Handelsblatt print: Nr. 039 vom 25.02.2016 Seite 001 / Seite 1 Von Elisabeth Atzler und Frank M. Drost, ©Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten Rebellion in Rot Die Angst vor der Krise lässt die Sparkassen zusammenrücken. Etliche Bankchefs denken laut über Fusionen im eigenen Lager nach. Vorbild sind die Genossenschaftsbanken. Noch zögert die Verbandsspitze. Die Bankenkrise erreicht Deutschlands Sparkassen, einst Hort der Stabilität: Chronische Minizinsen fressen die Erträge auf, härtere Vorgaben der Regulierer treiben die Kosten. Und dann müssen sie auch noch den digitalen Wandel bewältigen, der alte Geschäftsmodelle infrage stellt. Kein Wunder, dass bei den öffentlich-rechtlichen Instituten die Angst umgeht, dass aus den vielen kleinen Hiobsbotschaften eine echte Krise werden könnte. In solchen Zeiten zählt auch Größe. Und plötzlich fangen die einst so eifersüchtig ihre Selbstständigkeit verteidigenden Banken an, über etwas bislang Unmögliches nachzudenken: Fusionen im großen Stil. Den Anfang macht Ralf Fleischer, Chef der Stadtsparkasse München. Seine Kollegen müssten dringend enger zusammenrücken, das gehe nur mit Fusionen. Fleischer sieht "Handlungsbedarf auf allen drei Ebenen"- und meint damit die sechs eigenständigen Landesbanken, die neun Landesbausparkassen sowie die elf öffentlichen Versicherer der roten Finanzgruppe. Viel zu viele, findet Fleischer - und bekommt Hilfe von anderen Großsparkassen. Man könne sich viele Unternehmen "über kurz oder lang nicht mehr leisten", sagt Arndt Hallmann, Chef der Stadtsparkasse Düsseldorf. "Nicht nur die Sparkassen, auch die Landesbanken, Bausparkassen und öffentlichen Versicherer müssen für mehr Effizienz sorgen", fordert auch der Chef der Mittelbrandenburgischen Sparkasse, Andreas Schulz. Solche Postulate sorgen für Unruhe unter den insgesamt 409 deutschen Sparkassen. Besitzstandsdenken und politische Interessenkonflikte haben dazu geführt, dass die großen Konkurrenten, die Volksbanken, in Sachen Effizienz schon sehr viel weiter sind. Das Genossenschaftslager kommt mit nur einer gemeinsamen Bausparkasse, einem Versicherer und künftig auch nur noch einem Spitzeninstitut aus. Würden die Sparkassen diesem Vorbild nacheifern, könnten sie "in den kommenden Jahren rund 500 Millionen Euro Synergien heben", rechnet der Bankenexperte und Berater Bernd Nolte vor und erhöht damit zugleich den Druck auf Sparkassenpräsident Georg Fahrenschon, für mehr Bewegung in der Gruppe zu sorgen. Aber bislang laufen noch keine ernsthaften Gespräche über Zusammenschlüsse der Verbundinstitute. Fahrenschon zögere, sich an die Spitze der Konsolidierungsfans zu setzen, heißt es in Sparkassenkreisen. Ein möglicher Grund: Er war kaum im Amt, da sprach er sich für ein Zusammengehen der Bausparkassen aus - und bezog prompt Prügel. Andere Zeiten erfordern womöglich andere Maßnahmen. Kampf der Sparkassen Seiten 4, 5. Rebellion in Rot. Fortsetzung von Seite 1. Rolf Gerlach ist niemand, der deutliche Worte scheut. Der Präsident der westfälischen Sparkassen sagt gern seine Meinung - auch wenn die in der Sparkassen-Finanzgruppe nicht jeder teilt. Als Gerlach kürzlich die Zahlen seiner 70 Institute vorstellte, war wieder so ein Moment: Er forderte eine Konsolidierung im Landesbankensektor. Statt angesichts niedrigster Zinsen die Kräfte zu bündeln, hätten die Landesbanken allein in den vergangenen fünf Jahren 20 neue Standorte gegründet. "Mehr und mehr treten die Institute in Konkurrenz zueinander und auch zu den Sparkassen", kritisierte er. Gerlachs Attacke richtet sich gegen das Gebaren