Ein subjektiver Blick auf die Kandidatinnen und

Aus der Perugruppe München
Ein subjektiver Blick auf die Kandidatinnen und Kandidaten
der peruanischen Präsidentschaftswahlen 2016 am 10.4.16
Präsidentschaftswahlen sind in Peru (Präsidialdemokratie) emotionaler, präsenter, schriller als z.B. in
Deutschland. Es besteht dort Wahlpflicht. Möglichkeiten für Wähler/-innen sind: Eine/n Kandidatin/
Kandidaten zu wählen oder „en blanco“ (ungültig) oder nicht zu wählen (und eine Strafe zahlen).
1. Allgemeine Anmerkung:
Die peruanische Cámara del Comercio (Präsident Jorge von Wedemeyer) sieht es so: „Bei allen
Kandidaten, die aktuell Chancen haben, ist gesichert: Das aktuelle (neoliberale) Wirtschaftssystem wird
mit ihnen weitergehen“. Für die großen Wirtschaftsunternehmen ist somit wohl klar: Diese möglichen
Präsidenten werden tun, was die Wirtschaft will/braucht. Und so werden von ihnen, wie z.B. durch die
Goldmine Yanacocha (Cajamarca) alle aussichtsreichen Kandidaten mit Spenden bedacht.
Es gibt – Stand 14.2.16 – noch 18 Kandidat(inn)en.
Es gibt, grob gesagt, zwei „Lager“:
- Das größte „konservative – neoliberale …“ Lager besteht aus Kandidat(inn)en aus dem
„konservativen/rechten“ Sektor.
- Das fortschrittliche „linke“ Lager umfasst den „Mitte-links“-Sektor.
Es gibt dann noch einige Kandidat(inn)en, die nicht wirklich zugeordnet werden können.
2. Anmerkungen zu den Kandidat(inn)en (subjektiv) -in der Reihenfolge der Prognosen:
Das konservative – neoliberale ... Lager
KEIKO FUJIMORI – Fuerza Popular – per 12.2.16 Prognosen: 35%
Tochter des inhaftierten Ex-Präsidenten-Diktators Alberto Fujimori. Ihr Programm: Alles muss sich der
„Wirtschaft“ (sprich Minen und exportorientierte Landwirtschaft etc.) unterordnen. Das heißt: Noch
weniger Umweltschutz, Menschenrechte, noch mehr Zerstörung des Regenwaldes, etc. Ihr „Dilemma“:
Ein Teil der Wähler wählt sie, weil sie die Tochter Fujimori ist, andere werden sie nicht wählen, weil sie
Teil des „Fujimori-Clans“ ist. Eine andere Sichtweise: Sie wird sich nicht von den korrupten DNA’s des
Fujimoriclans lösen. Ihr Vater war korrupt, hat viele Millionen auf Steueroasen untergebracht. Dort
wurden z.B. einige Pseudofirmen gegründet, damit diese Geld für die Wahlkampagne zur Verfügung
stellen können. Frau Keiko Fujimori wird immer mehr mit unangenehmen Vorkommnissen konfrontiert:
Ihre Mutter, Susana Higuchi, hatte ihren Mann, Ex-Präsident Fujimori öffentlich angeklagt, sie wegen
ihrer Kritik an seinen Machenschaften mit Elektroschocks gefoltert zu haben. Man glaubt Keiko Fujimori
nicht, dass sie davon nichts gehört hat. Und, ihr Bruder ist in wirtschaftlichen Aktivitäten, die mit dem
Kokaingeschäft zu tun haben. In der öffentlichen Diskussion wird auch immer mehr betont: Wenn sie
gewinnen sollte, sei ihre erste Aufgabe, ihren Vater aus dem Gefängnis zu holen – und dann wird wohl
dieser wirklich regieren, wenn auch aus dem Hintergrund. Außerdem ist da noch das Problem der
Zwangssterilisierungen. In der Regierungszeit ihres Vaters wurden ca. 300.000 (!) arme Frauen (Anden
und Regenwald) zwangsweise sterilisiert, meist in Gesundheitsposten und ländlichen Krankenhäusern.
Das wurde hinterher zynisch als Teil der Armutsbekämpfung und auch als „vorbeugende
Terroristenbekämpfung“ beschrieben. Frau Fujimori sagt dazu, wenn das zutreffen sollte, würde sie sich
darum kümmern.
