Gefährliches Akne-Medikament | Manuskript Gefährliches Akne-Medikament Bericht: Andreas Rummel Bettina Hildebrand-Lange auf dem Weg zum Grab ihres Sohnes. Alexander litt jahrelang unter Depressionen, am Ende hielt er es nicht mehr aus. Der 23-Jährige meinte, den Grund für seine Depressionen zu kennen: ein Medikament, das ihm gegen seine Akne verordnet wurde. Bettina Hildebrand-Lange: "Als er mir das erzählte, dass das Medikament den Ausschlag gegeben hat für seine Krankheit, war ich ganz erleichtert und habe zu ihm gesagt: Na, dann haben wir doch jetzt eine Lösung, wo wir weiterarbeiten können dran und therapeutisch, aber er hat es eben nicht so gesehen und hat sich ein paar Tage später das Leben genommen." Im vergangenen Sommer stürzt sich Alexander von einem Parkhaus. Er hinterlässt einen Abschiedsbrief, in dem er seiner Familie die Gründe für seinen Selbstmord erläutert. Zitat aus Alexanders Abschiedsbrief: "Meine erste Depression bekam ich kurze Zeit, nachdem ich die Therapie mit Roaccutan begonnen hatte. Bevor ich begann Roaccutan einzunehmen, hatte ich noch nie derartige Trauer und Schwermut erlebt." Auf dem deutschen Markt ist das Medikament Roaccutan nicht mehr erhältlich – doch es gibt inzwischen etliche Medikamente mit demselben zentralen Wirkstoff. Er heißt Isotretinoin und gilt als sehr wirksam. Wie häufig es zu dramatischen Nebenwirkungen kommt, kann niemand genau sagen. FAKT liegen Zahlen der Europäischen Aufsichtsbehörde vor. Demnach wurden seit Mitte der 90er-Jahre mehr als 700 Selbstmorde und Selbstmordversuche registriert. Und das sind nur die gemeldeten Fälle. Auch der Sohn von Tho Pham-Tran nahm sich im vergangenen Sommer das Leben, mit 20. Als ein Hautarzt ihm ein Medikament mit Isotretinoin verschreiben will, lehnen Mutter und Sohn wegen der langen Liste an Nebenwirkungen erst mal ab. Doch der Hautarzt beruhigt die beiden. Tho Pham-Tran: "Ich muss sagen, ich hab dem Hautarzt auch blind vertraut. Wir beide, Mutter und Kind, haben dem Hautarzt blind vertraut - das war falsch!" Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf nur für den privaten Gebrauch des Empfängers verwendet werden. Jede Verwertung ohne Zustimmung des Urheberberechtigten ist unzulässig. 1 Gefährliches Akne-Medikament | Manuskript Der Arzt von Lam-Son will nicht mit uns reden. Klar ist aber: Es sind ganz offensichtlich sehr viele Hautärzte, die die möglichen Nebenwirkungen von Isotretinoin fatal unterschätzen. Eine Hautarztpraxis in der Nähe von Hamburg. Dieser Arzt zum Beispiel preist im Internet Isotretinoin als Wundermittel an. Er sagt, er informiere über alle Nebenwirkungen. Doch davon kommt bei den jungen Patienten und ihren Eltern offensichtlich nicht viel an. Mutter eines Patienten: Frage: "Hat er mit Ihnen über Depressionen gesprochen, die sich einstellen können?" "Nein." Frage: "Psychische Dinge?" "Also ich denke mir auch, dass der Doktor so gute Erfahrungen gemacht hat, dass er dann auch die Patienten nicht verängstigen will." Dr. Ulrich Karsten, Hautarzt "Ich gebe ihnen einen Verweis auf meine Internetseite. So dass sie das alles noch mal nachlesen können. Und da steht das drin." Frage: "Nein, auf Ihrer Internetseite steht: 'Depressionen werden im Beipackzettel ebenfalls erwähnt, die Dermatologen sind sich aber weitgehend einig, dass die Depressionen eher auf die Akne zurückzuführen sind, als auf die Tabletten.' Das steht im Internet!" "Das ist auch meine Meinung. Und das erzähle ich den Leuten auch. Und dann können sie das auch noch mal nachlesen." Also auch dieser Arzt hält die Nebenwirkung Depression für Unsinn und erzählt das auch seinen Patienten. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, kurz BfArM, in Bonn – die deutsche Zulassungsbehörde. Wir spielen dem Präsidenten die Aussagen des Arztes vor. Dr. Walter Schwerdtfeger, Präsident des BfArM: "Es ist unverantwortlich. Weil er eigentlich die Verpflichtung hat, alle Risiken, vor allen Dingen die schwerwiegenden, und das sind ja hier unter Umständen schwerstwiegende, tatsächlich sorgfältig mit den Patienten zu besprechen und auch in Abstimmung mit dem Patienten dann die geeignete Therapie zu finden." Unverantwortlich also. Tatsache ist, dass zum Beispiel in den USA eine strenge Überwachung der Patienten auf Symptome von Depression vorgeschrieben ist. Nur die Fachgesellschaft der deutschen Hautärzte sieht das anders. In ihren Behandlungsleitlinien wird behauptet, in Europa sei eine engmaschige Überwachung der Patienten auf Depressionen nicht erforderlich. Wir fragen den Sprecher der Fachgesellschaft. Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf nur für den privaten Gebrauch des Empfängers verwendet werden. Jede Verwertung ohne Zustimmung des Urheberberechtigten ist unzulässig. 2 Gefährliches Akne-Medikament | Manuskript Prof. Christos Zouboulis, Medizinische Fachgesellschaft der Dermatologen: "Die Amerikaner möchten eine besondere, engmaschige Kontrolle auf Depression – die in Europa nicht notwendig ist. Diese Nicht-Notwendigkeit belegen, wie gesagt, auch alle aktuellen Studien!" Nur: In den Fachinformationen zu Isotretinoin, die von der Zulassungsbehörde vorgeschrieben werden, steht, dass die Überwachung der Patienten sehr wohl erforderlich ist. Weshalb sich der Präsident des BfArM über die Feststellungen der Ärzteorganisation wundert. Dr. Walter Schwerdtfeger, Präsident BfArM: Frage: "Wie verstehen Sie diese Aussage?" "Die ist falsch. In Hinblick auf die mögliche Ausbildung von Symptomen von Depression, da ist eine regelmäßige, kontinuierliche Überwachung verpflichtend." Ein erneutes Interview mit der Fachgesellschaft bekommen wir nicht. Aber man teilt uns mit: Die Leitlinie werde kurzfristig geändert. Und tatsächlich heißt es dort seit diesem Wochenende sinngemäß: Die Patienten sollen kontinuierlich hinsichtlich Depressionen beobachtet werden. Lam–Son und Alexander hilft das nicht mehr. Aber anderen Betroffenen – jedenfalls dann, wenn der sorglose Umgang vieler Hautärzte mit den Nebenwirkungen von Isotretinoin tatsächlich ein Ende hat. Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf nur für den privaten Gebrauch des Empfängers verwendet werden. Jede Verwertung ohne Zustimmung des Urheberberechtigten ist unzulässig. 3
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