Liquiditätssteuerung im Bauunternehmen – nur etwas für Experten? Die Steuerung der Liquidität bewegt sich bei den meisten Bauunternehmen im Spannungsfeld zwischen dem gelegentlichen Blick auf den Kontostand und dem Einsatz von ausgereiften sowie komplexen Systemen. Nicht selten sind diese Werkzeuge Teil eines gesamten Controlling-Systems, die ausschließlich von Experten bedient und deren Ergebnisse von diesen interpretiert werden können. Es zählt jedoch zu den ureigenen Aufgaben des Unternehmers die kurz- und mittelfristige Entwicklung der Liquidität aktiv zu steuern. Schon durch einfache Tools hat der Bauunternehmer seine Zahlungsströme im Blick und kann frühzeitig bei Engpässen gegensteuern. Im ersten Teil dieses Artikels soll die grundsätzliche Bedeutung der Liquiditätssteuerung für die Bauunternehmen dargestellt werden. Im zweiten Teil werden die konkreten Fragen der Liquiditätssteuerung aufgegriffen und praktische Lösungsansätze zur individuellen Steuerung der Liquidität angegeben. Die vorhandene Liquidität (Zahlungsmittel) ist Ausdruck der Fähigkeit des Bauunternehmers, seine fälligen Verbindlichkeiten fristgerecht und uneingeschränkt zu begleichen. Diese Fähigkeit ist wesentlich von der Tatsache abhängig, in angemessener Weise Gewinne aus dem operativen Geschäft heraus zu erwirtschaften. Ausbleibende Gewinne führen im Zeitablauf zu einem Mangel an der Liquidität. Der 1 Gesetzgeber hat sich in der Insolvenzordnung (InsO) mit dieser Situation beschäftigt und den Tatbestand der Zahlungsunfähigkeit als eine Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags geregelt. Aber neben der Frage der grundsätzlichen Verfügbarkeit spielt der Zeitpunkt der eingehenden und ausgehenden Zahlungsströme eine wesentliche Rolle für das Vorhanden sein ausreichender Liquidität. Diese Zahlungsströme sind u.a. von den rechtlichen und technischen Rahmenbedingungen des Baugewerbes abhängig. Die Bauwirtschaft als Bereitstellungsgewerbe Wesentliches Kriterium der Bauwirtschaft ist es, dass dieser Wirtschaftszweig ein Bereitstellungsgewerbe ist. Die Unternehmen (Anbieter) stellen die Struktur zur Erstellung von Bauleistungen nach den Wünschen und Bestellungen des Auftraggebers zur Verfügung. Die öffentlichen und privaten Nachfrager fordern diese Kapazitäten ausschließlich im Bedarfsfalle ab. Eine Lagerhaltung ist bei Bauleistungen nur in wenigen Ausnahmefällen möglich. Analog zu allen Wirtschaftszweigen, die projektbezogen ihre Leistungen erbringen, ist die Auslastung im Bauunternehmen u.a. von kontinuierlichen Folgeaufträgen abhängig. Eine beständige L IQ U I D I TÄT S S T E U E R U N G I M B AU U N T E R N E H M E N Auslastung ist ein wesentliches Kriterium für regelmäßige Zahlungseingänge. Der Werkvertrag als rechtliche Basis In der Regel plant der Auftraggeber, bauliche Maßnahmen an einem bestehenden oder neu zu errichtenden Bauwerk vorzunehmen. Hierzu beauftragt er Architekten und Fachplaner mit der Erstellung der Planung vom Entwurf bis zur Ausführungsreife. Haben die Planer die bauliche Aufgabe technisch und künstlerisch intensiv durchdrungen, so kann für das ausführende Bauunternehmen eine Leistungsbeschreibung (Leistungsverzeichnis) erstellt werden. Diese Beschreibung stellt die Grundlage für die Kalkulation des Preises dar. Im Auftragsfalle wird kein Kaufvertrag sondern ein Werkvertrag (§§ 631 ff. BGB) geschlossen. Der Werkvertrag ist an vielen Stellen mit dem Dienstvertrag vergleichbar. Das Besondere des Werkvertrages ist, dass der Auftragnehmer die mangelfreie Herstellung des Werkes und somit den Leistungserfolg schuldet. Es ist also nicht der Zeitaufwand des Bauunternehmers, den der Auftraggeber vergütet, sondern die erfolgreiche Erstellung des Bauwerks auf Basis der Leistungsbeschreibung. Für die Liquidität im Bauunternehmen ist dies von erheblicher Bedeutung. Folgt