taz.die tageszeitung

Über Lesen: Die Macht der Buchstaben
Eine Beilage des 20. taz Panter Workshops ▶ Seite I bis IV
AUSGABE BERLIN | NR. 10968 | 11. WOCHE | 38. JAHRGANG
MONTAG, 14. MÄRZ 2016 | WWW.TAZ.DE
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85 Prozent bleiben cool
H EUTE I N DER TAZ
LANDTAGSWAHLEN Erfolge für die AfD in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und
Sachsen-Anhalt. Doch die übergroße Mehrheit wählt Parteien, die Angela Merkels
Flüchtlingspolitik mittragen
RASSISMUS Der Erfolg
des türkischstämmigen
Opernsängers Selcuk
Cara ist für viele schwer
erträglich ▶ SEITE 13
Die
rechtspopulistische
AfD hat in BadenWürttemberg laut
ersten Prognosen
gut 12 Prozent, in
Rheinland-Pfalz
10, in Sachsen-Anhalt rund 20 Prozent erreicht. Die
restlichen WählerInnen stimmten
jedoch weit überwiegend für Parteien, die Angela
Merkels Flüchtlingspolitik mittragen. In BadenWürttemberg gewann Winfried
Kretschmann
(Grüne), in Rheinland-Pfalz Malu
Dreyer (SPD). LKW
▶ SEITE 2–5
WOCHENBILANZ „Ich
werd Arzt“: Küppersbusch über Doktortitel,
Donald Trump und
Dortmund ▶ SEITE 14
LITERATUR Ausblicke
in die Weite: Marion
Poschmanns neuer
Gedichtband ▶ SEITE 15
Foto: Kathrin Doepner
VERBOTEN
Guten Tag,
meine Damen und Herren!
Das Kind, das Norbert Blüm
und Ai Weiwei in einem Zelt
in Idomeni gemeinsam zeugen wollen, soll im Mittelpunkt
einer Kunstaktion am Rande
der nächsten Gala Cinema für
Peace stehen. Wie die beiden
am Rande einer Pfütze verlauten ließen, wollen sie mit dieser Aktion die Welt
Er sieht die Sache so wie die große Mehrheit: Gelassen. Auf jeden Fall hat
er nicht AfD gewählt Foto: Ronny Hartmann/dpa
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KOMMENTAR VON GEORG LÖWISCH ZU DEN LANDTAGSWAHLEN
aufrütteln.
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D
Die Mehrheit kippt – nicht
ie Sieger dieser Wahlen
sind die Angst, die Ausgrenzung und das Autoritäre. Die AfD als Senkrechtstarterin ist der Grund für dieses Ergebnis, die Ursache ist sie nicht.
Die Ursache ist, dass viele politische Spitzenkräfte den Glauben an sich selbst verloren haben. Sie misstrauen ihrer Basis,
sie misstrauen der Bevölkerung, im Grunde misstrauen sie
Deutschland. Den ganzen Wahlkampf lang glaubten sie nicht
mehr an Hilfsbereitschaft, Ehrgeiz und Geduld der Mehrheit.
Stattdessen redeten sie sich
ein, dass die Stimmung im Land
kippt. Dabei hat zusammengerechnet nicht mal ein Fünftel
der Menschen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und
Sachsen-Anhalt AfD gewählt.
Sie kippen nicht, sie stehen. Statt
zu begreifen, dass diese starke
Mehrheit kein anderes System
will, haben Vertreter des Staates das Geschäft der Gegner befördert. Als Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer von
der Herrschaft des Unrechts redete und Bundesinnenminister
Thomas de Mai­zière von einer
Schweige­spirale, da drückten sie
ihre Amtssiegel auf Argumentationen der Rechtspopulisten.
Noch verheerender war, dass
keine echten Auseinandersetzungen geführt wurden. Die ein-
Amtssiegel auf
den Argumenten
der Rechten
zig relevante Konfliktlinie verlief zwischen der AfD und allen
anderen. So macht man seine
Gegner groß.
Für CDU und SPD, die Berliner Koalitionsparteien, ist der
Wahltag ein Fiasko. Bei der CDU
steht nur noch nicht fest, ob sie
mit Getriebeschaden oder mit
zerbeulter Karosserie herauskommt. Angela Merkels interne
Probleme werden jedenfalls größer. Bei den Grünen wird Superstar Winfried Kretschmann als
Erfolgsbeispiel gelten. Der Preis
dafür ist hoch: das Verschwimmen der Differenzen zur CDU.