CÉSAR ACUÑA – Alianza para el Progreso – APP
Ex-Bürgermeister der nördlichen Küstenstadt Trujillo und Gobernador der Region La Libertad. Besitzer
einiger Privatuniversitäten in Peru. Gibt sich als Mann des Volkes. Es gibt viele Anschuldigungen wegen
Veröffentlicht durch Asociación Cultural Latina „Chasqui“ e.V. im Februar 2016
(http://www.elchasqui.de/)
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Korruption und Vorteilsnahme. Zeigt wenig Kenntnisse z.B. von Wirtschaft und Außenpolitik. Aktuell
sein größtes Problem: ist der Plagiatsvorwurf, d.h. als Besitzer von Universitäten sowohl seine Masterwie Doktorarbeit ungesetzlich gemacht zu haben. Er soll für seinen Doktortitel aus dem Buch Politica
Educativa nicht nur Seiten ohne Angaben benutzt haben, sondern das ganze Konzept daraus entnommen
haben. Seine Verteidigung: Man dürfe eine akademische Angelegenheit nicht mit politischen Sachen
vermischen. Er will alle Umweltauflagen abschaffen, das sei Gift für die Wirtschaft und die Entwicklung.
Er wurde für den 17.2.16 von der Ethikkommission der nationalen Wahlkommission vorgeladen.
PEDRO PABLO KUCZYNSKI – PPK – Peruanos por el Kambio
USA-Peru. Er war u.a. tätig in der Weltbank. In der Regierung unter A. Toledo war er u.a. Finanz-und
Wirtschaftsminister. Sein Programm: Technokratischer Neoliberalismus. „Politica a la Chilena“. In seiner
Mannschaft ist z.B. Luis Poangel R., der Besitzer von illegalen Goldminen-Claims und großen Pumpen
(dragas) im Regenwald Madre de Dios ist. Er betont, dass in Peru in der aktuellen Situation der
geringeren zu erwartenden Einnahmen aus Bergwerksprodukten „die Gürtel enger geschnallt werden
müssen“.
ALAN GARCÍA – Alianza Popular – APRA, Partido Popular Cristiano und Vamos Peru – ca. 4% in der
Prognose
Alan García war von 1985-1990 und von 2006 bis 2011 peruanischer Präsident. Im Gedächtnis geblieben
als Präsident einer Hyperinflation, Anklagen wegen Korruption etc. 2016 kann die APRA nur als
Zusammenschluss – Frente Alianza Popular – antreten, als Partei alleine wäre APRA chancenlos. Die
Nummer zwei in der APRA, Abgeordneter Mulder vergleicht García mit einem alten Mixer, den die
Leute kennen und lieber kaufen würden als einen mit einer neuen Marke. Der politische Analyst J. Cotler
meint: Alan García und Lourdes Flores leben in einem politischen Zyklus, der beendet ist. García hat sich
für die Freilassung von Dutzenden großer Drogenhändler – sog. narcoindultos – entschuldigt.
JULIO GUZMÁN – Todo para el Perú – TPP – an zweiter Stelle in den Prognosen liegend mit ca. 17%
War als Ökonom u.a. in der Banco Interamericano de Desarrollo (BID) tätig, zuletzt tätig als
Generalsekretär des Ministerpräsidiums in der aktuellen Regierung unter Humala. Deshalb wird er als
Kandidat des Regierungspalastes, d.h. Favorit der Humalagattin Nadine Heredia genannt. Spricht sich in
allen Punkten immer gegen zu viel Staat und für die Selbstregelung des freien Marktes aus. Ist erklärter
Befürworter der „Gran Minería“. Ist politisch bisher wenig bekannt. Unklar ist, ob seine Liste wegen
Verfahrensfehlern zugelassen wird. Sein vorgesehener Wirtschaftsminister arbeitet als Berater u.a. für die
Mineria, Gas-und Erdölfirmen.
Das fortschrittliche „linke“ Lager
VERÓNIKA MENDOZA – Frente Amplio – aus Cusco
In internen, offenen Wahlen wurde Verónika Mendoza (auf Plakaten Vero genannt) vor dem Ex-Priester
und Bergwerkskritiker Marco Arana (Cajamarca) gesetzt. Marco Arana ist erster Vizeminister. Wichtigste
Gruppierung im Frente Amplio ist Tierra y Libertad. Programm: Demokratisierung, Einhaltung der
Menschenrechte, Alternativen zum Export auf „Steine“ (sprich mineralische Rohstoffe),
„pro“ Umweltschutz, Rechte indigener Völker, „pro“ kulturelle Vielfalt etc. Der Altlinke Hugo Blanco
(Trotzkist) bemängelt, dass das Frente Amplio nicht das System radikal infrage stellt. Frente liegt aktuell
bei ca. 3% der Stimmen, wird von den meisten Medien ausgegrenzt.
„Insider-Tipp“ Eine pragmatische Entscheidung für die erste Wahlrunde kann sein: Frente Amplio
wählen, weil erst bei 5% der Stimmen das Bündnis als Partei weiter existieren wird und dann überhaupt
die Chance besteht, fortschrittliche Abgeordnete im Parlament zu haben.
GREGORIO SANTOS – Democracia Directa - DD
Santos ist Regionalpräsident von Cajamarca mit der Partei Movimiento de Afirmación Social – MAS.
