4531848 Mittwoch, 10. Februar 2016 SÜDWESTECHO . Ausgabe Nr. 33 – Seite 10 Zerstörte Wahlplakate und Hitlerbärte Vandalen setzen Werbestrategen der Parteien zu / AfD verspricht 300 Euro-Prämie für Hinweise Karlsruhe/Stuttgart (dpa/BNN). Mit Farbe aber auch roher Gewalt machen sich Vandalen in diesem Jahr an Wahlplakaten zu schaffen. Die AfD und die FDP berichten von besonders schwerwiegenden Fällen, in denen ganze Stadtteile von ihren Wahlplakaten befreit worden sein sollen. Auch die übrigen, bereits im Landtag vertretenen Parteien, registrieren Vandalismus – die SPD beobachtet eine „Radikalisierung in der Wortwahl“. Eine besondere Sicherung für Plakate, die zu den wichtigsten Werbemitteln vor Wahlen gehören, gibt es nach Angaben der Parteien nicht. Wer ein Wahlplakat zerstört, begeht nach Polizeiangaben eine Sachbeschädigung. „Je höher desto besser“, ist etwa die Devise der FDP beim Plakate aufhängen. Dennoch waren in Pforzheim über Nacht quasi alle FDP-Plakate aus der Innenstadt verschwunden. Von einer „bodenlosen Unverschämtheit“ sprach FDPKreisgeschäftsführerin Caroline Mai. Die Wahlplakate seien nicht nur „blindwütig abgerissen“ worden – größtenteils hätten die unbekannten Täter die Kabelbinder fein säuberlich durchgeschnitten und alles weggetragen. „Das waren nicht nur zufällige Randalierer“, ist Mai von einer gezielten Aktion über- Stuttgart (dpa/lsw). Zum Bedauern vieler Frauen hat Grün-Rot einen Punkt im Koalitionsvertrag nicht umgesetzt: eine Wahlrechtsreform, die Frauen mehr Chancen auf einen Sitz im Parlament eröffnen könnte. Die Frauenpolitikerinnen bei SPD und Grünen sowie der Landesfrauenrat fordern, dieses Ziel nicht weiter auf die lange Bank zu schieben. Dabei verspüren sie Rückenwind von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Auch bei der oppositionellen FDP zeigt man sich offen. Einzig in der CDU steht eine Änderung nicht auf der Agenda. „Das Landtagswahlrecht ist gut, wie es ist“, sagt etwa CDU-Gene- Stuttgart (dpa/lsw). Der französische Premierminister Manuel Valls hat seinen am Freitag geplanten Besuch bei Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) abgesagt. Das teilte das Staatsministerium in Stuttgart mit und nannte zwingende Termingründe des Premiers. Kretschmann wollte Valls im Neuen Schloss empfangen. Bereits im Sep- VON EINER RADIKALISIERUNG zeugen Farbschmierereien auf AfD-Plakaten und „Volksverräter“-Aufkleber auf Werbetafeln der Linken (kleines Bild). Fotos: dpa/pr zeugt. Die rasch aufgehängten Ersatzplakate seien teils nach wenigen Stunden ebenfalls verschwunden. Auch im Enzkreis gehen die Plakatklauer um. Besonders aufgebracht sind die Wahlhelfer der AfD. In Wertheim im MainTauber-Kreis sei die ganze Innenstadt von Plakaten befreit worden, in Stutt- gart und in Singen sollen 80 Prozent der Großplakate beschmiert oder zerstört worden sein, erklärten Kreisverbandsvertreter. „Wir werden aus der Wahrnehmung verdrängt“, sagte der Vorsitzende des Kreisverbandes Stuttgart, Karl-Friedrich Hotz. In Offenburg verschwanden gleich 40 AfD-Plakate, in Ettlingen wurden AfD-Plakate an mehreren Stellen abgerissen und zerstört – oder mit Hitlerbärten verunstaltet. In