Aber gerade wegen der AfD müssen sich die Parteien unterscheiden. Gerade jetzt wäre es falsch,
wenn fortan Grün und Schwarz
zusammenflössen: zu dunkelgrüner Entengrütze.
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Allein in Europa
REPORTAGE Über ein Drittel der Flüchtlinge, die seit Beginn dieses Jahres in Griechenland angekommen sind,
ist minderjährig. Eine Hilfsorganisation in Athen bietet Essen, Beratung – und ein offenes Ohr ▶ SEITE 5
RASSISMUS Der Erfolg
des türkischstämmigen
Opernsängers Selcuk
Cara ist für viele schwer
erträglich ▶ SEITE 13
MARKETING „Super-
food“ soll jung, hübsch
und gesund machen. Ist
da was dran? ▶ SEITE 3
WILLKÜR Ägyptens
Sicherheitskräfte foltern
und töten wie vor der
Revolution. Nun regt
sich Widerstand ▶ SEITE 4
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Das Kind, das Norbert Blüm
und Ai Weiwei in einem Zelt
in Idomeni gemeinsam zeugen wollen, soll im Mittelpunkt
einer Kunstaktion am Rande
der nächsten Gala Cinema für
Peace stehen. Wie die beiden
am Rande einer Pfütze verlauten ließen, wollen sie mit dieser Aktion die Welt
Warten sie auf die Ankunft von Verwandten? Oder auf einen Schlepper, der behauptet, sie nach Mitteleuropa zu bringen? Junge Migranten auf dem Victoriaplatz in Athen Foto: Zoltan Balogh/dpa
Germanwings-Ermittler fordern Konsequenzen
Andrang in den Wahllokalen
PARIS dpa | Als Konsequenz aus
STUTTGART/MAINZ/MAGDEBURG
der Germanwings-Katastrophe
vom März vergangenen Jahres
fordert die französische Untersuchungsbehörde BEA routinemäßige Überprüfungen von Piloten sowie klare Regeln für die
ärztliche Schweigepflicht. Diese
sei von Land zu Land viel zu unterschiedlich geregelt, monierte
die BEA in ihrem Abschlussbe-
richt, der am Sonntag in Le Bourget bei Paris vorgelegt wurde.
Am 24. März 2015 hatte Kopilot Andreas Lubitz (27) einen
Airbus A320, der auf dem Weg
von Barcelona nach Düsseldorf war, absichtlich zum Absturz gebracht. Zuvor hatte er
den Flugkapitän aus dem Cockpit ausgesperrt. Lubitz litt nach
Erkenntnissen der Ermittler un-
ter Depressionen, hatte mehrere
Ärzte aufgesucht und im Internet nach Suizidmöglichkeiten
gesucht. Laut BEA-Bericht diagnostizierte ein Mediziner nur
zwei Wochen vor der Katastrophe bei Lubitz eine mögliche
Psychose – und empfahl dessen Einweisung in ein psychiatrisches Krankenhaus.
▶ Der Tag SEITE 2
dpa | Bei den Landtagswahlen
in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt
zeichnet sich eine deutlich höhere Beteiligung als 2011 ab.
Bis zum frühen Sonntagnachmittag registrierten die Wahlleitungen vielerorts einen spürbar
größeren Andrang in den Wahllokalen und ein Plus bei der
Briefwahl. Die mit Spannung erwarteten Abstimmungen standen im Zeichen der Flüchtlingskrise und waren damit indirekt
auch ein Stimmungstest für den
Kurs von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Der Flüchtlingszuzug und die damit einhergehenden Probleme prägten die Wahlkämpfe.
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KOMMENTAR VON CHRISTIAN RATH ÜBER DEN ABSCHLUSSBERICHT ZUR GERMANWINGS-TRAGÖDIE
aufrütteln.
Die Schweigepflicht muss bleiben
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V
or fast einem Jahr riss der
suizidale Lufthansa-Kopilot Andreas Lubitz 149 Passagiere eines Germanwings-Fluges mit sich in den Tod. Jetzt hat
die französische Flugunfallbehörde ihren Abschlussbericht
vorgelegt. Laut Medienberichten fordert sie darin eine Durchbrechung der ärztlichen Schweigepflicht. Mediziner sollen die
Behörden unterrichten, wenn
ein Pilot eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ist. Außerdem sollen Piloten regelmäßig
auf ihre psychische Gesundheit
untersucht werden.
