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F R A N K F U RT E R A L LG E M E I N E Z E I T U N G
Orange kämpft gegen gelb
Die Postcon ist Partner der
Deutschen Post und zugleich
ihr größter Konkurrent. Dem
Marktführer will das niederländische Unternehmen
Anteile abjagen. Zunächst
kostet das aber Arbeitsplätze.
bü. RATINGEN, 24. März. Auf die Deutsche Post und ihren Briefdienst lässt Rüdiger Gottschalk nichts kommen: „Die
bringen eine exzellente Leistung zu einem hervorragenden Preis.“ Das Lob
kommt aus berufenem Mund. Gottschalk
ist Geschäftsführer des größten Konkurrenten der Post, und sein Unternehmen,
die Postcon Deutschland, muss sich jeden Tag mit dem Ex-Monopolisten aus
Bonn messen. Im Wettbewerb Orange gegen Gelb hat sich die Tochtergesellschaft
der niederländischen PostNL bisher ganz
gut geschlagen. Privatbriefe befördert sie
nicht, doch mit ihrem günstigem Porto
und maßgeschneiderten Service macht
sie den Bonnern immer mehr Großkunden wie Behörden, Unternehmen und
Versicherungen abspenstig. Gottschalk
sieht den eigenen Marktanteil bei etwa
8 Prozent. „Wir sind Preis- und Kostenführer und wollen es bleiben, um weiter
zu wachsen“, sagt er im Gespräch mit dieser Zeitung.
Dafür baut der frühere Procter & Gamble-Manager, der vor knapp zwei Jahren
die Branche gewechselt hat, das Unternehmen um. Die Standorte in Berlin und
Hannover werden geschlossen, insgesamt 140 der bisher rund 2800 Stellen in
Deutschland fallen weg. Die Unternehmenssteuerung der früheren TNT Post,
die sich im vergangenen Jahr in Postcon
umgetauft hat, wird zentral am Hauptsitz
in Ratingen gebündelt. Zugleich wird der
Vertrieb neu geordnet, um Reibereien
zwischen den Sparten zu beseitigen und
die Kunden aus einer Hand zu bedienen.
„Wir haben teilweise immer noch Strukturen wie ein Start-up und wechseln nun
in eine neue Reifephase“, sagt Gottschalk.
Postcon befördert nach eigenen Angaben mehr als eine Milliarde adressierte
Sendungen im Jahr. Über ein eigenes regionales Zustellnetz im Großraum Frankfurt, im Rheinland und im Ruhrgebiet
werden etwa 20 Prozent der deutschen
Haushalte erreicht. Außerhalb davon kooperieren die Ratinger mit Zustellpartnern wie der Pin Mail in Berlin und PostModern in Dresden und können so den
größten Teil der deutschen Briefkästen
ansteuern. Frühere Gedankenspiele,
auch Privatkunden zu bedienen, hat Gott-
Die Niederländer erreichen 20 Prozent der deutschen Haushalte.
schalk ad acta gelegt. „Höchstens 4 Prozent aller Briefe kommen noch von privat. Es wäre nicht sinnvoll, wenn wir in
dieses Segment hineingingen“, sagt er.
Die wenigen orangefarbenen Briefkästen im Raum Frankfurt wurden schon
wieder abmontiert.
Ein Hauptstandbein ist die „Konsolidierung“: Das Unternehmen holt Geschäftspost ab und sortiert sie nach Postleitzahlen für den späteren Versand mit
der Deutschen Post, die für diese Vorleistungen auf Geheiß des Kartellamtes
hohe Rabatte einräumen muss. Etwa 40
Prozent aller Sendungen von Postcon
würden über den Bonner Konzern zugestellt. „Wir sind der mit Abstand größte
Kunde der Post“, sagte Gottschalk, der
sich deshalb lieber als „Partner“ denn als
„Rivalen“ der Deutschen Post bezeichnet.
Das hindert ihn aber keineswegs daran, die Chancen zu nutzen, welche die
wiederholten Preiserhöhungen des Platzhirsches eröffnen: „Durch die Portoan-
hebungen ist der Markt in Bewegung geraten, die Kunden sind eher bereit zu
wechseln.“ Gleichzeitig verschafft das
höhere Porto den zumeist sehr eng kalkulierenden Konkurrenten mehr Luft zum
Atmen. Im Windschatten der Post hat
auch Postcon seine Tarife mehrfach erhöht. Im Gegensatz zu dem von Paketund Expressdiensten dominierten Wettbewerberverband BdKEP hofft Gottschalk deshalb darauf, dass die Bundesregierung der Post einen größeren Spielraum für künftige Portosteigerungen zugesteht. „Das wäre ein Zeichen für die
ganze Briefbranche“, sagt er. Ein entsprechender Entwurf des Bundeswirtschaftsministeriums liegt schon auf dem Tisch.
Nach einer langen Durststrecke war
Postcon zur Jahrtausendwende auf dem
deutschen Markt angetreten, 2013 hat
man zum ersten Mal einen operativen
Gewinn geschafft. Im Geschäftsjahr
2014 schrieb man allerdings schon wieder Verlust, weil die Deutsche Post ihren
Großkundenvertrieb sehr stark ausbaute
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Foto Picture-Alliance/dpa
und Marktanteile zurückeroberte. Der
Umsatz von Postcon sank um 4 Prozent
auf knapp 490 Millionen Euro. Möglicherweise war dabei seitens der Post
auch illegales Preisdumping im Spiel:
Das Bundeskartellamt sieht dafür starke
Anhaltspunkte und ermittelt seit Monaten gegen die Post. Spätestens 2016,
meint Gottschalk, werde Postcon wieder
„in Richtung schwarze Null“ gehen. Für
den Umsatz erwartet er in diesem Jahr
nur ein niedriges einstelliges Plus. Vorrang habe es, das Unternehmen für die
Zukunft fit zu machen. Und langfristig?
„Man muss demütig sein und mit beiden
Füßen auf der Erde“, sagt Gottschalk,
der davon überzeugt ist, dass die Deutsche Post den Markt noch auf sehr viele
Jahre hinaus dominieren wird: „Dass ihr
Marktanteil auf weniger als 80 Prozent
sinkt, kann ich mir einfach nicht vorstellen.“ Aber das wäre ja schon was. „In
fünf, sechs Jahren könnte Postcon bei 12
oder 13 Prozent Marktanteil stehen“,
glaubt Gottschalk.