Thomann, Klärungshilfe

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KLÄRUNGSHILFE
C. Thomann, F. von Thun
Bei so gut wie allen zwischenmenschlichen Beziehungsstörungen spielen undurchschaute
und unausgedrückte Gefühle und Werthaltungen eine Rolle, oft aber auch eine komplizierte,
oder verworrene sachstrukturelle Lage, besonders bei Arbeitsgruppen.
Das 4-Felder Modell der Klärungshilfe
Der Brennpunkt der Aufmerksamkeit liegt auf der Art des „Miteinanders“.
Die Sichtweise legt eine Einteilung der Arbeitsschwerpunkte in vier Felder nahe.
Wir unterscheiden in die Aspekte Individuum und System und in Prozess und Struktur.
Im Prozess werden Vorgänge zusammengefasst, die sich punktuell ereignen, sei’s im „hier
und jetzt“ oder in der Rückbetrachtung „dort und damals“.
Mit Struktur, sind die über Jahre hinweg gewonnenen Prozesse gemeint, die sich in
Persönlichkeitscharakteristika und Interaktionsmustern verfestigt haben. Aus dieser
zweimalzwei –Zuordnung ergeben sich vier Felder.
1. Selbstklärung
Der 1. Quadrant betrifft den Prozess des einzelnen Klienten, sei es im „hier und jetzt“ oder in
„dort und damals“.
Beispiel: Was geht hier und jetzt in mir vor? Was genau will ich eigentlich? Oder was war
damals mit mir los, als ich sagte: „Das ist ja nicht zum Aushalten mit dir“.
Wir bringen die Person wieder in Kontakt mit sich selbst, wenn das Gesagte in einem
fraglichen Verhältnis zum Gemeinten steht, also zu dem, was innerlich noch unausgedrückt
vorhanden ist. Das, was ich sage ist nicht selten ein Kompromissprodukt zwischen dem, was
ich sagen möchte, was man sagen sollte und dem, was man besser nicht sagt.
Da wir oft Angst vor unseren eigenen Gefühlen haben, wie Rührung, Verletztheit, Traurigkeit
oder Zorn, haben wir uns eine Art zu Reden angewöhnt, die uns diese Gefühle erspart. Dann
ist das, was wir sprechen, ein lebloses Kunstprodukt von uns, innerlich nicht gedeckt, bewegt
es auch bei unserem Gegenüber nichts. Die Authentizität fehlt, und somit ist Hilfe zur Selbstklärung, Hilfe zur Authentizität.
2. Kommunikationsklärung
Im zweiten Quadranten, ist der punktuelle Prozess nicht mehr auf den einzelnen gerichtet,
sondern auf die Beziehung, das System.
Frage: „Wie kann ich das, was ich für mich selbst klar habe, auch vermitteln?“
Viele haben Probleme, es so zu sagen, dass es ihn tatsächlich erreicht und dass er es nicht
in den falschen Hals bekommt. Es geht um die Förderung des Kontaktes und des
zwischenmenschlichen Dialoges.
3. Persönlichkeitsklärung
Im dritten Quadranten (Individuum/Struktur), geht es um die Aufhellung der Persönlichkeitsstruktur und der individuellen Eigenarten.
Die Frage: „Was bin ich für einer, wie bin ich zu dem geworden, welche persönlichen
Gesetze sind mir eigentümlich?“
Dies hat den kommunikativen Aspekt: Wissen, dass ich so einer bin und so und so
„funktioniere“. Das Wissen um die persönlichen Eigenarten, Bedürfnisse und Macken des
anderen, erleichtert dem Partner nicht alles auf sich zu beziehen und dann unter Umständen
verletzt zu sein, sondern die Verhaltensweisen die ihm widerfahren, auch als Ausdruck der
persönlichen Eigenarten des anderen zu begreifen.
Es geht um die regelhaft wiederkehrenden Muster einer gewordenen Persönlichkeit (Skript).
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Im Kontext der Berufswelt, liegt der Akzent statt auf der Persönlichkeitsklärung mehr auf der
Rollenklärung: Wie definiere ich meine Rolle, was sehe ich als meine Aufgabe an und was
nicht, und wie ist meine Art diese Rolle zu gestalten?
4. Systemklärung
Hier geht es um die Interaktionsstruktur, die sich im Laufe der Zeit eingespielt und zur
Regelhaftigkeit verfestigt hat.
Frage: „Was läuft bei uns ab?“– die Teufelskreise!. Solche negativen, regelhaft wiederkehrenden Interaktionsstrukturen sind herauszuarbeiten und in einer prägnanten Form zu
präsentieren. In diesem Quadranten sind die täglichen Abläufe gleichsam vom
„Feldherrnhügel“ aus zu betrachten.
Wir gehen davon aus, dass viele Überzeugungen, Werthaltungen und Alltagstheorien („ein
Mann weint nicht“) Leid erzeugend sind. Das heisst den Umgang mit sich selbst und anderen
Menschen erschweren.
Moderation
Moderation betrifft die Planung und Gestaltung des gesamten äusseren Rahmens.
Räumlich – zeitliche Vereinbarungen sowie alle vertraglichen Übereinkünfte. Es geht um
optimale Klarheit im Umgang miteinander. Dies geschieht durch Verträge und das Ziehen
von Grenzen.
Grobstruktur eines Gesprächsverlaufs
1. Phase - Kontakt und Situationsklärung
„Wie geht es Ihnen hier und jetzt, und was ist ausserdem noch wichtig? Wie kam diese
Sitzung zustande? Welche Bedenken sind da und wie kommt das? Und wie ist es jetzt,
trotzdem hier zu sein?“
In dieser Anfangsphase dreht es sich darum, alles Organisatorische, Administrative und
Geschäftsmässige zu regeln, sozusagen einen mündlichen Kontrakt herzustellen.
In dieser Phase muss alles ausgesprochen und geklärt werden, was als Gesprächsvoraussetzung wichtig ist. Die Situation wird erhellt und genau differenziert. Der Klient soll
als Auftraggeber seine Vorstellungen, Erwartungen und Befürchtungen zum Ausdruck
bringen können.
2. Phase - Thema herausfinden
„Was möchten Sie heute besprechen? Und was möchten Sie verändern? Um was geht es
Ihnen, was möchten Sie in dieser Sitzung? Wenn es nur nach Ihnen ginge, was würde hier
geschehen?“
Gesetztenfall es kommen mehrere Klienten auf einmal, dann kann – wenn sich diese nicht
auf ein Thema einigen können - gerade dies zum Thema gemacht werden.
Grundsatz: Das hier und jetzt, was sich also im Moment gerade abspielt, hat als Thema – vor
dem Abgemachten – Vorrang, vor allem, wenn es dessen Bearbeitung beeinflusst oder stört.