Diese Vorschläge wirken auf
den ersten Blick einleuchtend,
ihre Umsetzung würde aber
nur eine Scheinsicherheit vorgaukeln. Jährliche Tests würden
wenig helfen, wenn sich ein psy-
chisches Problem kurzfristig zuspitzt. Und wie will man überhaupt psychische Probleme eines Piloten aufdecken, wenn
dieser sie verheimlicht oder
überspielt? Depressionen können schließlich nicht per Blutoder Urinuntersuchung festgestellt werden.
Auch eine Abschwächung
der ärztlichen Schweigepflicht
dürfte wenig helfen. Wenn Piloten wissen, dass Ärzte psychische Probleme den Behörden
künftig melden müssen, werden
sie damit eben nicht mehr zu
Depressionen können nicht im Blut
festgestellt werden
Ärzten gehen. So würde die Gefahr für die Flugpassagiere sogar noch erhöht: Die Ärzte könnten den Behörden schließlich
kaum etwas mitteilen, weil sie
von gefährlichen Entwicklungen gar nichts mehr erfahren.
Und Piloten, denen die Ärzte
eigentlich helfen könnten, fliegen einfach unbehandelt weiter.
Bisher kann die ärztliche
Schweigepflicht nur durchbrochen werden, wenn der Patient
die Verletzung anderer ankündigt oder diese unmittelbar bevorsteht – also nur in extremen
Ausnahmefällen. Dabei sollte es
bleiben. Der Wunsch nach mehr
Sicherheit ist angesichts der Tragödie in den französischen Alpen zwar verständlich, mit Reformen, die bloß gut klingen, ist
aber nichts gewonnen.
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02
TAZ.DI E TAGESZEITU NG
Schwerpunkt
MONTAG, 14. MÄRZ 2016
Landtagswahlen 2016
Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt
haben gewählt. Wer hat gewonnen, wer verloren? Der Überblick
PORTRAIT
Rudi Hoogvliet, Regierungssprecher in Stuttgart Foto: ddp images
Kretschmanns
zweite Stimme
W
ährend der Regierungschef extrem schwäbisch klingt, schlägt die
offizielle Stimme der Regierung
Kretschmann einen charman­
ten Rudi-Carrell-Sound an. Regierungssprecher Rudi Hoog­
vliet ist Niederländer von Geburt, und das hört man ihm
auch nach über 30 Jahren in
Stuttgart noch immer an.
Hoogvliet ist Grünen-Urgestein, auch wenn ihn lange nur
Insider kannten. Seit er in den
1980ern der Liebe wegen in
Stuttgart hängen blieb, mischt
er dort politisch mit. Er organisierte die Menschenketten
für die Friedensbewegung, trat
den Grünen bei, wurde 1989 in
deren Landesvorstand gewählt
und war Anfang der 90er Jahre
zeitweilig Vorstandssprecher.
Doch Hoogvliet betreibt Politik lieber aus der zweiten Reihe.
Mitte der 1990er wurde er Fraktionssprecher unter Fritz Kuhn.
1997 organisierte er den Wahlkampf seines Weggefährten
Rezzo Schlauch, der nur knapp
bei der Wahl zum Stuttgarter
Oberbürgermeister scheiterte.
2002 dann vermittelte ihn
Kuhn als Wahlkampfmanager
an Joschka Fischer. Es folgte eine
weitere Kampagne mit Fischer
als Spitzenkandidat 2005 und
2009 mit Künast und Trittin als
Spitzenduo. Dabei arbeitete der
Realo gut und eng mit der Partei-Linken und Geschäftsführerin Steffi Lemke zusammen.
Jedes Mal kehrte Hoogvliet
nach den Kampagnen nach
Stuttgart zurück. Beim letzten
Mal fand er sich als Sprecher
unter Fraktionschef Winfried
Kretschmann wieder. Hoogvliet,
der quirliger Spindoktor, und
der sperrige Kretschmann fremdelten anfangs ziemlich. Heute
gehört Hoogvliet zu Kretschmanns engsten Vertrauten.
