WHITE PAPER | RESTRUKTURIERUNG IM MITBESTIMMUNGSNAHEN UMFELD AUTOREN: GEZA BRUGGER, DENNIS KUHLMANN Restrukturierung im mitbestimmungsnahen Umfeld – die Evolution des Betriebsrats zum konstruktiven Mitgestalter . Umstrukturierungen von Unternehmen sind in den letzten Jahren immer stärker zum festen Bestandteil der Managementaufgabe geworden. Als Vertreter der „Betroffenen“ positioniert sich der Betriebsrat gegenüber der Arbeitgeberseite deutlich seltener im Wartemodus, sondern zunehmend agil und proaktiv. Er erfährt dadurch häufiger Gehör, nicht mehr nur qua Gesetz, sondern insbesondere durch seine frische Art kreativen Gestaltungsdenkens. Unter der Prämisse „Primat des Handelns“ zeigen sich gerade in stark mitbestimmungsgeprägten Gesellschaften der traditionellen deutschen Industrien Züge eines aufgeklärten und konsensorientierten Veränderungsprozesses. Die angesprochene Entwicklung stellt Unternehmen und Führungskräfte neben den bereits komplexen Herausforderungen des Transformationsvorhabens vor zusätzliche Aufgaben, bei denen sie teilweise Neuland betreten. Durch aufgeklärtes Verständnis für die Notwendigkeit der Veränderung können für beide Seiten bessere und nachhaltigere Lösungen erarbeitet werden. Copyright by e&Co. AG Hubertusstr. 50, 54439 Saarburg | www.eandco.com | ENABLING VALUE | S. 1 / 13 WHITE PAPER | RESTRUKTURIERUNG IM MITBESTIMMUNGSNAHEN UMFELD Der vorliegende Artikel stellt dar, welche Weichen auf dem mitbestimmungsnahen Pfad zu stellen sind, um effektiv, für beide Seiten erfolgreich und „in Manndeckung“ zum gewünschten Ziel zu gelangen. KEY-TAKE-AWAYS: INFORMATION. INFORMATION. INFORMATION. Frühe Transparenz als Türöffner zur Arbeitnehmerseite. Proaktiver Schulterschluss durch Schaffung einer „Sekundärorganisation“ mit dedizierten Gremien, Arbeitskreisen und beidseitigen Projektverantwortlichen. Involvierung unvorbelasteter Mitarbeiter als Steuerungs- und antizipatives Schlichtungsorgan. Seine Gegenüber kennen und verstehen – Roadmap für verschiedene Stereotype von Betriebsräten. Produktivitätssteigerung bereits im Umbauprozess: Vermeintliches Problem als Chance ansehen und gemeinsam nutzbar machen. AUSGANGSSITUATION | HERAUSFORDERUNGEN | POTENTIALE „Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat schon verloren.“ (Bertolt Brecht) Im Diskurs zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite lauern zahlreiche Tücken und Stolpersteine. Sich diesen Herausforderungen zu entziehen, wäre in weiten Teilen nicht nur schwer darstellbar – aufgrund rechtlicher Vorgaben des Betriebsverfassungsgesetzes hinsichtlich Informations-, Konsultations- und Mitbestimmungsrechten – sondern auch feige. Denn im gemeinschaftlichen Prozess der Restrukturierung zwischen Unternehmer/Führungskraft und Betriebsrat/Arbeitnehmer muss es nicht zwingend einen Gewinner und einen Verlierer geben, wie im obigen Zitat etwas überspitzt postuliert. Vielmehr gilt es, das Maximum an Konsens und Interessenausgleich aus einem Vorgehen herauszuholen, das durch eine andere Rollenverteilung geprägt ist, als dies früher hauptsächlich der Fall war. Stellt sich die Frage: Wo liegen die Geheimnisse robuster Zusammenarbeitsmodelle, wie kann man diese effektiv nutzbar machen – und in welcher Ausprägung manifestieren sie sich bereits in der deutschen Unternehmenslandschaft? Copyright by e&Co. AG Hubertusstr. 