Historisches Wörterbuch der Philosophie

„Historisches Wörterbuch der Philosophie“, „Religion
in Geschichte und Gegenwart“ und „Theologische
Gerhard Sauter
Realenzyklopädie“: Gesamtregister
Historisches Wörterbuch der Philosophie (HWP), hg. v. Joachim Ritter †/ Karlfried Gründer/
Gottfried Gabriel, Bd. XIII (Register), hg. v. Margarita Kranz in Verbindung mit Gottfried
Gabriel/Helmut Hühn, Schwabe AG Basel 2007, XII S. + 1046 Sp. + VI S. Corrigenda. – Religion in Geschichte und Gegenwart (RGG4), hg. v. Hans Dieter Betz/Don S. Browning/Bernd
Janowski/Eberhard Jüngel, Register, verantwortlich für die Redaktion Brigitte Schäfer, Mohr
Siebeck Tübingen 2007, 1620 Sp. – Theologische Realenzyklopädie (TRE), hg. v. Gerhard Müller, Gesamtregister I: Bibelstellen, Orte, Sachen, unter Mitarbeit von Matthias Glockner erstellt
von Albrecht Döhnert, de Gruyter Berlin 2006, XI + 693 S.; II: Namen, unter Mitarbeit von
Tobias Kirchhof/Christof Rudolf Kraus hg. v. Albrecht Döhnert/Katrin Ott, 2007, XI + 772 S.
Bald nach Abschluss des begriffsgeschichtlichen philosophischen Wörterbuches
und der beiden umfassenden theologischen Lexika (vgl. dazu VF 50 [2005/1–2]
147–157) erschienen die Registerbände. Wie die Textteile unterscheiden auch sie
sich voneinander in charakteristischer Weise. Deshalb regen sie auch an, darüber
nachzudenken, wie Register gestaltet werden und genutzt werden können. Wer
sich damit beschäftigt, wird die drei Gesamtregister mit größerem Gewinn gebrauchen, als wenn er sie nur als Listen für Stichwörter und Namen benutzen
will.
Was „Register“ leisten können und sollten, wird in der Literaturwissenschaft
viel diskutiert: Register nicht als offene Reihen statistisch erfassbarer Wörter
oder Bezeichnungen, sondern als Präsentationen von Sprachwelten mit innerer
Konsistenz. In diesen Sprachwelten bewegen sich Menschen, welche in einer
Sprache zu Hause sind, die sie miteinander teilen und mit der sie sich relativ rasch
verständigen können. Dies gilt in besonderem Maße für Wissenschaftssprachen.
Ein gemeinsames Register für verschiedene Wissenschaften zu erstellen, ist deshalb äußerst schwierig, wenn nicht gar unmöglich, und es kommt nur für Bereiche in Betracht, in denen diese Wissenschaften einander überlappen.
Am ehesten gelingt ein Register, wenn eine auf Präzision bedachte Begriffsbildung vorliegt, die – mit mannigfachen inneren Differenzierungen und trotz mancher Abweichungen – begriffsgeschichtlich nachvollzogen werden kann. Diesen
Vorteil kann sich das Historische Wörterbuch der Philosophie zunutze machen,
und auch deshalb ist sein Registerband der mit Abstand am besten gelungene.
Zwar enthält auch das HWP einige Namen philosophischer Schulen, simplifizierende Benennungen oder Schlagwörter, die wenig aussagen und oft nur phrasenhaft oder polemisch verwendet werden. Vor allem in den ersten Bänden sind
solche Bezeichnungen zu finden, auch theologische wie „Anthropozentrisch“,
„Biblizismus“, z. T. „Fundamentalismus“. Meistens haben sie nur eine begrenzte
Geltungsdauer. Im Register zeigt sich dies daran, dass sie isoliert bleiben. Im
HWP wird anders als in den beiden anderen Werken, die hier zu besprechen sind,
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Verkündigung und Forschung 61. Jg., Heft 1, S. 74–77
ISSN 0342-2410 © Chr. Kaiser / Gütersloher Verlagshaus, 2016
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zwischen Termini und Metaphern unterschieden. Letztere gelten hier nur als uneigentliche Begriffe oder als Stilmittel; auf die Register wirkt sich dies aber nicht
aus. Das „Register der Sachgruppen“ nennt die philosophischen Teilgebiete und
die benachbarten Wissenschaften, die für das Wörterbuch herangezogen wurden,
und listet die zugehörigen Begriffe auf. Dieses Register ist eine vorzügliche Orientierungshilfe: es ermöglicht einen Überblick über das Sprachfeld einer Disziplin und macht auf einen fachübergreifenden Sprachgebrauch aufmerksam. Den
Hauptteil des Bandes bildet das „Register der Verweise“, das Zuordnungen verzeichnet, die Vernetzung von Begriffen verdeutlicht und so deren Reichweite
vergrößert. Die beigegebene CD-ROM steigert den Gebrauchswert des Gesamtwerkes durch verschiedene Suchfunktionen für das rasche Auffinden von Begriffen und Namen.