Der Niederländer hält seinen
Chef für „ein Unikum“ im Politikbetrieb. Einen, der in langen
Linien denkt, sich den Bürgern
stärker verpflichtet fühlt als jeder Parteilinie. Genau das, findet der Regierungssprecher,
was die Bürger heute in Politikern suchen. Deshalb wehrt er
sich auch dagegen, wenn CDU
und linke Grüne den grüblerischen Landesvater Kretschmann als heuchlerische Inszenierung abtun.
Man könne auf Dauer niemanden gegen den Strich vermarkten, sagt Hoogvliet. „Je länger ich im Geschäft bin, desto
weniger halte ich da von Taktik.“ Das klingt harmloser, als
es ist. Der manchmal etwas distanzierte Hoogvliet versteht
es höchst professionell, auch
die schrulligen Seiten Kretschmanns ins rechte Licht zu rücken. Fünf Jahre lang eine
höchst erfolgreiche Taktik.
BENNO STIEBER
Die Grünen feiern in Stuttgart einen historischen Erfolg Foto: Michaela Rehle/reuters
Kretschmanns Grüne überholen CDU
LANDTAGSWAHLEN Die Grünen schaffen in Baden-Württemberg einen historischen Erfolg. In Rheinland-Pfalz
kann Malu Dreyer mit ihrer SPD eine Regierung bilden. AfD holt über 21 Prozent in Sachsen-Anhalt
VON ANNA LEHMANN
UND ULRICH SCHULTE
Landtagswahl Sachsen-Anhalt
BERLIN taz | Die rechtspopu-
30,2
(32,5)
in Prozent, ZDF-Hochrechnung 18.20 Uhr
listische AfD hat in allen drei
Landtagswahlen große Erfolge
errungen. In Sachsen-Anhalt
bekamen die Rechtspopulisten nach ersten Prognosen der
Forschungsgruppe Wahlen gut
21 Prozent der Stimmen. Sie
wurden damit zweitstärkste
Kraft im neuen Landtag und ließen die SPD und die Linkspartei
hinter sich. In Baden-Württemberg bekam die AfD gut 12 Prozent, in Rheinland-Pfalz 10 Prozent. Damit sind die Rechtspopulisten deutschlandweit in 8
von 16 Landesparlamenten vertreten. Die Diskussion über die
hohen Flüchtlingszahlen spielt
der AfD in die Karten.
Am Sonntag wurden in den
drei Bundesländern neue Landtage gewählt. Die Ergebnisse in
Baden-Württemberg,
Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt
werden die deutsche Parteienlandschaft umkrempeln und
auch den Kurs der Parteien im
Bund beeinflussen. Wegen der
Stärke der AfD werden beispielsweise Bündnisse wie Schwarz-
Wahlergebnis
21,8
(-) 16,7
(23,7) 11,9
(4,2)
CDU
AFD
LIN
30 (-)
9,4
5,0 5,0 (2,4)
(15,4) (23,7)
SPD GRÜ FDP Sonst
in Klammern: Wahlergebnisse 2011
Gelb oder Rot-Grün unmöglich, Koalitionsklassiker also,
die in der Vergangenheit häufig vorkamen.
In Baden-Württemberg gelang den Grünen und ihrem
Ministerpräsidenten Winfried
Kretschmann ein historischer
Erfolg. Die Ökopartei legte deutlich zu und fuhr gut 32 Prozent
der Stimmen ein. Bei der Wahl
2011 hatten sie gut 24 Prozent geholt. Damals galt dies als Sensation. Damit überholten die Grünen im Südwesten die CDU, die
nur auf gut 27 Prozent kam. Die
Christdemokraten verloren im
Vergleich zu 2011 fast 12 Prozentpunkte und sackten auf ein historisches Tief ab.
