Antwort des Projektteams am 2.4.

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Forum
Der Landbote
Samstag, 2. April 2016
Bild des Tages
PSD oder brauch
ich einen Hund?
D
ass wir uns gerade im
goldenen TV-Zeitalter
befinden, hat weniger
mit exorbitanten Einschaltquoten zu tun, sondern vielmehr
damit, dass fast jedes Gerät mittlerweile ein Fernseher ist, mit
welchem man gleich staffelweise
dänische oder amerikanische
Serien verschlingen kann. Das
bringt diverse Konsequenzen
mit sich. Ich möchte hier von
der sogenannten PSD sprechen,
der Post-Serien-Depression
(kann man natürlich auch auf
Bücher, meist mit mehreren
Bänden, anwenden). Der Moment, in dem Walter White und
John Snow tot sind, der Moment, in dem wir in die Realität
zurückkehren müssen, der Moment, in dem wir uns wünschten, nicht alles gleich auf einmal
geschaut zu haben. Denn es war,
als ob da nach der Arbeit ein
guter Freund zu Hause auf einen
gewartet hat, auf den man sich
freut, mit dem man den ganzen
restlichen Abend verbringen
will. Einer, dem man zuhört,
zusieht, einer, der keine
unangenehmen Fragen stellt,
der nichts von einem will.
Leserbild Nicoletta Pasci, Winterthur
Leserbriefe
Reingefallen oder
durchschaut?
WINTERTHUR/ELGG Gleich
zwei Aprilscherze haben sich
gestern im «Landboten»
versteckt. Die Schneekanone
auf dem Eschenberg ist ein
Jux. Und in Elgg bleibt die
Kirche im Dorf und der Äschli
am Aschermittwoch.
Punkt 13 Uhr am 1. April auf der
Gemeindeverwaltung Elgg. Ob
wohl jemand den Übersichtsplan
für die neuen Äschli-Daten sehen
möchte? «Ich glaube nicht», sagt
die Empfangsdame skeptisch.
Die Elgger seien nicht so leicht
aus der Bahn zu werfen. Eine weitere Dame erscheint, sie will die
ID erneuern. Den Scherz in der
Zeitung habe sie gesehen, sagt sie,
aber natürlich «sofort» als solchen erkannt. «Am 1. August sind
doch alle in den Ferien», sagt sie
und muss schmunzeln. «Wissen
Sie, wäre das eine wahre Geschichte, hätte es einen Tumult
gegeben. Der Gemeinderat könnte das doch nicht einfach so bestimmen.»
Gemeindeschreiberin Sonja
Lambrigger ist auch vor Ort, sie
ist die Haupturheberin des
Scherzes und hat ihn der «Landbote»-Redaktion eingeschickt.
So weit hergeholt sei die Geschichte nicht, sagt sie. Die in der
Mitteilung erwähnten Reklamationen wegen Lärms gebe es jedes
Jahr. «Im Sommer müssten die
Kinder in den Strumpfhosen
auch nicht immer so frieren»,
verteidigt sie die Augustlösung.
In Elgg aber, so scheint es, gehört
das zu einem richtigen Äschli
eben ein wenig dazu.
Kafirunde statt Infoanlass
Auch im Restaurant Eschenberg
ist am Vormittag niemand aufgetaucht, um sich über das Projekt
einer Schneekanone für die
Langlaufloipe zu informieren.
Einige Gäste kamen aber trotzdem vorbei. Das Quartett der ehrenamtlichen Loipenpräparatoren, Marcel Herzig, Jürg Schärer, Mario Ferrari und Thomas
Gürtler, nutzte den Aprilscherz
als Gelegenheit für eine Kafirunde. «Wir waren diese Saison so
selten hier oben, da kam dieser
Anlass gerade recht», sagte
Schärer. Unter den Fachleuten
wurde bald über die Schneequalität gefachsimpelt und vom
Winter 2014/2015 geschwärmt,
als die Loipe drei Wochen benutzbar war.
Den Scherz ausgedacht hatten sich Herbert Burren und
Tom Strickler vom Sportamt.
Viele Details waren zumindest
halbwahr: Die Firma Aventa
produziert tatsächlich Windanlagen, und das Kunstschneepulver Snowmax gibt es wirklich.