man streng dem Text des Werkvertrages, so erhält der Bauunternehmer erst mit erfolgreicher Erstellung (Abnahme durch den Auftraggeber) des Bauwerks die vereinbarte Vergütung. Da ein Bauwerk je nach Umfang und technischer Komplexität der Erstellung sich über mehrere Jahre hinweg erstrecken kann, die Mitarbeiter und Lieferanten sowie die staatlichen Abgaben nicht über diese Zeitdauer hinweg gestreckt werden können, würde dies zum Aussterben der deutschen Bauwirtschaft führen. Über das Konstrukt der „Abschlagszahlung“ musste hier Abhilfe 2 geschaffen werden. Die Abschlagszahlung stellt jedoch in der Regel nur eine vorläufige Zahlung des Auftraggebers an den Auftragnehmer dar. Mit der Schlussrechnung für das Bauwerk (nach erfolgreicher Leistungserstellung und Abnahme durch den Auftraggeber) können bei ausbleibendem Erfolg der Leistungserbringung alle bis zu diesem Zeitpunkt geleisteten Abschlagszahlungen in Frage gestellt werden. Die VOB als umfassendes Regelwerk Die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) ist ein umfassendes Regelwerk, welches im Auftrag des Deutschen Vergabe- und Vertragsausschusses für Bauleistungen erarbeitet wurde. Die VOB gliedert sich in die Teile VOB/A: Vergabe von Bauleistungen (speziell für den öffentlichen Auftraggeber); VOB/B: Allgemeine Vertragsbedingungen für die Ausführungen von Bauleistungen und in den Teil VOB/C: Allgemeine technische Vertragsbedingungen für Bauleistungen. Die VOB ist kein Gesetzeswerk und auch keine Rechtsverordnung. Da von Seiten 55,4 44,8 21,5 32,7 1995 Aus der Sicht der Liquidität enthält § 16 VOB eine konkrete Regelung zur Stellung von Abschlags- und Schlussrechnungen. So sieht die VOB vor, dass Abschlagsrechnungen in möglichst kurzen Abständen gestellt und innerhalb von 21 Tagen nach Zugang der prüfbaren Rechnung und den zugehörigen Aufstellungen zur Zahlung fällig werden. Für die meisten Bauleiter ist es leider üblich, dass nur einmal im Monat eine solche Abschlagsrechnung aufgestellt wird. Dies kann zwar Spiegel der geübten Praxis sein, aber die VOB gibt den Rahmen auch für mehrere Rechnungen im laufenden Monat vor. Von 17,3 22,2 60,5 33,7 2014 Bauhauptgewerbe insgesamt 65,0 58,0 72,3 63,1 26,6 21,2 23,4 des Gesetzgebers bis heute kein umfassendes „Baugesetzbuch“ geschaffen wurde, stellt die VOB ein weitreichendes Regelwerk für die Beteiligten bei der Erstellung der Bauwerke dar. Die öffentliche Hand ist zur Anwendung der VOB sowohl bei der Vergabe (ab dem Schwellenwert) als auch bei der Vertragsgestaltung verpflichtet. Die VOB hat zwischenzeitlich gesetzesähnlichen Charakter erhalten. Auch der BGH erkennt die VOB als allgemeine Vertragsbedingungen an, sofern die VOB als „Ganzes“ vereinbart wurde. 40,7 1995 2014 Wohnungsbau 21,7 18,6 16,4 20,3 1995 2014 Wirtschaftsbau Betrieb mit … *Anteil nach Beschäftigtengröße in Prozent, Werte im Juni Quelle: Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V. Abb. 1: Struktur des baugewerblichen Umsatzes im Bauhauptgewerbe* 17,5 20,4 10,3 16,5 1995 2014 Öffentlicher Bau 50 und mehr 20 - 49 1 - 19 Beschäftigten großer Bedeutung ist die prüfbare Aufstellung der erbrachten Leistung durch den Bauunternehmer. Der Auftraggeber muss in der Lage sein, die in Rechnung gestellte Leistung zu beurteilen und zu prüfen. Hierzu obliegt es den operativen Baustellenverantwortlichen, die Leistung in nachvollziehbarer Weise aufzustellen und zu dokumentieren. Eine nicht prüfbare Rechnung kann vom Auftraggeber wegen fehlender Nachvollziehbarkeit zurückgewiesen werden. Das ist aus der Sicht der Liquidität des Bauunternehmens zu vermeiden. Im Projektgeschäft, somit auch im Baugewerbe, ist es üblich, dass das Leistungsversprechen, das Werk mangelfrei herzustellen, nicht nur schriftlich, sondern durch eine Bürgschaft eines Bürgschaftsgebers bekräftigt wird. In § 17 VOB unter