(16-04-07 Déclaration CFADS Version finale DE)

Erklärung des Deutsch-Französischen Verteidigungs- und Sicherheitsrats
Die deutsch-französische Zusammenarbeit in Sicherheits- und Verteidigungsfragen ist
entscheidend für die Bestätigung eines starken Europas, das in der Lage ist, seinen
internationalen Verpflichtungen nachzukommen.
1. Die Berufung Frankreichs auf Artikel 42 Absatz 7 des Vertrags über die
Europäische Union nach den Attentaten vom November hat gezeigt, dass sich die europäische
Solidarität auf dem Gebiet der Verteidigung verwirklichen kann. Die Entschlossenheit und die
Schnelligkeit der deutschen Reaktion in diesem Zusammenhang sind begrüßenswert. Mit
ihrem gemeinsamen Handeln im Rahmen der internationalen Koalition im Kampf gegen
IS/Da’esch bekräftigen Deutschland und Frankreich ihre Entschlossenheit, der Bedrohung
durch den Terrorismus entgegenzutreten. Durch die Entsendung von Aufklärungsmitteln,
Hilfe bei Operationen von Luftwaffe und Marine und die Unterstützung der irakischen
Streitkräfte unternimmt Deutschland Anstrengungen, deren Umfang Frankreich voll und ganz
anerkennt.
Unsere gemeinsamen Bemühungen bieten uns die Möglichkeit, die operationelle
Zusammenarbeit zwischen unseren Streitkräften wesentlich zu vertiefen. Insbesondere die
verbesserte Interoperabilität unserer Luftstreitkräfte in der Levante und die Entsendung einer
deutschen
Fregatte
zur
Begleitung
und
zum
Schutz
der
französischen
Flugzeugträgerkampfgruppe sind starke Signale, die neue Perspektiven der Zusammenarbeit
eröffnen.
Die Bemühungen im Mittelmeer müssen sich auf die Stabilisierung sowie die
Bekämpfung des Menschenschmuggels konzentrieren. Deutschland und Frankreich begrüßen
in diesem Zusammenhang den NATO-Einsatz in der Ägäis, der die Maßnahmen der
Europäischen Union unterstützt und mit FRONTEX eng abgestimmt ist. Unsere beiden
Länder unterstützen ebenfalls die Operation EUNAVFOR MED Sophia, deren Mandat sich
künftig entwickeln sollte, sobald die Bedingungen dies zulassen. Im Geiste der Pariser
Erklärung vom 13. März 2016 befürworten beide Länder ferner die laufenden Planungen zur
Unterstützung einer libyschen Regierung der Nationalen Einheit.
Ferner werden Deutschland und Frankreich gemeinsam mit Zustimmung des
Sicherheitsrats der Vereinten Nationen zusätzliche Maßnahmen für eine Verschärfung der
wirksamen Überwachung des Waffenembargos prüfen.
In der Sahelzone haben sich Deutschland und Frankreich für eine Stabilisierung der
Situation eingesetzt. Auf militärischer Ebene leistet Frankreich, insbesondere im Rahmen der
Operation Barkhane, Beistand im Kampf gegen die Entstehung neuer terroristischer
Rückzugsorte und begleitet die Streitkräfte der Länder der Sahelzone in ihrem Kampf gegen
bewaffnete Gruppen. Deutschland hat kürzlich seine Beteiligung an MINUSMA erheblich
erweitert, besonders durch die Bereitstellung von Aufklärungsmitteln. Seit Sommer 2015
wurde auch die französische Beteiligung an MINUSMA ausgebaut. Das verstärkte
Engagement Deutschlands in der Sahelzone trägt zu einer Verstärkung unserer operationellen
Zusammenarbeit bei: Zum zweiten Mal in Folge wurde die Deutsch-Französische Brigade in
diese Region verlegt, und das Kommando der Mission EUTM Mali, an der auch französische
Soldaten beteiligt sind, führt ein deutscher General. Deutschland und Frankreich beteiligen
sich an der Mission EUCAP Sahel Mali zur Ausbildung und Beratung von Sicherheitskräften
in Mali, die von einem deutschen Diplomaten geleitet wird. Die europäischen Maßnahmen
auf diesem Gebiet sind entscheidend, um die Umsetzung des Friedensprozesses zu
unterstützen, die bereits eingeleitete Reform des Sicherheitssektors zu begleiten und zur
Unterstützung der Vereinten Nationen eine dauerhafte Stabilisierung des Landes zu
ermöglichen. Mit dem Ziel der Fortsetzung der europäischen Bemühungen haben wir
gemeinsam die strategische Prüfung der Mission EUTM Mali übernommen. Ferner
unterhalten unsere beiden Länder seit September 2015 einen vertieften Dialog über die
Sicherheit in Afrika und begrüßen die kommende Durchführung einer Mission im Rahmen
der gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik zur Ausbildung und militärischen
Beratung der Streitkräfte in der Zentralafrikanischen Republik (EUTM RCA).
