SE IT E 18 · M I T T WO C H , 2 5 . M Ä R Z 2 0 1 5 · N R . 7 1 F R A N K F U RT E R A L LG E M E I N E Z E I T U N G Orange kämpft gegen gelb Die Postcon ist Partner der Deutschen Post und zugleich ihr größter Konkurrent. Dem Marktführer will das niederländische Unternehmen Anteile abjagen. Zunächst kostet das aber Arbeitsplätze. bü. RATINGEN, 24. März. Auf die Deutsche Post und ihren Briefdienst lässt Rüdiger Gottschalk nichts kommen: „Die bringen eine exzellente Leistung zu einem hervorragenden Preis.“ Das Lob kommt aus berufenem Mund. Gottschalk ist Geschäftsführer des größten Konkurrenten der Post, und sein Unternehmen, die Postcon Deutschland, muss sich jeden Tag mit dem Ex-Monopolisten aus Bonn messen. Im Wettbewerb Orange gegen Gelb hat sich die Tochtergesellschaft der niederländischen PostNL bisher ganz gut geschlagen. Privatbriefe befördert sie nicht, doch mit ihrem günstigem Porto und maßgeschneiderten Service macht sie den Bonnern immer mehr Großkunden wie Behörden, Unternehmen und Versicherungen abspenstig. Gottschalk sieht den eigenen Marktanteil bei etwa 8 Prozent. „Wir sind Preis- und Kostenführer und wollen es bleiben, um weiter zu wachsen“, sagt er im Gespräch mit dieser Zeitung. Dafür baut der frühere Procter & Gamble-Manager, der vor knapp zwei Jahren die Branche gewechselt hat, das Unternehmen um. Die Standorte in Berlin und Hannover werden geschlossen, insgesamt 140 der bisher rund 2800 Stellen in Deutschland fallen weg. Die Unternehmenssteuerung der früheren TNT Post, die sich im vergangenen Jahr in Postcon umgetauft hat, wird zentral am Hauptsitz in Ratingen gebündelt. Zugleich wird der Vertrieb neu geordnet, um Reibereien zwischen den Sparten zu beseitigen und die Kunden aus einer Hand zu bedienen. „Wir haben teilweise immer noch Strukturen wie ein Start-up und wechseln nun in eine neue Reifephase“, sagt Gottschalk. Postcon befördert nach eigenen Angaben mehr als eine Milliarde adressierte Sendungen im Jahr. Über ein eigenes regionales Zustellnetz im Großraum Frankfurt, im Rheinland und im Ruhrgebiet werden etwa 20 Prozent der deutschen Haushalte erreicht. Außerhalb davon kooperieren die Ratinger mit Zustellpartnern wie der Pin Mail in Berlin und PostModern in Dresden und können so den größten Teil der deutschen Briefkästen ansteuern. Frühere Gedankenspiele, auch Privatkunden zu bedienen, hat Gott- Die Niederländer erreichen 20 Prozent der deutschen Haushalte. schalk ad acta gelegt. „Höchstens 4 Prozent aller Briefe kommen noch von privat. Es wäre nicht sinnvoll, wenn wir in dieses Segment hineingingen“, sagt er. Die wenigen orangefarbenen Briefkästen im Raum Frankfurt wurden schon wieder abmontiert. Ein Hauptstandbein ist die „Konsolidierung“: Das Unternehmen holt Geschäftspost ab und sortiert sie nach Postleitzahlen für den späteren Versand mit der Deutschen Post, die für diese Vorleistungen auf Geheiß des Kartellamtes hohe Rabatte einräumen muss. Etwa 40 Prozent aller Sendungen von Postcon würden über den Bonner Konzern zugestellt. „Wir sind der mit Abstand größte Kunde der Post“, sagte Gottschalk, der sich deshalb lieber als „Partner“ denn als „Rivalen“ der Deutschen Post bezeichnet. Das hindert ihn aber keineswegs daran, die Chancen zu nutzen, welche die wiederholten Preiserhöhungen des Platzhirsches eröffnen: „Durch die Portoan- hebungen ist der Markt in Bewegung geraten, die Kunden sind eher bereit zu wechseln.“ Gleichzeitig verschafft das höhere Porto den zumeist sehr eng kalkulierenden Konkurrenten mehr Luft zum Atmen. Im Windschatten der Post hat auch Postcon seine Tarife mehrfach erhöht. Im Gegensatz zu dem von Paketund Expressdiensten dominierten Wettbewerberverband BdKEP hofft Gottschalk deshalb darauf, dass die Bundesregierung der Post einen größeren Spielraum für künftige Portosteigerungen zugesteht. „Das wäre ein Zeichen für die ganze Briefbranche“, sagt er. Ein entsprechender Entwurf des Bundeswirtschaftsministeriums liegt schon auf dem Tisch. Nach einer langen Durststrecke war Postcon zur Jahrtausendwende auf dem deutschen Markt angetreten, 2013 hat man zum ersten Mal einen operativen Gewinn geschafft. Im Geschäftsjahr 2014 schrieb man allerdings schon wieder Verlust, weil die Deutsche Post ihren Großkundenvertrieb sehr stark ausbaute © Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt. Zur Verfügung gestellt vom Frankfurter Allgemeine Archiv. Foto Picture-Alliance/dpa und Marktanteile zurückeroberte. Der Umsatz von Postcon sank um 4 Prozent auf knapp 490 Millionen Euro. Möglicherweise war dabei seitens der Post auch illegales Preisdumping im Spiel: Das Bundeskartellamt sieht dafür starke Anhaltspunkte und ermittelt seit Monaten gegen die Post. Spätestens 2016, meint Gottschalk, werde Postcon wieder „in Richtung schwarze Null“ gehen. Für den Umsatz erwartet er in diesem Jahr nur ein niedriges einstelliges Plus. Vorrang habe es, das Unternehmen für die Zukunft fit zu machen. Und langfristig? „Man muss demütig sein und mit beiden Füßen auf der Erde“, sagt Gottschalk, der davon überzeugt ist, dass die Deutsche Post den Markt noch auf sehr viele Jahre hinaus dominieren wird: „Dass ihr Marktanteil auf weniger als 80 Prozent sinkt, kann ich mir einfach nicht vorstellen.“ Aber das wäre ja schon was. „In fünf, sechs Jahren könnte Postcon bei 12 oder 13 Prozent Marktanteil stehen“, glaubt Gottschalk.
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