Hinweis auf §§ 232 bis 240 BGB ist geregelt, dass Sicherheiten für die vertragsgemäße Ausführung der Leistung und für die Beseitigung von berechtigten Mängelansprüchen vereinbart werden können. Diese Sicherheiten können als Betrag (in der Regel 5-10% für die vertragsgemäße Ausführung und 3-5% für Mängelansprüche) vereinbart werden. Der Auftraggeber behält gemäß den Regelungen der VOB diese Beträge von den Abschlagsrechnungen bzw. von der Schlussrechnung ein. Das hat für die Liquidität des Bauunternehmens große Bedeutung. Der Ausführungseinbehalt bleibt bis zur erteilten Abnahme stehen und schmälert somit die Liquidität des Unternehmens. Der Einbehalt für ggf. berechtigte Mängelansprüche des Auftraggebers bleibt während der gesamten Gewährleistungszeit (3-5 Jahre) beim Auftraggeber stehen. Die VOB hat hierzu eine Alternative vorgesehen. Die Sicherheitseinbehalte können auch durch eine Bürgschaft eines gemäß VOB geeigneten Bürgen abgelöst werden. In diesem Falle erhält der Bauunternehmer die akzeptierten Summen der Abschlagsund Schlussrechnung vollständig ausbezahlt. Aus der Sicht der Liquidität ist hierbei zu beachten, dass für den Bürgschaftsgeber eine Bürgschaft ein Kreditgeschäft nach dem Gesetz über das Kreditwesen (KWG) ist. In Abhängigkeit vom Rating des Bauunternehmers sind für die Gewährung von Bürgschaften liquide Sicherheiten zu stellen, die wiederum die weitere Finanzierung über Fremdmittel einschränken. Die Sicherung der Bauhandwerker/ Baufirmen Der pünktliche Zahlungseingang für die erbrachte Bauleistung ist eine zentrale Säule der Liquiditätssteuerung. Der schlimmste anzunehmende Fall ist es, wenn die erbrachte Bauleistung vollständig ausfällt, da der unmittelbare Auftraggeber die Leistung nicht bezahlen will oder nicht bezahlen kann. Dieser Problematik ist sich auch der Gesetzgeber bewusst. Um hier Abhilfe zu schaffen, wurden in den letzten Jahren gesetzliche Regelungen geschaffen, die die Bauhandwerker/Baufirmen vor diesem Ausfall schützen sollen. Mit dem § 648 a BGB (Bauhandwerkersicherungsgesetz) hat der Gesetzgeber ein kompliziertes Sicherungsinstrument geschaffen, welches im direkten Verhältnis Bauherr (Auftraggeber) und Bauhandwerker einsetzbar ist. Der Bauhandwerker kann die Eintragung einer Sicherungshypothek am Grundstück des Bestellers verlangen. Für den Grundstückseigentümer bedeutet dies, dass bei einem ggf. anstehenden Weiterverkauf diese Hypothek die Transaktion beeinträchtigt. Aufgrund des hohen formalen Aufwands bei der Durchsetzbarkeit und aufgrund der Tatsache, dass dieses Sicherungswerkzeug nur im direkten Vertragsverhältnis Grundstückseigentümer zum bauausfüh- renden Unternehmen steht, hat sich dieses Werkzeug nicht am Markt durchgesetzt. Diesem Umstand wollte der Gesetzgeber mit dem § 648 a BGB, dem Bauhandwerkersicherungsgesetz, begegnen. Nach diesen Regelungen kann der ausführende Unternehmer eine Sicherheitsleistung in Höhe des voraussichtlichen Vergütungsanspruchs vom Besteller verlangen. Der Besteller kann nach dieser Definition auch der Generalunternehmer sein. Das wirklich revolutionäre an dieser Regelung ist, dass der zum Zeitpunkt des Anspruches bestehende voraussichtliche Vergütungsanspruch abzusichern ist. Praktisch bedeutet das, dass unmittelbar nach Auftragserteilung das ausführende Unternehmen eine Sicherheit in Höhe der Auftragssumme verlangen kann. Die Sicherheit kann in Form einer Bürgschaft erbracht werden, wobei hierbei die vom Gesetzgeber formulierten formalen Voraussetzungen zu beachten sind. Für die Bauhandwerker stellt die Bürgschaft eine Sicherheit gegen den Forderungsausfall dar. Für den Generalunternehmer/privaten Auftraggeber kann dies eine Einschränkung der Liquidität nach sich ziehen, da die Bürgschaft nach § 648 a BGB ein klassisches Kreditgeschäft ist. Das Bauforderungssicherungsgesetz (BauFordSIG) ist