der Gaggenauer Innenstadt liegen etliche Plakate der AfD auf dem Boden – vermutlich war nicht der Wind schuld. Im nördlichen Landkreis waren in Kronau, Bruchsal und Bad Schönborn zwar vor allem Wahlplakate der AfD von Zerstörung und Diebstahl betroffen – inzwischen hat sich aber auch ein Vertreter der Linken gemeldet, dass seine Plakate und die anderer Landtagsparteien mit dem Schriftzug „Volksverräter“ überklebt wurden. Strafanzeige wurde in vielen, aber nicht in allen Vandalismusfällen gestellt. Der AfD-Kreisverband Emmendingen nimmt die Sache selbst in die Hand und hat auf seiner Facebook-Seite eine „Prämie“ ausgelobt für diejenigen, die Hinweise auf Zerstörer geben – „300 Euro aus Spenden unserer Wahlkampfhelfer“, sagt der AfD-Sprecher. Die CDU berichtet aus Stuttgart von „einem hohen Maß an zerstörten Plakaten“. Die Grünen bezeichnen ihren Schaden derweil nach gut einer Woche als „überschaubar“. Die SPD berichtet von Vandalismus im Rahmen vergangener Wahlkämpfe – aber mit Tendenz zur Radikalisierung: Sprecher Andreas Reißig verweist ebenfalls auf ein SPDGroßplakat, das mit dem Wort „Volksverräter“ übersprüht wurde. Was abgerissen wird, wird nachplakatiert, denn: „Das Plakat hat für die Präsenz der SPD und die Mobilisierung nach wie vor einen sehr hohen Stellenwert.“ „Frauenpolitisches Entwicklungsland“ Politikerinnen von Grün-Rot und FDP setzen sich für Zweitstimmen-Wahlrecht ein ralsekretärin Katrin Schütz, die am 13. März in Wahlkreis Karlsruhe II kandidiert. Ihre Parteifreundin Friedlinde Gurr-Hirsch pflichtet bei: „Das bewährte System führt dazu, dass ein Kandidat und späterer Abgeordneter im Wahlkreis stark verankert ist.“ Baden-Württembergs Landtag ist mit einem Frauenanteil von 20,3 Prozent einsames Schlusslicht; 28 Frauen und 110 Männern sitzen im Parlament. Da- Valls sagt Besuch bei Kretschmann ab tember 2014 war eine Visite des Franzosen in Baden-Württemberg abgesagt worden. An der bevorstehenden Münchner Sicherheitskonferenz (12. bis 14. Februar) will Valls aber teilnehmen, hieß es von sind elf Frauen in der GrünenFraktion, die mit 30,6 Prozent den größten Anteil an weiblichen Abgeordneten aufweist, gefolgt von der CDU (16,7 Prozent) und der SPD (20 Prozent). Die siebenköpfige FDP-Fraktion ist eine reine Männerriege. Groß ist auch die Distanz zu anderen Parlamenten: In Mecklenburg-Vorpommern etwa sind 28,2 Prozent der Abgeordneten weiblich, in Thüringen vom Amtssitz des Premierministers. In französischen Medien wurde spekuliert, ob die Absage an Kretschmann mit einer möglichen Regierungsumbildung zusammenhängt. In Paris kursierten zuletzt verstärkt Gerüchte über kurz bevorstehende Änderungen im französischen Kabinett, eine Bestätigung dafür gibt es bislang aber nicht. sind es sogar 40,6 Prozent. Die SPDAbgeordnete Sabine Wölfle konstatiert: „Frauenpolitisch sind wir immer noch Entwicklungsland.