In dieser Phase ist dafür zu sorgen, dass jeder sein Anliegen für die Sitzung herausbringt.
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Eine Einigung über das Thema der Stunde ist herbeizuführen, und das gewählte Thema wird
zum roten Faden der Sitzung gemacht.
3. Phase - die Sichtweise jedes Einzelnen
„Können Sie mal genau erzählen, was es für Sie ist? Wie kam es dazu? Was hängt damit
zusammen? Können Sie mehr und konkreter darüber sprechen?“
Jetzt beginnt also die inhaltliche Klärungsarbeit. Ein konkretes Thema oder Problem wird
behandelt. Es geht um die Darstellung der subjektiven Sichtweise jedes Einzelnen, sollten
mehrere anwesend sein. Die Klienten haben sich nicht zu unterbrechen und müssen
zuhören, was der andere zu sagen hat. Wer sich verstanden fühlt, kann auch andere
verstehen.
4. Phase - gestalteter Dialog und Auseinandersetzung
„Was sagen Sie dazu, wie reagieren Sie darauf? Wie ist es für Sie, wenn Ihr Partner .........
wie er eben sagte? Fragen Sie Ihn mal, ob das für Ihn wirklich so ist, wie Sie es vermuten?“
In dieser Phase ist darauf zu achten, dass sich die Klienten gegenseitig mitteilen und
einander zuhören. Wir müssen unterbrechen, wenn Verständigung nicht gelingt und
Hilfstechniken zur Verbesserung der Kommunikation einsetzen.
5. Phase - Vertiefung, Prägnanz der Gefühle, oder sachliche Problemlösung
Je nach Kontext folgt nun eine Vertiefungsphase der Gefühle und ihrer Verstrickungen, oder
eher eine sachliche Problemlösungsphase. Im therapeutischen Kontext kommt oft irgendwann der Punkt, wo „mehr Reden“ nicht „mehr Verstehen und Klären“ zur Folge hat. Dann
gilt es von den Worten und vom Verstandesmässigen wegzukommen und das Ganze
gefühlsverdeutlichend zu erleben, damit es unauslöschbar „in die Seele geschrieben wird“.
Die Betonung liegt hier nicht auf dem Verändern und Missionieren, sondern auf dem
Akzeptieren der Gegebenheiten. Die Mittel dazu sind Zeichnungen, Bilder und Skulpturen.
In dieser Phase gilt der Grundsatz, ein Bild ist tausend Worte wert – und erreicht die Gefühle
besser.
Frage hierzu: „Wie möchten Sie es denn am liebsten haben? Wie wäre der ideale Zustand
für Sie? Wie müssten Sie sich selber ändern, damit er eher möglich ist?“
6. Phase – Verstandesmässiges Nachvollziehen und Einordnen von Vereinbarungen und
Hausaufgaben
Ziel ist es, dass die Klienten ihr egozentrisches Erleben mit dem Blick aufs Ganze ergänzen
können, und alle Betroffenen eine gemeinsame Theorie über ihre Schwierigkeiten
entwickeln. Diese Theorie sollte nicht einem die Schuld zuschieben, jemanden als krank
oder bösartig erscheinen lassen. Ziel ist, der Lösung des Problems näher zu kommen.
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7. Phase – die Situation abschliessen
Hier bekommt jeder die Gelegenheit zu sagen, wie das Gespräch für ihn war, wie er sich im
Augenblick fühlt, und mit welcher Stimmung er jetzt den Raum verlässt und was noch offen
ist. „Wie soll es weiter gehen, wer unternimmt als Nächster was?“
Generelles:
Da Klärungshilfe nicht zielorientiert oder lösungsorientiert, sondern prozessorientiert
angelegt ist, hat die Klarheit des Prozesses Vorrang.
Fragen:
„Was läuft jetzt eigentlich? Was machen wir hier genau? Was hat der Klärungshelfer mit uns
im Sinn?“
Widerstände haben Vorrang.
Solange jemand seinen Widerstand hat und zeigt, braucht er ihn noch zur Erhaltung seines
Gleichgewichtes. Der Widerstand verhindert und verdeckt nicht nur, sondern schützt auch
und gibt Sicherheit. Widerstände sind nur eine Form von Störungen, die in der Sitzung
vorrangig beachtet werden müssen. Eine Störung ist immer Träger einer unterdrückten
Wahrheit und Ausdruck der anderen Seite und kann zur momentanen Klarheit entscheidend
beitragen.
Dem Klärungshelfer muss wohl in seiner Haut sein, da er arbeitsfähig sein muss. Er kann
seine eigenen Störungen als wichtig und vorrangig beachten und alles in seiner Macht
stehende unternehmen, um sie zu beseitigen z.B.: „ Es geht mir zu rasch. Ich hänge noch
dem nach, was vor einer viertel Stunde war.“ Oder: „Etwas an unserer Sitzung stört mich. Ich
muss mich so anstrengen, dass ich Sie verstehen kann, weil ich Sie nicht gut sehe. Ich
möchte gern, dass wir das zuerst ändern.“
Der Klient ist immer noch der erste Fachmann seiner selbst. Nur er kennt sein Gebiet, auch
wenn er keinen Überblick hat, oder sein Blick getrübt ist. Der Klient kennt seinen Weg und
der Klärungshelfer wandert mit.
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Methoden der Moderation
Starten und Steuern
„Ich möchte jetzt, dass Sie zusammen 10 Minuten über dieses Thema reden. In dieser Zeit
werde ich mich zurückhalten und herauszufinden versuchen, wie Sie miteinander umgehen
und Ihnen hinterher sagen, was mir aufgefallen ist.“
„Da Sie über dieses Problem nicht gut reden können, gibt es jetzt mehrere Möglichkeiten:
Sie können es ohne Worte darzustellen versuchen, Sie können es malen, oder darstellen,
Sie können hinausgehen und sich alleine ein paar Notizen dazu machen, oder Sie können
das Ganze auf eine der nächsten Stunden verschieben, was ist Ihnen am liebsten?“
Unterbrechen
„Ich möchte Sie mal unterbrechen und Ihnen sagen, was ich bisher von Ihnen verstanden
habe, damit Sie überprüfen können, ob das bei mir richtig angekommen ist.“
„Ich möchte Sie unterbrechen. Die Themen jagen sich und zum Teil kommen wir vom
hundertste ins tausendste. Ich möchte mir grundsätzliche Gedanken zur jetzigen Situation
machen. Sie können dabei zuhören, ich denke laut: ...“.
