Abstracts - Technische Universität Chemnitz

Zentrum für Lehrerbildung
Professur Grundschuldidaktik Deutsch
Wissensvermittlung in Sachbüchern der Kinder- und Jugendliteratur der DDR
Themen, Formen, Strukturen, Methoden der Forschung
09. bis 11. März 2016
ABSTRACTS
Maren Ahrens:
Geschichte in (Bilder)Geschichten. Zur Vermittlung von kultur- und alltagsgeschichtlichen Themen im MOSAIK (1976-1989)
André Barz:
Geschichtswissen vermittelnde fiktionale Kinderliteratur der DDR: Gerda Rottschalks Kinderbücher über die Urgesellschaft
Maria Becker:
Sachbilderbücher der DDR-Kinderliteratur der 1970er und 1980er Jahre
Andreas Bode:
Illustration im Sachbuch der DDR - Stil, Stilisierung und Technik
Bettina Kümmerling-Meibauer und Jörg Meibauer:
„Keines zu klein, Helfer zu sein.“ Das deskriptive Bilderbuch in der DDR zwischen Infor-mation und Propaganda
Jana Mikota:
Natur- und Umweltfragen in Sachbüchern für Kinder aus der DDR: Entwicklungen und Tendenzen
Reiner Neubert:
Von Ardenne bis Zeiske. Anmerkungen zur Sachliteratur für Kinder und Jugendliche in der DDR
Karin Richter:
„Roter Platz und ringherum“ (Uwe Kant) und „Die Perlen der grünen Nixe“ (Rainer Kirsch) – Zwischen Erzählung und
Sachliteratur. Informierende Reiseliteratur und sach-orientierte Märchen
Geralde Schmidt-Dumont:
Das Sachbuch für Kinder und Jugendliche in der DDR und in der BRD - ein Vergleich am Beispiel der
Jahrgänge 1982 und 1983
© Steve Conrad
Gina Weinkauff:
„Erzähl er nur weiter, Herr Urian!“ Stellvertretende Welterkundungen in der Kinder- und Jugendliteratur der DDR
Maren Ahrens
Geschichte in (Bilder)Geschichten. Zur Vermittlung von kultur- und alltagsgeschichtlichen Themen im MOSAIK
(1976-1989)
Das MOSAIK war die einzige Comic-Serie Ostdeutschlands, obwohl man hier traditionsbewusst und politisch
korrekt auf der Genre-Bezeichnung Bildergeschichte bestand. Vom ersten Heft an, das im Dezember 1955 erschien, war das MOSAIK ein unglaublicher Verkaufserfolg. Warum? Zu einem kleinen Teil trug sicher die annähernde Monopolstellung des MOSAIK als Bilderzeitschrift dazu bei, zum anderen begründete das MOSAIK eine
ganz neue, eigenständige Art des Erzählens im Medium Comic. Nicht mehr allein der Unterhaltungswert von
bunten Bildergeschichten stand als zentrale Idee in der MOSAIK-Konzeption, sondern dessen Verknüpfung mit
der Vermittlung von Wissen. Dies bezog sich auf unterschiedlichste Gebiete, wie zum Beispiel naturwissenschaftliche und technische Erkenntnisse, moralische und ethische Werte, kultur- und alltagsgeschichtliche Gegebenheiten und historische Zusammenhänge. Am Beispiel der Abrafaxe-Geschichten, die seit 1976 erschienen,
soll dies beispielhaft aufgezeigt werden.
Kurzvita
Maren Ahrens (*1971)
Studium der Kulturwissenschaft und Neueren deutschen Literatur an der Humboldt Universität zu Berlin
Seit 1997 Lektorin im MOSAIK Steinchen für Steinchen Verlag
André Barz
Geschichtswissen vermittelnde fiktionale Kinderliteratur der DDR: Gerda Rottschalks Kinderbücher über die
Urgesellschaft
Gerda Rottschalks (1925-2001) Kinderbücher Das Feuertier, Die Wildpferdjäger, Die Kinder Sumuts und Der Tempelschreiber, 1970/ 1971 im Kinderbuchverlag der DDR erschienen, wurden vom Verlag als „populärwissenschaftliche Erzählung[en]“ angekündigt und explizit mit der Intention ihrer Veröffentlichung als Serie beworben.
