Tonnenweise Schotter

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Tonnenweise Schotter
In München arbeiten die einzigen privaten Münzzähler Deutschlands
VON SVEN RIEBER
"Was ist denn eine Münzzählung", fragt der Achtjährige
seine Mama in der Tram 19
Richtung Innenstadt. Draußen an
der Landsberger Straße 133 hatte
er gerade den Schriftzug über
einem Geschäft erspäht. "Die
werden halt Kleingeld zählen",
vermutet die Mutter und bringt
ihren Sohn damit auf die nächste
Frage: "Kann ich da mein
Taschengeld zählen lassen?"
"Kann er", sagt Gerd Riedl von
der einzigen privaten Münz-zählung
Deutschlands, die seine Frau Gabi
zusammen mit Ge-schäftspartnerin
Giesela Eckl 1998 gegründet hat.
Täglich kommen hier Menschen
mit Kleingeld-sammlungen aller Art
herein. "Den Rekord halten ein
paar Bauarbeiter, die in einem alten
Aquarium als Brotzeitkasse 13.800
Mark gesam-melt hatten", erzählt
Riedl. Doch selbst machen Eckl &
Riedl ihren
Quelle: Münchner Merkur/16.04.2003
wesentlichen Umsatz mit Dauerkunden wie Automatenfirmen,
Zeitungsverteilern oder auch der
Deutschen Telekom und Banken.
Die bringen täglich in Eimern und
Kisten tonnenweise ihren "Schotter", wie Münzgeld hier genannt
wird.
Der Euro: mal sauber,
mal fettig oder schokoladig
Höhepunkt der rund vierjährigen
Firmengeschichte war bisher natürlich die Euro-Einführung. Für viele
Unternehmen haben die privaten
Münzzähler die Abwicklung der
einbehaltenen D-Mark-Bestände
abgewickelt. "Da liefen unsere
Zählmaschinen heiß" erinnert sich
Riedl. Aber mit dem Euro wurde
auch so systematisch die Arbeit
immer mehr, weil viele Banken aus
Kostengründen keine eurotauglichen Zählmaschinen anschafften
und Eckl & Riedl beauftragten. So
wächst die Kundschaft derzeit
rasant – bundesweit.
"Wir expandieren, müssen aber
aufpassen, uns nicht zu übernehmen", sagt Riedl. Darum verzichte
man auch darauf, in anderen
Städten Filialen zu eröffnen,
sondern begnüge sich vorerst mit
Logistikzentren in Köln, Hannover,
Leipzig und Berlin. Riedl: "Dort
sammeln wir die Münzen ein und
fahren sie nach München zum
Zählen." Und das Risiko dieses
Geschäfts? "Sehr gering", meinen
die Kleingeld-Experten. "Wer soll
was mit ein paar Tonnen Schotter
anfangen?"
Die Preistabelle des Unternehmens ist nach Beschaffenheit des
Geldes gestaffelt. Da bekommt
sauberes und schmutziges Geld
nebenbei eine neue Bedeutung:
"Unter sauberem Geld verstehen
wir sortenreines", erklärt Riedl. 0,5
Prozent der Zählmenge wird dafür
als Gebühr erhoben. Sind die Münzen gemischt (1 Cent bis 2 Euro)
wird 1 Prozent erhoben. Entsprechend Aufschläge gibt es bei
Vermischung mit anderen Münzen
oder Fremdkörpern. "Und davon
finden wir viel", sagt Riedl,
"Bonbons, Tabletten, Nägel …"
einmal sortierte eine der Maschinen
auch eine antike römische Münze
raus, die jemand in einen Zeitungskasten geworfen hatte. "Die war
weit mehr wert als die Zeitung",
erinnert sich Riedl an die Freude
des Zeitungsverkäufers. Aber auch
sonst erzählt das Geld viele Geschichten: Mal bekamen Eckl &
Riedl eine Schachtel voll mit
fettigen Münzen. "Die hatte ein
Metzger jahrelang unter der Stange
stehen, wo immer die frischen
Würste aufgehängt werden", sagt
Riedl. Da ist ihm der zarte Schokoladengeruch mancher Münzen
schon lieber, die gerade aus einem
Süßigkeiten-Automaten kommen.