der aktuellste Versuch des Gesetzgebers, dafür Sorge zu tragen, dass alle am Bau beteiligten Unternehmer auch die vereinbarte Vergütung erhalten sollen. Das Gesetz selbst stammt aus dem Jahr 1909 und definierte den Begriff des „Baugeldes“. Mit dieser Definition sollte damals erreicht werden, dass z.B. Kredite, die ein Bauherr zugesprochen bekommen hat, auch zweckgebunden nur für die Erstellung des Bauwerks eingesetzt werden. Im Jahr 2009 hat der Gesetzgeber den Baugeldbegriff erweitert. Nach dem Willen des Gesetzes ist pro 3 L IQ U I D I TÄT S S T E U E R U N G I M B AU U N T E R N E H M E N Bauvorhaben das eingehende Geld des Auftraggebers beim Hauptauftragnehmer als „Baugeld“ zu betrachten. Das bedeutet, dass dieses Geld separiert und vorrangig für die Bezahlung der Nachunternehmer und Lieferanten dieses einen Bauwerks verwendet werden muss. Ist dann noch Geld auf dem „Baustellenkonto“ übrig, so dürfen davon Löhne, Steuern und allgemeine Kosten bezahlt werden. Somit kann es sein, dass auf einem „Baustellenkonto“ nicht genügend Liquidität für die Begleichung von Rechnungen vorhanden ist, während auf einem anderen „Baustellenkonto“ genügend freie Liquidität vorhanden wäre. Eine übergreifende Verwendung schließt das Gesetz grundsätzlich aus. Bei jeder Lohnzahlung z.B. müsste jedes Baustellenkonto einzeln abgeprüft werden, ob nicht zuerst Nachunternehmer und Lieferanten bezahlt werden müssten. Häufig wird übersehen, dass dieses Gesetz nicht nur für den Hauptauftragnehmer, sondern für alle Unternehmer der Wertschöpfungskette Anwendung findet. Somit müsste auch der kleinste Handwerksbetrieb diese Trennung durchführen. Das Gesetz sieht ferner zivilrechtliche als auch strafrechtliche Konsequenzen bei Zuwiderhandlungen vor. In der Praxis ist das Gesetz vollkommen untauglich und findet kaum Anwendung. Würde das Bauforderungssicherungsgesetz umgesetzt werden, so wäre es die intensivste Form der Liquiditätssteuerung und würde den organisatorischen Ablauf der Bauunternehmen vollständig verändern. Operative Einflussfaktoren auf die Zahlungsströme Neben den zuvor beschriebenen rechtlichen Rahmenbedingungen beeinflussen auch operative/technische Bedingungen der Bauproduktion den Zeitpunkt und die Höhe der Zahlungsströme: 4 Bauen ist in der Regel witterungsabhängig Technische Behinderungen beeinflussen die Liquidität Die Erstellung von Bauwerken bzw. die Revitalisierung bestehender Gebäude ist aufgrund der eingesetzten Baustoffe und Bauverfahren an vielen Stellen abhängig vom Wetter, der Temperatur, der Luftfeuchtigkeit etc. Auftraggeber und Auftragnehmer haben sich darauf eingestellt, dass der größte Teil der Bauleistung in den Monaten Mai bis Oktober erfolgt. Insbesondere der öffentliche Auftraggeber hat sein Nachfrageverhalten auf diese Situation abgestellt. So werden Ausschreibungen für neue Bauaufgaben in den Wintermonaten eines neuen Kalenderjahres veröffentlicht. Die Bauaktivitäten starten dann gebündelt im Frühjahr. Bedingt durch die Steuerung der öffentlichen Haushalte (Kameralistik) werden in den Herbstmonaten noch Bauaufgaben ausgeschrieben, die noch im selben Kalenderjahr fertiggestellt werden müssen. Neben der Witterung sind auch technische Einflüsse bei der Planung der Zahlungsströme zu beachten. Bauen bedeutet die Herstellung von Unikaten und birgt daher die Gefahr, dass nicht geplante Situationen eintreten. So berichten die Medien häufig, dass trotz bereits begonnener Bauarbeiten die Planung aufgrund von Änderungen des Bauherrn oder aufgrund von öffentlich rechtlichen Rahmenbedingungen baubegleitend geändert wird. Neben der Planungsänderung erfordert die vor Ort vorgefundene Situation in der Baugrube oder im Bestand Änderungen. In der Regel führen die Veränderungen zur Unterbrechung der Produktion und zur Frage, ob die entstehenden Mehrkosten vom