onkel theo - Durchblick

I
n meiner Erinnerung sehe ich ihn vor mir. Einen liebenswerten älteren Herrn mit wachem Geist und gütigem
Gesichtsausdruck. Onkel Theo sitzt in meiner Erinnerung an seinem Schreibtisch. Vor sich ein halb beschriebenes Blatt Papier, rechts kräuselt sich der weiße Rauch
einer vor sich hin glimmenden Zigarre, nebenan ein Glas
Burgunder und er ist umgeben von Stille. Vor einem halben
Jahrhundert lernte ich ihn kennen. Nicht persönlich! Es war
und blieb eine platonische Liebe. Mit ihm wanderte ich
durch meine Heimat. Ohne ihn hätte ich sie wahrscheinlich
gar nicht so anschaulich lebendig und liebenswert schätzen
gelernt. Er half mir geschichtliche Dinge zu verstehen und
oft genug stärkte er auch mein Selbstvertrauen. Denn Onkel
Theo hinterließ einen großen Schatz.
Sein Leben verlief nicht gradlinig, es erfuhr die allgemeinen Sonnen- und Schattenseiten, kannte Geldnöte und
erst im reifen Alter wurde sein Schaffen von Erfolg gekrönt.
Ich nehme an, er galt als ein sehr verständnisvoller Mann.
Er war ein großartiger Beobachter historischer Ereignisse,
ebenso menschlicher Tragödien und Leidenschaften, er erkannte die Romantik und Realität und berichtete im unterhaltsamen, gebildeten Plauderton. Wenn ich an Onkel Theo
denke, fällt mir spontan die unendliche Weite des Himmels
ein, wie er sie in seinen Wanderungen beschrieb. Die Weite
der Landschaft, die ich in meiner Heimat erlebte. Es sei das
Allumfassende um und über uns, das uns wie eine Begrenzung umgibt, las ich bei ihm. Hier im Siegerland vermisse
ich die Weite des Himmels, die von Hügeln und Bergen
eingeengt wirkt. Hier hatte ich auch keinen familiären Onkel, die Verwandtschaft lebte weit entfernt.
Onkel Theo wurde eine Trostfigur, er war immer greifbar. Er reiste auch viel, berichtete vom Heimweh, das
ihn, damals in England als Korrespondent lebend, überkam. Dieses Heimweh habe er in seinen Wanderungen
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als Grundton klingend eingefügt. Seine Urururgroßeltern
stammten aus Frankreich, einer Hugenottenfamilie, ich
als Kind aus dem deutschen Osten. In der Biografie seiner
Kinderjahre schreibt er: Ein Freund, noch dazu Schulrat
pflegte seinen Bekannten zu raten, Aufzeichnungen der
ersten Jahre ihrer Kinder zu machen, in diesen ersten Lebensjahren stecke der ganze Mensch. Darin liegt wohl
Wahres. Denn: Was ich aus jener ersten Lebenszeit behielt, war und blieb bis heute.
Wahrscheinlich war es oft auch Heimweh, dass ich mich
so intensiv mit Onkel Theo befasste – durch ihn blieb Vertrautes erhalten. Meine väterlichen Großeltern wohnten in
Alt-Ruppin. Wahrscheinlich liegt der Ursprung der Zuneigung zu jenem freundschaftlich-verehrten Onkel auch in
der Figur meines Opas August. Beide Herren sahen sich
im Alter enorm ähnlich. Onkel Theo, wie er liebevoll von
mir genannt wird, wäre vielleicht mit dieser „familiären“
Schwärmerei nicht einverstanden gewesen, „Theo“ nannte
ihn jedenfalls zu seinen Lebzeiten wohl kaum jemand.
Theodor Fontane, der am 27. März 1819 in Neu-Ruppin
geboren ist, ist der Dichter von dem ich berichte. Er war
bei uns im Hause allgegenwärtig – schon weil er uns mit
den Birnen des Herrn von Ribbeck ein heimatbewusstes
Selbstvertrauen gab. Eine unendliche Fülle geschichtlichen
Materials hatte er zusammen getragen. Was sich alles in und
um diese Grafschaft Ruppin ereignete und abspielte erfuhr
ich von ihm. Auch von Rheinsberg, dem beliebten Domizil des jungen Alten Fritz! Die einstige Trockenlegung des
Rhin- und Dossebruchs, der Odergebiete und deren Besiedelung in neugeschaffenen Kolonien mit verschiedenen
Handwerksstrukturen thematisierte er. Schrieb über das
Havelland, meiner eigentlichen Heimat.