2. Deutschland und Frankreich sehen im Bereich der Sicherheit auf dem europäischen
Kontinent dieselben Herausforderungen. Wir wünschen, dass unsere Zusammenarbeit, auch
mit anderen Mitgliedstaaten, weiterhin eine Vorreiterrolle bei der Stärkung der europäischen
Maßnahmen im Bereich der Sicherheit und Verteidigung spielt, insbesondere im Rahmen der
gemeinsamen europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP). Deutschland und
Frankreich haben in Zusammenarbeit mit Polen hierzu konkrete Vorschläge vorgelegt, die
weitgehend in die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom Juni 2015 aufgenommen
wurden. Wir müssen weiterhin zusammenarbeiten, um unsere Prioritäten zu fördern.
Deutschland und Frankreich setzen sich außerdem für eine Stärkung der Rolle des
EUROKORPS im Rahmen der GSVP ein.
Die Initiative zur Stärkung der Fähigkeiten von Drittstaaten (CBSD-Initiative, früher
Train and Equip/E2I) wird eine adäquate Unterstützung der sicherheitspolitischen
Bemühungen unserer Partner, unter anderem der afrikanischen Partner, vor Ort ermöglichen;
es ist wichtig, dass die Initiative vor dem Sommer 2016 zustande kommt. Wir rufen die
Kommission und die Hohe Vertreterin auf, eine angepasste Finanzierung für die im
Aktionsplan vom November 2015 festgelegten Pilotprojekte zu bewilligen und Vorschläge für
eine nachhaltige Finanzierung der Projekte, auch durch ein spezielles Instrument, vorzulegen.
Die Mitgliedstaaten messen diesem Thema Priorität bei und wir sind bestrebt, dieses Ziel mit
den Staaten, die dies wünschen, weiterzuverfolgen. Unser gemeinsames Ziel ist es,
Fortschritte in vier Arbeitsfeldern zu erzielen: i) Identifizierung konkreter Projekte,
ii) Finanzierungsmöglichkeiten, iii) verstärkte Abstimmung und Kohärenz der Instrumente,
iv) politischer Rahmen.
Wir bemühen uns, zu den Überlegungen für die zukünftige umfassende Strategie der
Europäischen Union zur Außen- und Sicherheitspolitik beizutragen. Die Strategie muss ein
klares Zukunftskonzept für Sicherheits- und Verteidigungsfragen vorschlagen, eine bessere
Abstimmung zwischen Prioritäten der inneren und äußeren Sicherheit ermöglichen und die
Fähigkeit der Europäischen Union demonstrieren, die verschiedenen Hebel, die ihr zur
Verfügung stehen, in allen Bereichen in Gang zu setzen. Deutschland und Frankreich
verfolgen beide das Ziel, den Fragen der gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik
im Rahmen der zukünftigen Strategie eine zentrale Rolle zuzuweisen, insbesondere um für
unsere außenpolitischen Maßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit der europäischen
Bürger ausreichende Mittel sicherzustellen.
Ferner sind Deutschland und Frankreich der Ansicht, dass das Projekt zur Umsetzung
eines einheitlichen europäischen Luftraums, eines strukturellen Projekts im
Verteidigungsbereich, eine sicherheitspolitische Dimension umfassen muss, die von
grundlegender Bedeutung für die Wahrung der Handlungsfreiheit in der militärischen
Luftfahrt ist.