So heißt es zum ersten Buch: „Das ‚Feuertier‘ bildet den Anfang einer Serie populärwissenschaftlicher Erzählungen, die der Kinderbuchverlag herausgibt, um Leser von 9 Jahren an mit der Geschichte der Urgesellschaft
bekannt zu machen. Der Kinderbuchverlag will damit dem weitverbreiteten Interesse der jungen Leser an dieser
Thematik nachkommen und einen wissenschaftlich fundierten Beitrag zur Vorbereitung des Geschichtsunterrichts im 5. Schuljahr leisten.“
Im Vortrag wird zunächst herauszuarbeiten sein, inwiefern die Bücher diesem Anspruch tatsächlich gerecht
werden konnten (wollten oder mussten). Hierbei wird nach dem Stellenwert und der (Art der) Sicherstellung der
„wissenschaftlichen Fundierung“ ebenso zu fragen sein wie danach, ob und inwiefern tatsächlich Inhalte des
Geschichtsunterrichtes der Klasse 5 der DDR Berücksichtigung fanden.
Es wird weiterhin zu prüfen sein, inwiefern die Erzählungen Gerda Rottschalks in methodischer Hinsicht den
„Erzählung[en] als typisches Element des Geschichtsunterrichts in Bildern“ entsprechen, wie sie als spezifische
Form des Lehrervortrages im Geschichtsunterricht der DDR gefordert waren und etwa von Herbert Mühlstädt
(1919-1988) in den Bänden Der Geschichtslehrer erzählt, hier Band 1, als Unterrichtshilfen versammelt sind. Zu
fragen wäre hier etwa, inwiefern Rottschalks Schreiben den „theoretischen“ Grundprämissen folgt, nach denen
eben zum Beispiel Mühlstädts Erzählungen „aufgebaut“ sind. Darüber hinaus dürfte von einigem Interesse sein,
inwiefern die Verknüpfung von literarischer Erzählung Rottschalks und bildkünstlerischer Gestaltung durch die
„Bilder“ von Gerhard Preuß (1935-2014) in besonderer Weise einem Unterricht in „historischen Bildern“ nahekommt. Gegenstand der Untersuchung ist hier sowohl die literarische wie bildkünstlerische Qualität, die über
das angestrebte Kriterium der „wissenschaftlichen Fundierung“ hinaus auch nach dem künstlerisch-ästhetischem Anspruch der Gestaltung der (von) Kinderbücher(n) fragt.
Es wird resumierend festzuhalten sein, wie sich die vier Kinderbücher Gerda Rottschalks über die Frühzeit der
Menschen innerhalb der geschichtserzählenden Kinder- und Jugendliteratur der DDR verorten lassen. Immerhin
erfuhren sie mehrere Auflagen und erschienen ab 1980 auch unter dem Titel Vom Feuertier und den Wildpferdjägern in einem Band zusammengefasst kontinuierlich, zuletzt 1990.
Kurzvita
Prof. Dr. André Barz (Jg. 1963); 1982-1986 Lehramtsstudium für die Fächer Deutsch und Geschichte in Leipzig;
1986-1989 Forschungsstudium Psychologie; 1989 Promotion auf dem Gebiet der Pädagogischen Psychologie
mit einer Arbeit zum Darstellenden Spiel; 1996 Habilitation im Bereich Literaturdidaktik mit einer Schrift über
das Verhältnis von Literaturunterricht und Massenmedien; seit 1987 Lehre und Forschung an Hochschulen und
Universitäten in Leipzig, Koblenz/ Landau, Bydgoszcz, Siegen und Bern in den Disziplinen Psychologie, Didaktik
der deutschen Sprache und Literatur, Literaturwissenschaft sowie Spiel- und Theaterpädagogik; zwischenzeitlich Arbeit als Lehrer in Leipzig und Theaterpädagoge an der Landesbühne Sachsen-Anhalt in Lutherstadt Eisleben; seit 2005 Universitätsprofessor für Theaterpädagogik an der Universität Siegen. Arbeits- und Forschungsschwerpunkte: Theater und Drama der Gegenwart, insbesondere auch für Kinder und Jugendliche; Geschichte
des nichtprofessionellen Theaters der DDR. Herausgabe von Forum SpielTheaterPädagogik und Bertuchs Weltliteratur für junge Leser.