Die alten Namen der vielfältigen Geschlechter, historische Berichte von Schlachten, die als Raubritter
durchblick 1/2016
Foto: Barbara Fortun
o nKel t heo
geltenden Quitzows hielt er fest und portraitierte die
Menschen, die hier lebten und aus dieser Landschaft hervorkamen. Es sind immer wieder herrliche Erzählungen,
mit Personen wie dem Bildhauer Schadow, dem Baumeister Schinkel, den beiden Brüdern Humboldt, die Kattes
und die Zietens.
Unterm Birnbaum im Oderbruch geschah eine
schändliche Tat, ein Mord, ein „Tatort“ früherer Zeit!
Er ließ den alten Major Dubslav von Stechlin, im Ort
Stechlin am Stechlinsee in der dreiteiligen Fernsehserie
„Der Stechlin“ aufleben. In dem eigenartigen Schauspiel
eines zuweilen lebenden Sees heißt es: „Dann brodelts
hier nicht bloß und sprudelt und strudelt, dann steigt statt
des Wasserstrahls ein roter Hahn auf und kräht laut in
die Lande hinein“. Arno Assmann verkörperte im Film
trefflich die Figur des alten Stechlin.
Im Oderbruch spielte sich auch das Leben des Bernd
von Vitzewitz ab, der zum Volkssturm rief, um sich den
geschwächten napoleonischen Truppen nach deren verlorenem Russlandfeldzug entgegen zu stellen. In der Rolle
des Vitzewitz brillierte Karl-Heinz Vosgerau im FernsehSechsteiler „Vor dem Sturm“. Da sind die Frauenrollen
der Effie Briest, Jenny Treibel, Cécile, Mathilde Möhring,
Grete Minde, die einen Einblick in private und wirtschaftliche Formen einer vergangenen Epoche geben. Vor allem
sie erzählen vom Leben einer Gesellschaft mit ihren
scheinheiligen Moralvorstellungen. Heute würde es wohl
kaum jemanden interessieren was seinerzeit eine gesellschaftliche Missachtung zur Folge hatte. Fontane betitelte
es in einem seiner Romane mit „Irrungen und Wirrungen“.
Sein Lebenswerk ist ein festgehaltenes Zeugnis jener Zeit, in dem gesellschaftliche Gepflogenheiten, modischer Geschmack, das Bildungsbürgertum, Aufstieg
und Fall von Spekulanten in der Gründerzeit, aber auch
kleinbürgerliches Verhalten beschrieben sind. Als ein
Denkmal der Vergangenheit gelten auch seine Berichte
über die Armut der Bevölkerung in schweren Notzeiten.
Onkel Theo erzählt hiervon mit dem Feingefühl seiner
Worte. Dabei kommen auch immer wieder lange ausführliche Nebensächlichkeiten ins Spiel, die die Charaktere
seiner Figuren zusätzlich beschreiben und scheinbar so
ganz nebenbei, als würde es um die Analyse eines Psychologen gehen.
1/2016 durchblick
Onkel Theo ist immer noch
aktuell und für mich nach wie
vor lebendig. Das Buch „Preußen“ von Christopher Clark beginnt mit einer erfrischenden Erinnerung an Fontane. Im Prolog
schreibt er:
„In einem wunderbaren Aufsatz von 1894 erinnert sich der
gefeierte preußische Schriftsteller Theodor Fontane, zu diesem
Zeitpunkt bereits ein alter Mann,
an sein literarisches Erstlingswerk. Die Erinnerung führte
ihn sechs Jahrzehnte zurück in Theodor Fontane 1819
das Jahr 1834. Damals war er in Neu-Ruppin geboren
ein 14-jähriger Junge gewesen,
der bei seinem Onkel in Berlin wohnte. Er war an einem
warmen Sonntagnachmittag im August. Fontane beschloss,
seine Hausaufgaben, einen Deutschaufsatz ‚nach selbstgewähltem Thema‘ zu verschieben und Freunde der Familie
in Löwenbruch zu besuchen, einem Dorf, das etwa fünf Kilometer südlich von Berlin lag. Um drei Uhr nachmittags
hatte er das Hallische Tor an der Stadtgrenze erreicht. Von
dort führte ihn die Straße südwärts über die weite Ebene
von Teltow und durch Kreuzberg und Tempelhof nach Großbeeren. Bei den ersten Häusern von Großbeeren setzte sich
Fontane unter eine Pappel, um sich ein wenig auszuruhen.