Das Handy von Sportamtschef
Dave Mischler klingelte während des «Informationsanlasses» im Minutentakt: Er erhielt
Dutzende Rückmeldungen, von
augenzwinkernden Bemerkungen bis hin zum ironischen Protest, für so eine Bieridee sei man
nicht bereit, Steuern zu zahlen.
nid/bä
«Traglufthalle wäre eine gute Lösung»
«Die angrenzenden Gemeinden
sollten endlich übernehmen»
Leserbrief vom 31. März
Herr Westermann hat recht damit, dass es ein neues Hallenbad
braucht. Wie ein gescheitertes
Projekt in Basel gezeigt hat, ist
dafür mit Kosten von 40 Millionen Franken zu rechnen. Auch
wenn sich der «Speckgürtel» an
der Finanzierung beteiligt, wird
mehr als die Hälfte dafür bei der
Stadt hängen bleiben. Es wird
auch nicht einfach sein, private
Sponsoren für diese kommerzielle Randsportart zu finden. Aber
ja, packen wir es an.
Bis es so weit ist, brauchen wir
eine Traglufthalle als Übergangslösung. Ausnahmebewilligungen
für Übergangslösungen sind
möglich. Wie das Beispiel Schaffhausen zeigt, ist der Energieverbrauch einer Traglufthalle etwa
30 Prozent grösser, als für das
Cabrio-Dach geplant war.
Das ist immer noch deutlich
weniger als für das Geisi-Hallenbad. Legt man diese Energiekosten auf die Einwohner von
Winterthur um, kommt man auf
1,4 Watt pro Einwohner. Das
kann wahrlich kein grosses Hindernis auf dem Weg zur 2000-
«Nichts Verstaubtes mehr»
Apéros wird es hier nicht geben
Ausgabe vom 29. März
«Wo hat man sonst die Gelegenheit, eine Schermaus, ein Igelbaby
oder eine Waldohreule von nahem zu betrachten?», heisst es in
dem Artikel. Im Naturmuseum,
und dies schon seit vielen Jahren … Seit der Neueröffnung im
Jahr 2005 gehört es zum festen
Konzept des Hauses, dass möglichst viele Objekt von nahem betrachtet werden können, einige
sogar angefasst werden dürfen,
dass Düfte und Klänge sinnlich
wahrgenommen werden können.
Nicht nur das Kindermuseum Kerala, in dem alle Tiere und Objekte für unsere kleinen Besucher
und Besucherinnen frei zugänglich sind, sondern auch die ganze
Sammlung ist darauf ausgerichtet, interaktiv entdeckt zu werden. Zudem bieten unsere vielen
spezifischen Führungen, die kreativen Nachmittage für Kinder und
nicht zuletzt unsere Führung für
Menschen mit Demenz die Möglichkeit, die Natur sehr sinnlich
zu erfahren. Gerade unsere Besucher und Besucherinnen mit kognitiven Beeinträchtigungen sind
auf diese sinnlichen Wahrnehmungen angewiesen. Gerne lade
ich Sie ein, mitzuerleben, wie Besucher und Besucherinnen, die
kein Wort mehr sprechen, strahlen, wenn Sie ins dichte Fell des
Fuchses oder ins flauschige Gefieder des Waldkauzes greifen.
Vielleicht erinnern Sie sich
noch an ein Museum, wie es früher üblich war: leicht verstaubte
Objekte in Reih und Glied hinter
verschlossenen Vitrinen. Glauben Sie mir, dies ist längst passé!
Virginie Schmutz-Flesch,
Winterthur
Watt-Gesellschaft sein. Das Risiko, von einer Traglufthalle erschlagen zu werden, ist null. Es
ist klar, dass man die Halle sperrt,
wenn die Schneelast zu gross ist.
In Chur hat man auf jeden Fall
nie Probleme mit der Schneelast
gehabt. Ein Zusammenbruch
einer Traglufthalle ist auch kein
grosser Schaden. Wenn der
Schnee wieder weg ist, bläst man
sie einfach wieder auf. In Lugano
wird schon wieder geschwommen.
Markus Enz, Projektteam
Traglufthalle Geiselweid,
Hettlingen
«Mehr Rücksicht auf
betagte Fussgänger»
Die Politiker wollen Fussgängern
mehr Freiheit verschaffen, so soll
man die Strasse auch ohne Fussgängerstreifen queren können,
in genügendem Abstand zum
nächsten Streifen, versteht sich.