Abschliessen
„Wie war es bis jetzt für Sie? Fühlten Sie sich verstanden oder alleingelassen? Konnten Sie
das ausdrücken, was Ihnen auf dem Herzen lag? Haben Sie noch Wünsche für die weitere
Behandlung dieses Themas?“
Der Klärungshelfer ist kein Richter, sondern Prozesshelfer. Er hört mit der folgenden
Einstellung zu: „ Er sieht es subjektiv so, oder hat sicher einen triftigen Grund dafür, es
anders zu sehen oder darzustellen, als er mir oder anderen erscheint.“
Wir müssen herausfinden, wie der Klient sich, die anderen und die Welt sieht – und es erst
so akzeptieren. Was sich logisch ausschliesst, schliesst sich häufig psychologisch ein. Wir
müssen gerade bei negativ bewerteten Seiten in der Persönlichkeit des Klienten besonders
unterstützend vorgehen, damit sie überhaupt benannt und damit auch behandelt werden
können: Süchte, Verleugnungen, Rachegelüste, Beleidigt sein, Verletzungen, Gier, Geiz und
ähnliches.
Solange das alles verurteilt wird und der Eigenzensur unterliegt, trägt es zur Spaltung der
Innenwelt bei, aus der heraus weiteres Unheil zu erwarten ist. In der Selbstklärung wird aber
die Integration angestrebt.
Der Klärungshelfer nimmt die Vorbehalte und den Widerstand seines Klienten sehr ernst.
Die Hindernisse in den Gesprächen sind ausdrücklich zu benennen, als gegeben zu
akzeptieren und die Gefühle dazu sind einander mitzuteilen.
Klarheit geht vor positivem Ergebnis.
In schwierigen Beziehungen kommt es vor, dass beide Partner meinen, den jeweils anderen
gut zu verstehen; dass sie sich aber nicht verstanden fühlen.
Den Partner auffordern, in einem Gespräch seinem Gegenüber zu sagen, was er bis jetzt
von ihm verstanden hat; wie es ihm geht; was in ihm vorgeht – innerlich.
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Bei dieser Übung zeigt sich sehr häufig, wie wenig Verständnis die Partner wirklich für
einander haben. Ohne es zu merken, beginnen sie bereits nach dem dritten Satz mit der
Begründung, Verteidigung und Rechtfertigung des eigenen Standpunktes. Diese Verständnis
– Überprüfung zeigt, dass sich die Klienten nicht wirklich zuhören.
Der Partner muss nur sagen, was er vom anderen verstanden hat, nicht womit er einverstanden ist. Wir hören mit dem „Selbstoffenbarungsohr“ und das empfindliche „Beziehungsohr“ ist vorübergehend ausgeschaltet.
Dies ist die schwierigste Stufe des Zuhörens, dem Partner wiederzugeben, was er an mir
aussetzt, wie er unter mir leidet und was er sonst noch negatives von mir denkt.
Statt verstecken - zugeben, dazu stehen. Statt abzustreiten und auf Vorwürfe ausweichend
zu antworten, lernen zuzuhören und zuzugeben, wenn etwas daran wahr ist.
Viele Partner wissen eine Menge übereinander, kennen sich aber nicht. Leicht bekämpft
sich’s beim Anderen, was ich selber an mir nicht wahrhaben will, darf oder kann:
Gier, Anhänglichkeit, Abhängigkeit, Bedürftigkeit, Selbstherrlichkeit, Geiz usw.
In uns Menschen sind vier Grundstrebungen:
Nähe – Distanz – Dauer - Wechsel
Nähe
Der Wunsch nach vertrautem Nahkontakt. Die Sehsucht lieben zu können und geliebt zu
werden. Das Bedürfnis nach zwischenmenschlichen, sozialen Interessen, Geborgenheit,
Zärtlichkeit, Bestätigung mit Harmonie, Selbstaufgabe.
Vorteil: Sie fühlen sich in den anderen ein, lesen ihm seine Wünsche von den Augen ab. Sie
sind fähig, bedingungslos zu lieben. Sind bescheiden, verzichtbereit, selbstlos und friedfertig.
Sie neigen dazu, andere Menschen zu idealisieren, deren Fehler zu verharmlosen und
Schwächen zu entschuldigen.
Nachteil: Die anderen werden überbewertet, da ohne jede Anwesenheit und Nähe das
eigene Überleben nicht mehr möglich scheint. Anhänglichkeit, Hilflosigkeit und Verlustangst
versuchen vor der gefürchteten Distanz zu anderen, dem Verlassen werden, der Einsamkeit zu schützen. Der Nähe-Mensch vermeidet Spannungen und geht unerlässlichen
Auseinandersetzungen aus dem Weg, will immer lieb sein und kann nicht Nein sagen.
Das sich – SELBER – FÜR – NICHT – WICHTIGNEHMEN kann über Unterordnung und
Anpassung zur Selbstaufgabe gesteigert werden.
Distanz
Abgrenzung von anderen Menschen, um ein eigenständiges und unverwechselbares
Individuum zu sein. Einmaligkeit, Freiheit und Unabhängigkeit, Autonomie.
Stärken: Sie können unabhängig und autark, auf niemanden angewiesen und niemandem
verpflichtet sein und mit sich allein zurechtkommen. Sie sind gut im Nein sagen. Sie können
sich in grossen Gruppen anonym unterordnen und stellen sich selber kaum in den
Mittelpunkt. Sie sind sehr sensibel und reagieren feinfühlig auf Unausgesprochenes.
Schwächen: Auf der anderen Seite haben Distanzmenschen Angst vor der Hingabe und vor
der Nähe zu anderen.
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Sie fürchten im Nahkontakt ihre Individualität und Unabhängigkeit zu verlieren. Damit es
nicht soweit kommt, sind sie kühl, distanziert, unpersönlich und abweisend. Sie sind richtige
Einzelgänger. Sie haben wenig Erfahrung mit anderen, was sie noch kontaktunsicherer
macht. Dies kann sich von Selbstbezogenheit über Misstrauen bis zu Verfolgungsängsten
und wahnhaften Einbildungen steigern. Im Extremfall neigt er zu Arroganz, Ironie, Zynismus.
Dauer
Verlässlichkeit, Ordnung, Planung, Vorsicht, Ziel gesetzt, Theorie, System, Kontrolle. Durch
Langfristigkeit Sicherheit erlangen, Verantwortung, Pflicht, Pünktlichkeit, Sparsamkeit,
Achtung und Treue.
Stärken: Sie sind verlässlich, man kann ihnen vertrauen. Sparsamkeit, Pünktlichkeit,
Bodenständigkeit sind ihre Eigenschaften. Sie können zielbewusst auf lange Sicht planen.
Sie halten gern an lieb gewonnen Gewohnheiten fest. Sie lieben die Ordnung und die
Sicherheit.
Nachteil: Allgemeine Angst, vor Veränderung und vor Unvorhergesehenem. Am liebsten ist
ihnen, wenn alles so bleibt wie es ist. Er sucht Konstanz und kämpft gegen Neuerungen.