Es ging auf den Abend zu, und über den frisch gepflügten
Feldern hingen Wolkenfetzen. Etwas weiter die Straße entlang konnte er auf einer Anhöhe den Friedhof von Großbeeren und den Kirchturm des Dorfes erkennen, der in der
Abendsonne leuchtete
Wie er so dasaß und die friedvolle Szene betrachtete,
musste Fontane an die Geschehnisse denken, die sich an
eben diesem Ort vor ziemlich genau zwanzig Jahren zugetragen hatten, auf dem Höhepunkt der Napoleonischen
Kriege. Hier in Großbeeren hatte General Bülow die französischen und sächsischen Truppen unter General Oudinot
angegriffen. Die Preußen, zumeist Männer der Landwehr
hatten verhindert, dass der Feind in Berlin einfallen konnte, und mit diesem Sieg über die entscheidende Wende im
Feldzug des Sommers von 1813 gesorgt. Fontane
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Foto: wikipedia.de
wusste aus dem Schulunterricht nur vage
über diese Schlacht
Bescheid, aber woran er sich erinnerte
reichte aus, um die
Landschaft vor seinen
Augen mit bewegten
„Tableau vivants"“
(lebende Bilder) aus
der Vergangenheit
zu beleben. Obwohl
vom Kommandierendem Offizier dazu
gedrängt, hatte sich
Christoffer Clark
Bülow
geweigert,
hinter die Hauptstadt zurückzuweichen und dort den französischen Vorstoß abzuwarten. ‚Er würde vorziehen, die
Gebeine seiner Landwehrmänner vor als hinter Berlin bleichen zu sehen‘. Zur Rechten Fontanes drehte sich auf einem
kleinen Hügel eine Windmühle. Dort hatte der Prinz von
Hessen-Homburg, wie sein Ahnherr bei Fehrbellin, mit einigen Bataillonen von Landwehrmännern die französischen
Stellungen angegriffen. Noch lebendiger stand Fontane
eine Geschichte vor Augen, die ihm seine Mutter seit frü-
hester Kindheit immer wieder erzählt hatte, ein „kleiner
Vorgang“, der in die Familiengeschichte eingegangen war.
Emilie Fontane, geborene Labry, stammte aus der Berliner
Kolonie französischsprachiger Hugenotten. Am 24. August
1813, im Alter von 13 Jahren war sie, wie viele Mädchen
und Frauen vor die Stadt gezogen, um sich um die Verwundeten zu kümmern, die am Tage nach der Schlacht immer
noch auf dem Felde lagen. Per Zufall war der erste Mann,
den sie sah, ein tödlich verwundeter Franzose, dem ‚kaum
noch ein Atemzug in der Brust‘ blieb. Als er hörte, dass ihn
jemand in seiner Muttersprache anredete, richtete er sich
‚wie verklärt‘ auf und umfasste mit einer Hand den Becher
Wein und mit der anderen ihr Handgelenk. Doch bevor er
den Wein kosten konnte, war er tot. Als er sich in jener
Nacht in Löwenbruch schlafen legte, da wusste Fontane,
dass er sein Thema gefunden hatte. Er würde einen Schulaufsatz über die Schlacht von Großbeeren schreiben.“
Christopher Clark vervollständigte mit seinen Worten
das Bild von Theodor Fontane und seiner wunderschönen
Art des Erzählens.
Liebevoll bleibt er für mich Onkel Theo mit meinen Erinnerungen an gepflügte Felder, an kleine Dörfer mit weit
sichtbaren Kirchtürmen, an alte Gräber auf den Kirchhöfen
und die endlose Weite des Himmels.
Eva-Maria Herrmann
Der Kommentar
A
db-Foto
ls ich noch viel, viel jünger war als heute, erhielt ich
die Aufforderung, ein Damen-Fußballteam als Trainer zu übernehmen. Die Sache schien verlockend.
Anderthalb Dutzend Mädels und ich der Chef! Beim Training
auf dem Platz ließ es sich auch gut an. Doch vor dem ersten
Spiel gab es Probleme mit der Sprachregelung. „Ute ist die
Torfrau“, sagte ich und alle nickten. Erstes Gekicher kam auf
bei der Anweisung, dass Rita die letzte Frau sein solle. Als
ich danach bestimmte, dass Sabine als Fraudeckerin die beste
Spielerin der gegnerischen Elf außer Gefecht zu setzen hatte,
kannte das Gelächter keine Grenzen mehr. Ich war meiner
Zeit offenbar voraus, denn später erfuhr ich, dass mein Vorgänger die Positionen - wie bei einer Mannschaft gebräuchlich - als „letzter Mann“
und „Manndeckerin“
bezeichnet hatte. Ohne
Gelächter und ohne Widerspruch! So oder so –
ich hatte es vergeigt und
meine Autorität in der
Frauschaft war völlig
hinüber. Diesen Posten
habe ich dann auch rasch
aufgegeben.