Eine total lobenswerte Verbesserung. Lobenswert wäre auch eine
verstärkte Kontrolle der rasenden Velofahrer. Ein Erlebnis
zeigte mir, dass Blessuren auch
schmerzhaft sind, wenn man auf
einem Fussgängerstreifen umgefahren wird. Autofahrer haben
angehalten, nur eine ruppige
Bikerin hat mich in rassigem
Tempo umgefahren. Das ist auch
Wochen nach dem Unfall noch zu
spüren. Nicht nur mehr Freiheit
für die Fussgänger, auch mehr
Rücksicht auf betagte Fussgänger wäre schön.
Elsy Schmid, Winterthur
Könnten Serien kochen, dann
wären sie mit Abstand die besseren Lebenspartner als solche aus
Fleisch und Blut. Aber ja, leider
haben sie eine wesentlich kürzere Lebensspanne als der Mensch
– leider. Die Tage nach dem Serienfinale sind kaum zu ertragen. Plötzlich hat man wieder
Zeit, aber wie soll man diese adäquat nutzen? Gut, man könnte
wieder einmal rausgehen, feststellen, dass es Frühling geworden ist, andere Menschen treffen und solchen Kram. Doch dabei stellt man höchstens fest, wie
langweilig die eigenen Freunde
sind, weder ein korrupter amerikanischer Präsident ist darunter
noch eine halb nackte Drachenzähmerin, noch ein unverwundbarer Gangster oder eine autistische Terroristenjägerin und erst
recht kein selbstverliebtes Pferd
in Hollywood mit Vaterkomplex,
ja wenn wenigstens einer der
Freunde ein Alkoholproblem
hätte, aber nein.
Man lässt das mit den Freunden
also wieder sein und zieht sich
stattdessen schlechte Makingofs der just beendeten Serienliebschaft rein und überlegt sich
gar, die erste Staffel nochmals zu
schauen oder die Bücher zur Serie zu lesen. Aber alles will nicht
helfen, und so bleibt einem nur
eines übrig: Ein Ersatz muss her,
eine neue Serie. Es ist genau so,
wie wenn der geliebte Hund verstorben ist, man kann sich nicht
vorstellen, dass es wieder wie
früher wird, aber das muss es
auch nicht, es wird anders sein,
anders und ebenfalls gut. Man
muss sich Zeit nehmen, nach
dem Richtigen suchen, und
wenn man es gefunden hat,
so kann das Leben weitergehen,
zumindest für weitere drei mal
dreizehn Episoden. Okay,
das klingt total
wahnsinnig
und bescheuert. Vielleicht
sollte ich mir
doch einfach
mal einen
Hund besorgen.
Lara Stoll, Slam-Poetin.
Thema
Beistände
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«Wo sind Ihre Träume geblieben?»
Tribüne
Diese beiden Höckerschwäne geniessen den Frühling im Zürichsee. Das fast weisse Gefieder zeigt, dass die Jungschwäne kurz vor Abschluss ihrer Vollmauser stehen.
Der Landbote
Samstag, 2. April 2016
mad
DIE PROFESSIONELLE Seit über zehn Jahren ist Sandra M.*
Berufsbeiständin. Sie betreut hilfebedürftige Menschen,
die zum Beispiel dement, verletzt oder süchtig sind. Das Wohl
der Menschen stehe bei ihrer Arbeit an erster Stelle.
Aus der Gosse ins Märchenschloss hat Sandra M.* noch keinen ihrer Klienten begleitet.
«Aber schöne Geschichten habe
ich dennoch schon erlebt», sagt
sie. Zum Beispiel als eine junge
IV-Bezügerin mit starken Essstörungen Hilfe suchte und so bei
der Berufsbeiständin landete. Die
junge Frau hatte eine gute Ausbildung , war wegen ihrer Krankheit
jedoch arbeitsunfähig. «Ich habe
damals eng mit der IV zusammengearbeitet und für die Frau
einen Arbeitsort gefunden, bei
dem sie versuchsweise einige
Stunden pro Woche im Einsatz
war.» Es lief so gut, dass nach
einigen Monaten aus wenigen
Stunden eine Festanstellung mit
20-Prozent-Pensum entstand.