Auftraggeber getragen werden oder zum geschuldeten Werkerfolg des Bauunternehmers gehören. In dieser Zeit muss in jedem Fall das ausführende Unternehmen die Produktionskosten vorfinanzieren. Dieser Ablauf ist für die Liquiditätssteuerung der Bauunternehmung von Bedeutung. Die Tatsache, dass in den Frühjahrsmonaten viele Bauaufträge zeitgleich starten, hat einen hohen Vorfinanzierungseffekt zur Folge. Die bauausführenden Firmen müssen die Ausgaben für Material, Mitarbeiter und Nachunternehmer vorfinanzieren, während die Einzahlungen aus den begonnen Bauvorhaben aufgrund der vertraglichen Regelungen erst Monate später bei den Unternehmen eingehen. Aufgrund der beschriebenen Witterungsabhängigkeit der Bauarbeiten ist die Bauproduktion in den Wintermonaten auf niedrigerem Niveau. Somit werden unmittelbar die Zahlungseingangsströme aus den Bauvorhaben geringer. Die fixen Auszahlungen für die Angestellten, Mieten, Versicherungen etc. fallen jedoch unabhängig von dieser Situation weiter an. Die Finanzierung der Bauunternehmen Das Deutsche Baugewerbe zeichnet sich durch traditionelle, mittelständische Unternehmen aus. Allein im Bauhauptgewerbe bieten über 75.000 Betriebe die Bauleistungen im Hoch- und Tiefbau an. Die durchschnittliche Anzahl der Mitarbeiter liegt unter 20 Mitarbeiter je Betrieb (siehe Abb 1.). Traditionell verfügen die meisten Bauunternehmen nur über eine geringe Eigenkapitalquote. Die berufsständischen Verbände der Bauwirtschaft weisen in ihrer Statistik eine Eigenkapitalquote von 10–15 % aus (siehe Abb 2.). Erfreulicherweise hat sich die Quote in den letzten Jahren kontinuierlich verbessert. Im Vergleich zu anderen Wirtschaftszweigen und im Verhältnis zum immanenten wirtschaftlichen Risiko der Branche ist sowohl die Eigenkapitalquote Eigenkapitalquote Umsatzrendite (vor Steuern) 13,7 14,9 12,9 Quelle: Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V. 9,7 9,4 4,8 3,5 2,5 3,5 3,3 4,0 4,3 Planung der Einzahlungen 6,8 6,3 5,5 11,4 10,8 10,5 4,7 5,0 5,5 5,8 6,1 6,6 6,4 6,2 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 Abb. 2: Umsatzrendite und Eigenkapitalquote im deutschen Bauhauptgewerbe als auch die im Durchschnitt erzielte Umsatzrendite zu gering, um Störungen bei den Einzahlungs- und Auszahlungsströmen mit eigenen Mitteln über längere Zeit auszugleichen. Die Harmonisierung der Zahlungsströme als zentrale Aufgabe der Liquiditätssteuerung Vom ersten Spatenstich auf einer Baustelle über die prüfbare Zusammenstellung der abrechenbaren Leistung, der konkreten Stellung der Rechnungen bis zum ersten Zahlungseingang für eine Baustelle können gemäß den rechtlichen, saisonalen und technischen Rahmenbedingungen zwischen acht und zwölf Wochen liegen. Da die Zeitpunkte der Auszahlungsströme anderen Gesetzmäßigkeiten folgen als die der Eingänge, ist die zentrale Aufgabe der kurz- und mittelfristigen Liquiditätssteuerung die Harmonisierung der Zahlungsströme. Damit soll das Unternehmen zu allen Zeitpunkten über ausreichend Liquidität verfügen bzw. drohende Engpässe frühzeitig erkennen und entsprechend gegensteuern können. Trotz der komplexen rechtlichen, witterungsbedingten und technischen Rahmen- Bauunternehmens passt. Sie finden nachstehend Beispiele und Erläuterungen für die Gestaltung von Liquiditätssteuerungssystemen (siehe Abb. 3). bedingungen des Bauens ist die Steuerung der Liquidität kein ausschließliches Expertenthema. Es ist und bleibt eine der zentralen Aufgaben der Unternehmensführung. In letzter Konsequenz muss ein Werkzeug eingesetzt werden, welches von den handelnden Personen bedient werden kann und welches in die bestehende Landschaft der Controlling-Werkzeuge des Liquiditätsplan Einzahlungen OPOS Anfangsbestand liquide Mittel Die geplanten Einzahlungen setzen sich aus erwarteten Einzahlungen aus bereits geschriebenen Rechnungen, also den