Maria Becker
Sachbilderbücher der DDR-Kinderliteratur der 1970er und 1980er Jahre
Innerhalb der Gattung Sachbuch gilt das Sachbilderbuch als eine Vermittlungsform, die Informationen vorrangig
visuell transportiert bzw. die Textebene dem Bild unter- oder nebenordnet (vgl. Ossowski 1999). Thema des
Vortrags sind Sachbilderbücher der DDR-Kinder- und Jugendliteratur der 1970er und 1980er Jahre, die sich
abhängig von ihrer grundsätzlichen Ausrichtung in erklärende und erzählende Texte differenzieren lassen. Titel
wie Der verwandelte Wald (1976) oder Vom goldenen Handwerk (1986) stehen exemplarisch für eine große Anzahl erklärender Sachbilderbücher des Altberliner Verlags, die Themen aus Kultur, Natur und Technik aufgreifen.
Auch erzählende Sachbilderbücher gehören zum Portfolio des Altberliner Verlags: In der bis 1990 mehr als 20
Titel umfassenden Reihe Ein Tag im Leben… werden die Lebens- und Verhaltensweisen von Tieren der nahen
und fernen Naturwelt gezeigt. Ziel des Vortrags ist die systematische und repräsentative Bestimmung eines
Textkorpus, der vielfältige Erscheinungsformen und kreative Experimente offenbart. Im Zentrum stehen formale
und funktionale Aspekte, die dahingehend betrachtet werden, welche Ausschnitte von Wirklichkeit vorliegen und
welche bildlichen, intermodalen und narratologischen Darstellungsstrategien Autoren und Illustratoren wählten,
um komplexe Sachthemen zu vermitteln.
Kurzvita
Von 2008-2010 Promotionsstipendium der Rosa-Luxemburg-Stiftung Berlin, seit 2010 tätig am Institut für deutsche Sprache und Literatur der TU Dortmund. Schwerpunkt: Kinder- und Jugendliteratur und ihre Didaktik. Von
2010-2013 Lehrkraft für besondere Aufgaben, von 2013 bis 2014 Vertretung der Professur Neuere deutsche
Literatur - Diversität und Gender. Seit 2014 Vertretung der Professur Neuere deutsche Literatur - Intermedialität
und Interkulturalität. Promotion 2012 mit dem Titel: Schreiben in Ost und West. Ostdeutsche Autoren von Kinderund Jugendliteratur vor und nach der Wende. Frankfurt et al.: Lang 2013. (Kinder- und Jugendkultur, -literatur und
-medien: Theorie - Geschichte – Didaktik).
Andreas Bode
Illustration im Sachbuch der DDR - Stil, Stilisierung und Technik
Der Bereich der Sachbuchillustration der DDR umfaßte nicht nur Zeichnungen und Photographien mit vordergründigem Informationscharakter, sondern ließ der künstlerischen Illustration auch hier breiten Raum. Sehr
verbreitet war die Sacherzählung, vor allem als Bilderbuch, die über Sachverhalte in fiktionaler Form informierte.
Zwar war die Wirkung von Illustrationen sowohl im fiktionalen Kinderbuch wie im Sachbuch von den drucktechnischen Gegebenheiten abhängig, doch wirkte sich auch die graphische Tradition der Kunstschulen in Leipzig
und Halle (Burg Giebichenstein) in der DDR viel nachhaltiger aus als in der Bundesrepublik. Tendenzen in der
Illustration sowie tendenzfreie Illustrationen ließen sich, abgesehen von der direkten Darstellung DDR-spezifischer Sachverhalte (etwa Pionierorganisation, Volksarmee), in der sachlichen und fiktionalen Literatur oft an
stilistischen Besonderheiten erkennen, auch durch die charakteristische Auswahl von Übernahmen ausländischer Illustrationen, wie gezeigt werden wird.
Kurzvita
Dr. Andreas Bode, geboren am 27.12.1942 in Leipzig, von 1954 bis 1960 Mitglied des Thomanerchores, studierte
osteuropäische Geschichte, Slawistik und neuere Geschichte an den Universitäten München, Stockholm und
Moskau, promovierte 1971 zum Magister Artium, 1975 zum Dr. phil. mit einer Arbeit über Die Flottenpolitik Katharinas II. und die Konflikte mit Schweden und der Türkei (1768-1792). 1975-77 erfolgte die Ausbildung für den
höheren Bibliotheksdienst an der Staatsbibliothek München. Danach war er als wissenschaftlicher Bibliothekar
von 1977 bis 1978 in Bamberg (Universitätsbibliothek), von 1978 bis 1983 in Berlin (Leitung der Bibliotheken der
Hochschule der Künste) und von 1983 bis 2007 an der Internationalen Jugendbibliothek in München tätig, von
1983 bis 1992 als alleiniger Direktor, danach in geteiltem Direktorat. Von 1996 bis 1998 war er Mitglied der Jury
des Deutschen Jugendliteraturpreises, von 1995 bis 2007 Mitglied der Jury des Katholischen Kinder- und Jugendbuchpreises, 2002-03 Mitglied der Jury für den Sonderpreis Illustration des Deutschen Jugendliteraturpreises und 2007-08 Vorsitzender der Jury für den Sonderpreis Übersetzung des gleichen Preises. Er ist wissenschaftlich vor allem im Kinderbuchbereich mit dem Schwerpunkt Illustration tätig, hat aber auch über das historische Kinderbuch und Übersetzungsprobleme aus dem Russischen und Schwedischen gearbeitet.