Begegnet Unbekanntem mit Vorurteilen, neigt zum Konservatismus zur Prinzipienreiterei.
Damit niemand seine Vorstellung durcheinander bringt, will er andere beherrschen und ihnen
vorschreiben, was sie tun sollen.
Die Gefahr ist, dass er vor lauter Absicherungen und Planung nicht zum Leben kommt. In
Kleinigkeiten ist er pedantisch und schaut auf Zeit, Geld und Pflichten, und kämpft gegen
Freude, Genuss und Lust. Er predigt Selbstbeherrschung und Selbstzucht, Dressur,
Ordnung, Gesetz und Autorität.
Wechsel
Der Zauber des Neuen, der Reiz des Unbekannten, den Augenblick erleben. Das Bedürfnis
nach Spontanität und Leidenschaft.
Positiv: Sie bringen Farbe in den Alltag, reagieren spontan, sind begeisterungsfähig, können
auf andere Menschen zugehen, bereichern sich und reifen an Begegnung, sind unkonventionell, neigen zum Neuen, sind lebendig und lassen sich und andere leben.
In ihrer Umgebung ist es nie langweilig. Sie sind elastisch, und unbekümmert gehen sie an
schwierige Situationen heran. Sie sind kontaktfreudig.
Negativ: Sie haben Angst vor allem Dauerhaftigen, Endgültigem und Unausweichlichem. Sie
weichen Verträgen, Verpflichtungen, Verantwortungen und Spielregeln aus. Wenn es um
Konsequenzen geht, finden sie ein Hintertürchen zum Fliehen. Sie haben wenig IchKontinuität, sie sind launenhaft, unzufrieden und immer auf der Suche nach Bestätigung.
Welche der Tendenzen in uns auch immer betont ist, wir neigen dazu, unsere Eigenart zum
Massstab zu erheben, d.h. zum Nullpunkt zu machen, von welchem andere Menschen als
abweichend empfunden werden.
Die pathologischen Übersteigerungen sind bei der Nähe-Tendenz Depression, bei der
Distanz-Tendenz Schizoidie oder Schizophrenie oder Paranoia. Die Dauerhaftigkeit
übersteigert sich zur Zwanghaftigkeit, oder Zwangsneurose und die Wechsel-Tendenz
extremiert sich in Richtung Manie und Hysterie.
Die Gesellschaft betont die Werte aus dem schizoid-zwanghaften Gebiet also Dauer und
Distanz-Tendenz.
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Bedürfnisse und Tätigkeiten in Krisensituationen:
Nähe
Wärme suchen, klagen, klönen, sich verkriechen, sich anlehnen, sich ausweinen,
ankuscheln, verstanden werden.
Distanz
Alleine sein, durchdenken, mit sich ins Reine kommen, Selbsterforschung, von den Dingen
Abstand bekommen.
Dauer
Ordnen der Innen- und Aussenwelt, Tabellen und Schemen, Putzen, Abwaschen,
Staubsaugen.
Wechsel
Ablenken, Möbel umstellen, Tapetenwechsel, Reisen machen, neue Leute kennenlernen,
Szenen und Dramen werden inszeniert.
Das bisher Beschriebene ist als Persönlichkeitsmodell zu sehen, das wir nun zum
Beziehungsmodell ändern, da wir nicht nur auf den Einzelmenschen, sondern auf die
Beziehung reflektieren:
Was aktiviert bei Zweien, die miteinander eine Beziehung haben, der eine beim andern?
Was verkümmert? Was ist die Würze in der Begegnung, und was lässt den anderen
versauern?
Ein System ist als Ganzes zu verstehen, welches aus verschiedenen Teilen besteht und auf
diese zurückwirkt.
Das heisst für ein Paar,
- dass es aus zwei Einzelmenschen besteht, die verschieden sind
- dass beide in Beziehung zueinander stehen
- dass es zwischen Ihnen Regeln für die Gestaltung der Beziehung gibt
- dass die Beziehung ihre Rückwirkung auf jeden Beteiligten hat
- dass sich sowohl der Einzelne als auch die Partnerschaft ständig verändern und
- dass das Programm dieser Veränderung im System liegt
An diesem Modell hat jeder ein Heimatgebiet, einen aktuellen Standort und Entwicklungsmöglichkeiten durch Verschiebung seiner Grenzen. Dieses Heimatgebiet ist das Gebiet
seiner Möglichkeiten, geprägt von seinem bisherigen Verhalten in Normal- und Grenzsituationen.
Legt ein Mensch in seinen Beziehungen den Schwerpunkt stärker auf die „Nähe-Seite“, dann
ist vermutlich die innere Sehnsucht nach Autonomie und Unabhängigkeit mit der Angst
gekoppelt: „Wie werde ich das aushalten, wenn ich mich vom anderen entferne? Wird der
andere noch für mich da sein, wenn ich wieder zu ihm zurück möchte?“
Das Modell bildet die Beziehung ab nicht das Individuum!
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Bei der Partnerwahl fasziniert der Gegenpol. Er empfindet sofort die Andersartigkeit anderer
Menschen. Typischerweise reagiert er auf einen, der das Gegenteil in sich hat, mit positiver
und negativer Faszination zugleich. Er spürt, dass ein anderer Mensch etwas hat was ihm
fehlt. In Konfliktsituationen langfristiger Beziehungen jedoch kann sich diese Tendenz zum
Gegenteil, in eine schroffe Ablehnung, wandeln. „Was man einmal anfangs als reizend
empfand, das reizt jetzt bis aufs Blut!“
Im Partner begegnet man nicht nur einem anderen Menschen, der einen ergänzt, sondern
auch sich selbst; wobei dies gerade jener Teil des selbst ist, den man nicht wahrhaben
möchte und deshalb besonders bitter verfolgen und den anderen kritisieren kann.
Daher:
Lerne dich kennen, integriere deinen Schatten, lerne zwischen deinem Partner und deinem
Schatten zu unterscheiden, zwischen deinen Anteilen und denen, was er verändern kann.
Denn ein Vorwurf an den Partner ist oft ein Hinweis auf etwas, was man bei sich selbst
ablehnt, was nur ein „Schattendasein“ führen darf.
Besondere Aufregungen und Enttäuschungen im Kontakt mit anderen Menschen sollten eher
zu der Frage veranlassen:
Was ist mit mir jetzt los? Was hat mein Vorwurf an dem anderen mit mir zu tun, denn
jedermanns Schatten, also die unaktualisierten, im Dunkel liegenden Persönlichkeitskräfte –
meist abgespalten und bekämpft -, werden punktsymetrisch über den Mittelpunkt hinaus in
den Quadranten abgebildet, der dem Heimatgebiet gegenüber liegt und dort liegt
interessanterweise zumeist das Heimatgebiet des Partners!
