Wohlfahrtsstaat und Migration - Deutsche Gesellschaft für Soziologie

Sektion Sozialpolitik in der Deutschen Gesellschaft für Soziologie
Call for Papers für eine Sektionsveranstaltung auf dem DGS-Kongress 2016 in Bamberg
Wohlfahrtsstaat und Migration
Gesellschaftliche Öffnungs- und Schließungsprozesse, ihre Ursachen, Institutionalisierungsformen sowie ihre Folgewirkungen stehen im Zentrum des 38. DGS-Kongresses, auch unter Berücksichtigung internationaler und transnationaler Perspektiven. Eine zentrale Institutionalisierungsform gesellschaftlicher Öffnung und Schließung stellt der Wohlfahrtsstaat dar, der als Mittel der Inklusion und zugleich Ausdruck einer selektiven Zuweisung von sozialen Rechten und
materiellen Ressourcen verstanden werden kann. In diesem Veranstaltungspanel sollen wohlfahrtsstaatliche Ein- und Ausschlussmechanismen, deren Ursachen und Folgewirkungen mit
dem Thema Migration verbunden werden.
In für Zuwanderung offenen Gesellschaften stellt sich die Frage, wie etwa soziale Rechte für
Migrant*innen (normativ) begründet und gestaltet werden, welche Konsequenzen diese Entscheidungen für die sozialen Sicherungssysteme, die gesellschaftliche Integration und soziale
Lage von Migrant*innen haben, oder wie – im politischen Diskurs und praktischer Politik – der
Sorge vor Missbrauch und Überlastung der sozialen Sicherungssysteme begegnet wird.
Dabei stellt sich die Situation sehr unterschiedlich dar, je nachdem ob es sich um EUAusländer*innen, also Unionsbürger*innen, oder um Angehörige aus Drittstaaten handelt.
Menschen mit Migrationshintergrund, welche die Staatsbürgerschaft des Landes innehaben,
in das sie oder ihre Eltern immigriert sind, haben zwar formell den gleichen Zugang zu Rechten wie Staatsbürger*innen ohne Migrationshintergrund. In Bezug auf faktische Zugangschancen, etwa am Arbeitsmarkt, sind diese jedoch häufig benachteiligt. Dies hat auch Folgen
für die soziale Sicherung. Verschiedene Wohlfahrstaatsmodelle haben hier unterschiedliche
Pfade eingeschlagen und erzielen unterschiedliche Outcomes, etwa in Bezug auf die Arbeitsmarktintegration, Gesundheits- und pflegerische Versorgung oder die (Alters-)Armutsrisiken
von Migrant*innen.
Mit der Etablierung transnationaler Wirtschafts- und Sozialräume und der zunehmenden Bedeutung EU-weiter Koordinierung, Regulierung und Rechtsprechung (wie z.B. im Bereich der
Zugangsrechte von EU-Bürger*innen zu Grundsicherungsleistungen), verliert der nationale
Wohlfahrtsstaat an Gestaltungsautonomie in diesen zentralen Fragen der gesellschaftlichen
Öffnung und Schließung gegenüber Migrant*innen. Der grundlegende gesellschaftliche Aushandlungsprozess wird aktuell zudem von der deutlichen Zunahme der Flüchtlingszahlen in Europa überlagert, eine Situation die besondere Handlungsanforderungen an die EUMitgliedstaaten stellt. Inwiefern ist der Sozialstaat ein wichtiger Stabilisierungsfaktor, mit dessen Hilfe in einer solchen Situation gesteuert werden kann? Oder geraten soziale Rechte, Sicherungssysteme und Sozialpolitiken diskursiv wie praktisch-politisch dadurch noch leichter unter
Druck? In diesem Panel soll also auch gefragt werden, wie das Thema Wohlfahrtsstaat und
Migration im Kontext der aktuellen Flüchtlingssituation ggf. neu gewendet wird: Inwiefern wer-
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den etablierte Inklusions- und Verteilungsregeln zur Diskussion gestellt, welche Formen von
Solidarität sind nicht mehr oder sind neu möglich?
Wir laden somit Beiträge ein, die sich (gerne auch international vergleichend oder unter Berücksichtigung von Gender-Aspekten) etwa mit folgenden Themen befassen:
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Institutionalisierte Ein- und Ausschlussregeln des Wohlfahrtsstaats in Bezug auf soziale
Rechte und materiellen Ressourcen von Migrant*innen in ihren Grundprinzipien, politischen Entstehungskontexten oder argumentativen Begründungsmustern. Anwendungsbereiche können etwa Gesundheits-, Alters- oder Geschlechternormen, Definitionen
von Staatsbürgerschaft und nationaler Zugehörigkeit oder Anwartschaftsbedingungen
bei Sozialversicherungen sein;
Analysen von Zugängen zu Arbeitsmärkten und ihrer Regulierung;
Analysen zur sozialen Sicherung und sozialen Lage von Migrant*innen;
Untersuchungen zu den Wirkungen von Migration auf die sozialen Sicherungssysteme
in unterschiedlichen Politikfeldern;
Inter-, supra- oder transnationale Einflüsse auf die Migration in nationale Wohlfahrtsstaaten oder soziale Ressourcen von Migrant*innen in nationalen Wohlfahrtstaaten;
Fragen der Veränderung politischer Diskurse oder politischer Praxis in Bezug auf eine
wohlfahrtsstaatliche Öffnung bzw. Schließung für Migrant*innen durch die aktuelle
Flüchtlingslage.
Abstracts mit Vorschlägen für Beiträge (maximal 2.400 Zeichen ohne Leerzeichen) zu diesen
oder ähnlichen Themen werden bis zum 31. März 2016 erbeten an die Organisatorinnen:
Simone Leiber ([email protected])
Ursula Dallinger ([email protected])
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