Parlament hat sich für eine dennoch auf, eine Liste von Beistoffen zu
kürzere Zulassungsdauer des um- erstellen, die in Insektenvernichtungsmittel Glyphosat auch weiterhin zu hören. 64
strittenen Herbizids Glyphosat aus- nicht mehr verwendet werden dürfen. Au- Prozent der Befragten in Deutschland,
gesprochen. In einer nicht-bindenden ßerdem solle sie einen Plan erarbeiten, um Frankreich, Großbritannien, Spanien und
Resolution stimmte die Mehrheit der den Einsatz des Pflanzengifts zu reduzieren. Italien eine Zulassung durch die EU ab. Das
EU-Abgeordneten am Mittwoch dafür,
Die Bundesregierung hatte am Diens- ist das Ergebnis einer aktuellen YouGovdas Unkrautvernichtungsmittel in der tag die weitere Verwendung des Mittels Umfrage. „In Italien stimmten 76 Prozent
EU nur noch für sieben statt wie bisher in der EU befürwortet, wenn bestimmte für ein Verbot, in Deutschland 70 Prozent,
15 Jahre zu genehmigen. „Die EU-Kom- Bedingungen erfüllt sind. Dazu gehört eine in Frankreich 60 Prozent und in Großbrimission und die Regierungen der EU- Überprüfung der Auswirkungen auf die tannien und Spanien jeweils 56 Prozent“,
Mitgliedsstaaten dürfen das Votum des Artenvielfalt sowie das Verbot bestimm- heißt es hierzu in einer Mitteilung von
Europäischen Parlaments nicht ignorie- ter Zusatzstoffe. „Mit seiner Zustimmung Campact.
Der US-Agrarkonzern Monsanto verren“, sagt Martin Häusling, Abgeordneter möchte Deutschland dazu beitragen, das
für die Grünen im EU-Parlament. Eine Verfahren zur Wiedergenehmigung des treibt Glyphosat unter dem Markennamen
Verlängerung der Zulassung für das ge- Wirkstoffs Glyphosat (…) erfolgreich abzu- Roundup und hat damit im vergangenen
sundheitsschädliche Glyphosat um 15 schließen“, hieß es in einem Schreiben des Jahr einen Umsatz von 4,8 Milliarden Dollar
Jahre wäre absolut unverantwortlich. „Wir deutschen Landwirtschaftsministerium an erzielt. Nach Angaben des EU-Parlaments
ist der weltweite Verbrauch von Glyphosat
setzen uns weiterhin für ein vollständi- die EU-Kommission.
in den vergangenen Jahrzehnten um das
Anders
als
in
den
meisten
Verfahren
ges Verbot des Herbizids ein.“
374 Abgeordnete des EU-Parlaments auf EU-Ebene hat das Parlament in diesem 260-Fache angestiegen – von 3200 Tonnen
stimmten für die beschränkte Neuzu- Fall kein Mitbestimmungsrecht. Anfang im Jahre 1974 auf 825.000 Tonnen im Jahre
lassung, 225 votierten dagegen und 102 März hatten die Mitgliedsländer und die 2014. In Deutschland werden etwa 40 Proenthielten sich. Mit der Zustimmung for- EU-Kommission eine Entscheidung über zent der Ackerfläche mit glyphosathaltigen
derte das EU-Parlament die Kommission die Wiederzulassung von Glyphosat vertagt, Pflanzengiften behandelt.
D
Impressum Geschäftsführer: Christoph Hermann, Karmo Kaas-Lutsberg. Herausgeber: Dr. Michael Maier (V.i.S.d. §§ 55 II RStV). Chefredakteurin:
Jennifer Bendele. Redaktion: Anika Schwalbe, Gloria Veeser, Julia Jurrmann, Cüneyt Yilmaz. Sales Director: Philipp Schmidt. Layout: Nora Lorz. Copyright:
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