Am 12.2.16, so erste Presseinformationen, wurde er aus der MAS rausgeworfen. Begründung: Die MAS
will bei diversen linken Parteien mitmachen, Teile der MAS wollen Frente Amplio unterstützen. Er
Veröffentlicht durch Asociación Cultural Latina „Chasqui“ e.V. im Februar 2016
(http://www.elchasqui.de/)
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befindet sich aktuell wegen Korruptionsvorwürfen in Lima in Untersuchungshaft. Er wird als „candidato
fantasma“ bezeichnet, der zwar als Kandidat zugelassen ist, aber keine Wahlveranstaltungen machen
kann. Linke, wie Hugo Blanco, erklären, dass der Gefängnisaufenthalt sicher auf Betreiben der
Kupfermine Conga, Cajamarca, zustande kam, fragt aber auch, woher die Millionenbeträge auf dem
Konto von Santos’ Frau kommen. Und wenn Santos erklärt, das sind Zuwendungen der Unternehmen an
seine Partei, erklärt Hugo Blanco, sei das sehr seltsam gegenüber einer bergwerksfeindlichen Partei.
Solche Spenden sind doch eigentlich Bestechungsgelder, um Vorteile dadurch zu erreichen. Das
Programm: Traditionelle „linke“ Politik, klare Gegnerschaft gegen die Goldmine Yanacocha (USA-Peru).
An MAS wird von Gegnern kritisiert, dass Santos keine Kritik an chinesischen Bergwerksunternehmen
übt. Eine weitere Unklarheit: In letzter Zeit protestieren MAS-Basen für mehr Geld aus dem „canon
minero“ (Abgabe der Bergwerksunternehmen), was aber bedeuten würde: Mehr Bergwerkstätigkeit.
YEHUDE SIMON
Tierarzt, war 1985 Abgeordneter für die Izquierda Unida, 2002 Regionalpräsident von Lambayeque,
ehemaliger Guerrillero (MRTA), von 2008-2009 unter Präsident Garcia Premierminister und mit
verantwortlich für das Massaker in Bagua.
Einige weitere Kandidaten aus dem konservativen Umfeld:
Dazu hat sich ein Begriff in Peru geprägt „Candidatovejero“, abgeleitet von den „ropavejeros“ also
Personen, die keine Altkleider verwerten, sondern „gebrauchte Politiker“ wieder verwenden. Viele dieser
Kandidaten arbeiten nach dem Credo: Das sind meine Prinzipien, aber wenn sie Euch nicht gefallen,
habe ich auch noch andere.
- Alejandro Toledo (peruanischer Präsident von 2001-2006)
- Milton von Hesse (Landwirtschaftsminister unter Fujimori)
- Miguel Hilario (Progresando Peru), ein Shipibo und bibeltreuer Evangelikaler
- Alfredo Banachea (Acción Popular), 100% pro Mineria und ausländisches Kapital
- Daniel Urresti – Partido Nacionalista Peruano: Ex-General und Innenminister. Anklagen wegen
Mitschuld an Menschenrechtsverletzungen. Susanna Villarán: Für ihre politischen Freunde ist total
unverständlich, dass diese linke Ex-Bürgermeisterin von Lima sich der Liste von Daniel Urresti
angeschlossen hat. Sie erhielt zunächst den zweiten Listenplatz für Lima, jetzt wurde ihr Ana Jara
vorgesetzt.
Zur Rolle der Kirchen und Religionsgemeinschaften:
Seitens der Kirchenhierarchie liegt wohl noch keine klare Wahlempfehlung vor. Es gibt sicher
katholische Gläubige, die einer solchen des erzkonservativen Kardinals Cipriani (Lima, Opus-DeiBischof) folgen würden, aber sicherlich nicht alle. Anders sieht es bei Mitgliedern evangelikaler
Kirchengemeinden aus. Da folgt man sehr stark seinem Pastor. Zur Erinnerung: Alberto Fujimori gewann
die Wahlen 1990 mit Hilfe evangelikaler Stimmen gegen den Agnostiker Mario Vargas Llosa. Der dabei
erfolgreiche Pastor Garcia y Garcia (Iglesia Bautista) erhielt für seinen Stimmenfang den Posten als
zweiten Vizepräsidenten. Für 2016 ist der Einfluss der Evangelikalen nicht mehr so stark. Aber die
Parteien setzen auf sie. Beispielhaft die APP auf einen Pastor der Alianza Cristiana y Misionera, oder auf
Humberto Lay von seiner Sekte Emanuel, die 12.000 Mitglieder hat, aber 2005 Lay noch 1,5 Millionen
Stimmen brachte. Keiko Fujimori hat einen Pastor der Agua Viva dabei, andere Pastoren kommen von
der Asamblea de Dios, Movimiento Misionero Mundial, Mision Cristiana Shalom und auch Misión
Campeones para Cristo.
Weitere Informationen siehe auch www.votoinformado.
Heinz Schulze, Perugruppe München, 15.2.16
Veröffentlicht durch Asociación Cultural Latina „Chasqui“ e.V. im Februar 2016
(http://www.elchasqui.de/)
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