Schließlich erfordert die Konsolidierung einer starken und wettbewerbsfähigen
europäischen Rüstungsindustrie eine Fortsetzung der Arbeit an der vorbereitenden Maßnahme
zur sicherheitsrelevanten Forschung, um deren Einführung 2017 sicherzustellen und den Weg
für ein echtes Forschungsprogramm im Bereich Verteidigung zu ebnen, das die Kompetenzen
der europäischen Industrie in den Schlüsselsektoren stärkt und zur strategischen
Unabhängigkeit der EU beiträgt. Deutschland und Frankreich unterstützen die
Schlussfolgerungen des Abschlussberichts der Gruppe hochrangiger Persönlichkeiten und
vermerken die Notwendigkeit, ein Budget von mindestens 80 Millionen Euro für die
vorbereitende Maßnahme bereitzustellen.
3. Deutschland und Frankreich verfolgen gemeinsam das Ziel der strategischen
Unabhängigkeit der EU im digitalen Zeitalter, die sich auf folgende Schritte gründet:
1. Stärkung der Fähigkeit der Mitgliedstaaten und der EU insgesamt, ihre Netze zu schützen
und ihre digitale Resilienz zu erhöhen, und zwar durch den gemeinsamen Aufruf, die NISRichtlinie [Network and Information Security] schnell umzusetzen; 2. Entwicklung einer
unabhängigen, innovativen, wirksamen und diversifizierten europäischen Industrie
insbesondere im Bereich Vertrauensbildung im digitalen Umfeld und Cybersicherheit;
3. Gewährleistung der Fähigkeit der Europäer, unabhängig über die Sicherheitsstufe ihrer
Daten zu entscheiden, insbesondere im Zusammenhang mit der Aushandlung von
Handelsabkommen.
Deutschland und Frankreich haben auf diesem Gebiet mehrere Initiativen ergriffen,
etwa durch gemeinsame Anstrengungen bei der Zertifizierung der Sicherheit von CloudComputing oder der Sicherheit von E-Mails, die Organisation eines „Speed-Datings“
zwischen deutschen und französischen im Bereich Cybersicherheit tätigen KMU am Rande
des Internationalen Forums für Cybersicherheit in Lille im Januar 2016 oder auch durch ihre
gemeinsame Arbeit zur internationalen Cybersicherheit auf diplomatischer Ebene,
insbesondere in den Vereinten Nationen, der OSZE, der EU und der NATO.
4. Im Zuge der Vorbereitungen auf den NATO-Gipfel im Juli 2016 arbeiten
Deutschland und Frankreich bei der Förderung ihrer gemeinsamen Standpunkte zusammen,
insbesondere im Hinblick auf die Umsetzung des Aktionsplans zur Reaktionsfähigkeit, die
ausgewogene Gestaltung der Beziehungen zu Russland, in denen sich Bestimmtheit und
Dialog die Waage halten, sowie den Aufbau einer flexiblen Allianz, die aktuellen und
künftigen Bedrohungen unabhängig von deren Ursprung gewachsen ist (360-Grad-Allianz).
Ferner hat sich Frankreich im Februar 2016 der von Deutschland und den Vereinigten Staaten
getragenen TACET-Initiative angeschlossen, deren Ziel darin besteht, die Fähigkeiten Polens
und der baltischen Staaten sowie die Interoperabilität mit diesen Staaten zu stärken.
Deutschland und Frankreich unterstützen überdies die europäische Verankerung der Allianz,
insbesondere im industriellen Bereich, sowie die Vertiefung der Zusammenarbeit zwischen
der EU und der NATO. Auch beabsichtigen sie, sich für eine verantwortliche Nutzung von
Ressourcen einzusetzen, damit die Allianz ihre Glaubwürdigkeit dauerhaft aufrechterhalten
kann. Im Rahmen des dualen Ansatzes aus Bestimmtheit und Dialog unterstützen
Deutschland und Frankreich gemeinsam die Wiederaufnahme des NATO-Russland-Rats auf
Botschafterebene.
5. Deutschland und Frankreich sehen im OSZE-Raum dieselben sicherheitspolitischen
Herausforderungen. Frankreich unterstützt Deutschland umfassend in seiner Arbeit als OSZEVorsitz, um insbesondere einen Beitrag zu Dialog, neuem Vertrauen und dauerhafter Sicherheit in
Europa auf der Grundlage der Achtung der Prinzipien und Verpflichtungen der OSZE zu leisten.
