Staatliche Beihilfen: Zwischenbericht der

Europäische Kommission - Factsheet
Staatliche Beihilfen: Zwischenbericht der Sektoruntersuchung zu
Stromkapazitätsmechanismen - FAQ
Brüssel, 13. April 2016
Die Europäische Kommission bittet die Öffentlichkeit um Stellungnahme zu den vorläufigen
Ergebnissen ihrer beihilferechtlichen Sektoruntersuchung zu Stromkapazitätsmechanismen
in der EU.
Siehe auch Pressemitteilung zum Zwischenbericht.
Siehe auch Factsheet vom April 2015 zu weiteren Hintergrundinformationen zu branchenspezifischen
Untersuchungen im Allgemeinen, ihrer Verknüpfung mit der Strategie der Kommission für die
Energieunion, verschiedenen Kapazitätsmechanismen sowie die Wahl der Mitgliedstaaten, die von der
Untersuchung abgedeckt wurden.
Warum eine Sektoruntersuchung zu Kapazitätsmechanismen?
Immer mehr Mitgliedstaaten führen Kapazitätsmechanismen ein, um Investitionen in neue Kraftwerke
zu fördern und/oder den Weiterbetrieb bestehender Kraftwerke sicherzustellen. Nur durch
angemessene Stromerzeugungskapazitäten können Stromausfälle verhindert sowie sichergestellt
werden, dass die Stromnachfrage jederzeit gedeckt werden kann.
Je nach Ausgestaltung und Umsetzung der jeweiligen Kapazitätsmechanismen in der Praxis besteht
allerdings auch die Gefahr einer Fragmentierung des EU-Binnenmarkts und einer Verzerrung des
Wettbewerbs zugunsten bestimmter Erzeuger oder Technologien. Zudem könnten Hindernisse
entstehen, die den grenzüberschreitenden Handel beeinträchtigen würden.
Mit der Sektoruntersuchung soll ein besserer Einblick in diese Maßnahmen geschaffen und
sichergestellt werden, dass sie mit den EU-Beihilfevorschriften im Einklang stehen. Mit dieser
Untersuchung soll die Kommission insbesondere
- nicht nur, wie bei den beihilferechtlichen Untersuchungen der Fall, die Meinungen der
mitgliedstaatlichen Behörden einholen, sondern auch verschiedenen Interessenträgern
(Stromerzeugern, Netzbetreibern und Lastmanagern) die Möglichkeit geben können, die
Kommission auf konkrete Probleme aufmerksam zu machen;
- die Ausgestaltungsmerkmale ermitteln können, die den Wettbewerb zwischen Kapazitätsanbietern
(z. B. zwischen Stromerzeugern und Lastmanagern) und den Handel zwischen Mitgliedstaaten
beeinträchtigen könnten;
- wettbewerbsfähige und marktgesteuerte Kapazitätsmechanismen fördern können, die dem
Energiebinnenmarkt dienlich sind, anstatt ihn zu fragmentieren; und
- die Ausgestaltung und Umsetzung wettbewerbs- und marktgesteuerter Kapazitätsmechanismen
seitens der Mitgliedstaaten im Einklang mit den EU-Beihilfevorschriften sicherstellen können.
Die Sektoruntersuchung ergänzt zudem die Strategie der Kommission für die Energieunion, mit der ein
vernetzter, integrierter und sicherer Energiemarkt in Europa geschaffen werden soll.
Wie viele Antworten gingen auf die Sektoruntersuchung ein?
Die Kommission übermittelte mehr als 200 öffentlichen Stellen, Energieregulierungsbehörden,
Netzbetreibern und Marktteilnehmern, die in den 11 Mitgliedstaaten der Sektoruntersuchung (Belgien,
Kroatien, Dänemark, Frankreich, Deutschland, Irland, Italien, Polen, Portugal, Spanien und Schweden)
tätig sind, detaillierte Fragebögen. Es gingen 124 Antworten ein.
Weitere Fakten werden im Rahmen der öffentlichen Konsultation zum Zwischenbericht
zusammengetragen.