“ Grün-Rot habe nicht in fünf Jahren jahrzehntelange Versäumnisse der CDU-geführten Regierungen ausgleichen können. Die Grünen sind die Partei, die bei den Nominierungen für die Wahl mit 44,3 Prozent Frauen (2011: 35,7) die Nase weit vorne hat. Auf Platz zwei lie- Dieb erbeutete nur Hausmüll Walldorf (dpa). Wohl in großer Erwartung hat ein unbekannter Dieb einer Frau in Walldorf im Rhein-Neckar-Kreis eine Einkaufstüte gestohlen – dabei aber lediglich Hausmüll erbeutet. Die 27-Jährige wollte die 17-seitiger Brief an FDP Stuttgart (dpa/lsw). Wer kann mit wem, wer will mit wem, wer darf mit wem? Der Ausgang der Landtagswahl am 13. März ist völlig offen. Die CDU hat nun viereinhalb Wochen vor der Landtagswahl deutliches Interesse an einer Koalition mit der FDP signalisiert. Bis 2011 regierte Schwarz-Gelb unter Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU). Die Christdemokraten antworteten nun schriftlich und ausführlich auf das Wahlprogramm der FDP. Grüne und SPD hatten jeweils einen einseitigen Brief an die Liberalen geschrieben – doch die CDU schickte nun ein 17-seitiges Schreiben. FDP-Spitzenkandidat Hans-Ulrich Rülke hatte mögliche Interessenten eines Bündnisses aufgerufen, auf die „Wahlprüfsteine“ der Liberalen zu reagieren. Ein CDU-Sprecher sagte, es gebe viele Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Parteien. Jüngste Umfragen legen allerdings nahe, dass es weder für die Fortsetzung von Grün-Rot unter Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) noch für eine schwarzgelbe Koalition unter CDU-Spitzenkandidat Guido Wolf reichen könnte. Denkbar wäre eine Ampel aus Grünen, SPD und FDP. Zu Gerüchten, die Liberalen könnten auf ein Dreierbündnis aus CDU, SPD und FDP spekulieren, wollte sich Rülke nicht äußern. Das FDP-Präsidium werde dem Parteivorstand eine Empfehlung geben, wie die Antworten zu bewerten seien, sagte Rülke. Beim Parteitag am 21. Februar in Pforzheim sollen die Delegierten über die Empfehlung abstimmen. gen die Sozialdemokraten mit 25,1 (2011: 20,0) Prozent weiblichen Kandidaten. Den dritten Platz teilen sich CDU und FDP mit je 21,4 Prozent. Wölfle betont aber, dass es nicht nur auf die Zahl der Nominierungen, sondern auch auf sichere Wahlkreise ankomme – und die würden den Frauen oft verwehrt. Wölfle, Grünen-Chefin Walker und die Stuttgarter FDP-Kandidatin Gabriele Heise sind für ein Zweistimmenwahlrecht. Eine Landesliste oder mehrere regionale Listen neben der Erststimme könnten den Frauenanteil im Parlament erhöhen. Frauen und Männer könnten dann im Reißverschlusssystem aufgelistet werden. Tüte mit dem Aufdruck eines Modehauses gerade zum Mülleimer bringen, als sich der Mann von hinten näherte und die vermeintlich kostbare Beute entriss, wie die Polizei mitteilte. Das Interesse des Täters währte aber nicht lange: Bei der Fahndung entdeckten die Beamten die Mülltüte in einem Café in der Nähe des Tatorts. Mäßiger Alkoholkonsum lässt sich in Kursen lernen Die Caritas in Stuttgart bietet Abhängigen Hilfe an Von unserer Mitarbeiterin Wenke Böhm hängigkeit sehr wohl lernen können, ihren Konsum zu reduzieren und zu kontrollieren. Stuttgart. Auf ein gelegentliches Glas Die Kursteilnehmer treffen sich an zehn Abenden. Zuerst wird per FrageboRotwein möchte Rolf Mainherr (Name geändert) einfach nicht verzichten. „Zu gen erhoben, wo der einzelne gerade steht, wie viel er trinkt und ob schon einem schönen Essen – das ist für mich eine Sucht vorliegt. „Erst danach sollte Genuss“, sagt der 60-jährige Frührentner. Doch er weiß auch, wohin es führen der Teilnehmer eine Entscheidung treffen“, sagt Harald Sichler, Sozialarbeiter kann, wenn man nicht aufpasst. „Früher habe ich zwei bis drei Flaschen am Tag im Klinikum. In den weiteren Sitzungen bekommen die Teilnehmer dann das nögetrunken und war dann meist nicht tige Rüstzeug, um mehr ansprechbar.