Donaukurier vom 03.03.2016 Wisente - Die

Donaukurier vom 03.03.2016
Die Rückkehrer
Wisente werden im Donaumoos erfolgreich gezüchtet, doch Lebensraum gibt es bislang nur im Osten
Von K. P. Frank
Kleinhohenried (DK) Zwei Herden mit 28 Tieren grasen im Donaumoos. Die Zucht verläuft erfolgreich, an eine Auswilderung
der Wisente ist aber nicht zu
denken. Anders in Osteuropa,
wo es noch Raum für das größte Landtier des Kontinents gibt
und wo es auch einen Platz im
nationalen Bewusstsein hat.
Wisenttaufen, Führungen für
Schulklassen, die großen braunen Wildrinder kommen an.
Pankraz Wechselberger, Diplom-Biologe und Leiter des Bereichs Umweltbildung im Haus
im Moos, beobachtet immer
wieder die Faszination, die viele Menschen beim Anblick der
Wildrinder erfasst. Zwei stattliche Herden inklusiver zweier
Bullen stehen in den großräumigen Gehegen des Donaumoos-Zweckverbandes.
Für
deren Gesundheit ist Amtstierarzt Johannes Riedl zuständig.
Über die Jahre hat er reichlich
Erfahrung gesammelt und gilt
in der Szene als profunder Kenner der Wiederkäuer, wie ihm
Wechselberger am Dienstag im
Rahmen eines Vortragsabends
bescheinigte. Riedl ist auch für
die Zucht zuständig. Keine
leichte Aufgabe, denn die genetische Variabilität ist begrenzt. „Man kann schnell etwas verschlechtern“, erklärt der
Veterinär. Nicht zuletzt seiner
Arbeit ist es zu verdanken, dass
das Donaumoos eines der Regionalzentren in Deutschland
ist und Erhaltungszucht betreibt, damit Europas größtes
Landtier sich nicht unter die
ausgestorbenen Arten einreihen muss.
Als der Wisent Hochkonjunktur hatte, liefen die Ahnen
des Menschen noch in Felle gehüllt durch eine unbesiedelte
Wildnis. Der Wisent gehörte zu
ihrem Leben. Viele Jahrtausende alt sind die Lehmskulpturen von Wisenten, die in der
Tuc d’Audoubert in den Pyrenäen gefunden wurden. Auf
16 000 Jahre bringt es eine Höhlenmalerei im spanischen Altamira. Etwa eine Million Jahre dürfte es her sein, dass der
Wisent in der Evolution eigene
Wege eingeschlagen hat. Mit
großem Erfolg. Zur Zeit von
Christi Geburt hatte er sich über
ganz Europa verbreitet. Doch
in der Folgezeit ging es kontinuierlich bergab. Die Ausbreitung der Zivilisation, die Zergliederung des Lebensraumes,
Partiell gute Aussichten für die Verwandten des amerikanischen Bisons. 28 Wisente inklusive zweier Bullen leben in zwei Herden rund ums
Haus im Moos. Weltweit sind es inzwischen wieder 5000 Tiere. Der Lebensraummangel und die Isolation der freilebenden Herden in Osteuropa sind aber immer noch eine Gefahr für den Fortbestand der Art.
Fotos: Frank
die Isolation einzelner Populationen, die Zunahme von Nadelwäldern, Nahrungskonkurrenz durch Haustiere und die
unkontrollierte Jagd und Wilderei brachten die Abwärtsspirale in Gang. 1900 gab es nur
noch zwei Vorkommen im Osten Polens und im Kaukasus.
1924 lebten lediglich 54 Exemplare ihrer Art. Zwölf davon
eigneten sich als Gründertiere
– ein überaus bescheidener
Genpool. Die Rettung kam spät,
aber nicht zu spät. Im Osten
Europas gibt es inzwischen
wieder 3500 freilebende Wisente, wie Johannes Riedl berichtete. Weltweit sind es 5000.
200 Herden grasen in 30 Ländern. Die größte Population lebt
in Polen. „Dort“, so berichtete
Riedl, „ist der Wisent ein Nationalheiligtum. Das Bewusstsein der Bevölkerung ist ganz
anders als bei uns.“ Die zotteligen Schädel sind auf Briefmarken abgebildet, zieren
Bieretiketten oder werden in
Plüschform als Kinderspielzeug verkauft. Deutschland
zählt 570 Tiere und kann damit die viertgrößte Population
vorweisen. Die Talsohle von
einst hat der große Wiederkäuer überwunden. „Er ist aber
nach wie vor gefährdet“, sagt
Halboffene Landschaften sind der Lebensraum der Wisente. Hier
auf den Weiden im Donaumoos fühlen sie sich wohl und werden unter genetischen Aspekten zum Erhalt der Rasse gezüchtet.
Riedl. Der Mangel an Lebensraum und die Isolation der freilebenden Herden seien das
Problem. Hinzu kommt im
Kaukasus die Kreuzung mit dem
amerikanischen Verwandten,
dem Bison. Zwar hat der Wisent in Deutschland den Status Haustier, dass es Wildtiere
sind, zeigte Riedl anhand eines
Traktorreifens, den ein wütendes Rind durchstochen hat. Eine andere Aufnahme zeigt eines der Wildrinder, wie es ein
Wildschwein attackiert und in
die Luft schleudert. Auch der
Vergleich mit den zahmen
Hausrindern verbietet sich.
„Aus dem Stand kann ein Wisent drei Meter weit und zwei
Meter hoch springen“, berichtete der Fachmann. Und kommen die Kolosse in Fahrt, hängen sie mit 50 bis 60 Stundenkilometern jeden Olympiasprinter ab. Die Bullen werden
14 bis 20 Jahre alt, die Kühe 25
bis 28. Ein richtiger Bulle bringt
bis zu 800, in Ausnahmefällen
1150 Kilo auf die Waage und erreicht eine Schulterhöhe von
maximal 2,15 Metern. Schon al-
lein diese Ausmaße setzen einer Auswilderung Grenzen. Im
Rothaargebirge wurde 2013 der
Versuch mit acht Tieren gestartet, die in die Freiheit entlassen wurden. Ganz reibungslos ist es seitdem nicht gelaufen. Die Waldnachbarn klagen
über Schälschäden. In Polen,
Rumänien und der Ukraine gibt
es noch Raum für die wilden
Rinder. „Die Zukunft größerer
Wisentherden liegt ganz klar in
Osteuropa“, ist Johannes Riedl
sicher.
Eine Reise durch Deutschland und auch einen Abstecher nach Polen hat Pankraz
Wechselberger unternommen,
um Wisentgehege zu besuchen. Am Damerower Werder,
in Hardehausen in NordrheinWestfalen, in Springe bei Hannover hat er Regionalzentren
wie das im Donaumoos besucht, war in Bialowieza in Ostpolen und an den Gattern etlicher kleiner Wisentherden
hierzulande mit seinem Fotoapparat gestanden. Sie setzen
durch die Bank auf Tourismus
und die Euro der Besucher.
Wechselberger berichtete von
seinen Reisen und kam in der
Zusammenschau zu dem Ergebnis: „Wir können uns hier
schon sehen lassen.“