Je mehr das Heimatgebiet am Nullpunkt liegt, desto mehr ist der Schatten integriert und
desto leichter fällt die Auseinandersetzung mit anderen Menschen. In einem Konflikt
entfernen sich die Paare diametral vom Nullpunkt des Fadenkreuzes in entgegengesetzter
Richtung weg. Je mehr der eine den anderen zu seinem Eigengebiet hinziehen will (damit er
endlich so ist, wie ich ihn haben will), desto mehr sträubt sich dieser und bewegt sich
fluchtartig vom anderen und vom Nullpunkt weg.
Dadurch wird der Partner nicht nur frustriert, sondern in seiner eigenen gegensätzlichen
Psychodynamik angeregt. Es entwickelt sich eine Beziehungseskalation: Keiner fühlt sich
vom anderen verstanden, eher abgelehnt, provoziert und bestraft. Die häufigste Reaktion
darauf ist nicht ein klärendes Gespräch, sondern „mehr desselben an Entfremdung, Rückzug
und sich abgelehnt fühlen“.
Hypothese:
Eine Kommunikation findet erst dann wieder statt, wenn sich die Partner weit genug vom
Nullpunkt entfernt haben und freiwillig wieder zurück kommen. Der Versuch, jemanden
zu hindern, sich zu entfernen, verstärkt das Bedürfnis danach. Dahinter steht der Grundsatz,
gute Beziehungen brauchen Freiheit und Freiwilligkeit. Das Bedürfnis nach Annäherung
entsteht spontan und nicht auf Drängen des anderen.
Bei einem Konflikt zwischen Nähe und Distanztendenz muss kurzfristig die Distanztendenz
gewinnen, damit langfristige Beziehungen überhaupt aufrecht erhalten werden. Es müssen
demnach die beiden Tendenzen kurzfristig gewinnen, die dem Quadranten diametral
entgegengesetzt sind.
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Der Grund für Teufelskreise in der zwischenmenschlichen Kommunikation ist, dass jeder, der
daran beteiligt ist, sich selbst nicht als „beteiligt“ oder gar „mitschuldig“ ansieht, sondern
allenfalls als „hineingezogen“ oder auf die „bösen“ Taten des anderen reagierend, als Opfer,
das schauen muss, mit einigermassen heilem Selbstwertgefühl davonzukommen.
Da die „Bösetäterschaft“ ja so „eindeutig“ beim anderen liegt, ist man berechtigt dagegen zu
Felde zu ziehen. Da dieses typische Gefühl im „Recht zu sein“ beide erfüllt, ist hier ein
Konflikt verschärfender Moment in den Teufelskreis eingebaut.
Der gesunde Menschenverstand trägt dazu bei, dass sich Teufelskreise verstärkt drehen,
weil die üblichen Hausmittel nichts nützen, sondern selbst ein Teil des Problems sind:
Gut zureden, Vorsätze fassen, sich zusammennehmen, sich Mühe geben, Hoffnung
schöpfen und Willensanstrengungen.
Während der akuten Phase des Teufelskreises (bei einem Ehepaar auch gewöhnlicher
Ehestreit genannt) sind die allseitigen Leiden so gross, dass jeder nur bei seinen eigenen
Verletzungen und Enttäuschungen ist und kein näherer Kontakt entsteht. Schmerz macht
egoistisch.
Ist diese akute Phase vorbei und konnte man sich versöhnen, so wird aus Angst vor neuem
Streit die alte Wunde nicht aufgerissen und nichts geklärt (es wächst Gras darüber), leider
summieren sich diese vergessenen Erlebnisse!
Der Blick aufs Ganze fehlt, und es verharrt jeder in seiner gefühlsmässigen Reiz-ReaktionsAutomatik, die noch durch die subjektive Lerngeschichte der Kindheit überreaktionsbereit
gemacht wird.
Dadurch, dass Ehepartner unterschiedliche Wesen sind und aus ihrem unterschiedlichen
Wesen heraus das gleiche Ziel (Ruhe und Harmonie) mit konträren Mitteln zu erreichen
versuchen, passiert es oft, dass er mit Vermeiden und sie mit Auseinandersetzen den
Konflikt lösen wollen, und das Entscheidende dabei ist allerdings, dass jedem das Mittel des
anderen ein Gräuel ist.
Das Heil liegt also weder in der Veränderung des Anderen (wenn er doch nur mal anders
reagieren würde, dann könnte ich auch ...), noch im SICH – MÜHE – GEBEN -, um sich in
die gewünschte Richtung zu verändern. Wenn dies etwas nützen würde, wäre der Teufelskreis gar nicht entstanden.
Interventionen, die sich auf das Teufelskreisgeschehen beziehen, können generell auch
Änderungen 1. Ordnung sein. Dies sind Änderungen auf der inhaltlich sachlichen Ebene, die
Ermutigung und Kraft mobilisieren, da sie oft Gewohnheiten aufweichen und damit ein fest
eingefahrenes System heilsam durcheinander bringen.
Es ist leider typisch für das Funktionieren eines Teufelskreises, dass die vermeintliche
Gegenmassnahme genau das bestärkt, was sie bekämpfen soll. Somit sind sehr oft
Paradoxinterventionen das, was zum Denken anregt, und was den Teufelskreis unterbricht.
Der Zuhörer ist verantwortlich, wie ein Gespräch sich entwickelt, denn der Sprechende ist
genug gedrängt, was und wie er sich ausdrücken will.
Dem Zuhörer sei daher das Motto gegeben:
Den anderen ernst nehmen statt wörtlich. Es muss Betroffenheit ausgehalten werden. Der
Anfang für dieses Gesprächs könnte z. B. lauten: „Also, erzähl mir doch mal, was für dich
damals so schlimm war.“
Es geht nicht nur um Tatsachen, was damals war – sondern auch um Gefühle und Empfindungen wie es für denjenigen war.
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Es ist wichtig, sich den alten Punkten zu stellen, statt ihnen auszuweichen, dadurch können
die Gesprächspartner erleben, dass all die Katastrophen, die sich beide ausmalen, nicht nur
nicht eintreten, sondern dass gerade das Gegenteil passiert.
Symptome von Teufelskreisen:
Es wird zunehmend schlimmer. Dazu gehören Ausdrücke wie „in der letzten Zeit fühle ich
mich immer schlechter, das ist in letzter Zeit immer schlimmer geworden...
Alles was vom Klienten bereits selber als Reaktion auf ein Verhalten von anderen Beteiligten
formuliert wird. Sätze wie „warum ich in Tränen ausbrach; je lauter er wird, je mehr
verkrieche ich mich.“
Alles was wie aus heiterem Himmel als Blitz einschlägt, deutet auf einen Teufelskreis hin von
dem die Vorboten nicht wahrgenommen werden.
Häufige Streitereien wegen Bagatellen.