Frankreich unterstützt vornehmlich die Anstrengungen, die zur Debatte über Fragen der
gesamteuropäischen Sicherheit beitragen, sowie das Engagement Deutschlands bei der
Modernisierung der politisch-militärischen Instrumente, etwa des Wiener Dokuments. Ferner
unterstützt Frankreich voll und ganz die vom deutschen Vorsitz gesetzte Priorität bezüglich der
Arbeit der OSZE am Konfliktzyklusmanagement. Überdies engagieren sich Deutschland und
Frankreich unverändert für die Erhaltung von Frieden und Sicherheit auf dem europäischen
Kontinent. Seit Juni 2014 arbeiten sie insbesondere an den Vermittlungsbemühungen im Rahmen
des Normandie-Formats, um eine Lösung für die Krise in der Ukraine und ihrer Umgebung zu
finden. Eine friedliche Beilegung dieses Konflikts ist verbunden mit der vollständigen Umsetzung
des Minsker Abkommens durch die Parteien.
6. Im Rüstungsbereich führen Deutschland und Frankreich ihre Zusammenarbeit bei
grundlegenden strukturellen Vorhaben fort, um dem gemeinsamen Bedarf unserer Streitkräfte
gerecht zu werden und die industrielle und technologische Grundlage der europäischen
Verteidigung zu stärken. Diese Zusammenarbeit bedingt eine gegenseitige Abhängigkeit der
Binnen- und Exportmärkte Deutschlands und Frankreichs und ist Gegenstand einer
intensiveren Abstimmung unserer beiden Länder, die den ehrgeizigen Bestrebungen
entspricht, von denen unsere großen gemeinsamen Projekte zeugen.
Auf dem Gebiet der Raumfahrt können wir durch das im Juli 2015 unterzeichnete
Regierungsabkommen nunmehr die Kapazitäten unserer beiden Systeme (CSO/SARAh)
nutzen, wodurch die Investitionen beider Länder optimal eingesetzt sind. Nach
Unterzeichnung einer Absichtserklärung im Mai 2015, durch die das Projekt der
MALE-Drohne (Medium Altitude Long Endurance) auf europäischer Ebene begründet wurde,
bekräftigen Deutschland als federführende Nation und Frankreich (auch Spanien und Italien
haben sich diesem Projekt angeschlossen) ihren Willen, bis Juni 2016 eine Definitionsstudie
auf den Weg zu bringen, sowie ihren Wunsch, EVA und OCCAR in das Projekt einzubinden,
damit wir bis 2025 über eine Kapazität verfügen, die dem Bedarf unserer Streitkräfte optimal
entspricht.
Bezüglich unserer gemeinsamen Programme, sei es der A400M oder der Tiger und
dessen Entwicklung, pflegen wir enge Kontakte, um unsere Mittel für Unterstützung oder
Ausbildung wo immer möglich zu beiderseitigem Nutzen einzusetzen.
Schließlich bekräftigen unsere beiden Länder nach der im Dezember 2015
beschlossenen Fusion der Unternehmen Nexter und KMW sowie unter Bezugnahme auf die
gemeinsame politische Erklärung vom 9. Dezember letzten Jahres ihren Willen, ihre
Zusammenarbeit im Bereich Sicherheit und Verteidigung zu verstärken, um vergleichbare
industrielle Projekte voranzutreiben, die sich förderlich auf die industrielle und
technologische Verteidigungsbasis Europas auswirken. So sind Deutschland und Frankreich
übereingekommen, das neue Joint Venture durch Vertiefung der bilateralen Zusammenarbeit
zu begleiten, sei es durch die Suche nach gemeinsamen programmatischen Zielen oder durch
die Vertiefung des Dialogs über Möglichkeiten zur Stärkung der industriellen und
technologischen Basis unserer beiden Länder. Die laufenden Überlegungen über das künftige
Bodenkampfsystem, das langfristig die in beiden Ländern aktuell noch eingesetzten
Kampfpanzer ablösen soll, stellen in diesem Zusammenhang einen wichtigen Aspekt dar.
Wir sind entschlossen, unsere Zusammenarbeit weiterzuführen und zu vertiefen, um die
Dynamik unserer bilateralen Beziehung zu stärken und zur Weiterentwicklung der
europäischen Verteidigungsfähigkeiten beizutragen.