Buriram, rund 410 Kilometer östlich von Bangkok und

Buriram, rund 410 Kilometer östlich von Bangkok und mit 1,6 Millionen Einwohnern bevölkerungsreich, galt lange Zeit als verschlafene Provinz im ländlichen Nordosten Thailands ohne spezielle Ausstrahlung. Die wirtschaftliche Ertragskraft basierte hautsächlich auf dem Anbau von Reis und Zuckerrohr. Vier Fünftel der arbeitenden Bevölkerung sind noch heute in der Landwirtschaft beschäftigt.
Umgangssprache der rund 1,5 Millionen Einwohner ist Lao, wobei im Verkehr mit Behörden und
Bangkok das in der Schule gelernte Thai verwendet wird. Daneben gibt es sprachliche Minderheiten,
wobei immerhin ein Viertel Khmer als Erstsprache angibt. Zahlreiche junge Leute verlassen notgedrungen ihre engere Heimat und verdingen sich in der fernen Landeshauptstadt oder sogar im Ausland. Die Zeiten ändern sich in Buriram nur langsam, aber gründlich – und das nicht erst in neuerer
Zeit. Buriram hat eine illustre Vergangenheit - und wenn es nach dem Willen eines Ex-Politikers geht
eine schillernde Zukunft.
Allee und Treppe zum Heiligtum von Phanom Rung
Illustre Vergangenheit - schillernde Zukunft
Die Provinz hat eine enorme kulturelle Bedeutung, da mehrere herausragende Bauwerke aus der Angkor-Periode in ihren Gemarkungen liegen. In Buriram fanden sich auch zahlreiche Bronzeskulpturen
aus dem achten und neunten Jahrhundert im Stil von Prakhonchai und Ban Fai, die zu den schönsten
Bildwerken Thailands gehören und heute in den wichtigen Museen der Welt zu sehen sind. Die Provinz
muss jedoch sehr viel früher besiedelt gewesen sein, mindestens in der späten Eisenzeit, also vor rund
2000 Jahren. Die Menschen waren schon damals hauptsächlich in der Landwirtschaft beschäftigt und
organisierten sich in dörflichen Gemeinschaften. Sie verstanden sich auf die Schmelztechnik für Metall,
stellten Werkzeuge aus Eisen her und standen im Austausch mit maritimen Gemeinschaften. Seit dem
fünften Jahrhundert gab es Handelsbeziehungen mit Vietnam und Südchina. Der Handel florierte auch
in westlicher Richtung nach Indien und bis in den Mittelmeerraum. Nachdem im 15. Jahrhundert ein
grosser Teil des Herrschaftsbereichs der Khmer an das Königreich von Ayuthaya gefallen war, verschwand Buriram praktisch von der historischen Landkarte.
Wer noch weiter zurückblickt– viel weiter – und sich für die Erdgeschichte interessiert, kann auf einer
Hängebrücke über einen erloschenen Vulkan laufen. Die Lava brodelt nicht mehr in Buriram, dafür geht
es auf dem Fussballplatz heiss zu und her. 2011 erhielt Buriram, was in etwa "Stadt des Wohlgefallens"
bedeutet, das bis dato grösste Fussball-Stadion Thailands mit 32'600 Plätzen; der FC Buriram United
ist eine der erfolgreichsten Mannschaften des Landes. Nicht wenig zu diesem Höhenflug beigetragen
hat der passionierte Motorradfahrer und schillernde Ex-Politiker Newin Chidchob, der früher zu Thaksin Shinawatras Anhängern gehörte, aber Ende 2008 zusammen mit seinen Verbündeten die Fronten
wechselte. Von der nationalen politischen Bühne wurde er durch Richterspruch zwar verbannt, engagierte sich dann aber umso hartnäckiger für die wirtschaftliche Entwicklung seiner Heimatprovinz. Seit
2014 verfügt Buriram sogar über eine Automobil- und Motorrad-Rennstrecke, die sich für Formel-1Rennen eignet (Chang International Circuit). In den Augen der lokalen Wirtschaftsplaner soll Buriram
zu einer touristischen Destination ersten Ranges werden. Die Voraussetzungen dazu sind vorhanden.
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Phanom Rung und das Heiligtum aus dem 12. Jahrhundert
Naga-Wächter beim Aufgang zum Heiligtum
120 Kilometer südöstlich von Khorat und rund 60
Kilometer südlich der Provinzhauptstadt, erhebt
sich auf einem 380 Meter hohen erloschenen
Vulkan ein hoch bedeutendes Khmer-Heiligtum:
der Prasaht Hin Phanom Rung. Es erinnert in vielerlei Hinsicht an Angkor Wat und gilt als eines
der schönsten Beispiele der Baukunst in der Angkor-Periode. „Phanom“ (Khmer: „phnom“) bedeutet „Hügel“ und weist auf das mythologische
Kailasch-Gebirge, dem Wohnsitz Shivas, hin.
