A M WO C H E N E N D E WWW.SÜDDEUTSCHE.DE HF1 MÜNCHEN, OSTERN, 26./27./28. MÄRZ 2016 72. JAHRGANG / 12. WOCHE / NR. 71 / 2,90 EURO FOTO: DAVID RAMOS/GETTY IMAGES; STEFANO DAL POZZOLO/CONTRASTO/LAIF; REINHARD FELDRAPP; DREAMSTIME DER ANDERE Aussicht auf Erholung Urlaub in Ägypten, der Türkei oder Tunesien gleicht derzeit einer Mutprobe. Muss Spanien deswegen bald wegen Überfüllung geschlossen werden? Die Seite Drei Seit drei Jahren führt Papst Franziskus die katholische Kirche. Die Gläubigen lieben ihn – aber wie steht es um die Mitbrüder im Vatikan? Buch Zwei, Seite 1 1 DSCHUNGEL DAHEIM Balkone werden zu Erlebnislandschaften hochgerüstet Stil, Seite 59 NULL AUS 49 Über das schleichende Ende eines Traums: Die Deutschen spielen weniger Lotto Wirtschaft, Seite 25 (SZ) Feiertage können in ihrer therapeutischen Wirkung auf die moderne Beziehung nicht hoch genug eingeschätzt werden. Ostern zum Beispiel stößt ein Zeitfenster auf, das von Job und Familie gestressten Paaren sonst verschlossen bleibt. Endlich ist Zeit für die Liebesinventur und die klassischen Fragen: Was hat sich beim Partner verändert? Gibt es neue Stärken? Wurde an Schwächen gearbeitet? Vor allem: Wo ist er eigentlich? Ist er immer noch im Wohnzimmer? Oder sitzt er schon wieder im Büro? Wie sieht er genau aus? Ostern ist für solche Fragen besser als Weihnachten geeignet, weil der Organisationsaufwand geringer ist. Die Geschenke erfordern keine Kreativität und die engsten Verwandten sind noch von Heiligabend erschöpft. Also bleiben inklusive Karfreitag und Einkaufssamstag vier Tage für das Programm „Liebe reloaded“. Das alles ist modern, wie so vieles heutzutage, doch dabei sollten klassische Hilfsmittel, die Paaren seit Alters her zur Verfügung stehen, nicht mit Geringschätzung bedacht werden. Wie zu allen anderen Dingen hat Johann Wolfgang von Goethe auch in dieser Angelegenheit eine dezidierte Meinung vertreten: „Im Ehestand muss man sich manchmal streiten, denn dadurch erfährt man was voneinander“, schrieb der lebenskundige Dichter. Heutzutage gibt es nur ein Problem: Menschen, die mit Deeskalationsstrategien, Lachyoga und Empathie-Kursen aufgewachsen sind, stehen vor der hinderlichen Frage: Wie streite ich mich, wenn ich den Partner in seinen Widersprüchen total verstehe? Wenn ich ihn nicht bekämpfen, sondern wachstreicheln möchte? Die Antwort haben Generationen von Kabarettisten gegeben, die jede Ehe mit Blick auf den Zustand der Zahnpastatuben charakterisieren: ordentlich gerollt oder gedankenlos zerdrückt? Auch ein noch so mit Harmonie durchgespültes Paar lässt nie die Chance verstreichen, sich über unterschiedliche ZahnpastaHandhabung zu fetzen. Doch dieses Einfallstor in die konstruktive Auseinandersetzung droht nun für alle Zeit geschlossen zu werden. In einer Studie hat die Verbraucherzentrale Hamburg herausgefunden, dass selbst in vorbildlich zusammengerollten und penibel platt gedrückten Zahnpastatuben im Durchschnitt 14 Prozent Restmenge an Zahnpasta verbleiben. In ihrer Auswirkung auf die Gestaltung von Beziehungen kann diese Meldung nicht ignoriert werden. Wenn es schlussendlich egal ist, ob die Tube nun gedrückt, gerollt oder geplättet ist, wenn es kein richtiges Leben mit der Tube mehr gibt, dann verliert die in Eigeninitiative durchgebrüllte Paartherapie ihr wichtigstes Werkzeug. Die Tube war das Pendel an der Waage der Geschlechter. Wer nun alles aus der Tube rausholen will, folgert die Studie, der muss sie zerschneiden. Aber das ist in der Ehe eher selten eine gute Lösung. Medien, TV-/Radioprogramm Forum & Leserbriefe München · Bayern Rätsel & Schach Traueranzeigen 45-48 14 43 63 20-23 61012 4 190655 802909 Grüne Kapitalisten Festnahmen