“ Geholfen hat ihr selbstbestimmDie Teilnehmer tes Ziel zu erreiihm ein Kurs für selbst kontrollierchen. führen ein Trink-Tagebuch Sie lernen beites Trinken, wie ihn das Klinikum spielsweise, wie sie ein Trink-Tagebuch führen. Darin soll Stuttgart und die Caritas jetzt wieder neben der Zahl der Alkoholeinheiten anbieten. und Art des Alkohols auch eingetragen Auch bei Bernhard Täubert (Name gewerden, in welchem Umfeld getrunken ändert) hat es eines Tages „klick“ gewurde und was der Auslöser war. Dann macht. Sein Arbeitgeber und Partnerin legen die Teilnehmer ihre Ziele fest und hätten gestreikt. Die Firma habe ihn bekommen Tipps. Dazu gehört, dass sie „heimgeschickt“, weil er zu viel trank. vor jedem alkoholischen Getränk ein Da merkte er, dass es Zeit war, etwas zu großes nichtalkoholisches zu sich nehändern – und fand Hilfe bei der Caritas men. Zudem lautet der Rat, keinen Alin Stuttgart. kohol vor 18 Uhr zu trinken und sich Abstinenz sei für viele Abhängige die eine alkoholfreie Zone zu schaffen. Zum Erfolg versprechendste Möglichkeit, Ende des Kurses wird schließlich über ihre Alkoholsucht zu bewältigen, sagen ein Belohnungssystem, die FreizeitgeLana Schaich, psychosoziale Beraterin staltung und die Problembewältigung für Suchtkranke der Caritas Stuttgart, gesprochen. und ihre Kollegin Susanne RichterDer Kurs sei ein toller Start gewesen, Göttling. Wissenschaftliche Untersusagt Jochen Hilbert (Name geändert) im chungen zeigen jedoch seit Jahren, dass manche Menschen mit einer AlkoholabRückblick. Der 65-Jährige hat vor zwei EIN GLÄSCHEN IN EHREN können sich auch Alkoholabhängige genehmigen. Welche Voraussetzungen sie dafür schaffen sollten, lernen sie in Kursen der Caritas. Foto: Gabbert Jahren am Programm des Klinikums teilgenommen, obwohl er sich mit rund einer Flasche Wein pro Tag eigentlich nicht als süchtig betrachtet hat. Ein großer Vorteil des Angebots sei es, dass sich die Teilnehmer das Ziel selbst setzen, sagt Hilbert. „Dieses Ziel ist für die Teilnehmer so wichtig, dass es für sie zur Handlungsmaxime wird. Wenn die Vor- gabe von außen kommt, hält es oft nicht.“ Im Kurs geht es zudem um die Ursachen für den Alkoholkonsum. „Bei mir hatte es psychische Gründe. Immer wenn ich unter Druck geraten bin, wenn ich unter Stress und Schlaflosigkeit litt, habe ich getrunken“, erzählt Mainherr. Schaich berichtet von mehreren Frauen, die stark von Beruf und Familie beansprucht seien und sich in den Alkohol flüchteten – Ärztinnen ebenso wie Verkäuferinnen. Bei älteren Menschen spiele oft Einsamkeit eine Rolle. Die Kurse sind mit 350 beziehungsweise 385 Euro nicht billig. „Aber wenn man seinen Konsum wirklich reduziert, hat man das schnell wieder drin“, sagt Sichler.
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