„Prasaht Hin“ heisst wörtlich „Turm aus Stein“
und könnte als „befestigte Anlage“ übersetzt
werden. Der Tempel war hauptsächlich Shiva gewidmet; aber auch Vishnu erscheint in mehreren
Darstellungen und Inschriften. Nach dem Ende
des Angkor-Reiches blieb Phanom Rung für die
lokale Bevölkerung ein religiöses und spirituelles
Zentrum, das der Huldigung lokaler Schutzgeister und der Verehrung eines Fussabdrucks Buddhas diente, bis das Fine Arts Department das
Heiligtum restaurierte und 1989 den historischen Park von Phanom Rung eröffnete. Seither
wurde Phanom Rung zu einem touristischen Anziehungspunkt.
Alle wesentlichen Teile der Anlage sind zu Beginn des 12. Jahrhunderts unter Suryavarman II. aus rötlichem Sandstein und Laterit errichtet worden. Dieser Khmer-König, dessen Vorfahren aus der Gegend
von Phimai stammen, ist auch der Erbauer von Angkor Wat. Frühere Tempel an derselben Stelle gehen
auf das siebte oder achte Jahrhundert zurück. Eine wichtige Rolle bei der Errichtung des Tempels spielten der lokale Herrscher Narendraditya und sein Sohn Hiranya; deren Adelsfamilie war mit dem König
in Angkor verwandtschaftlich verbunden und diente ihm in kriegerischen und friedlichen Zeiten treu
ergeben, wie mehrere Inschriften im Tempel bezeugen.
Die Ausrichtung des Tempels ist nach Osten wie bei den meisten Tempelanlagen der Khmer. Eine 160
Meter lange Avenue, flankiert von Säulen, an deren Spitze Lotus-Knospen platziert sind, und eine breite
Treppe mit Nagas im Angkor-Wat-Stil an den Seiten, führt über mehrere Galerien zum Haupt-Prang
(Tempelturm). In dieser Richtung ist die gesamte Anlage knapp über 500 Meter lang. Ursprünglich war
dem Ostzugang ein weiterer Aufstieg von 500 Metern vorgelagert. Genau dazwischen erhob sich ein
kreuzförmiges Torgebäude; davon sind noch die Fundamente zu sehen. Von dort aus nimmt die Avenue ihren Anfang.
Der innerste und gleichzeitig höchste Bauteil der Anlage beherbergt das Hauptheiligtum. Es ist durch
eine rechteckige Galerie mit vier Toren (Gopura) abgegrenzt. Teilweise sind die Deckengewölbe der
Galerien erhalten. Der Dachgiebel des östlichen Tores zeigt auf der Aussenseite einen Hindu-Yogi, umgeben von Dienerinnen und Tänzern. Wahrscheinlich handelt es sich dabei um eine Darstellung Shivas
als dem höchsten Asketen und Heiler. Vielleicht dachten die Künstler auch an den lokalen Herrscher
Narendraditya, der in seinem späteren Leben ein Yogi wurde. In der Denkweise der Khmer war die
Vorstellung von der Verbindung des jeweiligen Königs mit Shiva durchaus geläufig. Unterhalb des
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Dachgiebels befindet sich der Türsturz, auf dem Indra zu sehen ist; er sitzt auf dem Kopf eines Kala
(Dämon) und wird von zwei Simhas (Löwen) flankiert.
Türsturz am Osttor der Vorhalle: Vishnu ruht sich auf der Schlange aus
Im Zentrum des Innenhofs erhebt sich der quadratische Prang mit vier Eingängen aus den vier Himmelsrichtungen. Dem östlichen Zugang ist eine Halle vorgelagert, deren Giebel ein Relief mit dem tanzenden, zehnarmigen Shiva (früher Angkor-Wat-Stil) ziert. Der Türsturz darunter zeigt Vishnu: Der Gott
ruht sich, den Oberkörper auf den rechten Arm gestützt, auf dem Rücken der Schlange Ananta aus,
nachdem ein Zeitalter zu Ende gegangen ist. Die Darstellung aus dem zwölften Jahrhundert zeigt deutlich, wie aus der Schlange ein Drache mit einem Löwenkopf wurde (möglicher Einfluss aus China oder
Vietnam, vielleicht aus dem Cham-Reich Vietnams). Oberhalb von Vishnu erhebt sich eine geöffnete Lotus-Blüte. Auf ihr thront Brahma, der
im Begriff ist, eine neue Welt zu schaffen. Der
Türsturz lag vor den Restaurationsarbeiten am
Boden, war aber in den sechziger Jahren verschwunden. Er tauchte eines Tages bei einer
amerikanischen Stiftung auf, die das wertvolle
Stück ans Kunstinstitut in Chicago ausgeliehen
hatte. Thailand bemühte sich erfolgreich um die
Rückgabe, und dank privaten Zuwendungen an
die Kunststiftung gelangte der Türsturz nach
Thailand zurück und ziert heute wieder den Eingang zum Hauptheiligtum des Tempels auf dem
Phanom Rung.