Nach einiger Zeit arbeitete sie
vier Tage die Woche und später
als Abteilungsleiterin in der Firma. «Sie hat sich schnell so stark
gefühlt, später geheiratet, Kinder
bekommen, das war schön», erinnert sich M.
Es komme also durchaus vor,
dass Fälle abgeschlossen würden.
«Die Beistandschaft ist keine
Endlosschlaufe.» Ausser bei
Menschen mit schweren geistigen Behinderungen oder schweren Krankheiten, die nie mehr
ganz selbstständig leben könnten. Der sogenannte «Schwächezustand», sprich der Grund, weshalb die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) eine
Beistandschaft anordnet, werde
regelmässig überprüft. «Die Kesb
unterstützt alles, was in Richtung
mildere Massnahmen geht.»
Finanzen und Hausbesuche
Dennoch geht der Berufsbeiständin die Arbeit nicht aus. Sie betreut mit einem 60-Prozent-Pensum 49 Klienten. Als Profi erhält
sie von der Kesb die komplexeren
Fälle zugewiesen, die einfacheren
werden von freiwilligen Beiständen übernommen (siehe unten).
Sandra M.s Klienten leiden an
einer geistigen Einschränkung
oder Demenz, sind psychisch
krank, süchtig oder können sich
nach einem schweren Unfall nicht
allein um alles kümmern. Die Beiständin verwaltet oftmals das
Geld dieser Personen, entscheidet, wie viel sie wann bekommen.
Sie interveniert in Krisen, nimmt
Erbteilungen vor, setzt Schuldensanierungen um, spricht sich mit
Ärzten, Psychologen, Ämtern
oder Heimen ab und macht Haus-
besuche, um die Situation der
Menschen einzuschätzen. «Gerade bei Menschen mit Demenz ist
es schwierig, sie für einen Termin
ins Büro zu bitten.» Darum geht
sie bei ihnen vorbei, führt Gespräche, prüft den Zustand von
Mensch und Haushalt. «Das hat
viel mit Vertrauen zu tun», sagt
sie. Dieses müsse sie manchmal
immer wieder von vorne aufbauen, weil die Person sie beim nächsten Besuch gar nicht mehr kenne.
Schlaflose Nächte
Seit 2004 arbeitet die ausgebildete Sozialarbeiterin im Erwachsenenschutz – damals hiess ihr Beruf noch «Amtsvormundin». Seit
Inkrafttreten des neuen Kindesund Erwachsenenschutzrechts
im Jahr 2013 ist sie eine von 24 Berufsbeiständen in den Bezirken
Winterthur und Andelfingen.
«Die Administration hat in der
Zwischenzeit
zugenommen,
ebenso die Fallzahlen», sagt sie.
Deshalb bleibe unter dem Strich
weniger Zeit für die Klienten. Es
herrsche aber mehr Professionalität und die Arbeit werde besser
überprüft als früher.
«Die Beistandschaft
ist keine
Endlosschlaufe.»
Berufsbeiständin
Vor ihrer Laufbahn als Sozialarbeiterin engagierte sich Sandra
M. schon in der Vormundschaftsbehörde ihrer Gemeinde und ehrenamtlich in sozialen Bereichen. Als ihre Kinder grösser waren, entschied sie sich für die Ausbildung an der Schule für Soziale
Arbeit. Bei einem Praktikum im
Jugendsekretariat wusste sie,
«hier bin ich daheim». Nach ihrer
Ausbildung war sie jahrelang im
Kindesschutz tätig. Seit zwölf
Jahren arbeitet sie mit Erwachsenen. «Die Abgrenzung fällt mir da
leichter», sagt sie. «Man ist nicht
mehr matchentscheidend.»
Während ihrer Arbeit im Kindesschutz habe sie öfters schlaf-
lose Nächte gehabt. «Wenn dem
Kind etwas passiert, bist du
schuld, weil du keinen Antrag auf
eine Platzierung gestellt hast» –
solche Gedanken quälten sie. Es
sei eine enorme Herausforderung, abzuwägen, in welchem
Umfang man Massnahmen beantragen solle.