50, 54439 Saarburg | www.eandco.com | ENABLING VALUE | S. 2 / 13 WHITE PAPER | RESTRUKTURIERUNG IM MITBESTIMMUNGSNAHEN UMFELD Grundsätzlich kann festgehalten werden, dass sowohl die Existenzquote, als auch die Stärke der Betriebsratsgremien mit höherer Beschäftigtenanzahl exponentiell ansteigt. So haben in Betrieben unter 100 Beschäftigten lediglich 17% der Unternehmen eine gesetzliche und gewählte Vertretungsinstanz, wohingegen Betriebe mit über 100 Arbeitnehmern bereits eine Quote von 74%, Großkonzerne – bekannte Beispiele sind die Unternehmen der stahlverarbeitenden und der Automobil-Industrie, Banken und Versicherungen sowie Versorger – nahezu flächendeckende Arbeitnehmervertretung vorweisen1. Getrieben durch die mediale Berichterstattung über starke, teils sehr dominante Betriebsräte in öffentlichkeitswirksamen Unternehmen wie Volkswagen oder Commerzbank wird deutlich, welche Machtverhältnisse möglich sind. Beim Blick hinter die Kulissen erkennt man schnell, dass auch Arbeitnehmervertreter aus der zweiten Unternehmensreihe verstanden haben, dass sich selbstbewusstes Auftreten und Betriebsratsarbeit nicht widersprechen müssen. Um derart handeln und Interessenvertretung mit Führungsanspruch verbinden zu können, sind allerdings immer differenziertere und spezialisiertere Qualifikationen notwendig. Aufgrund der veränderten Praxisanforderungen über fachliche Aspekte hinaus – gewissermaßen als Querschnittsqualifikation – sind zunehmend auch soziale und methodische Kompetenzen, wie Kommunikationsvermögen, Kooperations- und Teamfähigkeit sowie der Umgang mit Konfliktsituationen („Beteiligungskompetenz“) notwendig. Spezifisch ausgerichtete Schulungen und Workshops erfreuen sich daher steigender Beliebtheit. Wirft man einen Blick auf die Strahlkraft eines professionellen und bewusst gleichberechtigt gespielten Umgangs zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite – sei es auf Basis erfolgreich durchgeführter Restrukturierungen oder auch im Gespräch mit Vertretern der „schwachen“ Fraktion – wird schnell deutlich, dass die Vorteile überwiegen. Im klassischen Spannungsfeld der Leistungsziele Zeit, Qualität und Kosten wird durch Berücksichtigung einiger simpler und pragmatisch umsetzbarer Kniffe die Ausbalancierung und Befriedigung der gegenseitigen Anspruchslevel zur „mission possible“. 1 Quelle: http://www.boeckler.de/pdf/magmb_2006_04_pries.pdf Copyright by e&Co. AG Hubertusstr. 50, 54439 Saarburg | www.eandco.com | ENABLING VALUE | S. 3 / 13 WHITE PAPER | RESTRUKTURIERUNG IM MITBESTIMMUNGSNAHEN UMFELD PRAXIS-BEISPIEL: SANIERUNG EINES MITTELSTÄNDISCHEN UNTERNEHMENS. In den obersten Stockwerken der Metallicor GmbH brannte schon seit einigen Wochen bis tief in die Nacht das Licht: Die Geschäftsführung traf sich zu konspirativen Meetings, um über die prekäre Lage ihres metallverarbeitenden Unternehmens zu beratschlagen. Dramatischer Wettbewerbsdruck und fehlende Innovationskraft hatten zur Schieflage geführt. Es sah für den Großteil der knapp 400 Mitarbeiter düster aus. Geschäftsführer Dr. P. hatte aufbauschend im kleinen Führungskreis die Devise ausgegeben, keinesfalls den Betriebsrat in die Neuausrichtung der Firma zu involvieren. „Die blockieren uns doch wieder mit ihren abstrusen Sozialplänen und machen alles nur noch schlimmer. Wir brauchen jetzt sehr schnell Maßnahmen zur Rettung, es geht um unsere Existenz und nicht um Einzelschicksale!