Heiße - Die Onleihe

Wissen
WELT AM SONNTAG
29. MÄRZ 2015
Risikantes
Cybermobbing
Kisten für
Kommunisten
ERZIEHUNG S. 66
OLDTIMER S. 70
SEITE 59
QUANTENSPRUNG
Das Mammut
im Elefanten
Die Studie ist noch nicht raus, aber
George Church kann nicht an sich
halten: Stolz berichtet der HarvardForscher, dass er mit seinem Team
Mammutgene in Elefantenzellen
eingebaut hat. Mammut und Elefant
in einem Genom vereint, obwohl sich
die Äste ihres Stammbaumes bereits
vor 440.000 Jahren getrennt haben?
Die Forscher wollen eine ausgestorbene Tierart wiederbeleben
und sie interessiert, ob man das
Erbgut von ausgestorbenen Arten so
weit rekonstruieren kann, dass daraus Tiere entstehen. Ist es möglich
Jurassic Park zu spielen?
Wahrscheinlich lässt sich das Erbgut tatsächlich rekonstruieren. Die
letzten Wollhaarmammuts ließen
zwar vor rund 3500 Jahren auf der
Wrangelinsel im Nordatlantik ihr
Leben – doch ihre Überreste sind
seither im Permafrost konserviert.
Mit viel Mühe und technischen
Tricks wird man aus vielen Zellen
genügend Erbgutstücke für den Bau
eines kompletten Genoms isolieren
können. Es ist aber fraglich, ob sich
das Erbgut eines Elefanten durch das
eines Mammuts ersetzen lässt. Technisch mag es möglich sein. Doch auf
Church und sein Team wartet da
noch viel Arbeit – sie haben bisher 14
Gene eingefügt, das Genom eines
Rüsseltiers hat aber mehr als 30.000.
Dass aus einer Elefanten-Mammut-Zelle ein lebendes Mammut
entsteht, das ist Science Fiction.
Schon bei anderen, näher verwandten Tieren (Ziege und Steinbock),
sind ähnliche Versuche fehlgeschlagen, ein Lebewesen ist eben doch
mehr als die Summe seiner Gene.
Das Mammut aus dem Elefanten
bleibt vorerst Stoff für Hollywood –
Pia Heinemann
nicht für Harvard.
Heiße
GETTY IMAGES
Bienen
Brückenbau: Bienen verhaken sich zu langen Ketten, wenn sie neue Waben anlegen
W
VON CAROLA MENSCH
Die Sauna schützt das Volk vor Varroa-Milben, sagt Diplomingenieur Rossa,
der die Apparatur entwickelt hat. Die
Milbe, ein blutsaugender Parasit, hat
laut Deutschem Imkerbund dafür gesorgt, dass im vergangenen Winter rund
30 Prozent aller Völker eingegangen
sind. Trotz aller Anstrengungen waren
Hunderttausende elend verendet, die
Imker sind verzweifelt. Als die bahnbrechende Rettung der Honigbiene bringt
nun Rossa seine Bienensauna auf den
Markt. Doch nicht alle Imker sind überzeugt. Und manche Experten halten die
Sauna für völlig überflüssig.
Das Prinzip ist einfach: Honigbienen
vertragen Temperaturen von bis zu 45
Grad Celsius, Varroa-Milben nicht. Sie gehen bei knapp 40 Grad zugrunde. Die
Wärmebehandlung befreit die Bienen also
von der Milbe. Ohne Chemie. Und ohne
den Bienen zu schaden. So zumindest die
Idee. Rossa benutzt deshalb Heizplatten,
die er wie eine Schublade unter die gängigen Bienenstock-Modelle schiebt. Lüfter
verteilen die Wärme im Bienenstock.
Strom kommt aus der Steckdose oder
vom Akku, damit die Sauna mobil ist.
Je nachdem, ob das Bienenvolk gerade
brütet oder Honig trägt, läuft die Sauna
nach einer Vorwärmphase für 45 Minuten bis zu zwei Stunden lang auf 42 Grad
Celsius. Feuchtigkeit, Belüftung und
Sauerstoffgehalt im Stock werden konstant gehalten. Das ist das ganze Geheimnis der Sauna. Bis zu 90 Prozent aller Milben seien nach der Wärmedusche
abgetötet, sagt Rossa. Zwei Mal im Jahr
Imker kämpfen seit
Jahren gegen die
tödliche Varroa-Milbe.
Allein im letzten
Jahr soll sie in
Deutschland mehrere
Hunderttausend
Bienenvölker vernichtet
haben. Doch nun soll
alles besser werden,
dank einer
„Bienensauna“
DER PARASIT
Die Varroa-Milbe (Varroa destructor) ist zwischen einem und
zwei Millimeter groß. Sie kommt
ursprünglich aus Asien. 1967
wurde sie erstmals in Osteuropa
gefunden, zehn Jahre später auch
in Deutschland nachgewiesen.