Körperliche Symptome wie Zittern, Atemnot, Alkoholsucht, Bauch- und Brustschmerzen.
Wenn ein Klient von sich selber oder von einem anderen sagt, dass er allein schuldig sei
krankhaft veranlagt oder bösartig. Also wenn jemand auch für sich die Kollektivschuld nimmt!
Resignative Hinweise auf die Unterschiedlichkeit der Partner, und die Sinnlosigkeit von
irgendwelchen Bemühungen. In diesem Fall kann der Teufelskreis auch bereits geplatzt sein,
durch Trennung, Scheidung oder Suizid.
Überreaktionen, dass bei Gegebenheiten zu heftig, zu empfindlich reagiert wird.
Den Klienten fällt oft auf, dass sich gewisse unangenehme Begebenheiten wiederholen und
nach einem immer gleichen Schema ablaufen.
Auf einen „ bösen Anfang zurückgeführte Entwicklungen (die ganze Misere hat damals vor 5
Jahren angefangen als ...).
Depressionen, Schlaflosigkeit, Resignation, Unzufriedenheit, sexuelle Verweigerung,
verlieren des Lebensmutes sind Geschütze, die der Einzelne auffährt und die die
interaktionelle Verstrickung anzeigt.
Standart Teufelskreise:
Nähe - Distanz
Je mehr Kontakt der eine mit dem anderen haben will, umso mehr ist der andere auf
Abstand bedacht, was den einen klammern und dann wiederum den anderen die Flucht
antreten lässt.
Hilflos – fürsorglich
Je hilfloser sich der eine gibt, umso fürsorglicher wird der andere, was den einen mit der Zeit
noch hilfloser und abhängiger macht. Der Fürsorgliche muss mit der Zeit seinen Einsatz
verdoppeln und wird dadurch vorwurfsvoll, weil es ja immer noch nichts genützt hat –
dadurch wird der andere trotzig.
Kluge Gans – dummer Hahn
Der eine kann sich so grossartig fühlen, wie der andere ihn so schwärmerisch verehrt und
bewundert. Umgekehrt ist es genau diese Grandiosität des einen, die den anderen in die
bewundernde Haltung treibt.
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Dies kann umschlagen, wenn das „Genie“, von der Umschwär-mung des Verehrers
bedrängt, anfängt sich zurückzuziehen. Ihm wird nun Kälte und Rück-sichtslosigkeit
vorgeworfen, während er seinerseits Unterwürfigkeit und Abhängigkeit vorhält.
Eifersucht – Untreue
Das ist der Konflikt beider Partner zwischen Autonomiebestrebungen und Trennungsängsten. Je mehr der eine den anderen verfolgt und übertrieben bewacht (siehe Aussenbeziehung), desto mehr weicht der andere aus und betont seinen Freiheitswunsch.
Aktiv – Passiv
Der eine ist so passiv und gefügig, weil der andere so aktiv ist und alles an sich reisst, wobei
dies ja notwendig ist, weil der andere ja doch nichts tut...
Erklärungen von Klienten sind linear präsentiertes Material, das zirkulär verstanden werden
muss, d.h. immer zugleich als Reaktion und als ursächliche neue Aktion.
z. B.: Meine Frau ist nachtragend – mein Partner ist eher ein Typ der nicht zu viel Nähe
verträgt...
Bei diesen Aussagen ist zu hinterfragen:
„Wie mögen sich diese geschilderten Eigenschaften im Verhalten zeigen, worauf sind sie
eine Reaktion innerhalb der Beziehungsdynamik, und welche möglichen Gefühle mögen mit
diesen Verhaltensweisen verbunden sein?
Vielleicht auch: In welcher Situation müsste ich selber sein, innerlich und äusserlich, um von
anderen entsprechend beschrieben zu werden.
Die gegenseitige Bedingtheit wird in der Kreisform (Teufels- und Engelskreis) offensichtlich,
deshalb ist es auch sinnvoll diese Kreise aufzuzeichnen.
Die Schuldfrage mildert sich ab zu einem: Das ist mein Anteil und das ist dein Anteil.
Das nicht bewertende Gespräch, ist die Basis für das Verständnis für sich selber und für den
anderen, in dem geduldig einander zugehört und auf die vermeidbaren Störungen des
Beziehungslebens ehrlich eingegangen wird. Das zunehmende Erkennen und Verstehen
eigener Positionen, und der des Partners, kann dabei zur schmerzlichen Erfahrung werden, müssen häufig alte unerfüllbare Hoffnungen und Sehnsüchte begraben und reale Wesensunterschiede des Partners endgültig akzeptiert werden.
Die Dringlichkeit der Anliegen der Partner steigert sich oft im Laufe der Sitzung zur Sturheit
und beide Parteien wollen nur verstanden werden, aber den anderen nicht begreifen. Je
mehr Worte, je mehr grenzt sich jeder ab, bis zur völligen Unvereinbarkeit.
Hier helfen Worte nicht mehr sondern Standbilder / Skulpturen / Aufstellungen – weg von der
rechten zur linken Gehirnhälfte.
Der Coach erzeugt keinerlei Veränderungsdruck. Es geht darum, zu klären was ist und nicht
gute Vorsätze zu planen was alles sein sollte.
In persönlichen Belangen können Veränderungen nur von dem durchgeführt werden, den sie
betreffen, und sie müssen von ihm selber initiiert werden. Urheberschaft und Freiwilligkeit
müssen beim Betroffenen sein.
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Das ist nun eine paradoxe Situation für den Coach, der durch seinen Beruf Veränderungen
verspricht und daher paradoxerweise eigentlich Veränderungsverbot bieten muss, um
Veränderung zu ermöglichen.
D. h., wenn ein Klient den Teufelskreis erkennt und sagt: „Sehr gut damit hören wir sofort
auf“, kann es hilfreich sein, dass dies vom Coach nicht unterstützt wird, zum Teil sogar
bekämpft wird – siehe Gondeln in einem Riesenrad, das sich mit schneller Geschwindigkeit
dreht.
Ein Hinweis ist dann von entscheidender Bedeutung, der lautet: „Machen Sie es aktiv und
bewusst – lassen sie ihren Teufelskreis bewusst weiterdrehen“ – dies ist somit eine
Antiveränderungsstrategie als Lösung 2. Ordnung.
Der Coach ist Anwalt des Bestehenden. Letztlich ist es die Bewusstheit der am Teufelskreis
Beteiligten, die den Teufelskreis durchbricht.
Wenn die Klienten weiterhin dasselbe tun, aber nun bewusst und sogar noch im Auftrag des
Coaches dann ist es nicht mehr dasselbe, dann hat es sich schon verändert und vielleicht
wird es auch „Befehlen unmöglich“.