“ Finanzchef Herr B. war mit seiner vehementen Kritik an diesem Vorgehen immer wieder auf taube Ohren gestoßen. Schlaflose Nächte plagten ihn. Er konnte aber zumindest seinen Vorschlag durchsetzen, eine externe Unternehmensberatung mit an Bord zu nehmen. „Ein solcher komplexer Umstrukturierungs-Prozess muss professionell begleitet werden. Ansonsten machen wir auch noch den letzten Rest unseres Unternehmens kaputt.“ Fast zeitgleich erfuhr der Betriebsrat zufälligerweise vom geheimen Projekt: Sekretärin Frau U. hatte eine OutlookKalendereinladung samt vertraulicher Informationen versehentlich an den falschen Verteiler geschickt. Per se schon konfrontativ, wurde der Betriebsrat nun zum schlimmsten Albtraum für die Geschäftsführung. Wutentbrannt forderte er umgehende Aufklärung sowie eine kompromisslose Mitbestimmung in der Sache. „Das ist ja mal wieder typisch: die Geschäftsführung trägt ihre Fehlentscheidungen auf dem Rücken der Mitarbeiter aus. Aber nicht mit uns!“ Wie ein Lauffeuer breiteten sich daraufhin intern die Gerüchte aus. Auch Lieferanten bekamen Wind davon. Die ohnehin angespannte Lage spitzte sich weiter zu. Die Unternehmensberatung pochte darauf, den Betriebsrat schnellstens und umfassend zu involvieren – und wurde zum brandlöschenden Mittler zwischen den verhärteten Fronten. Dies glückte nur teilweise. In einer Trotzreaktion überschüttete der Geschäftsführer den Betriebsrat mit einer undurchschaubaren Fülle an Unterlagen. Größtenteils irrelevante Daten. „Die wollen Informationen – hier haben sie Informationen. Hauptsache, diese Querulanten sind erst einmal beschäftigt …“, dachte er sich. Es folgte ein unerbittlicher Grabenkampf. Der Betriebsrat brachte sich mit allen ihm zur Verfügung stehenden Waffen in Stellung. Blockieren um jeden Preis war jetzt mehr denn je sein Credo. Die Schlichtungs-Sitzungen endeten in lautstarken Wortgefechten und wüsten Beschimpfungen, die noch weit durch die Gänge zu hören waren. Keiner rückte auch nur einen Millimeter von seiner Position ab. Schließlich wurde die Unternehmensberatung wieder abgezogen von der verbrannten Erde – auf Druck des Betriebsrats hin. Zwei Monate später musste der Geschäftsführer Insolvenz anmelden. Die Umstrukturierung war ihm aufgrund des ausufernden Kampfes mit dem Betriebsrat und der rasant verstrichenen Zeit nicht mehr gelungen. Kurz darauf wurden im Rahmen der Liquidierung die wertvollsten Assets des Unternehmens von einem amerikanischen Investor aus der Insolvenzmasse herausgekauft und sämtliche Mitarbeiter durch den Insolvenzverwalter entlassen. So auch der Betriebsrat. Copyright by e&Co. AG Hubertusstr. 50, 54439 Saarburg | www.eandco.com | ENABLING VALUE | S. 4 / 13 WHITE PAPER | RESTRUKTURIERUNG IM MITBESTIMMUNGSNAHEN UMFELD SCHLÜSSELELEMENTE FÜR EINEN ERFOLGREICHEN UMGANG MIT DER ARBEITNEHMERVETRETUNG. Um nicht am proaktiv-gestalterischen Auftreten der Betriebsräte zu verzweifeln oder bei der geplanten Restrukturierungsinitiative aufgrund fehlenden Rückhalts aus der Belegschaft vorzeitig zu scheitern, empfiehlt sich ein Blick auf die wichtigsten und effektivsten Faktoren bei der Zusammenarbeit mit der Arbeitnehmerseite. 