Die vierte Bearbeitung von Religion in Geschichte und Gegenwart will durch ein
Stichwortregister erschlossen werden, das gesondert Begriffe, Sachen, Personennamen und Orte umfasst. Anders als bei den beiden anderen Nachschlagewerken
schließt sein Verzeichnis der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch deren Kurzbiographien ein. Weil dieses Wörterbuch viele kleinteilige Termini enthält, werden sie auch im Register alphabetisch aufgeführt. Verzichtet wird auf Begriffshierarchien, die in Ober- und Unterbegriffe aufgegliedert sind. Stattdessen
werden den Namen und Stichwörtern jeweils andere zugeordnet, in deren Erklärung auch jene Namen oder Stichwörter mehr oder minder beiläufig genannt
worden sind; dabei wird offensichtlich nicht immer eine Auswahl unter dem
Gesichtspunkt der Gewichtigkeit oder Repräsentanz getroffen. Als ein zufällig
herausgegriffenes Beispiel sei „Erlanger Schule“ unter dem Stichwort „Kirche“
genannt: das Thema „Kirche“ fand in einer Phase der dortigen Fakultätsgeschichte besonderes Interesse. Mit nicht weniger Berechtigung hätten aber
auch „Greifswald“ oder „Halle“ erwähnt werden können, doch war unter diesen
Ortsnamen nicht von einer „Schule“ die Rede, die das Thema „Kirche“ in den
Vordergrund gestellt hätte. So können Verweise, zumal auf Namen, durch ihre
Registrierung ein Gewicht erhalten, das ihnen eigentlich nicht zukäme; sie
können aber auch Verbindungen markieren, die weiterführen. – Ein Gegenbeispiel ist die Einordnung der „Heilsgewissheit“. Dieser theologie- und
frömmigkeitsgeschichtlich reich befrachtete Begriff wird nicht – wie in der TRE
– als eigenständiges Stichwort angesehen. Wie erst aus dem Register zu erfahren
ist, wurde er im Überblicksartikel „Gewissheit“ fundamentaltheologisch als
Transzendenzgewissheit untergebracht, zwar als krönender Abschluss der Gewissheitsthematik, aber ohne weitere theologische Verknüpfung z. B. mit Anfechtung und Hoffnung, die im Register hätte zur Geltung kommen können. –
Die Register bilden das Gesamtwerk auch insofern ab, als Sachverhalte oder (bei
Namensartikeln) biographische und Werkinformationen das Gesamtbild bestimmen.
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Auch darin unterscheidet sich die Theologische Realenzyklopädie von RGG4
und auch vom HWP, in dem die Geschichte von Begriffen anhand markanter
Zitate von Autoren nachgezeichnet werden soll, die entweder auf die Begriffsbildung eingewirkt haben oder die das Stichwort in charakteristischer Weise verwendeten. Diese Autoren werden aber nicht noch einmal im HWP-Register aufgeführt. Das Namensregister der TRE füllt dagegen einen ganzen Band aus, der
wie das Ortregister neu erarbeitet wurde, im Unterschied zu den Verzeichnissen
der Bibelstellen und Sachen, die von dem Register zu Bd. 1–27 (1998) und den
weiteren Teilbandregistern übernommen und ergänzt worden sind – von Vorarbeiten, die qualitativ unterschiedlich ausgefallen waren, vor allem hinsichtlich
der „Sachen“.
Das Namensregister verzeichnet außer den Personen, deren Leben und Werk
in Namensartikeln ausführlich dargestellt werden, alle Autoren und Autorinnen,
die sich zu solchen Personen oder zu „Sachen“ so signifikant geäußert haben,
dass sie in den entsprechenden Artikeln zu Worte kommen; außerdem werden
„mythologische und literarische Gestalten“ berücksichtigt. Bei den Namen werden auch Stichwörter angegeben, unter denen sie zu finden sind. Dadurch entstehen kleine Listen von Namen und „Sachen“, gleichsam ein Netz von Verweisen. Sie laden zu Erkundungen ein, weil sie einen ungefähren Eindruck von den
Zusammenhängen vermitteln, in denen entweder das Lebenswerk historisch bedeutender Personen präsent war und geblieben ist. Oder indem unter einem Autorennamen auf Begriffe, Themen und Termini verwiesen wird, soll berücksichtigt werden, dass viele Artikel über „Sachen“ – darunter die „Realien“, die in der
Realenzyklopädie erfasst werden sollen – zu kleinen Monographien ausgearbeitet worden sind. Vor allem für gegenwartsbezogene Themen werden eher ein
Diskussionsstand dokumentiert, Konzeptionen referiert und ein Meinungsbild
mit vielen Zitaten erstellt, als eine Fragestellung systematisch entfaltet und belegt.