Bettina Kümmerling-Meibauer und Jörg Meibauer
„Keines zu klein, Helfer zu sein.“ Das deskriptive Bilderbuch in der DDR zwischen Information und Propaganda
Unter deskriptiven Bilderbüchern verstehen wir solche Bilderbücher, die in erster Linie Informationen über Sachverhalte vermitteln. Dies schließt narrative Elemente, zum Beispiel einen kindlichen literarischen Charakter, der
etwas Bestimmtes erlebt, nicht aus. Zum Aufbau von Weltwissen sind Kinder auf das Zeugnis von Erwachsenen
angewiesen, da sie nicht aus eigener Kraft komplexe Sachverhalte erforschen können (Harris 2012). Aus der
Sicht der Kinder bedeutet dies, dass sie einerseits Vertrauen in das setzen müssen, was man ihnen beibringt,
anderseits auch epistemische Skepsis entwickeln müssen. Für die Gestaltung und für die Rezeption von deskriptiven Bilderbüchern ist es daher wichtig, Informationen im Text und im Bild sinnvoll aufeinander zu beziehen. Dabei zeigen sich verschiedene Strategien.
Einerseits zeigt sich eine sachliche Strategie, die Kindern grundlegende Informationen über einen Sachverhalt
vermittelt. So werden zum Beispiel Informationen über die Post als soziales System der Kommunikation (Der
Weg deines Briefes, 1951), über den Kran als menschliches Werkzeug (Wir heben eine Last, 1952), oder die Herstellung von Stoff (Das Loch in der Hose, 1951) gegeben. Diese Bücher knüpfen durchaus an die Bedingungen
des gewünschten Aufbaus des Sozialismus in der Sowjetischen Besatzungszone und der Deutschen Demokratischen Republik an: es geht um die Achtung der Arbeit, die Erhaltung des Friedens, den Wiederaufbau und den
Beitrag, den jeder Einzelne dazu leisten kann und soll.
Anderseits zeigt sich eine propagandistische Strategie, welche Sachinformationen mit politischer Beeinflussung verknüpft. Besonders deutlich wird das in jenen Sachbüchern, die Informationen über historische Persönlichkeiten vermitteln. Wir zeigen dies am Fall zweier Bilderbücher, die sich mit dem Kommunistenführer Ernst
Thälmann befassen (Als Thälmann noch ein Junge war, 1976; Paul und Janni finden Teddy, 1981), der in der DDR
als ein wichtiges Vorbild für Kinder und Jugendliche galt.
Schließlich zeigen wir eine gemischte Strategie anhand von vier Bilderbüchern, die sich mit Verkehrserziehung
bzw. der Repräsentation der (sozialistischen) Stadt beschäftigen: Komm fahr mit, (1962); Komm fahr mit, aber
richtig!, (1962); FIDIBUS paß auf!, (1961) sowie Wir gehen durch die große Stadt, (1953). Hier geht es einerseits
darum, soziale Regeln zu erlernen, anderseits, die damit verbundene soziale Ordnung zu respektieren.
In allen Strategien spielt die Orientierung an sozialen Einrichtungen (HO, Konsum, VEB), Symbolen (roter Stern,
Fahnen) oder Ereignissen (Friedensfahrt) eine Rolle. Gerade diese Bezüge sind es, die die untersuchten Bilderbücher DDR-spezifisch machen.
Literatur
Andresen, Sabine (2001): „Sozialisten werden nicht geboren, sondern erzogen.“ Kindheit und Politik – Pionierbiographien der DDR. In: Behnken, Imbke/Zinnecker, Jürgen (Hgg.) (2001): Kinder. Kindheit. Lebensgeschichte. Ein Handbuch. Seelze-Velber: Kallmeyer, 998-1015.