Wie sind die verschiedenen Kapazitätsmechanismen ausgestaltet?
Es gibt unterschiedliche Modelle. Für die Zwecke dieser Untersuchung unterscheidet die Kommission
sechs Kategorien. Diese lassen sich weitgehend in zielgerichtete Mechanismen, d. h. Mechanismen,
die lediglich auf spezifische Betreiber abzielen (wie Ausschreibungen für neue Kapazitäten, strategische
Reserven und gezielte Kapazitätsmechanismen) sowie in marktweite Mechanismen (Verpflichtungen
des zentralen Käufers, dezentrale Verpflichtungen und Kapazitätsvergütungen) unterscheiden, die
grundsätzlich allen Kategorien von Kapazitätsanbietern offenstehen.
Weitere Einzelheiten zu den verschiedenen Arten von Kapazitätsmechanismen siehe Factsheet vom
April 2015.
Welche Arten von Kapazitätsmechanismen sind in der EU umgesetzt oder geplant?
In den 11 geprüften Mitgliedstaaten wurden 28 ehemalige, bestehende oder künftige
Kapazitätsmechanismen festgestellt.
Fast zwei Drittel der Kapazitätsmechanismen waren zielgerichtete Mechanismen, d. h. sie
kommen nur bestimmten Arten von Betreibern zugute. Gleichzeitig sind die meisten Mechanismen,
die von den Mitgliedstaaten derzeit geplant werden, marktweite Mechanismen (z. B. die
Mechanismen in Frankreich, Irland und Italien).
Der gängigste Kapazitätsmechanismus ist derzeit der einer „strategischen Reserve“, d. h. der
Staat bezahlt Betreiber dafür, dass sie Kraftwerke betriebsfähig halten. Auf diese Kraftwerke kann der
Netzbetreiber im Krisenfall zurückgreifen. Sogenannte „Abschaltregelungen“, bei denen industrielle
Kunden vom Netzbetreiber aufgefordert werden, ihre Nachfrage bei einer Versorgungsknappheit zu
verringern, werden ebenfalls als eine „Reserve“ angesehen, da sie nur bei einer Versorgungsstörung
Kapazität liefern.
Ausschreibungen für neue Kapazitäten gab es in Frankreich, Irland und Belgien. Alle drei
Ausschreibungen waren sehr spezifisch, was den Umfang, den Technologietyp und die Belegenheit der
ausgeschriebenen Kapazität angeht. Die Ausschreibungen als solche können als eine angemessene
vorläufige Maßnahme angesehen werden, um Anreize für Investitionen in die
Stromerzeugungskapazitäten (einschließlich potenziell an einem bestimmten Standort) zu schaffen.
Eine Ausschreibung wird jedoch längerfristigen Problemen nicht gerecht, wenn es darum geht, eine
angemessene Stromerzeugung zu regeln. Dies sollte in Verbindung mit Reformen zur Behebung von
zugrunde liegendem Marktversagen und Regulierungsmängeln gesehen werden.
Gezielte Kapazitätsvergütungsregelungen gab es in Italien, Polen, Portugal, und Spanien. Diese
Systeme decken in der Regel eine oder mehrere Arten der Stromerzeugung (Kohle, Gas,
Pumpspeicherkraftwerke und gelegentlich Öl) ab. Der Preis für die Kapazität in diesen Systemen wird
auf Verwaltungsebene und nicht im Wege einer Ausschreibung auf Wettbewerbsbasis festgelegt. Im
Allgemeinen müssen Empfänger von gezielten Kapazitätsvergütungen ihre Kapazität während der
Spitzenzeiten zur Verfügung stellen. Ansonsten werden finanzielle Sanktionen verhängt. Gezielte
Kapazitätsvergütungen beheben zudem nicht die zugrunde liegenden Probleme, die das
Kapazitätsproblem verursacht haben. Ein weiterer Nachteil dieses Modells besteht darin, dass die
verwaltungsmäßige Preisfestsetzung das Risiko der Überkompensation der Begünstigten erhöht.
