Winfried Engel, Fulda Kath. Kirche hr4, „Übrigens“ Mittwoch, 30.03.2016 Aus der Stille schöpfen "Mit Musik geht alles leichter", dieser Rat ist allgemein bekannt. Wo immer man hinkommt, hört man etwas im Hintergrund. Meist ist es Musik, aus dem Radio oder aus der Konserve. Sie begelitet Menschen beim Einkaufen, an öffentlichen Plätzen und sogar bei der Arbeit. Wenn es aber kaum noch Orte gibt, wo einmal nichts zu hören ist, dann macht mich das stutzig. Dann kommt es mir so vor, als ob man in unserer heutigen Welt Angst vor der Stille hätte. Eine Geschichte erzählt, wie Menschen einen einsamen Mönch besuchen Sie fragen ihn: "Was für einen Sinn siehst du in deinem Leben der Stille?" Der Mönch ist gerade damit beschäftigt, Wasser aus einer tiefen Zisterne zu schöpfen. Er antwortet: "Schaut in die Zisterne! Was seht ihr?" Die Leute beugen sich über den Rand und blickten hinab. "Wir sehen nichts", sagen sie. Nach einer kurzen Weile fordert der Einsiedler die Leute wieder auf: "Schaut in die Zisterne! Was seht ihr?" Die Leute blicken wieder hinunter. "Ja, jetzt sehen wir uns selber!" Nun sagt der Mönch: "Schaut, als ich vorhin Wasser schöpfte, war das Wasser unruhig. Jetzt hat es sich beruhigt. Das ist die Erfahrung der Stille: Man sieht sich selber!" Für mich macht diese Geschichte deutlich, wovor Menschen tatsächlich Angst haben: Zu sich selber kommen, sich selber sehen, mit sich allein zu sein. Es könnte ja sein, dass einem dann zu viele Fragen kommen, dass man sogar ein schlechtes Gewissen bekommt. Also ist es besser, es erst gar nicht so weit kommen zu lassen. Musik, die mich überall begleitet, lenkt ab, verhindert, dass ich nüchtern nachdenke. Ich brauche aber Zeiten der Stille, damit ich zu mir selber finden, mich wieder orientieren kann. Ich muss lernen, mich selbst auszuhalten, mir selbst so zu begegnen, wie ich wirklich bin. Das gelingt am ehesten, wenn mich nichts mehr ablenkt, wenn es still geworden ist. Und noch eines könnte man von dem Mönch aus der Geschichte lernen: Er hat sich aus der Welt zurückgezogen und sein Leben ganz in den Dienst Gottes gestellt. In der Abgeschiedenheit und der damit verbundenen Stille ist er Gott am nächsten. Es ist bestimmt kein schlechter Rat, beim Schöpfen aus der Fülle des täglichen Lebens immer wieder einmal innezuhalten und das Wasser um sich herum still werden zu lassen.
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