Harris, Paul L. (2012): Trusting What You’re Told. How Children Learn from Others. Cambridge, Mass.: The Belknap Press of Harvard University Press.
Kümmerling-Meibauer, Bettina/Meibauer, Jörg (2015): Picturebooks and early literacy. How do picturebooks
support early conceptual development? In: Kümmerling-Meibauer, Bettina/Meibauer, Jörg/Nachtigäller, Kerstin/Rohlfing, Katharina (Hgg.) (2015): Learning from Picturebooks. Perspectives from child
development and literacy studies. London: Routledge, 13-32.
Stanley, Jason (2015): How propaganda works. Princeton, Oxford: Princeton University Press.
Wolle, Stefan (2013): Der große Plan. Alltag und Herrschaft in der DDR 1949-1961. Berlin: Links.
Wolle, Stefan (2011): Aufbruch nach Utopia. Alltag und Herrschaft in der DDR 1961-1971. Berlin: Links.
Wolle, Stefan (2013): Die heile Welt der Diktatur. Alltag und Herrschaft in der DDR 1971-1989. Berlin: Links.
Kurzvita
Bettina Kümmerling-Meibauer ist apl. Professorin am Deutschen Seminar der Universität Tübingen. Sie war
Gastprofessorin an der Universität Växjö (Schweden) und der Universität Wien. Sie arbeitet zusammen mit J.
Meibauer an einer kognitiven Theorie des Bilderbuchs. Sie ist Verfasserin des zweibändigen Lexikons Klassiker
der Kinder- und Jugendliteratur (Metzler, 1999), der Monografie Kinderliteratur, Kanonbildung und literarische Wertung (Metzler, 2003) und einer Einführung in die Kinderliteratur (Wiss. Buchgesellschaft, 2012). Zuletzt erschienen sind die Sammelbände Learning from Picturebooks (Routledge, 2015) (mit J. Meibauer, K. Nachtigäller und
K. Rohlfing) und Children’s Literature and the Avant-Garde (John Benjamins, 2015) (mit E. Druker). In Vorbereitung befinden sich der Sammelband Canon Constitution and Canon Change in Children’s Literature (Routledge,
2016) (mit A. Müller) sowie das Routledge Companion to Picturebooks (Routledge, 2017).
Jörg Meibauer ist Professor für Sprachwissenschaft des Deutschen an der Johannes Gutenberg-Universität
Mainz und affiliierter Professor der Universität Stockholm. Er arbeitet mit B. Kümmerling-Meibauer an einer
kognitiven Theorie des Bilderbuchs (siehe Towards a Cognitive Theory of Picturebooks. In: International Research
in Children’s Literature 6.2 (2013), 143-160). Zuletzt erschienen sind die Monografie Lying at the semantics-pragmatics interface (De Gruyter Mouton, 2014) sowie die Sammelbände Learning from Picturebooks (Routledge,
2015) (mit B. Kümmerling-Meibauer, K. Nachtigäller und K. Rohlfing) und Satztypen und Konstruktionen (De Gruyter, 2016) (mit R. Finkbeiner). In Vorbereitung befinden sich der Band Pejoration (John Benjamins, 2016) (mit
R. Finkbeiner und H. Wiese) sowie das Oxford Handbook of Lying (Oxford University Press, 2017).
Jana Mikota
Natur- und Umweltfragen in Sachbüchern für Kinder aus der DDR: Entwicklungen und Tendenzen
Sachbücher vermitteln Erkenntnisse und Fakten und sind in der Regel an ein breites Publikum adressiert. Im
Bereich der Umweltpädagogik sind in den letzten Jahren Sachbücher zu den unterschiedlichen Themen für fast
alle Altersstufen erschienen. Hinzu kommt, dass Sachbücher Fakten und Fiktionalität miteinander kombinieren
und sich durch eine Hybridität auszeichnen, die bislang von der Kinder- und Jugendliteraturforschung zu wenig
wahrgenommen wurde. Die Auseinandersetzung mit Umweltfragen und der Darstellung der Natur ist kein neuer
Trend in Sachbüchern, sondern beruht auf einer längeren Tradition. Die Sachbücher der DDR liefern hierbei
wichtige Erkenntnisse und zeigen, wie Umweltfragen im real existierenden Sozialismus diskutiert wurden. Die
Auseinandersetzung mit diesen Aspekten ist auch für die gegenwärtige Forschung fruchtbar, weil die Debatten
teilweise noch aktuell sind. Aber vor allem kann mit Hilfe dieser Texte heutigen Schülerinnen und Schülern auch
ein Bild eines Landes präsentiert werden, das es nicht mehr gibt. Dennoch spielt das historische Sachbuch im
Kontext einer nachhaltigen Literaturdidaktik (einschließlich einer kulturökologischen Literaturdidaktik) eine untergeordnete Rolle und das, obwohl in der didaktischen Diskussion einerseits die Hybridität des Sachbuch diskutiert wird, andererseits das Sachbuch auch als ein Gegenstand wahrgenommen wird, der in einem handlungsund produktionsorientierten Literaturunterricht eingesetzt werden kann.