Tabelle: Sektoruntersuchung zu Stromkapazitätsmechanismen
Quelle: Europäische Kommission aufgrund von Sektoruntersuchung zu Stromkapazitätsmechanismen
Welche vorläufigen Schlussfolgerungen zieht die Kommission aus den Zwischenergebnissen
der Sektoruntersuchung?
Der Zwischenbericht lässt darauf schließen, dass viele Mitgliedstaaten eine gründlichere Bewertung
dahingehend vornehmen müssen, i) ob Kapazitätsmechanismen erforderlich sind, und ii) ob ihre
Ausgestaltung sicherstellt, dass sie kostenwirksam sind und den Wettbewerb nicht verzerren.
i) Methoden zur Ermittlung des Bedarfs an Kapazitätsmechanismen
Aus den vorläufigen Untersuchungsergebnissen der Kommission geht hervor, dass viele
Kapazitätsmechanismen entworfen wurden, ohne dass vorher geprüft worden wäre, ob die
Versorgungssicherheit auf dem betreffenden Markt überhaupt gefährdet ist. Fast die Hälfte der
untersuchten Mitgliedstaaten hat anscheinend nicht anhand angemessener Methoden ermittelt,
welches Versorgungsniveau sichergestellt werden muss, bevor der Kapazitätsmechanismus eingerichtet
wurde.
Zudem sind die Methoden zur Bewertung der Versorgungssicherheit von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat
sehr unterschiedlich, was den Vergleich und die grenzübergreifende Zusammenarbeit erschwert. Es
scheint, dass die Möglichkeiten der Lieferungen aus benachbarten Mitgliedstaaten in den nationalen
Bewertungen nicht hinreichend berücksichtigt werden. Auch dienen regional ausgerichtete
Bewertungen nicht als eine Grundlage für Kapazitätsmechanismen.
Ein stärker harmonisierter Ansatz für die Angemessenheit der Stromerzeugung und
Zuverlässigkeitsstandards erscheint daher im Hinblick auf eine bessere Koordination und eine
Zusammenarbeit über die Grenzen hinweg notwendig.
ii) Ausgestaltung der verschiedenen Kapazitätsmechanismen
Dem Zwischenbericht zufolge bestehen erhebliche Mängel in Bezug auf die Ausgestaltung der
Kapazitätsmechanismen.
- Die meisten Mitgliedstaaten verfügen über Mechanismen, bei denen der für die
Stromkapazitäten zu zahlende Preis nicht in einem wettbewerblichen Verfahren
ermittelt, sondern entweder vom Mitgliedstaat auf Verwaltungsebene festgesetzt oder bilateral
zwischen dem Mitgliedstaat und dem Kapazitätsanbieter ausgehandelt wird. Dies birgt eine Gefahr
von Überkompensation und damit einhergehender Subventionierung des Stromanbieters. Die
Kommission stellte Mechanismen mit auf Verwaltungsebene festgelegten Preisen zum Beispiel in
Deutschland, Irland, Italien, Polen, Portugal und Spanien fest.
- Viele Kapazitätsmechanismen gestatten nicht allen potenziellen Kapazitätsanbietern oder
Technologien eine Beteiligung, was nicht kosteneffizient ist und den Wettbewerb zwischen den
Anbietern unnötig beschränken kann. Es gibt beispielsweise Mechanismen, die lediglich auf eine
Erzeugungsquelle ausgerichtet sind (z.B. Kohle), und Mechanismen, die die Beteiligung einiger
Anbieter ausdrücklich ausschließen (z. B. Lastmanager, neu aufgebaute Kapazitäten oder
Speicherbetreiber). In jüngster Zeit zeichnet sich jedoch ein allgemeiner Trend zu offeneren und
inklusiveren Mechanismen ab.
