SWR2 Zeitwort

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SWR2 Zeitwort
15.04.136 v. Chr.
In Babylon wird eine totale Sonnenfinsternis beschrieben
Von Gabor Paal
Sendung: 15.04.2016
Redaktion: Ursula Wegener
Produktion: SWR 2016
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Autor:
Die älteste Überlieferung einer totalen Sonnenfinsternis geht auf das Jahr 1223 vor
Christus zurück. Von ihr berichten Tontafeln aus Ugarit an der heutigen syrischen
Mittelmeerküste. Die Babylonier im Landesinneren waren somit offenbar nicht die
ersten, die diese imposanten Phänomene notierten, aber sie waren besonders
fleißig. Ihre Chroniken berichten von 40 Sonnen- und Mondfinsternissen, viele davon
mit Datum. Und unter ihnen ist auch eine totale Sonnenfinsternis. Die Fragmente der
beiden Tontafeln, die davon zeugen, befinden sich heute im Britischen Museum in
London. Als Datum ist der 29. Tag des 12. Monats des Jahres 175 vermerkt.
Wohlgemerkt nach dem Seleukidischen Kalender. Umgerechnet auf die römischchristliche Zeitrechnung handelt es sich um den 15. April des Jahres 136 vor
Christus. Die Texte auf den beiden Tafeln unterscheiden sich. Der eine nennt die
totale Sonnenfinsternis beim Namen, der andere gibt nur indirekte Hinweise.
Zitat:
Die Verdunkelung begann im Südwesten, anderthalb Stunden nach Sonnenaufgang.
Venus, Merkur und andere Sterne waren sichtbar. Auch Jupiter und Mars, die um die
Zeit normalerweise verborgen wären, waren während der Verdunkelung zu sehen.
Autor:
Die Bemerkung zu Jupiter und Mars bedeutete, dass diese Planeten sonst um diese
Zeit nicht zu sehen waren, weil sie sozusagen mit der Sonne auf- und untergingen
und somit immer von ihr überstrahlt wurden. Nur bei einer totalen Sonnenfinsternis
sind Sterne und Planeten am Taghimmel sichtbar. Und so war es 136 vor Christus
und es handelt sich um die genaueste Beschreibung einer Sonnenfinsternis vor
Beginn der Neuzeit. Im zwanzigsten Jahrhundert war die Astronomie dann soweit
fortgeschritten, dass Wissenschaftler den Lauf der Planeten sehr genau berechnen
konnten. Das ist ja das Praktische an Sonne und Mond, sie sind verlässlich wie eine
Präzisionsuhr. Und so hat sich der englische Astronomiehistoriker Richard
Stephenson im Jahr 1997 die Mühe gemacht, die Mond- und Sonnenbahnen bis in
die Antike zurück zu rechnen und zu prüfen, ob sich die historisch überlieferten
Finsternisse bestätigen. Sie tun es: Auch nach Stephensons Berechnungen gab es
am 15. April 136 vor Christus eine Sonnenfinsternis. Allerdings, wenn man mit den
heutigen Daten zurückrechnet, wäre sie nicht in Babylon zu sehen gewesen, sondern
drei Zeitzonen weiter westlich, auf Mallorca. War sie aber nicht. Der Grund ist, dass
sich die Eigenrotation der Erde seit dieser Zeit verlangsamt hat. Tatsächlich werden
die Tage im Lauf der Erdgeschichte immer kürzer. Schuld daran sind die
Gezeitenkräfte. Täglich haben wir zweimal Ebbe und zweimal Flut. Und dieses
allgemeine Geschwabbel an der Erdoberfläche bremst die Rotation. Das wusste
auch Stephenson. Diese stetige Verlangsamung lässt sich heute auch mit Atomuhren
nachweisen. Aber indem Stephenson die theoretische mit der tatsächlichen
Sonnenfinsternis im Jahr 136 vor Christus verglich, konnte er auch das Ausmaß der
Verlangsamung berechnen. Mathematisch lautete die Aufgabe also so: Zwischen
Babylon und Mallorca beträgt der Zeitunterschied drei Stunden. Und seit jener
Sonnenfinsternis sind fast 800.000 Tage vergangen. Wenn man nun davon ausgeht,
dass sich die Eigendrehung der Erde seitdem kontinuierlich verlangsamt, um wie viel
kürzer waren damals die Tage, so dass sich der Zeitunterschied seit damals zu drei
Stunden aufsummiert? Stephensons Antwort: 40 Millisekunden. D.h. Ein Tag im Jahr
136 vor Christus war 40 Millisekunden kürzer. In der Konsequenz bedeutet das: in
50.000 Jahren ist ein Tag eine Sekunde länger als heute. Und in der Frühzeit der
Erde vor 4 Milliarden Jahren hatte der Tag nur 21 Stunden. Und das wissen wir nicht
zuletzt dank der fleißigen babylonischen Chronisten.
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