Im Mittelpunkt des Vortrages steht das Sachbuch Der junge Naturforscher. Ein Helfer für Mädchen und Jungen,
das in fünf Bänden im Kinderbuchverlag Berlin zwischen 1951 und 1956 erschienen ist. Ein Blick auf das Inhaltsverzeichnis deutet bereits das umfangreiche Wissen an (von Astrophysik zu Geophysik), das den Leserinnen und Lesern präsentiert wurde. Fragen nach Natur und dem Handeln des Menschen in der Natur werden
ebenfalls selbstverständlich skizziert. Das Sachbuch nimmt die Debatte um Natur und Umwelt auf, die charakteristisch für die 1950er Jahre ist. Der Fortschrittsoptimismus dominiert und wird selten in Frage gestellt. Die
Debatten um Natur und Umwelt werden zunächst vom marxistischen Arbeitsbegriff beeinflusst und sind sowjetischer Tradition verpflichtet.
Diese Debatten intendieren, die Natur im Kontext des Aufbaus des Sozialismus für sich zu nutzen: Während
man in den Sach- und Kinderbüchern der 1950er und 1960er die Natur im Kontext des Fortschrittes beschreibt,
wandelt sich in den 1970er Jahre das Denken. Dagmar Lindenpütz weist zurecht darauf hin, dass in diesen
Jahren sich eine Kinderliteratur in der DDR entwickelt hat, die offen den Bruch zwischen Natur und Gesellschaft
thematisiert. In Kinder- und Jugendromanen entwerfen Autoren ein neues Naturkonzept, das durchaus in Konflikt mit dem wirtschaftenden Kollektiv tritt. Bislang noch nicht untersucht ist, inwieweit das Sachbuch der DDR
in den 1970er Jahren auch diesen Weg einschlägt.
Der Beitrag möchte das Verhältnis zwischen Natur, Marxismus und Fragen der Umwelterziehung anhand ausgewählter Beispiele rekonstruieren und Entwicklungen aufzeigen. Es sollen Sachbücher exemplarisch vorgestellt und miteinander im Kontext der Debatten um Natur in der DDR verglichen werden.
Kurzvita
Dr. Jana Mikota ist als Oberstudienrätin im Germanistischen Seminar der Universität Siegen im Bereich der
Lehramtsausbildung tätig. Arbeitsschwerpunkte: historische Kinder- und Jugendliteratur, Literarisches Lernen
in der Grundschule, ökologische Kinder- und Jugendliteratur.
Reiner Neubert
Von Ardenne bis Zeiske. Anmerkungen zur Sachliteratur für Kinder und Jugendliche in der DDR
Persönliche Reminiszenzen zum bisherigen Forschungsstand (Steinlein/Strobel/Kramer: Handbuch zur Kinderund Jugendliteratur. SBZ/DDR von 1945 bis 1990, 2006) leiten zum Thema der Konferenz über.
Ausgehend von Fakten und Zahlen zur aktuellen Situation um das Sachbuch innerhalb der Kinder- und Jugendliteratur in Deutschland heute werden Funktion und Traditionslinien der Sachliteratur in der DDR des Zeitraums
1949 bis 1989, die wesentlichsten Entwicklungsabschnitte und Themen, die markantesten Autoren dieser Spezies (Gilsenbach, Hardel, Hoffmann, Kleffe, Meyer, Rezac, Wetzstein, Wille, Zeiske u. a.) sowie Aspekte der Forschung zu diesem Gegenstand (Günther, Meyer, Wetzstein u. a.) vorgestellt.
Verschiedene Reihen zu den unterschiedlichsten Themen, Nachschlagewerke und Lexika, einzelne Sachbücher
über Literatur, Sprache, Malerei, Theater, Film und Musik, Biografien zu Forschern, Philosophen, Künstlern und
Politikern, Texte zu historischen Erscheinungen und Prozessen verdeutlichen die stoffliche Breite dieser Sachliteratur, die sich deswegen immer größerer Beliebtheit erfreute, was natürlich sowohl an der bildkünstlerischen
Ausstattung als auch am Preis der Bücher lag.