1. Betriebsrat so früh wie möglich einbeziehen Ein häufiger Fehler im Zuge von Veränderungsprojekten ist die zu späte Integration in das geplante Vorhaben. Oftmals werden Arbeitnehmervertreter erst nach der Konzeptions-, oftmals auch „Planspielphase“ genannt, involviert und so vor vollendete Tatsachen gestellt. In diesem Falle wird der Betriebsrat lediglich als geduldeter „Advisor“ zu Rate gezogen, um seine Meinung zu einem bereits diskutierten und gereiften Arbeitspapier beizusteuern. Viel ratsamer ist es jedoch, ihn gleich zu Beginn auf Augenhöhe zu involvieren und konstruktiv am Vorhaben zu beteiligen. Das zeigt auf der einen Seite eine wesentlich höhere Wertschätzung und ermöglicht zum anderen, dass die gegenseitigen Bedenken frühzeitig verstanden und ausgeräumt werden können. Darüber hinaus ist damit zu rechnen, dass der potenzielle Widerstand gegen ein geplantes Veränderungsvorhaben deutlich abgemildert wird, wenn die Veränderung auch konzeptionell und von Anbeginn beidseitig mitgestaltet und im Ergebnis mitgetragen wird. „Lassen Sie den Betriebsrat von Anfang an mitreden und seine Ideen einbringen. Ein weiterer „Challenger“ schadet nicht dem Vorhaben, sondern schlimmstenfalls dem eigenen Ego.“ Copyright by e&Co. AG Hubertusstr. 50, 54439 Saarburg | www.eandco.com | ENABLING VALUE | S. 5 / 13 WHITE PAPER | RESTRUKTURIERUNG IM MITBESTIMMUNGSNAHEN UMFELD 2. Eine gemeinsame Agenda erarbeiten Einen Schritt weiter als die bloße Integration des Betriebsrats geht die Erarbeitung einer gemeinsamen Agenda. Dazu gehören etwa eine klare Vision des Wandels, die Klärung von Rollen und Verantwortlichkeiten, die Planung von Aktivitäten in einem Projektplan und das Führen von Checklisten. Darunter also viele klassische Projektmanagement-Aufgaben, die in der Praxis jedoch allzu oft nicht gemeinsam mit den Arbeitnehmervertretern ausgearbeitet und gepflegt, sondern diesem bestenfalls zwecks Information verfügbar gemacht werden. Dabei gilt die Definition einer gemeinsamen „Change Vision“ als zentrale Aufgabe. Diese sollte möglichst kurz, präzise und für alle von der Veränderung betroffenen Personen nachvollziehbar sein. Es sollte daraus hervorgehen, wie das gewünschte Zielbild nach dem Wandel aussieht und wie das Unternehmen sich diesem Soll-Zustand annähern möchte. Dabei gilt: „Ein Plan, der nicht in zwei bis drei Sätzen beschrieben werden kann, ist nicht zu Ende gedacht.“ Investieren Sie daher ausreichend Zeit für die Erarbeitung einer Vision, dem Herzstück der Veränderung. In vielen Fällen reicht ein einzelnes Meeting nicht dafür aus. Vielmehr bedarf es in der Praxis oftmals mehrerer Wochen, bis die Inhalte ausgereift sind. Anschließend muss eine flächendeckende und mehrstufige Kommunikation erfolgen. Idealerweise wird dabei über möglichst viele Kanäle und durch sinnvolle Wiederaufnahme von Kernaspekten mit der Belegschaft kommuniziert. Das Kommunikationskonzept sollte gemeinsam mit dem Betriebsrat ausgeplant und vorbereitet werden, etwa durch Initiierung eines dedizierten Newsletters sowie gemeinsamen Präsentationen auf Betriebs- und Mitarbeiterversammlungen. Auch hierbei ist es ratsam, den Betriebsrat im Sinne des Wandels als Projektmitglied zu begreifen und beide Vertreter in klar sichtbaren – und als gleichwertig nachvollziehbaren – Rollen zu positionieren. Copyright by e&Co. AG Hubertusstr. 50, 54439 Saarburg | www.eandco.com | ENABLING VALUE | S. 6 / 13 WHITE PAPER | RESTRUKTURIERUNG IM MITBESTIMMUNGSNAHEN UMFELD 3. Betriebsrat als Change Agent etablieren: Arbeitnehmervertreter als Überzeugungstäter Betriebsräte sind in den meisten Fällen bereits seit etlichen Jahren – nicht selten seit Jahrzehnten – im jeweiligen Unternehmen und kennen die Belegschaft und die Kultur wie kaum jemand aus der Führungsebene. Sie kennen die Sorgen, Ängste und Vorbehalte der Mitarbeiter und setzen deren Ziele gegenüber dem Management durch; dadurch genießen sie großen Rückhalt. Dieser Umstand birgt die Möglichkeit, diese Instanz nicht nur als Stakeholder des Wandels, sondern als potenziellen Mittler zu begreifen, der in der Lage ist, die Mitarbeiter von der Notwendigkeit und den Chancen der Veränderung zu überzeugen. „Stellen Sie den Betriebsrat nicht in die zweite Reihe, sondern nutzen Sie sein Potenzial an vorderster Front.