Ihre Eier legen die Milben in den
Brutkammern der Bienenlarven
ab, hier schlüpfen und entwickeln
sie sich auch. Die Milben ernähren
sich später vom Blut der Bienen,
wodurch die Insekten geschwächt
werden. Wo viele Bienenstöcke
nah beieinander stehen, breitet
sich die Milbe schnell auf weitere
Völker aus. Imker sind daher
verpflichtet, ihre Völker gegen
den Befall zu behandeln.
sollte ein Imker sie nutzen, dann hätten
die Bienen Ruhe vor den Blutsaugern.
Dass der Bienenfreund Rossa überhaupt auf die Temperaturvorlieben von
Milbe und Biene aufmerksam wurde,
hängt mit einem einschneidenden Erlebnis zusammen. Wie jeder Imker hatte er
zunächst versucht, seine Bienen mithilfe
von Oxalsäure von den Parasiten zu befreien. Das empfehlen auch Imkerverbände. Eine verdünnte Lösung der Säure
wird im Winter mit einer Spritze auf die
Bienen in ihrem Stock geträufelt. Putzen
sich die Insekten, verteilen sie die SäureLösung allmählich im ganzen Volk. Die
Milben, die sich auf den Bienen festgebissen haben, werden von der Säure getötet.
Ähnlich funktioniert die gängige Behandlung mit Ameisensäure im Spätsommer.
Dabei wird die Lösung auf ein Tuch oder
in ein spezielles Gerät gegeben und verdunstet langsam im Bienenstock, sodass
alle Bienen davon benetzt werden.
Doch was Richard Rossa bei der Oxalsäurebehandlung erleben musste, zerriss
ihm das Imkerherz: „Augen, Flügel und
Beine waren von den chemischen Mitteln verätzt, das Resultat war ein Volk
von Invaliden.“ Seine Honigbienen überlebten den Winter nicht. Nie wieder,
schwor er sich, werde er Oxalsäure auf
seine neuen Völker träufeln.
Deshalb suchte er nach Alternativen –
und fand den Trick mit der Hyperthermie. Ein jahrzehntealtes Verfahren, dass
sich bislang aber nicht durchsetzen
konnte. „In der DDR und in Russland
gab es riesige Geräte für diese Behandlung“, erklärt Rossa. „Sie konnten nur
mit einem Gabelstapler oder einem
Traktor bewegt werden und man musste
den ganzen Bienenstock hineinstellen.“
Völlig unpraktisch. In Österreich nutzen
Imker seit 2011 ein etwas kleineres Gerät:
den Varroa-Controller. Aber auch der ist
in Rossas Augen zu groß, zu unhandlich.
Außerdem müssen Imker von Hand Wabenrahmen für Wabenrahmen aus dem
Stock herausnehmen und in den kühlschrankgroßen Controller hängen. „Dabei behandelt man nicht das ganze Volk,
sondern nur die Brut.“
Keine Alternative für Richard Rossa.
Er fing an nachzudenken, zu konstruieren und zu basteln. Heraus kam die „Bienen-Sauna“ – und ein neuer Vollzeitjob
für den Hobbyimker.
Bei der Vermarktung des Gerätes hilft Bienen haben.“ Das Unternehmen „Bieihm der Unternehmensberater Florian nen-Sauna“ müsse erst einmal Daten lieDeising, mit sehr zeitgemäßen Metho- fern, damit Forschung an dem Verfahren
den: Crowdfunding-Kampagnen für die betrieben werden könne.
Bienen-Sauna wurden auf den Portalen
Es gebe auch praktische SchwierigkeiEcocrowd und Indiegogo gestartet, ten, so Boecking: „Die Völker müssen je68.400 Euro kamen durch 365 Spenden weils rund zwei Stunden lang mit der
innerhalb von zwölf Wochen für das Sauna behandelt werden. Wie soll ein
Projekt zusammen.
Imker mit hundert Bienenstöcken das
Deising organisiert derzeit Treffen handhaben?“, fragt er. „Imkern und Bieund Vorführaktionen mit Imkern in ganz nen ist damit nicht geholfen.“ Das InstiDeutschland. Wer handwerklich begabt tut für Bienenkunde habe mit der Säureist, kann selbst für ein Wochenende an behandlung ein verlässliches Konzept
der Bienen-Sauna mitbauen. „Wir wollen gegen die Varroa-Milbe entwickelt. „Die
daraus eine Bewegung machen“, sagt Imker müssen es nur richtig umsetzen.“
Deising. 110 Vorbestellungen gibt es beWolf Engels, ehemaliger Professor für
reits für das Gerät, das zwischen 1300 Zoologie an der Uni Tübingen, ist sogar
und 1500 Euro kostet. Für die ersten Ge- gegen die Einführung der Sauna. Immerräte müssen die Unternehmer allerdings hin hat er die Hyperthermie jahrelang
investieren, denn die
erforscht, der kühlCrowdfunding-Unterschrankgroße Varroastützer bekommen einen
Controller geht auf seiRabatt. In den kommenne Beratung zurück.