Der Prang in Phanom Rung: Ein Tempelturm mit
Lotusknospe
Der Hauptprang erhebt sich 27 Meter über Boden und dürfte zeitlich zwischen Phimai und Angkor Wat errichtet worden sein (frühes 12. Jahrhundert). Jede der vier Hauptecken ist durch vier
Winkel abgerundet. Auf fünf Ebenen, die nach
oben immer kleiner werden, sind zahlreiche Dekorationen angebracht. Die Spitze bildet eine Lotusknospe. Das Innere des Prang ist durch vier
Tore zugänglich, wobei der östliche Zugang einen
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eigenen Pavillon bildet. Im Zentrum des Heiligtums steht Shivas Lingum; er stellt symbolisch die Verbindung zwischen dem Gott, dem König und dem Berg als dem Wohnsitz der Götter her. Vorbild für
solche Prang dürfte der indische Tempelturm gewesen sein.
In der Südwestecke des Hofes befindet sich der Prang Noi (rötlicher Sandstein, teilweise Sandstein und
Laterit). Die Dekorationen im Kleang- oder Baphuon-Stil der Regierungszeit Suryavarmans I. (1002 bis
1050) sind älter als die Gesamtanlage. Das unvollendete Bauwerk könnte Shiva oder Vishnu geweiht
gewesen sein.
Links neben dem Eingang auf den obersten Hof (also in der Südostecke) steht ein Gebäude aus Lateritstein im Bayon-Stil (anfangs 13. Jahrhundert, Jayavarman VII. zugeschrieben), das möglicherweise
eine Bibliothek war. Auch das Gebäude auf der rechten Seite des Hauptzugangs weist dieselben Stilmerkmale auf und dürfte dem gleichen Zweck gedient haben.
Müang Tam
Rund acht Kilometer vom Phanom Rung entfernt, an ein recht grosses Baray (Wasserreservoir) angrenzend, liegt der rund hundert Jahre ältere, idyllische Prasaht Hin Müang Tam. Auch dieser Tempel (Kleang- und Baphuon-Stil) war Shiva gewidmet, da er im Innern des Hauptheiligtums einen Lingum enthielt. Die fünf zentralen Türme aus Ziegelsteinen, drei in der vorderen, zwei in der hinteren Reihe, sind
ebenfalls von Wasser in Form von vier L-förmigen, mit Nagas geschmückten Bassins umgeben; sie versinnbildlichen die vier Ozeane um den Götterberg Meru, dem Zentrum der Welt; da Treppenstufen zu
den Bassins führen, werden sie wohl auch rituellen Zwecken gedient haben. Vier Gopura (Torgebäude)
in den vier Himmelsrichtungen führen zum Zentrum, das von einer Galerie eingerahmt wird. Den fast
quadratischen Tempelbezirk (120 auf 127 Meter) umgab eine Mauer mit ebenfalls vier Torgebäuden.
Über den Toren ist auf Schritt und Tritt der bei den Khmer äusserst populäre Kala-Damon präsent, der
den Betrachter von heute eher zum Schmunzeln als zum Schaudern bringt. Der Türsturz über der Aussenseite des östlichen Torgebäudes zeigt Krishna: Als Kind spielte er mit seinen Kameraden an einem
Gewässer, das die mehrköpfige Naga-Schlange Kaliya mit ihrem Gift verseucht hatte. Der junge Gott,
eine Inkarnation Vishnus, führte über den Schlangenköpfen einen Tanz aus, der bei der Schlange eine
so fürcht
Auf einem Türsturz am vorderen Nordturm reitet Shiva mit seiner Gattin Uma den Nandi-Stier; in der
Hand trägt er eines seiner Symbole, den Dreizack; die Plattform mit der Figurengruppe steht auf dem
Kopf eines Kala-Monsters; die Merkmale der Darstellung deuten auf den Baphuon-Stil hin.
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