„Kaffeefahrt“ nach wien

Tante Meta’s
nach
w ien
Foto: wikipedia.de Andreas Praefcke
„K affeefahrt “
Wien, Café Central
T
ante Metas stärkste Schwäche ist der Kaffee. Wenn
es irgendwo nach Kaffee duftet, beginnen ihre Nasenflügel zu beben. Wer das weiß, wird sich auch
nicht wundern, das sie mit besonders wehmütigen Erinnerungen dem früheren Zeremoniell am 8. März, dem Internationalen Frauentag, nachtrauert. Nicht wegen der Reden
über Soll und Haben bei der Gleichberechtigung...nein,
Tante Metas Seufzer rühren daher, dass sie an diesem Tag,
während der Arbeitszeit, ohne eigenes Zutun oder Zahlen,
dreimal Kaffee kredenzt bekam. Morgens vom Meister in
der Frühstücksbude. Mittags von den Abteilungsleitern in
der Kantine. Und nachmittags von der Werksleitung, wenn
die Gewerkschaftsleitung jenen Frauen etwas „Buntmetall“
an die Jacke steckte, die ihren Mann gestanden hatten.
Dieses Zeremoniell wurde Gott sei Dank abgeschafft.
Statt dessen kreuzte man in den Kalendern den Muttertag
rot an. Tante Meta hasste diesen Tag, weil ihre Erinnerung
an die Mutterkreuze, die ein gewisser „Herr Adolf“ damals
verteilen ließ, keine gute war. Da fand sie den Frauentag
noch besser, obwohl sie sich eigentlich mehr an den guten Kaffee erinnerte als an alles andere. Jedenfalls beschloss Tante Meta mit ihrer Weiberrunde eines Tages, zum
nächsten Frauentag eine Busreise nach Wien zu machen.
„Da gibt es nämlich die ältesten Kaffeehäuser, und man
sagt ja, die Österreicher hätten sich das von den Türken
abgeschaut. Also, lassen wir uns mal so richtig mit gutem
Kaffee verwöhnen.“ verkündete sie.
Natürlich konnte der Verband der Wiener Kaffeehausbesitzer nicht wissen, dass die vier grauhaarigen Damen nicht
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irgendwelche Kaffeetanten waren, die nur mal schlürfen und
über Gott und die Welt tratschen wollten. Nein, schließlich
hatte Justchen einst eine Kantine geleitet. Grete war mal so
was ähnliches wie eine Qualitätsprüferin im Labor und Helmi arbeitete als Buchhalterin. Tante Meta war Mitglied der
Gewerkschaftsleitung, was heute Personalrat heißt. Wenn
dieses Kleeblatt ein Lokal aufsucht, ein Menü testet, das Personal beobachtet usw., dann ist es ziemlich egal wie viele
Sterne das Haus hat. Das Urteil kann vernichtend sein!
Zum Glück hatten sich die Damen schon auf der endlos
erscheinenden Busfahrt ein wenig abreagiert. Der Billigbus kam natürlich mit Verspätung. Dann gab es nur zwei
Männer unter den Mitreisenden, was für das Gespött und
die Gelüste von etwa dreißig Damen absolut zu wenig ist.
In den wenigen Pinkelpausen waren natürlich die Damentoiletten überfüllt, was immer sehr viel Zeit kostete. Und
als dann noch eine Seniorin ihre Handtasche vermisste und
der Bus umkehren musste, kam man schließlich mit erheblicher Verspätung in Wien an. Das alles konnte der Ober im
Café Central natürlich nicht wissen, als er den vier Damen
zeitungsgroße Getränkekarten überreichte und geduldig
wartete, was denn nun gewünscht würde.