offenen Posten, sowie aus Einzahlungen aus noch nicht fakturierter bzw. noch zu erbringender Leistung zusammen. Bei Forderungen von Bauunternehmen kann oftmals weder der Rechnungsbetrag noch der Fälligkeitszeitpunkt entsprechend der Rechnung in die Liquiditätsplanung eins zu eins übernommen werden. Vielmehr muss eine Bewertung je Kunde und je Position erfolgen (siehe Abb. 4). Hierbei ist es wichtig, das Verhalten der Kunden möglichst genau vorauszusagen. Bezüglich der Höhe der zu erwartenden Einzahlungen sind mögliche Kürzungen zu beachten. So nehmen beispielsweise Sonstiger betrieblicher Aufwand (sbA Planung) Projekt 1 KW 1 KW 2 KW 4 Wert Wert Einz. Debitoren (Offene Posten Liste) Einz. aus geplanter Bauleistung 2 Einz. Sonstige + + + Summe Einzahlungen ∑1 Ausz. Kreditoren (Offene Posten Liste) Ausz. Lieferanten für geplante Bauleistung 2 Ausz. Subunternehmer geplante Bauleistung 2 Ausz. Leasing Ausz. Löhne und Gehälter Ausz. Sozialabgaben / Soka etc. Ausz. Lohnsteuer Ausz. Umsatzsteuerzahllast Ausz. Investitionen Ausz. Sonstiger Betriebsaufwand 3 + + + + + + + + + + Summe Auszahlungen nach Fälligkeit ∑2 1 Endbestand liquide Mittel KW 3 KW … ∑ 1–2 Abb. 3: Liquiditätsplanungstool: der Liquiditätsplan 5 L IQ U I D I TÄT S S T E U E R U N G I M B AU U N T E R N E H M E N Sonstiger betrieblicher Aufwand (sbA Planung) Projekt 1 Muster Bauunternehmung GmbH KW 1 KW 4 Projekt 1: Realistische Zahlung Auftraggeber Wert Liquiditätsplan Einzahlungen OPOS KW 2 Projekt 2: Realistische Zahlung Auftraggeber Wert Projekt 3: Realistische Zahlung Auftraggeber Wert Projekt 4: Realistische Zahlung Auftraggeber KW 3 Wert Wert Projekt 5: Realistische Zahlung Auftraggeber Projekt 6: Realistische Zahlung Auftraggeber Summe Einzahlungen aus Offene Posten KW … Wert ∑ ∑ ∑ ∑ ∑ Planungen der Auszahlungen Als Strukturkosten werden alle weiteren Gemeinkosten bezeichnet, die nicht direkt einem Projekt zugerechnet werden können. Hierzu zählen u.a. Mieten, Leasing, Versicherungen, Verwaltungs- und Zinsaufwand. Größtenteils werden diese Positionen monatlich in ähnlicher Höhe zu gleichen Zeitpunkten zahlungswirksam. Ein Augenmerk bei der Planung dieser Positionen sollte auf Veränderungen z.B. zusätzliche Leasingverträge oder Sonderaufwendungen wie teure Instandhaltungsmaßnahmen gelegt werden. Die Auszahlungsplanung der Strukturkosten lässt sich mit einem Blick in die BWA plausibilisieren, in dem die Nettosumme der Kosten für einen Monat mit den Werten der Buchhaltung abgeglichen wird. Neben Aufwendungen, welche in der Gewinnund Verlustrechnung erfasst werden, können weitere Sachverhalte, wie beispielsweise Tilgungen oder Investitionen, Liquiditätsabflüsse verursachen (siehe Abb. 5). Auf der Auszahlungsseite sind zunächst alle bereits in der offenen Postenliste geprüften und freigegebenen Rechnungen gemäß Fälligkeits- oder Skontotermin zu planen. Bei den Auszahlungen, welche nicht in der offenen Postenliste erfasst werden, wird zwischen Personal- und Strukturkosten, wie beispielsweise Mieten und Büromaterialien, sowie direkt projektbezogenen Material- und Fremdleistungskosten unterschieden. Die projektbezogenen Auszahlungen für Material- und Fremdleistungen ergeben sich, in dem die künftigen Positionen der Arbeitskalkulation mit Zahlungszielen versehen werden. Insbesondere wenn größere Positionen bei verschiedenen Lieferanten mit unterschiedlichen Zahlungszielen bezogen werden können, empfiehlt es sich, die jeweiligen Szenarien in der Liquiditätsplanung abzubilden. So kann es in Phasen enger Liquidität sinnvoll sein, Abb. 4: Liquiditätsplanungstool: die OPOS-Liste Kunden regelmäßig erhebliche, teilweise unberechtigte Kürzungen vor. Auch Sicherheitseinbehalte führen zu geringeren Zahlungsbeträgen. Bis die entsprechende Liquidität dem Unternehmen dann tatsächlich zur Verfügung steht, kann einige Zeit