Lösungen 1. Ordnung entsprechen dem normalen Alltagsverstand und beruhen auf einer
Kraft, die gegen eine Schwierigkeit gerichtet wird und sie zum Verschwinden bringen soll.
Dies ist also ein direkter Ansatz mit direkten Hinweisen und Anweisungen, ganz pragmatisch, ganz einfach zu verstehen.
Lösungen 2. Ordnung bekämpfen nicht das Problem sondern heissen es willkommen.
Ein stabiler Engelskreis ist nur auf der Grundlage des Akzeptierens, sowohl der eigenen
Grenzen und Möglichkeiten, als auch derjenigen des Partners möglich. Das fängt paradoxerweise mit dem Wahrnehmen und Akzeptieren eines bestehenden Teufelskreises an.
Es lohnt sich über Aspekte in der Beziehung zu reden, die unerfreulich, peinlich belastend
und störend scheinen und die man gerne unter den Teppich kehrt und oft auch vor sich
selbst nicht wahrhaben will, denn: Jeder ist nicht nur Opfer, sondern Urheber. Den eigenen
Anteil erkunden ist hilfreich.
Versuche dich ganz zu akzeptieren und zu ergründen wie du bist, statt dir Mühe zu geben
ein anderer zu werden. Versuche die Spaltung zwischen den akzeptablen und den verwerflichen Anteilen deiner Person zu überwinden. Lebe deine Gefühle. Sie sind da und verlangen
danach leben zu dürfen.
Man kann den anderen nicht ändern – nur sich selbst. Der andere ist anders und er wird es
immer bleiben. Annäherung ergibt sich aus dem Akzeptieren dieser Grundlage.
Sag klar was du möchtest, dein Wunsch sei dem anderen Information, nicht Befehl.
Es reicht nicht, wenn man den anderen versteht; man muss ihm auch zeigen, was genau
man verstanden hat.
Es ist o.k. Schwächen zu haben und sie zu zeigen, und dafür Hilfe zu benötigen. Jeder
Beteiligte ist nicht nur Opfer, sondern auch Täter. Wenn dir jemand etwas Böses antut,
erkunde auch mal was du dazu tust, dass dir solches passiert. Trotzdem kannst du wütend,
empört, verletzt und enttäuscht sein.
Harmonie, Treue, Vertrauen ist Beziehungsarbeit! Nimm sie mindestens so ernst wie deine
berufliche Arbeit.
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KLÄRUNGSHILFE – CLEARING
Thomann
Einsamkeit aushalten. Als KH bist zu allein und isoliert. Je weniger Angst vor Einsamkeit da
ist, desto unabhängiger ist man.
Phase 0 - AUFTRAGSKLÄRUNG
Um was geht’s? Was wurde bisher unternommen? Warum jetzt? Was ist das schlimmste
Ergebnis? Was darf auf keinen Fall passieren? Was machen Sie wenn KH nicht greift?
Warum machen Sie das nicht schon jetzt? Welches sind Ihre eigenen Fehler? Gibt es eigene
Beteiligungen, dass es so gekommen ist wie es ist? Gibt’s Vorwürfe von aussen? Von
Innen? Welche Vorwürfe machen Sie sich selbst?
Organigramm mit Namen und Funktionen geben lassen.
„Sind Sie sich im Klaren darüber, dass es Situationen gibt, in denen Sie unter Umständen
einstecken, sicher aber anhören müssen, wie andere Ihr Verhalten empfinden?“
Es müssen alle anwesend sein.
Der Ablauf erfolgt in drei Teilen:
Vergangenheitsorientiert
Zurückschauen auf alte Verletzungen. Was wirkt sich auf jetzt aus? Was lief schief in
Führung, Beziehung, Ziel, Zeit, Druck und Stress? Ziel ist, verstehen und verstanden werden
jedes einzelnen.
Gegenwartsorientiert
Klärung der Zusammenarbeit. Wie wirke ich auf andere (gleich Feedback)? "Wer ist
überhaupt noch bereit mit mir als Führungskraft weiter zumachen?"
Zukunftsorientiert
Planung, Konzepte, Verträge, klein, klar, fassbar, kontrollierbar. Der Klärungshelfer ist der
Chef des Prozesses. Die Führungskraft ist der Chef der Abteilung und er kann den
Auftrag zurückziehen.
Phase 1 – ANFANG (1 Stunde bei 15 Teilnehmern)
Wie kommt es, dass ausgerechnet ich, mit ausgerechnet Ihnen, ausgerechnet jetzt, zu
ausgerechnet diesem Thema zusammenkomme? Was ging dem Treffen voraus?
Was hat mich bewogen diesen Auftrag anzunehmen?
Wer bin ich – was mache ich – was machen wir hier?
Organisatorisches
Ich bin weder Schiedsrichter noch Scharfrichter. Ich beurteile nicht, ich spreche nicht Recht.
Ich vermittel. Ich bin allparteilich und ich muss Sie alle verstehen.
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Die Führungskraft begrüsst mit den Informationen: Warum wir? Wie ist es so gekommen?
Ziel? Persönliche Motivation Leidensdruck und er übergibt das Zepter an den Clearer.
Clearer: Eigene Vorstellung der Person, des beruflichen Kontextes und was der Job hier ist.
Was weiss ich schon aus Vorgesprächen?
An alle:
Bitte nennen Sie Ihren Namen und Ihre Funktion und mit welchen Gefühlen und mit welcher
Einstellung sind Sie hier? Schauen Sie auf heute und das Ziel der Zusammenkunft.
Wichtig für den Clearer: Fühle ich mich wohl? Achte ich auf mich? Was passt nicht?
Es gibt einen Unterschied zwischen privatem und persönlichem Aspekt bei Einwänden:
Der Private befasst sich mit privaten Dingen. Der persönliche Aspekt sind jedoch
Einstellungen und Gefühle zur Arbeit und Zusammenarbeit.
wie fühlen Sie sich im Team? Wie fühlen Sie sich? Wie fühlen Sie sich bei Konflikten?
Der heikle Part des Clearers ist dann
DIE WAHRHEIT DER SITUATION aufzudecken.
Es wir alles offensiv dargestellt:
1. Wie kams zu der Situation?
2. Die Beteiligten, Ihre Rollen und Beziehungen zueinander.
3. Das Thema mit Aufschlüsselung in Unterthemen und deren
Verknüpfungen.
4. Ziele – mit möglichen Widersprüchen und Beeinflussungen.
Daraus folgen Konsequenzen in organisatorischer, fachlicher und zwischenmenschlicher
Richtung. Kommen Vorwürfe oder Beschwerden: Was bewegt Sie daran? Was hat das mit
Ihnen zu tun? Was ist der Wunsch hinter dem Vorwurf?