“ Viel zu oft wird ignoriert, dass der Betriebsrat durch das Verhältnis und seinen Einfluss auf die Belegschaft einen wichtigen, wenn nicht sogar den wichtigsten Treiber des Wandels darstellen kann. Arbeitnehmervertreter haben in den Augen der Mitarbeiter, insbesondere in speziellen Situationen wie der geplanten Veränderung, oftmals eine deutlich höhere Glaubwürdigkeit als etwa das Management, welches auf die Reorganisation drängt und dem nicht selten Eigennutz oder Schönfärberei vorgeworfen wird. Um den Betriebsrat als Promoter für den Wandel zu gewinnen, muss dieser jedoch zuerst von der Sache überzeugt werden. Dazu muss er zum einen verstehen, warum die Veränderung notwendig ist und zum anderen von der Umsetzungsplanung überzeugt werden. Letzteres fällt bedeutend leichter, wenn von Anfang an die Veränderungs-Agenda gemeinsam erarbeitet wird (siehe Punkt 2). Ist der Arbeitnehmervertreter nicht nachhaltig von der Dringlichkeit des Vorhabens überzeugt, wird dieser nicht in der Lage sein, den Wandel glaubhaft zu verkaufen. Darüber hinaus gilt: Copyright by e&Co. AG Hubertusstr. 50, 54439 Saarburg | www.eandco.com | ENABLING VALUE | S. 7 / 13 WHITE PAPER | RESTRUKTURIERUNG IM MITBESTIMMUNGSNAHEN UMFELD „Wenn alleine der Betriebsrat nicht von der Dringlichkeit und der Vision des Wandels überzeugt werden kann – wieso sollte es dann bei der Belegschaft anders sein?“ Eine gemeinsam abgestimmte Präsentation durch den Betriebsratsvorsitz auf der Betriebsversammlung, ein Interview zum geplanten Wandel in einer Mitarbeiterzeitschrift oder ein regelmäßig vom Betriebsrat organisiertes Info-Meeting zum Bericht über den Status der Veränderung – all diese Maßnahmen schaffen Akzeptanz auf Seiten der Belegschaft und helfen dabei, die Vorteile des Wandels in der Unternehmenskultur zu verankern. Im Ergebnis fungiert der Betriebsrat als wirkungsvolles Sprachrohr für die Veränderung. 4. Einsatz eines internen Vertrauten als Brückenbauer zwischen Management und Betrieb Bevor es zu spät ist, vielfach als antizipatives Schlichtungsorgan etabliert, kann auch der Einsatz eines sachlich objektiven Dritten zielführend sein. Ein interner Ex-Kollege, Senior-Experte oder übergreifender Konzern-Mitarbeiter, welcher mit den Strukturen vertraut, aber keinesfalls mit ihren Akteuren und Eigenheiten „verheiratet“ ist. Ein fachlich versierter Mediator, der gekonnt die Bälle zwischen den Fronten hin- und her Copyright by e&Co. AG Hubertusstr. 50, 54439 Saarburg | www.eandco.com | ENABLING VALUE | S. 8 / 13 WHITE PAPER | RESTRUKTURIERUNG IM MITBESTIMMUNGSNAHEN UMFELD spielt und dabei beidseitige Zugeständnisse erlaubt. Ein übergeordneter Vermittler, der den Überblick behält und auch mal mit harter Hand die Arbeitgeberseite in die Schranken weist. Hierfür nötig sind Rückendeckung durch die nächsthöhere Management-Ebene, Akzeptanz auf Betriebsrats- und häufig auch Gewerkschaftsseite sowie verlässliche Kompetenz und nicht zuletzt Verfügbarkeit einer geeigneten Ressource. Sauber vorbereitet, trainiert und gespielt kann dieser Zug zum Zünglein an der Waage, dem alles entscheidenden Schlüsselelement des