- Schließlich ergab die Untersuchung, dass Kraftwerke aus anderen Mitgliedstaaten fast immer
von der Beteiligung an nationalen Kapazitätsmechanismen ausgeschlossen sind. Die
einzigen Mitgliedstaaten, die in der Untersuchung eine bestimmte direkte Beteiligung
grenzübergreifender Kapazitäten an Kapazitätsmechanismen gestatteten, sind Belgien,
Deutschland und Irland, wenn auch mit Beschränkungen. Ausländische Kapazitätsanbieter direkt
an nationalen Mechanismen teilhaben zu lassen, vermeidet Diskriminierung, gewährleistet, dass
Mitgliedstaaten Kapazitäten zu niedrigeren Kosten zur Verfügung stellen und trägt zum Aufbau
eines stärker integrierten europäischen Energiemarktes bei.
Bevorzugt die Kommission bestimmte Kapazitätsmechanismusmodelle?
Es gibt keine Universallösung. Je nach dem spezifischen Problem der angemessenen Stromerzeugung
können verschiedene Modelle angebracht sein. Vor diesem Hintergrund weisen die vorläufigen
Ergebnisse der Untersuchung darauf hin, dass eine wettbewerbsfähige Preisfestsetzung in offenen und
inklusiven Kapazitätsmechanismen in der Regel die kosteneffizientesten Ergebnisse liefert. Die
marktweiten Modelle können daher die am besten geeigneten Maßnahmen sein, wenn das zugrunde
liegende Marktversagen ein allgemeiner Kapazitätsenpass ist. Um wirklich wirksam zu sein, müssen sie
auf jeden Fall allen möglichen Kapazitätsanbietern, d. h. auch denen aus anderen Mitgliedstaaten,
offenstehen.
Da Reserven und Ausschreibungen für neue Kapazitäten kein zugrunde liegendes Marktversagen
beheben, scheinen sie in vielen Situationen weniger zweckmäßig und hauptsächlich als
Übergangsmaßnahmen geeignet zu sein. Eine strategische Reserve kann beispielsweise verhindern,
dass zu viele Kraftwerke schließen, obwohl längerfristige Reformen vorgenommen werden.
Kapazitätsvergütungsregelungen, die keiner wettbewerbsfähigen Preisfestsetzung unterliegen, sind
in der Regel die am wenigsten geeignete Art, da die geeignete Höhe der Kompensation für Empfänger
ohne Wettbewerb viel schwieriger festzulegen ist.
Kapazitätsmechanismen müssen in allen Fällen sorgfältig ausgestaltet sein, wobei ein besonderes
Augenmerk transparenten und offenen Beteiligungsregeln sowie der Minimierung nachteiliger
Auswirkungen auf die Stromflüsse auf dem Energiemarkt in Europa gilt. Die Strompreise sollten
insbesondere auch künftig ein Knappheitsignal senden, so dass zur rechten Zeit Strom aus anderen
Mitgliedstaaten importiert werden kann.
Diese Erkenntnisse greifen schließlich der Beurteilung der Vereinbarkeit der einzelnen
Kapazitätsmechanismen mit den EU-Beihilfevorschriften seitens der Kommission nicht vor, die einer
Einzelfallprüfung unterliegt.
Wie geht es weiter?
Der heute veröffentlichte Zwischenbericht wird nun einer öffentlichen Konsultation unterzogen. Die
Kommission bittet die Mitgliedstaaten, Interessenträger im Stromsektor und andere Beteiligte, bis zum
6. Juli 2016 zu dem Zwischenbericht und dem beigefügten Arbeitsdokument der
Kommissionsdienststellen Stellung zu nehmen. Unter Berücksichtigung der eingegangenen
Stellungnahmen wird die Kommission noch in diesem Jahr einen Abschlussbericht über die Ergebnisse
der Sektoruntersuchung veröffentlichen. Bis dahin wird die Kommission prüfen, inwieweit die
Kapazitätsmechanismen mit den EU-Beihilfevorschriften und insbesondere den Leitlinien für staatliche
Umweltschutz- und Energiebeihilfen 2014-2020 vereinbar sind.
Außerdem trägt die Sektoruntersuchung zu den Zielen der Kommission im Bereich der Energieunion
bei. So werden die Ergebnisse der Untersuchung in die Legislativvorschläge zur Umgestaltung der
Strommärkte einfließen, die im Laufe dieses Jahres vorgelegt werden sollen (nähere Angaben dazu
hier).
MEMO/16/1367
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