vergehen. Des Weiteren ist der zu erwartende Zahlungszeitpunkt zu berücksichtigen. Häufig verzögern Auftraggeber ihre Zahlungen erheblich und bezahlen deutlich nach der vertraglichen Fälligkeit. In der Regel kennen die Mitarbeiter der Buchhaltung das Zahlungsverhalten ihrer Kunden recht gut. Eine weitere Hilfe ist die frühzeitige offene Kommunikation mit den Auftraggebern bezüglich Höhe und Zeitpunkt der nächsten Zahlung. Werden diese Punkte in einer Liquiditätsplanung nicht berücksichtigt, so können kurzfristig erhebliche Einzahlungen fehlen, die für geplante Auszahlungen nicht zur Verfügung stehen. Für die noch nicht fakturierten Leistungen müssen die oben genannten Punkte selbstverständlich ebenfalls bei der Planung der entsprechenden Einzahlungen berücksichtigt werden. Hierbei gibt es aber noch weitere Aspekte zu beachten. Bereits vor Projektbeginn sollte dem für die Rechnungsstellung verantwortlichen Mitarbeiter die klare Vorgabe gemacht werden, regelmäßig zu fakturieren. Wir 6 Die Personalkosten umfassen im Wesentlichen Löhne, Gehälter, Sozialversicherungsabgaben und Lohnsteuer. Die Fälligkeiten dieser Positionen sind fix und regelmäßig gleich. Die geplanten Auszahlungen für die Löhne sollten unter Berücksichtigung der zu erwartenden Stunden eines jeweiligen Monats geplant werden. Darüber hinaus sind die Beiträge zur Berufsgenossenschaft und u.U. der SOKA Bau einzuplanen. beobachten immer wieder, dass in einzelnen Projekten trotzt erheblicher operativer Fortschritte aus verschiedenen Gründen über einen langen Zeitraum keine Rechnungen geschrieben werden. Das kann die Liquidität eines Unternehmens stark belasten. Die geplanten Fakturatermine richten sich üblicherweise nach der geplanten Leistung, welche zu den jeweiligen Terminen gemäß Arbeitskalkulation erreicht sein sollte. Auf dieser Basis kann die voraussichtliche Höhe der zu stellenden Rechnung ermittelt werden. Eine regelmäßige Faktura in möglichst kurzen Abständen erleichtert erheblich die Klärung von unklaren Positionen mit dem Auftraggeber und führt somit zu schnelleren Einzahlungen. Sonstiger betrieblicher Aufwand (sbA Planung) Projekt 1 Muster Bauunternehmung GmbH KW 1 KW 4 Ausz. Kraftstoffe Wert Liquiditätsplan Einzahlungen OPOS KW 2 Ausz. Maut Wert Ausz. Ersatzteile / Reparaturen Wert Ausz. Versicherungen KW 3 KW … Wert Ausz. Steuern Wert Ausz. Telefon / Internet Wert Ausz. Raummieten Wert Ausz. Energie Wert Einordnung im Controlling-System Ausz. Rechts- und Beratungskosten Wert Ausz. Reisekosten Wert etc. Auszahlungen sonstiger betrieblicher Aufwand ∑ ∑ ∑ ∑ ∑ Abb. 5: Liquiditätsplanungstool: die sbA-Planung Liquiditätsziele (lange Zahlungsziele) vor Rentabilitätsziele, also Skonti und bessere Einkaufspreise, zu stellen (siehe Abb. 6). Eine im Bauumfeld besonders schwierig planbare Position ist die monatliche Umsatzsteuerzahlung. Grund hierfür sind sowohl bezogene als auch erbrachte Leistungen gem. § 13 b UStG. Hat ein Unternehmen keine Dauerfristverlängerung, so liegen oftmals nur wenige Tage zwischen Anmeldung und Zahlungstermin. Ist keine entsprechende Reserve eingeplant, so kann dieses zu erheblichen Problemen führen. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, dass bei der Planung zwischen Ein- und Auszahlungen mit Umsatzsteuer und ohne differenziert wird, so dass eine entsprechende Zahllast abgeschätzt werden kann. Planung der Zahlungsströme der einzelnen Projekte werden standardisierte Vorlagen an die Projektleiter gesendet, welche ausgefüllt einfach in die Gesamtdatei reinkopiert werden können. Der große Vorteil einer Excel-Lösung ist, dass die Planung mit relativ wenig Zeitaufwand regelmäßig aktualisiert werden kann, indem der Input von verschiedenen Mitarbeitern zusammengeführt wird. Dieses errechnet sich aus separaten Blättern in denen die Strukturkosten sowie Ein- und