Tante Meta brauchte fünf Minuten und war dennoch
die Erste, die den Kopf schüttelte und fragte: „Gibt es
denn hier keinen normalen Kaffee?“ Der Ober erkannte
an der Aussprache, das diese Gäste Preußen waren, mit
denen Österreich die halbe Zeit seines Lebens nur auf
dem Schlachtfeld zu tun hatte. Überfreundlich antwortete
er: „Aber Gnädigste, das „Normale“ ist unserem Hause
durchblick 1/2016
zu wenig. Wer hier Gast ist, soll unnormal gut verwöhnt
werden.“ Nun fragte Justchen: „Was bitte heißt ‚Einspänner‘?“ Grete schloss sich mit der Frage an: „Was dagegen
bringt ein ‚Zweispänner‘?“ Und Helmi gab noch einen
drauf: „Wenn sie hier ihren ganzen Fuhrpark anpreisen,
dann ist der ‚Schlagobers‘ wahrscheinlich der Kommandeur der Kavallerie?“
Nun musste der Ober aber erst mal ganz tief Luft holen
bevor er den Damen erklärte: „Na gehn’s! Unser Schlagobers ist genau das, was bei ihnen die Schlagsahne ist. Beim
Ein- und Zweispänner haben’s halt mit Espresso zu tun,
die wo sich nach der Dosierung unterscheiden. Aber wenn
ihnen das alles nicht zusagt, können sie gerne einen ‚Original Türkischen‘ serviert bekommen. Darauf meldete sich
Helmi etwas eingeschüchtert: „Ich würde zunächst erst einmal eine ‚Melange‘ probieren.“ Justchen und Grete stiegen
mutig auf den ‚Ein- und Zweispänner‘. Na und Tante Meta
meinte tollkühn: „Wenn ich schon
auch wegen der Türken hierher
gefahren bin, dann will ich sie
mir auch einverleiben. Also: Einen ‚Original Türkischen‘ bitte!“
Der Ober zog die Stirne kraus,
deutete eine knappe Verbeugung
an und verschwand hinter der
Theke. Als er das Kleeblatt dann
bedient hatte, waren die Damen
eine zeitlang beschäftigt. Helmi
meinte, nachdem sie an der Melange genippt hatte: „Das schmeckt ja wie eingeschlafene Füße!“
Justchen und Grete fragten sich
und die anderen beiden: „Warum
stellt der uns denn so ein großes
Glas Wasser hin, wenn wir Kaffee bestellt haben?“ Und Tante
Meta betrachtete das PorzellanNäpfchen, das neben dem buntmetallenen Schwenk-Kännchen
am Öfchen stand und überlegte,
ob sie aus diesem Fingerhut
wohl trinken sollte. Doch nachdem sie einen ersten Willkommens-Schluck genommen hatte,
klappte plötzlich ihr Unterkiefer
herunter, sie rang nach Luft, ihre
Augen röteten sich und der Rest
bestand aus Husten und Prusten.
Erst als sie die Wassergläser von
Justchen und Grete leer getrunken hatte, konnte sie aussprechen
was sie bewegte: „Jetzt verstehe
ich, warum die Österreicher gegen die Türken Krieg geführt
haben!“
Eigentlich ist es ja peinlich,
anzumerken, dass sich die Damen
am nächsten Tag in dieser Stadt,
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die ihren Weltruf zur Hälfte den legendären Kaffeehäusern
verdankt, einen Tauchsieder und ein Päckchen Kaffee gekauft haben. Doch so sind sie nun mal. Ihr Selbsthilfeversuch löste dann im Hotel noch einen Kurzschluss und eine
Ermahnung zum Brandschutz aus.
Später auf der Heimreise waren sich die vier Grazien
einig, dass das Beste an Wien die gleichnamigen Schnitzel
waren, die sie in einer Kutscherkneipe, in der Nähe vom
Dom gegessen hatten. Groß wie ein Wagenrad, dünn wie
ein Knäckebrot und goldbraun paniert.
Na ja, und die Lipizzaner in der Hofreitschule waren
auch nett anzusehen.
Aber der Kaffee, oder was man in Wien alles so nennt ...
dagegen war doch jenes Getränk, das früher am 8. März in
der Werkskantine in dicken Steingut-Tassen von den Männern herumgereicht wurde, der reine Göttertrank!
Ulla D’Amico
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