Die Europäische Zentralbank schiesst aus vollem Rohr

10. März 2016
Die Europäische Zentralbank schiesst aus vollem Rohr
Heute hat EZB-Präsident Mario Draghi geliefert und den
Finanzmarktteilnehmern ein Lächeln aufs Gesicht gezaubert. Die Europäische Zentralbank lotet ihre Möglichkeiten
aus und gestaltet über alle Kanäle die Geldpolitik noch
einmal expansiver. Wird die Schweizerische Nationalbank
mit einer Zinssenkung reagieren?
Mit der Senkung des Hauptrefinanzierungssatzes von
0.05% auf 0.00% und der Volumenausweitung des monatlichen Anleihenkaufprogramms ab April 2016 von 60 Mrd.
Euro auf 80 Mrd. Euro hat die EZB die von ihr geschürten
Erwartungen übertroffen. Wie erwartet hat die EZB den
Einlagezinssatz für Geschäftsbanken nochmals gesenkt.
Dieser notierte bereits im negativen Bereich und wurde um
0.1% auf -0.4% gesenkt. Mit dieser Massnahme will die
EZB die Kreditvergabe in der Eurozone anregen.
„Whatever it takes“ als Überlebensmotto
Die EZB hat mit dieser geldpolitischen Entscheidung ganze
Arbeit geleistet. Mario Draghi hat gezeigt, dass er Wort
hält. Auf dem Höhepunkt der Eurokrise hat er mit seinem
„Whatever it takes“ Geschichte geschrieben. Damals machte er klar, dass die EZB jede Anleihe aufkaufen würde,
sollte dieser Kauf den Euro retten. Und nun, vier Jahr später, ist dieser Satz zum Überlebensmotto geworden. Die
Entscheide heute zeigen, dass die EZB dynamischer geworden ist. Das ist für die Vertrauensbildung an den Finanzmärkten wichtig.
Der Krug geht zum Brunnen bis er bricht
Dem jüngsten Entscheid können wir positive Aspekte abgewinnen. Aber die Massnahmen können nicht darüber hinweg täuschen, dass die EZB langsam an den Grenzen ihrer
Möglichkeiten angelangt ist. Zwar kann die EZB über alle
Kanäle die Geldpolitik expansiver gestalten, aber sie hat
nur noch wenig Spielraum, um die Zinsen zu senken oder
um die Programme auszubauen. Ebenfalls wird offensichtlich, dass die EZB inzwischen aus vollem Rohr schiessen
muss, um noch den gleichen Effekt zu erreichen wie vor
einigen Jahren. Damals hat ein Lippenbekenntnis von Mario
Draghi gereicht, um die Märkte „zur Vernunft“ zu bringen.
Der Grenznutzen jeder neuen expansiven Massnahme ist
spürbar tiefer geworden. In Zukunft dürfte dieser Umstand
der EZB das Leben erschweren. Denn die tiefe Inflationsrate
in der Eurozone und die maue Erholungsdynamik lassen
sich nicht von heute auf morgen korrigieren. Entsprechend
braucht die EZB noch einen langen Atem. Inzwischen hat
sie ihren Krug aber schon oft zum Brunnen getragen. Dieser
ist abgenützt und erste Risse liessen sich heute mit diesem
breit abgestützten Massnahmenprogramm gerade noch
kitten.
Kommt in der Schweiz eine Zinssenkung?
Die Schweizerische Nationalbank (SNB) muss kommende
Woche unter neuen Vorgaben aus Frankfurt entscheiden,
wie sie ihren geldpolitischen Kurs einer negativen Zinsdifferenz zwischen Libor und Euribor aufrechterhalten will.
Nachdem die EZB ihre Zinsen nur leicht gesenkt hat, wird
sich die Zinsdifferenz nicht schliessen. Darum hat die SNB
durchaus die Möglichkeit, ihr Zielband unverändert zu
belassen. Zwar wurde der Franken zum Euro im Moment
des Entscheids stärker, aber im Rahmen der üblichen Bewegungen. Sollte sich in den nächsten Tagen diesbezüglich
eine Veränderung zeigen oder wird die SNB zu massiven
Interventionen gezwungen, würde sie das Zielband im
Sinne einer Signalwirkung senken. Die Kursbewegungen
nach dem Entscheid lassen aber nicht darauf schliessen.
Dass Mario Draghi auf Basis der aktuellen Aussichten der
EZB keine weiteren Zinssenkungen antizipiert, stützt unsere
Erwartung.
Eine weitere Frage betrifft den Freibetrag der Banken für
Anlagen bei der SNB, der nicht negativ verzinst wird.
Dieser Betrag ist wichtig, weil er eine direkte Weitergabe
der Negativzinsen an die Sparer verhindert. Er wirkt aber
dem geldpolitischen Ziel entgegen, Frankenanlagen unattraktiv zu machen. Deshalb steht er nach dem jüngsten
Entscheid der EZB durchaus zur Diskussion. Aber auch hier
gilt: Solange sich der Franken nicht stark aufwertet, kann
die SNB diesen Betrag unverändert belassen.
SNB ist nicht unter Zugzwang
Zwar hat die EZB in Anbetracht der Umstände aus dem
Vollen geschöpft. Aber die Entscheide führen nicht zwingend zu einer Veränderung der geldpolitischen Umstände
für die Schweiz. Wir gehen darum davon aus, dass die
SNB nächsten Donnerstag keine Änderungen vornehmen
wird.
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