Gion Wallmeyer M.A. [email protected] Georg-August Universität Göttingen Graduiertenkolleg „Expertenkulturen des 12. bis 18. Jahrhunderts“ Kreuzzugs-Experten und höfische Wissens-Netzwerke – Ein Beitrag zur Wissensgeschichte der Kreuzzüge im Spätmittelalter Im Jahr 1291 eroberte die Armee des ägyptischen Sultans Chalil mit Akkon und Sidon die letzten Stützpunkte der Kreuzfahrer im Heiligen Land. Aus dieser militärischen Krise erwuchs schnell eine epistemische Krise des kreuzzugsbezogenen Wissens, dessen Seinsadäquatheit durch die kontinuierlichen Niederlagen der Kreuzfahrer in Frage stand. In der Folgezeit begannen Funktionseliten an den lateinischen Herrscherhöfen von London bis Neapel mit der systematischen Akquise neuer Wissenselemente aus universitären, handwerklichen merkantilen oder nautischen Beständen mit Hinblick auf deren praktische Verwertbarkeit für die Rückeroberung des Heiligen Landes. Für die Ordnung und Evaluation dieses Wissens waren die Höflinge wiederrum auf entsprechende Spezialisten angewiesen, welche aufgrund ihres kulturellen Kapitals als Berater in Kreuzzugsfragen fungieren konnten. Das Wirken derartiger KreuzzugsExperten in den höfischen consilia bzw. conseils kann für die Jahre 1291-1336 anhand überlieferter Kanzleischreiben sowie zahlreicher theoretischer Abhandlungen über die Rückeroberung des Heiligen Landes belegt werden. In meinem Vortrag möchte ich diese Figuration mit netzwerkanalytischer Methodik in Bezug auf die Interdependenzen von Experten und höfischen Eliten sowie die soziale Distribution kreuzzugsbezogenen Wissens an den lateinischen Herrscherhöfen des späten 13. und frühen 14. Jahrhunderts untersuchen. Die historische Analyse dieser Sachverhalte erfolgt dabei sowohl mit gerichteten 2-mode Netzwerken als auch mit Ego-Netzwerken. Erstere ermöglichen die vergleichende Erforschung von Beratungsereignissen wie Konzilien, Hoftagen und Expertensitzungen unter Berücksichtigung der Rolle entsprechender Spezialisten. Zusätzlich kann die Erhebung netzwerkbezogener Indizes wie etwa dem RangPrestige die Prominenz einzelner Experten herausstellen. Ego-Netzwerke belichten im Gegensatz dazu Akquise und Distribution kreuzzugsbezogenen Wissens durch einzelne Experten. So lässt sich beispielsweise die Tätigkeit des venezianischen Patriziers Marino Sanudo als höfischer Kreuzzugsberater in den Jahren 1321-1334 anhand seiner schriftlichen Korrespondenz nachvollziehen (siehe Anhang 1). Solche individuellen Distributionsnetzwerke verdeutlichen nicht allein die Interaktion verschiedener Experten sondern auch die kommunikativen Strategien der höfischen Wissensdistribution, wie etwa den durch Betweeness-Zentralität indizierten Einsatz von Mittlern und Brückenakteuren. Anhang 1: Ego-Netzwerk Marino Sanudo
© Copyright 2025 ExpyDoc