Phase 2 – SELBSTKLÄRUNG
Sie sehen alle das vereinbarte Konfliktthema. Aktiv zuhören – zusammenfassen und
Gefühlsebene mit einbeziehen. Konkretisieren und erneut zusammenfassen.
Der Clearer muss alles und alle verstehen!!!
Bild malen: Meine Sicht der Dinge der Entwicklungen, Verletzungen der Knackpunkte in der
Kommunikation und Zusammenarbeit. Vorstellen der Bilder von unten nach oben - zuerst die
jungen dann die alten
Thema „Klar und eindeutig“: Es wird immer viele Themen geben, wobei eine Einigung
erzielt werden muss, welche Themen und die Reihenfolge der Themen festgesetzt wird.
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Phase 3 – DIALOG DER WAHRHEIT
Keine Lösung suchen – Lösungslosigkeit aushalten.
Ziel:
Klarheit der Gefühle und Beziehungen. Klarheit über wie, wieso, warum. Es geht nicht um
Harmoniefindung oder Lösungsfindung. Es geht um die tatsächliche Situation.
Möglichkeiten der Gesprächsführung:
A. Fish-Bowl (A und B redet mit Clearer im Kreis. Der Kreis schweigt.)
B. Alle sitzen in einem Kreis und alle sind beteiligt.
Geht es viel um eine einzelne bestimmte Person kann sich der Clearer neben diese Person
setzen: „Es kommt jetzt viel auf Sie zu, Unangenehmes, das Sie sich anhören müssen, weil
es sowieso da ist. Ich setze mich mal neben Sie, um Sie zu unterstützen.
Keine Ausreden, Rechtfertigungen oder Verteidigung der Person aufkommen lassen.
Die Person muss sich alles anhören womit Sie in den Augen der anderen in Verbindung
gebracht wird.
Bei sehr starken Attacken der Mitarbeiter Pause anberaumen und den angegriffenen
Zweiergespräch ansprechen wie er weitermachen kann. Explosionen, Wutausbrüche,
Beleidigungen, Beschimpfungen zulassen, da Sie jetzt erst richtig rauskommen und nicht im
Untergrund bleiben und weiter schwelen.
Wenn ein Gesprächsteilnehmer nicht mehr weiter reden will, ihm diese Freiheit lassen und
fragen, ob wenigstens der andere weitermachen darf.
Das erste Klärungsgespräch dauert 1 bis 1,5 Stunden, das zweite ¾ - 1 Stunde und das
dritte ½ bis ¾ Stunde.
Es kommen dann Fragen wie:
Was denkt er jetzt von mir? Hab ich noch eine Chance? Akzeptiert jeder von Euch mich als
Chef? Wie können wir nun gemeinsam den Karren aus dem Dreck ziehen? Es gibt
Feedback-Runden, die dann sehr konstruktiv werden.
Der Dialog der Wahrheit ist ein verlangsamter und vertiefter Streitdialog. Der Clearer muss
ständig doppeln und zusammenfassen, damit es kein Schlagabtausch wird. Er muss
entschleunigen.
Keine Wünsche und Appelle doppeln! Sondern den dahinter liegenden Ausdruck erkennen:
Enttäuschung, Verärgerung, Bedürftigkeit, Abhängigkeit, Empfindlichkeit, Empfindsamkeit
und Trauer werden oft hinter Appellen versteckt. „Was wünschen Sie sich voneinander“?
Diese Frage leitet über in:
Phase 4 – ERKLÄRUNGEN UND LÖSUNGEN
Die Vernunft wird mit den Gefühlen in Einklang gebracht - für konkrete Lösungen.
Die emotionalen Aufwühlungen werden beruhigt durch Erklärungen und den Blick von
aussen.
Die Beruhigung ist die Basis für das Akzeptieren des Soseins, dessen was ist. Dann erst
werden inhaltliche Lösungen gesucht.
Das Ende der Dialogphase ist unterschiedlich. Zum einen abgeschlossen oder unklar oder
eben gut oder schlecht.
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Der Abschluss bildet eine Sicht in „metakommunikativer Sprache“ des Clearers:
„Ich möchte Ihnen einmal sagen wie ich das von aussen sehe“.
Quasi einen Blick vom Tummelfeld der entfesselten Gefühle auf das Schlachtfelds des
Konflikts. Die Sicht des Gesamtbildes und die Deutung.
Hier geht es zur Erklärung verschiedene Modelle darzustellen wie Teufelskreise,
systemischer Blickwinkel...
Im zweiten Teil der Abschlussphase geht es um den Transfer. Der Blick wird auf das
Konkrete und Alltägliche, auf Arbeitsabläufe und organisatorische Massnahmen gerichtet. Es
gibt Verträge und Hausaufgaben.
Als Clearer ist es unsere Aufgabe nun Spielverderber zu spielen. Es muss die allzu grosse
Hoffnung und die Veränderungswünsche gedämpft werden, um praktisch mit einer kühlen
Realitätsdusche zu überprüfen, ob das Geplante dem Stress im Alltag Stand hält.
Dies kann in Kleingruppen geschehen, nachdem entsprechende Themen
zusammengetragen worden sind, wie diese dann realisiert werden können.
Phase 5 – ABSCHLUSS
Es gibt eine Metakommunikation über die Klärung. Es geht um gegenseitiges Feedback
auch dem Clearer gegenüber. „In der Abschlussrunde, die wir jetzt gleich machen, möge
sich jeder und jede dazu äussern, was es zu dieser Klärungmassnahme noch zu sagen gibt.
Was würden Sie mir in mein Stammbuch schreiben? Was habe ich zu lernen, und wo habe
ich Sie nicht verstanden oder gar verletzt und war ich nicht neutral? Was gibt es dem Andern
oder dem Chef noch zu sagen und welche Reste sind noch da?
Schluss:
„Und machen Sie sich keine Illusionen. Der eine Meter Fortschritt in der Kommunikation und
Zusammenarbeit wird im Alltag wieder schrumpfen, vielleicht bis auf einen Millimeter.
Der bleibt dann aber und Sie haben erlebt und wissen, dass man sich in Krisenzeiten, bei
Missverständnissen und Konflikten wieder finden kann. Das ist das Wesentliche. Das haben
Sie hier mit dem Komfort einer externen Hilfe erreicht. Sie können das aber auch selbst
bewirken. Jeder muss sich dann allerdings selber doppeln, d. h. sich vollständig ausdrücken,
nicht nur die sachlich - fachliche Seite nennen.
Rückschläge wird es garantiert geben.
Phase 6 – NACHSORGE
Ein weiteres Treffen für einen Tag als Follow-Up.
Das Treffen beginnt mit einer Runde in der jeder sagt wie es ihm jetzt gerade geht, wie die
Zwischenzeit für ihn war, welche Punkte neu besprochen, revidiert, geändert werden
müssen, was nicht funktioniert hat und was schlechter geworden ist.