An ihn erinnert wurde ich vor einiger Zeit als
das Siegener Studentenwerk umbenannt werden
Heute von Ulli Weber
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sollte. Über einen Punkt herrscht sicherlich auch unter unserer
Leserschaft Einigkeit: Benachteiligungen aufgrund des Geschlechts gehören abgebaut! Da sind sich viele einig. Schlechtere Löhne für Frauen, miesere Karriereaussichten und Aufstiegschancen, nicht zuletzt an vielen Stellen eine tatsächlich
vorhandene Ungleichbehandlung: Gegen all das lohnt es sich
zu kämpfen! Ob es sich allerdings lohnt, auch auf sprachlicher
Basis bis zur letzten Konsequenz für eine Gerechtigkeit zu
streiten, das stelle ich inzwischen doch sehr in Frage.
Wie jüngst zu lesen war, hat sich trotz der erheblichen
Kosten und trotz aller sonstigen Widerstände das Studentenwerk quasi zähneknirschend dem ministerialen Druck aus
Düsseldorf gebeugt und nennt sich inzwischen „Studierendenwerk“. Leider zog der Siegener Einzelhandel nicht mit
und bietet nach wie vor nur Studentenfutter an. Wie mies
müssen sich die von dessen Genuss ausgeschlossenen Studentinnen fühlen?! Meine liebe Schwänin! Feministinnen
können über Scherze dieser Art freilich nicht schmunzeln.
Wenn es ihnen nach ginge, dann müssten künftig die Zufußgehenden wegen eines roten Ampelweibchens vor der
Zufußgehendenampel innehalten. Falls es jedoch soweit
kommt, dann sehe ich aber schwarz für die Christinnenheit.
Vorhin habe ich am Fernseher verfolgt, wie eine deutsche Tennisspielerin nach dem Sieg bei den „Australian
Open“ gemäß den Aussagen des Reporters „von ihren
Tränen übermannt“ wurde. Hallo?! Eine Spielerin und
übermannt?! Dieser Berichterstattende muss fraglos auch
noch üben.
Ulli Weber
durchblick 1/2016
Stadtreinigung
Universitätsstadt Siegen
D
ie Stadtreinigung ist
neben der allgemeinen Sauberkeit zuständig für die Müllabfuhr,
die Abfallberatung die
Straßenreinigung
und
den
Schneeräumdienst.
Indirekt organisiert sie die
Entsorgung von Altpapier,
Altglas und Wertstoffen
(gelber Sack).
Den
Großteil
der
Müllabfuhr führt die Stadt
mit eigenem Personal
und eigenen Fahrzeugen
durch. Hierzu zählt auch
die
Entsorgung
des
Restmülls, des Sperrmülls
und der Bioabfälle für etwa
60.000 Haushalte.
Um unnötige Abfälle zu vermeiden
können wir alle bei unseren täglichen
Einkäufen darauf achten, Produkte in
Einwegverpackungen zu vermeiden.
Jeder Einzelne kann durch sorgfältige
Auswahl von Waren dazu beitragen, die
Umwelt zu schonen und Geld für die immer
aufwändigere Abfallentsorgung zu sparen.
1/2016 durchblick
Straßenreinigung
Neben der Reinigung
bestimmter Straßen ist die
Abteilung Stadtreinigung
für die Säuberung der
städtischen Grundstücke,
die Reinigung der Fußgängerzonen
und
die
Leerung von über 2.000 im
Stadtgebiet aufgestellten
Papierkörben zuständig.
Winterdienst
Im Winter hält die Stadtreinigung nicht nur die
Fahrbahnen
schneefrei,
auch der Winterdienst auf
den Gehwegen an städtischen Liegenschaften gehört zum Aufgabenbereich.
Müllabfuhr
In Zeiten knapper werdender Rohstoffe ist es besonders wichtig, Abfälle getrennt zu sammeln und einer
ökologisch unbedenklichen Verwertung zuzuführen.
Auf diese Weise tragen wir alle ein Stück dazu bei, die
natürlichen Ressourcen zu schonen bzw. eine erneute
Verwertung zu sichern.
Altpapier
Die
Entsorgung
von
Abfallberatung
Altpapier ist auf ein privates
Unternehmen übertragen, das Weitere Informationen zu den
im Auftrag der Stadt Siegen Themen Stadtreinigung und
eine Wiederverwertung si- Müllabfuhr erhalten Sie unter:
cherstellt.
Universitätsstadt Siegen
Stadtreinigung
Altglas / Plastik
57074 Siegen
Die Entsorgung von
Fludersbach 56
Telefon 0271 / 404-4822
Altglas und Plastik (Gelber
oder 0271 / 404-4855
Sack) erfolgt im Rahmen
www.siegen.de
des
Dualen
Systems
Deutschland (DSD). Hier
wird die Stadt Siegen lediglich durch die Bereitstellung
der Wertstoffdepotstandorte
und die Veröffentlichung
der Abfuhrtermine tätig.
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