Wissensvermittlung und Aspekte der naturwissenschaftlichen und – natürlich heute zu diskutierenden – politischen Bildung und Erziehung sollten seinerzeit in der Sachliteratur auch mit der ästhetischen Geschmacksbildung einhergehen.
Obzwar die theoretischen Dispute um den Begriff Sachliteratur in jenem Zeitraum recht spärlich waren, rang
man um die Kontraste zwischen Pädagogik und Poesie, Didaktik und Ästhetik, Wissenschaftlichkeit und Kunst,
wobei grundlegende Elemente der Belletristik auch in dieser Textsorte zunehmend als wesensbestimmend angesehen wurden. Eine eindeutige Definition wurde jedoch bis 1988 vermieden; es blieb bei Versuchen.
Kurzvita
Prof. Dr. phil. habil. Reiner Neubert (geb. 1942 in Brünlos)
Nach dem Besuch der Grundschule Lehre und Arbeit als Motorenschlosser von 1956 bis 1961. Werktätigenstudium für das Lehramt in Deutsch und Sport an der Pädagogischen Hochschule Zwickau von 1961 bis 1965.
Lehrer in Plauen bis 1967, dann Aspirantur an der Karl-Marx-Universität Leipzig bis 1970, danach Assistent,
Lektor und Dozent an der PH Zwickau; 1989 Berufung zum Professor für Neuere deutsche Literatur, einschließlich Kinder- und Jugendliteratur. Bis 1992 Sektionsdirektor Germanistik an der PH Zwickau. Von 1993 bis 1998
Langzeitdozent des DAAD an der Westböhmischen Universität Pilsen, dann Vertretungsprofessur C 4 an der TU
Braunschweig, Lehrtätigkeit an der TU Chemnitz. Von 2000 bis 2001 Schulleiter der Berufsfachschule für Kosmetik in Zwickau. Von 2001 bis 2002 Kurzzeitdozentur an der Südböhmischen Universität Budweis; seit Juli
2002 Rentner.
Publikationen zur Literatur der DDR, zur Kinder- und Jugendliteratur, zur tschechischen Literatur; Mitarbeit an
Lexika sowie Aufsätze und Rezensionen zu Neuerscheinungen der deutschen und tschechischen Literatur in
Fachzeitschriften und in der Tagespresse. Seit 2000 Leiter des Sächsisch-Tschechischen Literaturbüros
Zwickau/Bockau.
Karin Richter
„Roter Platz und ringherum“ (Uwe Kant) und „Die Perlen der grünen Nixe“ (Rainer Kirsch) – Zwischen Erzählung
und Sachliteratur. Informierende Reiseliteratur und sachorientierte Märchen
Im Vortrag wird am Beispiel von zwei Reihen aus dem Kinderbuchverlag Berlin und dem Verlag Junge Welt der
Frage nachgegangen, welche Möglichkeiten und Grenzen mit dem Erzählen von Sachstoffen verbunden sind.
Die Verbindung der Vermittlung von Sachstoffen für Kinder und Jugendliche mit einem Erzählgestus ist so alt
wie die Kinder- und Jugendliteratur selbst. Sie bezieht sich nahezu auf alle Sachgegenstände, auch wenn mit
einzelnen ‚Fächern‘ – wie Geschichte, Literatur und Kunst – eine besondere Symbiose entfaltet werden kann.
In den beiden Reihen zur Reiseliteratur (Kinderbuchverlag Berlin) sowie zu Sachstoffen in einem Märchengewand (Verlag Junge Welt) werden unterschiedliche Formen der Verflechtung von Sachstoff und Erzählgestus
gewählt.
Im Vortrag soll an zwei literarischen Beispielen – beide in den 70er Jahren entstanden – deren Wirkungsintentionen (von Seiten der Verlage) als auch deren Wirkungspotential (auf Grund der Textanalyse) dargestellt werden.
Kurzvita
Prof. Dr. habil. Karin Richter (emer.)
Universität Erfurt/Erziehungswissenschaftliche Fakultät. Arbeitsschwerpunkte: Kinder- und Jugendliteraturforschung; Kinderliteratur im didaktischen Kontext, Leseforschung, Kinder- und Jugendliteratur der DDR aus literaturwissenschaftlicher und literaturhistorischer Perspektive.
