Katholisches Rundfunkreferat beim WDR Wallrafplatz 7 50667 Köln Tel. 0221 / 91 29 781 Fax 0221 / 91 29 782 www.kirche-im-wdr.de e-mail: [email protected] Die Text-Rechte liegen bei den Autoren und beim Katholischen Rundfunkreferat. Verwendung nur zum privaten Gebrauch! Hörfunkgottesdienst aus der Pfarrkirche St. Michael in Bottrop am 03.04.2016 Predigt: Pfarrer Martin Cudak 2. Ostersonntag C Liebe Gemeinde, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Auf den heutigen Zweiten Ostersonntag habe ich mich richtig gefreut! Das hängt mit dem heutigen Text aus dem Johannesevangelium zusammen, denn der geht mir persönlich sehr nahe. Es geht um den Apostel Thomas, der nachfragt, der – kritisch – Fragen stellt. Und das imponiert mir. Wenn ich etwas nicht ganz richtig verstehe, dann frage ich in der Regel auch nach. Mir reichen manche einfachen Erklärungen nicht, ich will mehr verstehen, will begreifen. So wie Thomas. Thomas will erst sehen und seine Hand in die Wunden legen. Er will erst prüfen, ob dieser Auferstandene wirklich sein Freund Jesus ist, der am Kreuz gestorben ist. Deswegen hat man hat ihn sogar den ungläubigen Thomas genannt. Heute würde man ihn als Skeptiker bezeichnen. Bemerkenswert für mich ist: Als Thomas sagt, dass er nicht so einfach an die Auferstehung glauben kann, dass er erst sehen und fühlen, ja begreifen will – im wahrsten Sinne des Wortes –, schließt ihn die Jüngergemeinschaft in Jerusalem nicht aus. Die anderen Jünger schicken ihn mit seinen Fragen und Zweifeln nicht weg. Ich finde dieses Verhalten vorbildlich, was die Jünger da machen, denn das macht doch eine christliche Gemeinschaft aus: einander annehmen, auch mit allen Fragen und Zweifeln. In der Gemeinde trägt einer des anderen Last – wie es an anderer Stelle im Neuen Testament heißt (vgl. Gal 6,2). Thomas gehört zur Jüngergemeinde. Und das war schon eine ganz schön illustre Gesellschaft: Da war Maria Magdalena, die als erste dem auferstandenen Herrn 1 begegnet war, der aber niemand glaubte. Da war Petrus, der aus Feigheit Jesus verleugnet hatte und nun seine Tat bereute und später sogar ohne Angst die Auferstehung seines Herrn verkündete. Da waren Johannes und die Mutter Maria, die an der Seite Jesu blieben, auch unter dem Kreuz. Sie alle – mit ihrer je unterschiedlichen Geschichte – bilden die junge Kirche. In allen ihren verschiedenen Mitgliedern dürfen wir Christen uns bis heute, auch mit unseren Fragen und Zweifeln, mit unserer je eigenen Geschichte, wiederfinden. Den „EinheitsChristen“, den gibt es nicht! Diese Nähe zur ersten Jüngergemeinde wird mir noch durch eine andere Begebenheit deutlich: Thomas hat den Beinamen: „Didymus“, das heißt „Zwilling“. Ob sich nicht jede Christin und jeder Christ wie eine Zwillingsschwester, ein Zwillingsbruder des zweifelnden Thomas sehen könnte. Hat nicht jede Christin und jeder Christ schon einmal ihre und seine Fragen und Zweifel an Gott, an der Auferstehung, am Leben nach dem Tod? Ist es nicht zu verständlich mehr Tatsachen zu sehen, oder ganz persönliche Erfahrungen zu machen, für den eigenen Glauben? Wie Thomas: erst sehen, Fragen stellen, Standpunkte auch einmal in Zweifel ziehen, überprüfen, und im wahrsten Sinne des Wortes »be-greifen«, bevor es ans Glauben geht, das wär’s doch?! Umgekehrt wird aber doch erst deutlich: Wer in Glaubensfragen Probleme hat, wer zweifelt, wer sich schwer tut und dazu steht, > der zeigt doch damit, dass er noch Interesse am Glauben hat, > dass ihm Gott und seine Kirche noch nicht egal geworden ist sind, > dass er wie Thomas glauben will, aber eben seine Schwierigkeiten damit hat, Schwierigkeiten, die menschlich sind und die einzugestehen doch sehr ehrlich ist. Jesus nimmt das Nachfragen von Thomas sehr ernst, weist ihn nicht zurück: „Streck deinen Finger aus – hier sind meine Hände! Streck deine Hand aus und leg sie in meine Seite, und sei nicht ungläubig, sondern gläubig!“ Da ist Thomas überwältigt. Es wird nicht gesagt, ob er tatsächlich zufasst, sondern nur, dass er noch sagen kann: „Mein Herr und mein Gott!“ Offenbar begreift er, versteht er, dass man den Auferstandenen gar nicht anfassen braucht, sondern ihm begegnen kann wie Liebende einander begegnen: von Herz zu Herz. Der liebende Blick, der sieht eben mehr, der versteht auch mehr. 2 Noch ein kurzer Gedanke, der zurückführt zur Begegnung des Auferstandenen mit den Jüngern: Als Jesus in die Mitte der Jünger trat, wünschte er ihnen als erstes den Frieden. Und als Zweites sagt er ihnen: „Empfangt den Heiligen Geist!“ Beides hat eine Bedeutung bis heute: Menschen, die im Frieden und im Geist Christi leben, können sichtbare Zeugen des Glaubens sein, und sie können andere Menschen zum Glauben führen, weil sie mit dem Herzen Jesus sehen und erkennen, wie es Thomas getan hat. Schließlich kann dieser Glaube nicht abstrakt bleiben. Er muss konkret gelebt werden. Das beginnt da, wo dieser Glaube ehrlich gelebt wird, auch manchmal mehr unsicher als sicher. Glaube, der sich im Leben ausdrückt – gelebter Glaube eben, und der kann sich zeigen in dem liebenden Blick meinem Nächsten gegenüber, von Herz zu Herz. 3
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