in Prozent, ZDF-Hochrechnung 18.20 Uhr
Wahlergebnis
Sitzverteilung
37 (60)
13,0 12,5
(23,1) (-) 8,0
(5,3) 3,0 3,7
(2,8) (2,4)
GRÜ CDU SPD AFD FDP
LIN Sonst
in Klammern: Wahlergebnisse 2011
18 (35)
45 (36)
43 (41)
23 (29)
16 (26)
7 (9)
7 (-)
Die Grünen sind im
Südwesten die neue
Volkspartei. Den
Erfolg verdanken sie
ihrem Ministerpräsidenten Winfried
Kretschmann
126 Sitze
taz.Grafik: infotext-berlin.de
Landtagswahl Baden-Württemberg
32,3
(24,2) 27,5
(39,0)
Sitzverteilung
17 (-)
11 (7)
128 Sitze
taz.Grafik: infotext-berlin.de
Die Grünen errangen damit
in Baden-Württemberg zum
zweiten Mal in Folge einen spektakulären Sieg. Sie liegen erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik vor CDU und SPD,
den Volksparteien. Die Ökopartei hatte den Christdemokraten
vor fünf Jahren das Amt des Regierungschefs abgenommen,
nachdem die CDU das Land fast
60 Jahre lang regiert hatte. Die
SPD musste wie die CDU dramatische Verluste hinnehmen.
Die Sozialdemokraten schafften in Baden-Württemberg nur
noch 13 Prozent und rutschten
um 10 Prozentpunkte ab. Die
SPD lag nur noch knapp vor der
AfD (gut 12 Prozent). Die FDP
wird mit 8 Prozent erneut im
Stuttgarter Landtag sitzen. Die
Linke scheiterte an der 5-Prozent-Hürde.
Nun sind mehrere Koalitionen möglich. Grün-Schwarz
hätte eine Mehrheit der Mandate. Aber auch Dreierbündnisse aus Grünen, CDU, SPD
und FDP sind möglich. Für eine
Fortsetzung der grün-roten Koalition reicht es nach ersten Prognosen nicht.
In Rheinland-Pfalz entschied
Ministerpräsidentin
Malu Dreyer (SPD) den Zweikampf gegen CDU-Herausfordererin Julia Klöckner für sich.
Die SPD bekam gut 37 Prozent
der Stimmen, die CDU lag mit 33
Prozent klar dahinter. Die Grünen, die 2011 nach der Atomkatastrophe in Fukushima ein Ergebnis von gut 15 Prozent erreicht
hatten, sackten auf 5 Prozent
ab. Ihr Einzug ins Parlament
wackelte bis Redaktionsschluss.
Die FDP schaffte mit fast 7 Prozent den Einzug in den Landtag
in Mainz, während die Linkspartei mit 3 Prozent an der 5-Prozent-Hürde scheiterte. Die AfD
kam auf 10 Prozent.
Dreyer und Klöckner hatten
sich in Rheinland-Pfalz in Um-
fragen bis zuletzt ein Kopf-anKopf-Rennen geliefert. Die SPD
hatte zuvor einen deutlichen
Rückstand auf die CDU aufgeholt. Dreyer könnte jetzt in einer Großen Koalition regieren.
Denkbar wäre auch eine Ampel
mit Grünen und FDP.
Deutlich fiel der Triumph der
Rechtspopulisten in SachsenAnhalt aus. Dort schaffte die AfD
nach den ersten Prognosen auf
Anhieb auf gut 21 Prozent. Damit
ließ sie die SPD klar hinter sich
(12 Prozent), die böse Verluste
hinnehmen musste. Auch die
Linkspartei, die deutlich verlor,
landete mit gut 16 Prozent hinter der AfD. Die CDU, die mit Reiner Haseloff den Ministerpräsidenten stellt, schaffte gut 30
Prozent – ein ähnliches Ergebnis fuhren die Christdemokraten auch 2011 ein. Die FDP kam
auf 5 Prozent, konnte es also
nach den Prognosen knapp in
den Landtag schaffen. Gleichauf lagen die Grünen.
In allen drei Ländern zeichnete sich eine rege Wahlbeteiligung ab. Bis zum frühen Sonntagnachmittag stimmten mehr
Wähler ab als vor fünf Jahren.
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Landtagswahl Rheinland-Pfalz
in Prozent, ZDF-Hochrechnung 18.20 Uhr
37,5
(35,7) 32,8
(35,2)
Wahlergebnis
Sitzverteilung
36 (41)
41 (42)
11 (-)
10,2
(-) 6,4 5,0
5,1
(4,2) (15,4) 3,0 (2,4)
(3,0)
SPD
CDU AFD FDP GRÜ
LIN Sonst
in Klammern: Wahlergebnisse 2011
7 (-)
6 (18)
101 Sitze
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