Veränderungsprozesses werden. Durch Einhaltung der dargestellten Maßnahmen wird der Schritt von der klassischen Interessenvertretung (konfrontative Abwartehaltung) hin zum kontinuierlichen CoManagement nicht nur begreifbar, sondern auch steuerbar und resultiert in nachhaltigen Vorteilen für beide Seiten. PRAXIS-BEISPIEL: RESTRUKTURIERUNG EINER VERTRIEBSGESELLSCHAFT (PHARMAUNTERNEHMEN). Voller Elan startete Herr N. vor zehn Monaten bei der Vertriebsgesellschaft des deutschen Pharmaunternehmens Zenoxsan AG. Nach einer kurzen Einarbeitungsphase schlug er dem Geschäftsführer Prof. M. vor, die regional ausgerichtete Vertriebsstruktur zu zentralisieren. „Mein Konzept wird unsere Sales-Performance erheblich steigern, indem wir sämtliche Prozesse, Maßnahmen und Aktionen direkt über ein zentrales Vertriebssystem steuern. Die bisherige Selbstverwaltung der einzelnen Organisations-Einheiten ist in weiten Teilen kontraproduktiv. Sie schadet unserem Markenimage und verursacht unnötig hohe Kosten. Dafür müssen wir aber eine umfassende Restrukturierung der Organisation durchführen, die mit dem Umzug vieler Mitarbeiter verbunden ist.“ Die Initiative des Vertriebsleiters begeisterte den Geschäftsführer: ihm war der monierte Zustand ohnehin schon seit längerem ein Dorn im Auge. „Passen Sie aber mit dem Betriebsrat auf. Der hat bei uns traditionell eine sehr starke Position. Am besten, Sie informieren ihn erst zum Schluss. Sonst wird das mal wieder nichts.“ Herr N. erwiderte: „Ganz im Gegenteil. Es scheitert, wenn wir den Betriebsrat nicht von Anfang an als Partner der Transformation gewinnen. Von Mitbestimmung zum Mit-arbeiten!“ Mit einem mulmigen Gefühl stimmte der Geschäftsführer zu. Beim gemeinsamen Kick-Off-Termin präsentierte Herr N. seine Vision ‚Umzug in die Zukunft: ONEsalesteam‘ und erläuterte in einigen Sätzen das Konzept. Geschickt stellte er die Vorteile für Unternehmen und Mitarbeiter heraus – und skizzierte eine originelle, interne KommunikationsKampagne zur Motivation der Belegschaft. „Und dafür sind gerade Sie, als Vertreter der Mitarbeiter, von größter Bedeutung, damit wir für alle Beteiligten die beste Lösung erreichen!“ schloss er seinen Vortrag mit Blick auf den Betriebsrat. „Natürlich werden wir auch Anreize schaffen für Arbeitnehmer mit Familien: Umzugsprämien, mobile und flexible Arbeitskonzepte, Home-Office-Lösungen usw. Lassen Sie uns das gemeinsam Schritt für Schritt planen.“ ergänzte der Geschäftsführer. Der Betriebsrat zeigte sich sichtlich positiv überrascht. Schnell ging es in die Diskussion und Ausgestaltung der konkreten Maßnahmen. Am Ende des ersten Meetings Copyright by e&Co. AG Hubertusstr. 50, 54439 Saarburg | www.eandco.com | ENABLING VALUE | S. 9 / 13 WHITE PAPER | RESTRUKTURIERUNG IM MITBESTIMMUNGSNAHEN UMFELD stand bereits der grobe Aktionsplan und beide Seiten waren sich einig, dass ein gemeinsamer Weg angestrebt und effektiv sein würde. Für die konzeptionelle Prozess-Steuerung und professionelle Projekt-Umsetzung wurde ein gerade von einer Auslandsstation zurückgekehrter interner Manager eingebunden, was sich als Glücksgriff erwiesen hat. Etwa 85% der regionalen Vertriebs-Mitarbeiter konnten in gemeinsamer Aktion vom Umzug überzeugt werden – und arbeiten in der neuen Konstellation mit noch mehr Sales-Drive. Sie fühlen sich als Teil einer gemeinsamen Vision und leben diese neu entstandene Unternehmenskultur. Heute operiert die zentralisierte Vertriebsgesellschaft der Zenoxsan AG nach den Prinzipien der modernen Arbeitsplatzgestaltung – und gilt als Vorbild in der Branche. Schlussendlich sind alle Beteiligten – insbesondere die Arbeitnehmervertretung – positiv und gestärkt aus dem Transformationsprozess herausgekommen. Die Anfangsworte des internen Projekt-Koordinators hätten treffender nicht sein können: „Nur Seite an Seite, in intensiven Arbeitsgruppen sowie dedizierten Randgesprächen, kann der Prozess gelingen. Lasst uns heute gleich zu Beginn darauf einschwören!