Anschrift: Marktstraße 38a, 99084 Erfurt.
Geralde Schmidt-Dumont
Das Sachbuch für Kinder und Jugendliche in der DDR und in der BRD - ein Vergleich am Beispiel der Jahrgänge
1982 und 1983
Aufgrund der Teilung hat die Sachbuchszene für Kinder und Jugendliche in der DDR und in der BRD eine unterschiedliche Ausprägung erfahren. Neben den Überschneidungen entwickelte jedes Land seine eigenen Themen
und Tabus und schloss an andere literarische und Bildtraditionen an. Entscheidend war die unterschiedliche
Ost-West-Ausrichtung. Die BRD übernahm viele Tendenzen aus den USA, die DDR orientierte sich an der Sowjetunion bei Wahrung einer starken nationalen kulturellen Eigenständigkeit.
Am Beispiel der beiden Jahrgänge 1982 und 1983 soll geprüft werden, inwieweit die großen Neuorientierungen
in der BRD durch den Medienwandel, die Vorschulbewegung, die Bildungsreform und die antiautoritäre Bewegung der 1968er auch Auswirkungen in der DDR hatten.
Besondere Ausformungen ergaben sich aber auch aus dem öffentlichen Diskurs der Nation über die Rolle von
Bildung und Kunst. Wie wirksam waren noch die bürgerlichen Bildungsvorstellungen? Welche Rolle spielte der
Kommerz und welche Rolle spielte der Staat als Kulturförderer? Wurde Wert auf nationale Sonderformen gelegt?
Diese Fragen werden an folgende Bereiche gestellt: Übersetzungen und internationale Schauplätze versus Regionalgebundenheit, Umwelt- und Dritte-Welt-Problematik, Soziales Lernen, Sachinformationen über Arbeit, organisatorische und ökonomische Zusammenhänge und moderne Technologien. Gibt es kritische bis subversive
Darstellungen?
Neben der Themenstellung sollen auch die Unterschiede in der Illustration und Buchgestaltung in den Fokus
genommen werden. Schließlich soll gefragt werden, ob es eine unterschiedliche Didaktik gab.
Kurzvita
Dipl. Bibliothekarin, später Lehrbeauftragte für Jugendliteratur an der Fachschule für Sozialpädagogik Hamburg, jetzt Museumspädagogin am Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg. Tätigkeit im Vorstand der AG
Jugendliteratur und Medien der GEW. Veröffentlichungen in Fachzeitschriften und Sammelbänden.
Gina Weinkauff
„Erzähl er nur weiter, Herr Urian!“ Stellvertretende Welterkundungen in der Kinder- und Jugendliteratur der DDR
„Wenn jemand eine Reise tut, / So kann er was verzählen“ heißt es in dem berühmten Gedicht von Matthias
Claudius. In der Kinder- wie auch in der Jugendliteratur erfreut sich die Motivik und Thematik des Reisens seit
der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert großer Popularität. Die Faszination für literarische Bilder ferner, den
Lesern realiter kaum zugänglicher Weltgegenden ist allerdings noch wesentlich älter und sie geht auch über die
Kinder- und Jugendliteratur hinaus. Aus diesem Grund ist es nicht leicht, in Erzählwerken mit Reisemotivik die
Grenze von fiktionaler und faktualer Literatur zu bestimmen, schließlich dienten auch Mythen und Abenteuerromane vielfach als Quellen geographischen und ethnographischen Wissens.
Auch in der DDR gibt es einen Zusammenhang zwischen der Beschränktheit der Reisemöglichkeiten und dem
Interesse an Reiseliteratur. Der Vortrag vermittelt einen Überblick über die Formen und Themen der in der DDR
entstandenen Reiseliteratur für Kinder und Jugendliche und fokussiert eine Auswahl entsprechender Werke renommierter Autorinnen wie Benno Pludra, Uwe Kant und Brigitte Birnbaum, die eigens zu Recherchezwecken in
die Sowjetunion entsandt worden waren oder wie Waldtraut Lewin und Christine Wolter nach Italien.
Kurzvita
apl. Prof. Dr. Gina Weinkauff ist außerplanmäßige Professorin am Institut für deutsche Sprache und Literatur
der Pädagogischen Hochschule Heidelberg. Zusammen mit Karin Vach leitet sie dort das Zentrum für Kinderund Jugendliteratur. Persönliche Website mit Publikationsliste und Lebenslauf: http://www01.ph-heidelberg.de/wp/weinkauf/index.html