bei Terrorfahndung Einst machte Erdöl die Rockefellers zu Milliardären. Nun steigt die berühmte Familie aus dem Geschäft mit fossiler Energie aus. Auch andere Großinvestoren ziehen ihr Geld wegen des Klimawandels ab Polizei: Geplante Anschläge in Paris und Brüssel vereitelt von claus hulverscheidt New York – Die Summe, um die es geht, ist wohl vergleichsweise gering, von ihrer Symbolkraft her aber könnte die Entscheidung kaum bedeutsamer sein: Die Familie Rockefeller, zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts die Galionsfiguren eines skrupellosen, die Umwelt ignorierenden Raubtierkapitalismus, verkauft aus ökologischen Gründen ihre Anteile am Rohstoff-Riesen Exxon-Mobil und zieht sich aus dem Ölgeschäft zurück. Das ist so, als würden die Eigentümer von Aldi dem Tierschutz zuliebe aus dem Geschäft mit Wurst, Eiern und Käse aussteigen. Die Entscheidung des Rockefeller-Familienfonds (RFF) verstärkt einen Trend, der sich seit einiger Zeit abzeichnet: Weltweit beschließen immer mehr große Investmentgesellschaften, klimaschädliche und andere ethisch fragwürdige Geschäfte aufzugeben. Dabei ist es wohl nicht nur das schlechte Gewissen, das die Fondsmanager plagt. Hauptgrund dürfte der Druck der Geldgeber und der Öffentlichkeit sowie die Angst um das ohnehin angekratzte Image der Finanzbranche sein. Ebenso schwer wiegt, dass die Beteiligung insbesondere an Kohle-, aber auch an Öl- und Atomkonzernen immer mehr wirtschaftliche Risiken für die Investoren birgt. Das zeigt der politisch verordnete Atomausstieg in Deutschland ebenso wie der Beschluss des Pariser Klimagipfels vom Dezember, wonach die Staaten der Welt schrittweise aus der Nutzung fossiler Brennstoffe aussteigen wollen. Das New Yorker Beratungsunternehmen Mercer schätzt, dass die Börsenbewertungen der Ölbranche bis zum Jahr 2050 um zwei Drittel schrumpfen könnten, die der Kohleindustrie gar um drei Viertel. Damit erreicht der Klimawandel die Finanzmärkte. Der abgelaufene Quark, die vergessene Pasta ganz hinten im Kühlschrank: In hiesigen Küchen landen Lebensmittel im großen Stil im Müll. Der Umweltverband WWF hat in einer aktuellen Studie ausgerechnet, dass die Deutschen jährlich 18 Millionen Tonnen Nahrung wegwerfen – ein Drittel des gesamten Verbrauchs. Das Fleisch von 45 Millionen Hühnchen, vier Millionen Schweinen und einer Viertelmillion Rindern kommt laut HeinrichBöll-Stiftung gar nicht erst auf den Teller. Es werde als „vermeidbarer Abfall“ in Privathaushalten vergeudet. Seit Jahren schon fordert die Politik von den Deutschen, mehr gegen die Verschwendung von Lebensmitteln zu tun. Eine App namens „Zu gut für die Tonne“, in der bekannte Köche Tipps zum Restekochen geben, ist die am öftesten heruntergeladene der Regierung. Viel geändert hat all das aber nicht. Die Regierung musste sich deshalb von dem EU-Ziel verabschieden, die Menge der entsorgten brauchbaren Lebensmittel bis 2020 zu DIZdigital: Alle Alle Rechte Rechte vorbehalten vorbehalten –- Süddeutsche Süddeutsche Zeitung Zeitung GmbH, GmbH, München München DIZdigital: Jegliche Veröffentlichung Veröffentlichungund undnicht-private nicht-privateNutzung Nutzungexklusiv exklusivüber überwww.sz-content.de www.sz-content.de Jegliche Anlagegesellschaften wie Aberdeen Investment und die Deutsche Asset & Wealth Management, aber auch hochspekulative Hedgefonds wie der US-Finanzriese Blackrock, die in Deutschland einst als „Heuschrecken“ verschrien waren. Der Rockefeller-Fonds begründete seinen Beschluss mit dem Verdacht, dass Exxon-Mobil seit Jahrzehnten die Öffentlichkeit über die Gefahren der Ölnutzung für das Weltklima getäuscht habe. Man habe daher entschieden, zu dem „moralisch verwerflichen“ Verhalten auf Distanz zu gehen und sich von der Beteiligung an dem Hersteller der Benzinmarke Esso zu trennen. „Wir können nicht mit einem Unternehmen in Verbindung gebracht werden, das gegenüber dem öffentlichen In- Auch der deutsche Versicherungsriese Allianz wird nach eigenem Bekunden nicht länger in Bergbau- und Energiefirmen investieren, die mehr als 30 Prozent des Umsatzes oder der Stromerzeugung aus Kohle generieren. Eine Gruppe renommierter Anlagefirmen, darunter die niederländische Investmentgesellschaft Robeco und der schwedische Pensionsfonds AP4, hat angekündigt, bis zu 100 Milliarden Dollar aus CO2-intensiven Branchen abziehen. Mehr als 100 Großinvestoren mit einem verwalteten Gesamtvermögen von mehr als 13 Billionen Euro haben sich zudem zur Gruppe der Institutionellen Anleger für den Klimaschutz (IIGCC) zusammengeschlossen. Zu ihnen gehören Versicherungskonzerne wie Aegon und Axa, Ende des Booms Anzahl der aktiven Öl- und Gasbohranlagen weltweit 3900 4000 3500 3254 Ölpreisverfall Finanzkrise 3000 2500 Fracking-Boom 2000 1761 1500 SZ-Grafik; Quelle: Baker Hughes 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 ’16 Zu gut für die Tonne Verschwendung von Lebensmitteln: Ernährungsminister Schmidt will das Mindesthaltbarkeitsdatum abschaffen halbieren; neues Ziel: 2030. Und inzwischen setzt sich die Einsicht durch, dass die Politik eingreifen muss. Die Bundesregierung knöpft sich nun einen der Hauptverursacher des großen Wegwerfens vor: das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD). Die seit Jahrzehnten nach EU-Recht vorgeschriebene Herstellerangabe soll selbst ein baldiges Ablaufdatum bekommen. Kritiker bemängeln, dass Verbraucher das Datum oft falsch verstehen und auch Supermärkte ihre Ware viel zu früh aussortieren. Denn das MHD garantiert nur, dass Farbe, Geruch und Geschmack des ungeöffneten Lebensmittels bei rich- tiger Lagerung bis zu diesem Tag erhalten bleiben. Genießbar bleibt es jedoch auch nach Ablauf. Reis, Nudeln oder Mehl etwa sind oft viele Monate länger haltbar. Ernährungsminister Christian Schmidt (CSU) forderte am Freitag deshalb die Abschaffung der Angabe. „Wir werfen massenweise gute Lebensmittel weg, weil die Hersteller zu große Sicherheitspuffer eingebaut haben“, sagte er in einem Interview. Er gehe davon aus, dass in wenigen Monaten der Entwurf einer entsprechenden EU-Richtlinie vorliege. Da das MHD im Ermessen des Herstellers liegt, haben Verbraucherschützer seit teresse eine so offensichtliche Verachtung an den Tag legt“, hieß es in einer Erklärung des RFF. Seit vorigem Jahr ermitteln New Yorker Behörden gegen Exxon-Mobil: Sie werfen den Texanern außer der Täuschung von Bürgern und Aktionären auch vor, über Jahrzehnte Studien bezahlt zu haben, in denen der Klimawandel wider besseren Wissens bestritten wird. Der RFF, der mit seiner Entscheidung dem größeren Rockefeller Brothers Fund folgt, geht jedoch noch weiter: Er riet der Energiebranche nicht nur dazu, die Erforschung weiterer Vorkommen kohlenstoffhaltiger Brennstoffe abzubrechen. Vielmehr sollte auch der Großteil der schon bekannten Reserven im Boden bleiben. Angaben dazu, wie groß die Beteiligung der Familie an Ölfirmen noch ist, machten die Rockefeller-Nachfahren nicht. Der Ruhm und der Reichtum der Dynastie mit rheinischen Wurzeln gehen auf den Patriarchen John D. Rockefeller zurück, der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit Geschick, aber auch mit List, Druck und Preisabsprachen den ÖlMulti Standard Oil aufgebaut hatte. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde der Konzern wegen seiner Monopolstellung von der US-Regierung in 34 Unternehmen zerschlagen, darunter Exxon-Mobil und Chevron. Rockefeller gilt als reichster Mann aller Zeiten. Er war allerdings auch einer der größten Philantropen, die es je gab. Schon zu Lebzeiten spendete er Millionen Dollar für wohltätige Zwecke und wurde damit zum Vorbild für heutige US-Milliardäre wie Bill Gates und Warren Buffett. Exxon-Mobil im Übrigen reagierte gereizt auf die Ankündigung der Familie Rockefeller. „Es ist nicht überraschend, dass sie sich zurückziehen, da sie bereits eine Verschwörung gegen uns finanzieren“, sagte ein Konzernsprecher. längerer Zeit den Verdacht, dass manche Produzenten lieber knapp bemessene Angaben auf die Etiketten setzen – und so auch noch vom Wegwerfen profitieren. Dabei sind die Folgen gravierend, aus ethischer, ökologischer und ökonomischer Sicht. Um die weggeworfenen Lebensmittel zu erzeugen, sind 2,6 Millionen Hektar Nutzfläche nötig. Dabei werden 48 Millionen Tonnen Treibhausgase freigesetzt. Bei Produkten wie Salz oder Zucker, die dauerhaft genießbar sind, muss schon heute kein Haltbarkeitsdatum mehr auf der Verpackung stehen, nur noch das Herstellungsdatum. Ganz verschwinden sollen die Angaben zum drohenden Verfall jedoch nicht. „Auf die Verpackungen von Milch oder Schinken soll ein echtes Verfallsdatum gedruckt werden, nach dem diese Produkte tatsächlich nicht mehr genießbar wären“, fordert Schmidt, der auch auf andere Abhilfe hofft. Die Zukunft gehöre ohnehin „der intelligenten Verpackung“, die den Zustand der Ware selbst erkennt. markus balser München – Die Polizei in Deutschland, Belgien und Frankreich hat im Zusammenhang mit den islamistischen Terroranschlägen von Brüssel elf Verdächtige festgenommen. Im Raum Düsseldorf wurde am Donnerstag ein als Salafist bekannter Mann festgenommen. Am Mittwochabend hatte die Polizei in Gießen einen Mann marokkanischer Herkunft festgesetzt, auf dessen Mobiltelefon sie Hinweise einer Verbindung zu den Attentaten am vergangenen Dienstag in Brüssel fand. In Paris wurde ein Mann gefasst und so der Regierung zufolge ein Anschlagsplan vereitelt. In Brüssel verhaftete die Polizei am Karfreitag einen Verdächtigen, er wurde bei der Razzia im Stadtteil Schaerbeek verletzt. Der Festgenommene habe Sprengstoff bei sich getragen, so der staatliche Sender RTBF. In der Nacht zum Freitag wurden unter anderem in Schaerbeek sechs Verdächtige festgenommen. In Forest kam es RTBF zufolge am Freitag zu einer weiteren Festnahme. Bei Selbstmordanschlägen am Brüsseler Flughafen und auf die U-Bahn, zu denen sich der sogenannte Islamische Staat bekannte, starben am Dienstag 31 Menschen, 300 wurden verletzt. Unter den Todesopfern war auch eine Frau aus Aachen. sz Seiten 2, 4 und 5 MIT STELLEN-,UND IMMOBILIENMARKT Die Uhren werden vorgestellt München – An diesem Sonntag beginnt die Sommerzeit. In der Nacht von Samstag auf Sonntag werden die Uhren um zwei Uhr um eine Stunde vorgestellt. Die Nacht ist damit eine Stunde kürzer. Die Sommerzeit endet von 29. auf 30. Oktober. sz Seite 8 DAS WETTER ▲ TAGS 16°/ -1° ▼ NACHTS Anfangs stärker bewölkt oder nebligtrüb, im Tagesverlauf häufiger Sonne. Meist bleibt es trocken. In den höheren Lagen Schnee. Die Höchsttemperaturen bewegen sich zwischen zehn und 16 Grad. Seite 14 Süddeutsche Zeitung GmbH, Hultschiner Straße 8, 81677 München; Telefon 089/2183-0, Telefax -9777; [email protected] Anzeigen: Telefon 089/2183-1010 (Immobilien- und Mietmarkt), 089/2183-1020 (Motormarkt), 089/2183-1030 (Stellenmarkt, weitere Märkte). Abo-Service: Telefon 089/21 83-80 80, www.sz.de/abo A, B, F, GR, I, L, NL, SLO, SK: € 3,80; dkr. 30; £ 3,50; kn 34; SFr. 5,00; czk 112; Ft 1020 Die SZ gibt es als App für Tablet und Smartphone: sz.de/plus
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