“ Auch bei Berücksichtigung der angesprochenen Erfolgsfaktoren gibt es jedoch für den Umgang mit DEM Betriebsrat kein einheitliches Erfolgsrezept. Ergänzend zur hinreichend bekannten Kooperationsbereitschaft Typisierung und Grad nach von den Dimensionen Instrumentalisierbarkeit Macht, sollte das Management die verschiedenen Stereotype kennen und im Vorhinein auf die individuelle Situation projizieren. VERSTÄNDNIS SOZIOLOGISCHER STEREOTYPE | MASSNAHMEN „Zentralorgan“ Betriebsrat: Von Haus aus ist er der geborene Vorreiter und Zentralist. Er ist der Repräsentant der Gesamtbelegschaft, der Fachmann für das Ganze, der zusammenhält, was historisch zusammengewachsen ist. Wenn das Ganze aber auch in kleineren Portionen zu haben ist, dann kann das durchaus attraktiv für ihn sein. Typischerweise ist er besetzt von eher konservativ „klassisch“, häufig gewerkschaftlich agierenden Mitgliedern mit dem Blick bis zum sprichwörtlichen Tellerrand. Entsprechend ist der Verhandlungsaufwand höher und komplexer und birgt tendenziell hohes Konfliktpotential. Copyright by e&Co. AG Hubertusstr. 50, 54439 Saarburg | www.eandco.com | ENABLING VALUE | S. 10 / 13 WHITE PAPER | RESTRUKTURIERUNG IM MITBESTIMMUNGSNAHEN UMFELD „Betriebswirtschaftlicher“ Betriebsrat: Geführt von smarten und mit-/vorausdenkenden Mitgliedern, die mit dem richtigen Gespür für die Verhandlung sowohl mit dem Gesamtbetriebsrat, als auch mit den Arbeitnehmern das Alltagsgeschäft und auch brenzlige Situationen meistern, schlüpft er gern in die Rolle des so genannten Co-Managers. Er verfügt über die richtige Mischung aus unternehmerischer Weitsicht und einem ökonomischen Verständnis für den Wunsch nach „Besitzstandssicherung“. So kann er auf diesem Feld die teils weitreichenden negativen Auswirkungen für die Beschäftigten richtig abschätzen und dabei kooperativ ein plausibles und effektives Ergebnis herbeiführen. Richtig eingesetzt und eingebunden wird er diese Entscheidungen möglichst lautlos und konfliktfrei mittragen. „Beweglicher“ Betriebsrat: Ob gutgläubig oder nur gläubig – er schenkt den Argumenten und Informationen „seiner“ Betriebsleitung, Wettbewerbsdruck, z.B. Glauben, hinsichtlich auch Aussagen wenn nicht über alles im den gestiegenen Einzelnen direkt nachvollziehbar und belegbar ist. Seine Mitglieder sind nicht selten diejenigen, für die der Betriebsrat ein „sicherer“ Hafen ist. Er ist bei entsprechender Einbindung durchaus kooperativ und glaubt nicht erst an den Ernst der Situation, wenn die Zahlen „tief-rot“ sind. Im Sinne der Interessenvertretung ist ihm daran gelegen, es erst gar nicht so weit kommen zu lassen. Durch seine Authentizität genießt er hohes Ansehen bei der Belegschaft und kann dadurch äußerst effektiv als Sprachrohr für notwendige Reformen agieren. Er interpretiert sein Verhalten als sinnvolles und gerechtfertigtes Zugeständnis, als ein „den Gürtel enger schnallen in schweren Zeiten“, als zumutbaren Arbeitnehmerbeitrag, damit der Betrieb wieder „auf Spur“ kommt. Wesentlicher Erfolgsfaktor für eine kooperative Zusammenarbeit ist eine frühe und umfassende Einbindung in alle relevanten Details. SCHLUSSWORT | HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN Es gibt zahlreiche wichtige Aspekte, die Organisationen und ihre Entscheider im Rahmen von Restrukturierungen im Auge behalten müssen. Wo allerdings frühere Manager einmal in zehn Jahren mit akuter Veränderungsnotwendigkeit konfrontiert Copyright by e&Co. AG Hubertusstr. 