Für die Erwachsenen fördere
das neue Gesetz die Eigenverantwortung. Die Klienten müssten
möglichst weit selbst entscheiden, was sie mit ihrem Leben machen wollen. «Für uns steht das
Wohl des Menschen an oberster
Stelle.» Wenn sich aber eine Person mit ihrem zugeteilten Geld
erst ein neues Tattoo stechen
lässt, anstatt etwas zu essen zu
kaufen, sei das ihre Sache. Als
Beiständin sei sie zwar immer darauf bedacht, die Bedürfnisse und
Wünsche ihrer Klienten wahrzunehmen. «Aber erfüllen kann ich
sie nicht immer.» Geld für Alkohol und Drogen sei zum Beispiel
nicht zum Wohle der Klienten.
Darum ist die Beiständin auch
oft mit deren Unmut konfrontiert. «Einige sind sehr fordernd
und fühlen sich ungerecht behandelt.» Es gibt Vorwürfe, Beschwerden und auch Kommentare unter der Gürtellinie. «Man
muss darum belastbar sein, sich
abgrenzen und ein gutes privates
Umfeld haben», sagt Sandra M.
Toleranter geworden
Die Freude an der Zusammenarbeit mit Menschen sei auch
nach all den Jahren im Beruf geblieben, die Toleranz gegenüber
anderen sogar gestiegen. «Ich bewerte den Lebensstil anderer
Leute viel weniger.» Ihr eigenes
Modell müsse nicht für jeden anderen das richtige sein. Abgestumpft oder hart zu werden, sei
für sie keine Gefahr. «Vielmehr
möchte ich die Ziele verfolgen, die
sich meine Klienten zusammen
mit mir gesetzt haben.» Dann frage sie: «Wo sind Ihre Träume geblieben?» Wenn sie diese Ziele aus
den Augen verliere, habe sie ihren
Job nicht gut gemacht, sagt Sandra M. «Aber da bin ich manchmal
wohl etwas hart mit mir.»
Dankbarkeit zu erwarten, sei
fehl am Platz. Viele Klienten seien froh um die Beistandschaft.
Andere hingegen fühlten sich
eingeschränkt, würden lieber selber schalten und walten. «Ich
möchte in meinem Beruf nur
Dinge für meine Klienten erledigen, die sie selbst nicht können.
Damit ist ihnen am meisten geholfen.»
Ines Rütten
Toleranz und Belastbarkeit: Eigenschaften, die eine Berufsbeiständin für ihre Arbeit braucht.
Symbolbild / mad
BEISTANDSCHAFTEN
Eine Beistandschaft im Erwachsenenschutz wird errichtet,
wenn ein Mensch aufgrund von
geistiger, körperlicher oder psychischer Beeinträchtigung in
seiner Urteilsfähigkeit eingeschränkt und deshalb nicht mehr
in der Lage ist, selbstständig für
sein Wohl zu sorgen. Zudem ist
es den Betroffenen nicht möglich, in ihrer Umgebung oder bei
privaten oder öffentlichen Beratungsstellen Hilfe zu holen. Die
Kindes- und Erwachsenen-
schutzbehörde (Kesb) hat bei der
Anordnung einer behördlichen
Massnahme eine geeignete Person als Beiständin oder Beistand
zu ernennen. Dies kann einer der
24 professionellen Beistände der
drei Erwachsenenschutzstellen
der Region Winterthur-Andelfingen sein oder auch eine private Mandatsperson, zum Beispiel
jemand aus dem Umfeld der betroffenen Person oder eine Privatperson, die sich interessiert,
die Aufgaben zu überneh-
men. Bei einfacheren Fällen
kommt einer der 442 Freiwilligen der Fachstelle Private Mandate zum Einsatz. Häufig führen
private Mandatspersonen eine
Vertretungsbeistandschaft mit
Vermögensverwaltung. Dabei
werden sie beauftragt, sich um
das soziale Wohl der verbeiständeten Person zu kümmern, für
eine geeignete Wohnsituation
zu sorgen und ihre administrativen und finanziellen Angelegenheiten zu erledigen. clp
*Name geändert
«Die Menschen wachsen einem ans Herz»
DER FREIWILLIGE Hans B. * kümmert sich als privater Beistand
um die Finanzen von drei Personen. Das, was seine Aufgabe
interessant mache, sei aber nicht ausschliesslich die Vertretung
in administrativen Angelegenheiten, sagt er. «Ich nehme mir Zeit
für die Menschen.»