Register sind auch Fundgruben. Wer hier nicht nur Namen und Stichwörter
nachschlägt, sondern sich im Umkreis eines gesuchten Wortes umsieht, kann
überrascht werden und sogar Kostbarkeiten entdecken: etwa nach den wenigen
Auskünften zu „Passion“ und „Passionszeit“ den umfang- und inhaltsreichen
Artikel „Passionsfrömmigkeit“ mit einer mustergültigen Begriffsklärung, mit
einem Überblick, der Formen und wandelbare Gestalten umfasst, und mit Anstößen zur theologischen Urteilsbildung (TRE 27, 722–764). – Andererseits kann
manchmal die Nachfrage im Register auch nach vielen Umwegen nichts erbringen: Wer sich Kenntnis über die Evangelische Kirche der Böhmischen Brüder
verschaffen will – immerhin Kirche eines Nachbarlandes, der Tschechischen Republik –, wird weder im Register von RGG4 noch der TRE einen direkten Hinweis darauf finden. Unter „Brüder-Unität“ bzw. „Böhmische Brüder“ wird er
zwar über diese vorreformatorische Bewegung und ihre Gemeinschaftsform belehrt, aber er gelangt nur auf Umwegen (RGG4 8, 643; TRE 28, 411,8–11) zu
jeweils einer knappen Notiz über jene Kirche, die kurz nach der Gründung des
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tschechischen Staates 1918 als Vereinigung der dortigen lutherischen und reformierten Kirchen entstand (sie ist nicht, wie in TRE 28, 411 behauptet wird, nur
den Reformierten Kirchen zuzurechnen und heißt weder „Evangelische Böhmische Brüderkirche“ [RGG4] noch „Evangelische Kirche der Tschechischen
Brüder“ [TRE]). – Ein anderes Beispiel ist die Fehlanzeige für das Stichwort
„Alter“. Das Sachregister der TRE nennt dafür einzig und allein „Gerontologie“;
in TRE 2, 329 war auch noch auf den Artikel „Mensch“ verwiesen worden, dort
aber finden zwar „frühkindliche Entwicklung“ und „geistiges Erwachsenwerden“ Beachtung, „Altern“ oder gar „Greisenalter“ dagegen nicht. Dies darf man
schwerlich nur dem Verfasser des Artikels zur Last legen, sondern muss es auch
als Zeichen dafür werten, dass das Thema „Alter“ theologisch-anthropologisch
seit längerem kaum bedacht wird, ungeachtet seiner großen Bedeutung für Diakonie (für deren Einrichtungen Stichwörter genannt werden) und Seelsorge.
„Thomas Carlyle wird das Diktum zugeschrieben, dass ihm ein Buch ohne Register nichts
nutze, aber zuweilen ein Register ohne Buch. Es ist zu wünschen, dass das Lesen im Register
des ‚Historischen Wörterbuchs der Philosophie‘ Vergnügen bereitet und neugierig macht; nutzen wird es aber wohl erst dann, wenn man zu den Stellen und den Artikeln der zwölf Bände
zurückgeht, zwischen ihnen selbst Verbindungen herstellt und Lücken zum Anlass nimmt,
weiterzuforschen“,
schreibt M. Kranz in der Einleitung zum Registerband des HWP (XII). Dem ist
für die Register von RGG4 und der TRE nichts hinzuzufügen – auch nicht für
Leser und Leserinnen, die zwar kaum in der Lage sind, zu forschen, die aber
weiterfragen können. Diese Lexika zeigen ihre Vorzüge und auch ihre Schwachstellen erst mit Hilfe ihrer Register. Das Zusammenspiel von Text und Register
eröffnet Zusammenhänge und macht auf Verbindungen aufmerksam, deren eine
theologische Sprachwelt mit ihren Überschneidungen mit Philosophie, Psychologie und Sozialwissenschaften bedarf, wenn sie tragfähig sein und profiliert Verständigung ermöglichen soll. Darum sind solche Werke unentbehrlich, auch
wenn manche Angaben bald ergänzungsbedürftig oder überholt sein sollten.
Allemal sind sie instruktiver als die fragmentierten Informationen aus dem Internet, in denen außerdem viele Begriffe, deren Bedeutung sich im Diskurs laufend
verändert, schleichend entkernt werden.
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