50, 54439 Saarburg | www.eandco.com | ENABLING VALUE | S. 11 / 13 WHITE PAPER | RESTRUKTURIERUNG IM MITBESTIMMUNGSNAHEN UMFELD wurden, ist diese in der heutigen Zeit – im Kontext kürzerer Innovationszyklen und sich rasant entwickelnder Themen wie z.B. Digitalisierung – zum Alltagsphänomen geworden. Somit wird auch die Einbeziehung des Betriebsrats in vermeintliche Management-Themen zum Dauerzustand. Der Modus eines partnerschaftlichen Miteinanders sollte zum fixen Bestandteil der Unternehmenskultur avancieren, statt als temporäre Einzelerscheinung im Krisenmodus zu verharren. Die positiven Beispiele robuster Zusammenarbeitsmodelle werden häufig durch einen unabhängigen externen Dritten begleitet, der sicherstellt, dass das Vorhaben fachlich versiert, sachlich organisiert und effektiv im Ergebnis abläuft. e&Co. hat sich als Spezialist für Veränderungssituationen etabliert und zahlreiche Projekte begleitet – insbesondere im angesprochenen Spannungsfeld zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite. Unser Erfahrungsschatz und Leistungsspektrum geht dabei weit über die gängigen fachlichen und organisatorischen Methoden hinaus – mit überzeugenden und unkonventionellen Lösungsansätzen, die auf Ihre Bedürfnisse zugeschnitten sind. Lassen Sie sich von unseren Experten beraten. Copyright by e&Co. AG Hubertusstr. 50, 54439 Saarburg | www.eandco.com | ENABLING VALUE | S. 12 / 13 WHITE PAPER | RESTRUKTURIERUNG IM MITBESTIMMUNGSNAHEN UMFELD AUTOR & IHR ANSPRECHPARTNER BEI DER e&Co. AG GEZA BRUGGER e&Co. AG Hubertusstraße 50 D-54439 Saarburg Telefon: +49 151 52742523 E-Mail: [email protected] EXPERTISE Mehr als sechs Jahre Consulting- und Linienerfahrung in der fertigenden Industrie Themenschwerpunkte: Strategiekonzeption, Leistungssteigerungs- und EffizienzProgramme im Vertrieb und After Sales, Projekt-/Performanceaudits, Restrukturierung und Turnaround Management, Wettbewerbsanalyse und Benchmarking Automotive Marktexperte (insbesondere asiatische OEM Strategien & Car Connectivity / Mobility Lösungen) Branchenschwerpunkte: Automotive, Maschinen- und Anlagenbau, Medizintechnik ÜBER DIE e&Co. AG e&Co. ist das Beratungshaus für komplexe Veränderungssituationen. Als unabhängige Unternehmer-Berater begleiten wir unsere Klienten und Geschäftspartner bei ihren zentralen Herausforderungen. Zu unseren Klienten zählen Unternehmen und Unternehmer, die vor großen Herausforderungen stehen und ehrgeizige Ziele haben. Einige von ihnen gehören zu den globalen Größen der Industrie, andere sind mittelständisch oder familiär geprägt. Verbindendes Element ist der Wille zur Veränderung und nachhaltigen Verbesserung des Status Quo. e&Co. hat sich erfolgreich im Markt positioniert und unterhält mehrere Büros in Europa sowie eine Asien-Dependance in Seoul, Südkorea. ENABLING VALUE: www.eandco.com Copyright by e&Co. AG Hubertusstr. 50, 54439 Saarburg | www.eandco.com | ENABLING VALUE | S. 13 / 13
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