Gerne berichtet die 55-jährige
Frau von ihrem Urlaub. «Ich habe
gemerkt, das hat ihr gutgetan»,
erzählt Hans B.*. Als Beistand der
geistig und körperlich behinderten Frau hat er zusammen mit
den Heimverantwortlichen diesen Entlastungsurlaub organisiert, nachdem seine Klientin wegen ihrer psychischen Beeinträchtigung wiederholt gegen ihre Mitbewohner und gegen
Betreuungspersonal aggressiv
geworden war. Hans B. erzählt
von seiner vielfältigen und herausfordernden Aufgabe: «Meine
Arbeit verläuft nie einfach nach
Drehbuch.» Und er fügt an: «Das
macht sie auch so spannend.»
B. betreut als privater Beistand
drei Personen in Winterthur und
Umgebung, die aufgrund von
Krankheit oder einer psychischen oder geistigen Behinderung nicht in der Lage sind, ihre
administrativen und finanziellen
Aufgaben selber wahrzunehmen.
Er führt Buch über das Einkommen und Vermögen seiner Klienten und ist dafür besorgt, dass deren Interessen gewahrt sind. Und
er besucht sie regelmässig, um
sich ein Bild von ihren Bedürfnisse und ihrem Allgemeinzustand
zu machen.
Seit bald fünf Jahren ist Hans B.
als Beistand im Einsatz. «Nach
meiner Pensionierung wollte ich
in irgendeiner Form weiter tätig
sein», erzählt er. «Nicht auf meinem ursprünglichen Beruf im Finanzbereich. Ich wollte der Gesellschaft etwas zurückgeben.»
Eher zufällig ist er auf ein Inserat
für private Beistände gestossen.
«Das war genau, was ich gesucht
hatte», sagt er. «Zum einen konnte ich mein Fachwissen einbringen. Zum anderen ist man als Beistand aber auch auf einer
menschlichen Ebene gefordert.
Das hat mich gereizt.»
442 private Beistände
Die Interessierten besuchen eine
Schulung und übernehmen nachher in der Regel ein Mandat, das
im kleinen Rahmen entschädigt
wird. Seit der Reorganisation der
Vormundschaftsbehörde sind die
442 privaten Beistände der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) Winterthur-Andel-
«Nach meiner
Pensionierung wollte
ich in irgendeiner
Form weiter tätig sein
und der Gesellschaft
etwas zurückgeben.»
Freiwilliger Beistand
fingen unterstellt. Sie kommen
bei einfacheren Mandaten zum
Einsatz, wenn ein Fall komplizierter ist, kann die Kesb auf 24
Berufsbeistände im Bereich Erwachsenenschutz und 35 im Bereich Kinderschutz zurückgreifen. Kindesschutzmassnahmen
werden in aller Regel nicht durch
private Mandatspersonen geführt. Ob jemand verbeiständet
wird, entscheidet die Kesb (siehe
Kasten).
Die Kesb arbeitet gerne mit den
privaten Beiständen zusammen.
«Sie können sich für ihre Klienten mehr Zeit nehmen, als es ein
Berufsbeistand könnte», sagt
Jürg Morger von der Fachstelle
Private Mandate. Das bestätigt B.:
«Die gesamten administrativen
Aufgaben sind klar ein wichtiger
Teil meiner Aufgabe. Für mich ist
jedoch das Menschliche ebenso
wichtig. Ich schenke meinen
Klientinnen Zeit, die über das
rein Amtliche hinausgeht.»
20 Stunden pro Monat
Insgesamt nehmen seine drei
Mandate B. pro Monat etwa 20
Stunden in Anspruch, die Besuche und Rechenschaftsberichte
mit eingerechnet. «Ich besuche
jede der drei Frauen normalerweise einmal im Monat», sagt er.
Ob er in seinem Amt an Grenzen gestossen ist? B. überlegt und
sagt dann bestimmt: «Nein. Ich
habe bis jetzt jede Situation gut
einschätzen können und konnte
auch immer rechtzeitig Rat bei
der Fachstelle einholen.» Wichtig
sei wohl zudem, dass man sich gut
abgrenzen könne, sagt er. Und
räumt ein: «Aber die Personen
wachsen einem natürlich schon
ans Herz.»
Claudia Peter
* Name geändert