der fünf großen Landesbanken. Vor allem die Landesbank Baden-Württemberg hat neue Büros in Nordrhein-Westfalen (NRW) eröffnet. Allerdings fällt den Westfalen die Kritik auch leicht: Die dortigen Sparkassen haben keine Landesbank mehr. Die NRW-Institute waren einst an der Westdeutschen Landesbank (WestLB) beteiligt. Die ehemals größte deutsche Landesbank wurde auf Geheiß Brüssels abgewickelt. Indirekt greift Gerlach mit seiner Mahnung auch den Präsidenten des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV), Georg Fahrenschon, an - mit dem er eine Dauerfehde pflegt. Denn unter Fahrenschon hat sich in Sachen Fusionen wenig getan. "Wir sind mit der derzeitigen Zahl von Landesbanken nicht weit entfernt von einer optimalen Struktur. Eine einzige wie bei den Genossen sollte es nie sein", sagte er diese Woche dem Handelsblatt. Fahrenschon verweist auf den Marktanteil der Landesbanken im deutschen Unternehmenskreditgeschäft, den er auf 18 Prozent beziffert. So einen Marktanteil könne man nicht in einem Institut konzentrieren. Noch immer leisten sich die Sparkassen neben den fünf großen Landesbanken neun Landesbausparkassen und elf Versicherer. Die gut 400 Sparkassen schwören auf ihre Präsenz vor Ort. Man sei "dezentral bis auf die Knochen", heißt es stolz. Doch geht es um die Verbundunternehmen, könnte der Gruppe genau dieses Prinzip zum Verhängnis werden. "Die Dezentralität wird zum Problem", bringt es der Chef einer großen Sparkasse auf den Punkt. Einfach wird eine Konsolidierung nicht angesichts der komplexen Eigentümerstruktur bei Landesbanken, Bausparkassen und Versicherern. Der Spitzenverband der Sparkassen selbst hält keine Anteile an den Verbundunternehmen und kann deshalb nur als Moderator agieren. Eigentümer von Landesbanken, Versicherern und Bausparkassen sind die mächtigen Regionalverbände und die Bundesländer. Bei den Landesbanken sehe er noch große Widerstände in der Politik, sagt Martin Faust, Bankenprofessor der Frankfurt School. "Eine Konsolidierung kommt nur, wenn es einzelnen Instituten schlechtgeht und ihre eigenständige Existenz in Gefahr ist." Im EU-Beihilfeverfahren für die HSH Nordbank hat die Kommission beispielsweise durchgesetzt, dass die Landesbank innerhalb von zwei Jahren verkauft werden muss. Wie im Fall der WestLB bestimmt auch bei der HSH die Brüsseler Kommission das Geschehen, nicht die Eigentümer. Aber zumindest bei den anderen Verbundinstituten sind zaghafte Ansätze für eine Konsolidierung zu sehen. So haben sich die Landesbausparkassen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz auf einen Zusammenschluss verständigt. Mit einer Bilanzsumme von 17 Milliarden Euro entsteht die größte Landesbausparkasse in Deutschland. Sie könnte für eine Initialzündung sorgen. Kürzlich schlossen sich auch die Sparkassendienstleister NRS Norddeutsche Retail-Service und der Berliner S-Servicepartner zusammen. Entstanden ist damit der größte Anbieter von Serviceleistungen wie Kreditbearbeitung, Zahlungsverkehr oder Lohnbuchhaltung. Damit gibt es zumindest ein Beispiel dafür, dass "dezentral bis auf die Knochen" nicht in allen Bereichen gelten muss. Elisabeth Atzler, Frank M. Drost Kasten: ZITATE FAKTEN MEINUNGEN 580 Unternehmen gehören zur Finanzgruppe der Sparkassen, darunter neun Bausparkassen. Quelle: DSGV Eine Konsolidierung kommt nur, wenn es einzelnen Instituten schlecht geht und ihre eigenständige Existenz in Gefahr ist. Martin Faust Bankenprofessor an der Frankfurt School of Finance and Management Atzler, Elisabeth Drost, Frank M.
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