den Tagen soll die erste
Das sei genau das richtiBienen-Sauna ausgeliege Gerät für die Befert werden.
handlung, sagt er. „DieUnd die Imker? Erika
se Methode funktioMayr aus Berlin will das
niert. 80 bis 90 Prozent
Gerät testen. Zusammen
der Milben sitzen in der
mit anderen Imkern will
Brut. Damit werden die
sie beobachten, wie ihre
meisten abgetötet.“
Völker auf die HyperGegen die Sauna
thermie reagieren. „Wir
spreche, dass Bienen
jungen Imker möchten
Hitze keineswegs einWolf Engels, Zoologe
eine Alternative zur chefach ertragen. „Sie braumischen Varroa-Behandchen eine konstante
lung“, erklärt sie. „Es gibt allerdings Temperatur von etwa 30 bis 35 Grad in
noch vieles, was bei der Anwendung der ihrem Stock. Wenn die Temperatur zu
Bienensauna ungeklärt ist.“ Sie wartet stark steigt, fangen die Bienen an, den
erst einmal ab, wie ihre Bienen den Sau- Bienenstock durch wildes Flügelschlanagang vertragen werden.
gen zu kühlen. Wenn sich das Volk daOtto Boecking ist ziemlich skeptisch. durch selbst überhitzt, kann es zugrunde
Er ist Fachmann für die Varroose am In- gehen.“
stitut für Bienenkunde des NiedersächsiFür Rossa ist das kein Gegenarguschen Landesamts für Verbraucher- ment. Er sehe doch, dass es seinen Bieschutz und Lebensmittelsicherheit in nen gut geht. „Sie bleiben im BienenCelle. „Dieses technische Gerät ist stock ganz ruhig sitzen.“ Die kranken
wahnsinnig teuer und wurde bisher in Völker, die er mit der Sauna behandelt
keiner Weise wissenschaftlich über- habe, seien später zu den stärksten und
prüft“, kritisiert er. Es sei nicht bekannt, vitalsten Völkern der Imker geworden.
welche Langzeiteffekte eine veränderte
Um alle Einwände abzuwehren, wolTemperatur auf die Proteine der Bienen len Deising und Rossa die Sauna nun
habe, sagt er und glaubt nicht, dass die wissenschaftlich untersuchen lassen.
Hyperthermie den Bienen nicht schadet: Noch haben sie kein Bieneninstitut ge„Wenn ich in das ökologische System funden, das ihnen dabei hilft. Aber sie
eingreife, um den Parasiten zu reduzie- sind überzeugt: „Unser Verfahren wird
ren, muss das auch einen Effekt auf die die alten Methoden ablösen können.“
QUÄNTCHEN
„18 Prozent in 18
Jahren ist wirklich
eine Menge“
Fernando Paolo
von der Scripps Institution of Oceanography hat das Dünnerwerden des Schelfeises in der Antarktis von 1994 bis 2012
mithilfe von Satellitendaten analysiert.
„Wenn sich
ein Volk
überhitzt,
kann es
zugrunde
gehen“
BEFUND
GETTY IMAGES
enn Richard
Rossa seinen
Bienen etwas Gutes
tun
will,
dann schickt
er sie in die
Sauna. Ihren Bienenstock verlassen müssen sie dafür nicht. Rossa schiebt einfach
Heizplatten unter die Waben, schaltet
Wärme und Lüftung ein, und heizt den
Bienenstock auf. Bis zu zwei Stunden
kann so ein Saunagang dauern. Die Temperatur ist stets dieselbe: 42 Grad. Ein
Computer sorgt dafür, dass sie exakt eingehalten wird.
Lepra gab es schon vor zehn Millionen Jahren, berichten Forscher des
Max-Planck-Instituts für Menschheitsgeschichte und Stewart Cole
von der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Lausanne. Sie
entschlüsselten das Genom des Mycobacterium lepromatosis aus dem
Gewebe eines Lepromatose-Patienten. Diese seltene Form der Lepra
kommt heute hauptsächlich in Mittelamerika vor. Ihr Erreger gilt als
nächster Verwandter des klassischen
Erregers Mycobacterium leprae. Beide
verursachen ähnliche Symptome und
werden klinisch erst seit wenigen
Jahren unterschieden. Der Genomvergleich zeigte, dass sich die zwei
Bakterien stark in ihrer DNA unterscheiden und einen gemeinsamen
Vorfahren vor mehr als zehn Millionen Jahren hatten. Damit gehören
Lepra-ähnliche Krankheiten zu den
ältesten menschlichen Krankheiten.