Auszahlungen aus offenen Posten und die projektbezogenen Ein- und Auszahlungen berechnet werden. Für die Liquiditätsplan Einzahlungen OPOS Muster Bauunternehmung GmbH Eine Liquiditätsplanung auf Projektebene ermöglicht eine umfassende Steuerung des Unternehmens. Bei der ernsthaften Planung werden alle Bereiche des Unternehmens regelmäßig durchleuchtet und hinterfragt. So fallen unnötige Aufwendungen eher auf und können entsprechend eliminiert werden. Ein laufender Soll-IstVergleich ermöglicht es, Abweichungen von der Planung zum tatsächlichen Ist zu identifizieren. Eine solche Liquiditätsplanung ist nicht in der Lage, ein ganzheitliches Projektcontrolling vollständig Sonstiger betrieblicher Aufwand (sbA Planung) Projekt 1 KW 1 KW 4 Erwartete Einzahlungen aus künftigen Rechnungen KW 2 Wert Materialaufwand (19 % USt.) • Debitor 1 (ZZ 14 Tage) • Debitor 2 (ZZ 7 Tage) • Debitor 3 (ZZ 14 Tage) • Debitor 4 (ZZ Sofort fällig) • Debitor 5 (ZZ 21 Tage) KW 3 Wert Wert Wert Wert Wert Wert Fremdleistungsaufwand (13b; 0 % USt.) • Debitor 6 (ZZ 21 Tage) • Debitor 7 (ZZ 7 Tage) • Debitor 8 (ZZ 14 Tage) Wert Wert Fremdleistungsaufwand (19 % USt.) Werkzeug zur Liquiditätsplanung • Debitor 9 (ZZ 14 Tage) • Debitor 10 (ZZ 14 Tage) Baustelleneinrichtung / Maschinen (19 % USt.) In der Praxis haben sich Excel basierte Liquiditätsplanungen bewährt. Hierbei wird in einem Deckblatt eine Zusammenfassung von Teilplänen als Gesamtübersicht der Ein- und Auszahlungen erstellt. KW … • Debitor 11 (ZZ 0 Tage) • Debitor 12 (ZZ 14 Tage) • Debitor 13 (ZZ 14 Tage) Summe Auszahlungen Wert Wert Wert ∑ Wert Wert ∑ ∑ ∑ ∑ Abb. 6: Liquiditätsplanungstool: Werte aus Projekt 1 7 L IQ U I D I TÄT S S T E U E R U N G I M B AU U N T E R N E H M E N zu ersetzen, jedoch kann sie frühzeitig auf mögliche Fehlentwicklungen in Projekten aufmerksam machen. Geringere und verspätete Einzahlungen sowie höhere Auszahlungen für Material oder Fremdleistungen sind ein Indiz für operative Probleme in den einzelnen Projekten. Die Qualität der gesamten Liquiditätsplanung und die Qualität der Einzelpläne lassen erhebliche Schlüsse auf den Zustand der betrieblichen Organisation zu. Sind die Prozesse und die innerbetriebliche Kommunikation gut strukturiert, so wird sich das in der Regel in einer verlässlichen Planung widerspiegeln. Des Weiteren ermöglicht die Planung, sich dezidiert mit verschiedenen Spannungsfeldern (z.B. Liquidität vs. Rentabilität) auseinander zu setzen und die entsprechenden optimalen strategischen Vorgaben für das Unternehmen zu liefern. Fazit Die aktive Liquiditätsplanung und -steuerung ist für den Bauunternehmer eine zentrale Aufgabe. Die Rahmenbedingungen des Baugewerbes bringen in dieser Hinsicht besondere Risiken und Schwierigenkeiten mit sich, die durch vorausschauendes Handeln verringert werden können. Eine Liquiditätsplanung auf der Ebene der Einzelprojekte ist die optimale Vorgehensweise. Zum einen werden auf diese Weise die Zahlungsströme besonders transparent, zum anderen lässt diese Form der Planung bereits erste Schlüsse zum wirtschaftlichen Erfolg der jeweiligen Projekte zu. Eine Excel basierte Lösung bietet den Vorteil, dass die Planung in verschiedene Teilpläne zerlegt und an die jeweiligen Verantwortlichen verteilt werden kann. Gerne sind wir Ihnen bei der Implementierung einer solchen Lösung inklusive dem Aufsatz der entsprechenden internen Prozesse behilflich. 8 Die Autoren: Andreas Schmieg Dipl.-oec. Geschäftsführer der Buchalik Brömmekamp Unternehmensberatung GmbH Leiter Competence Center Bauwirtschaft Geprüfter ESUG-Berater (DIAI) Schwerpunkte: Unternehmensführung CRO und Interimsmanagement für technische und kaufmännische Unternehmensführung, Unternehmensorganisation, Controlling Tel. 0211 - 82 89 77 0 [email protected] Benjamin Schretter Dipl.-Kfm. Manager Finance im Competence Center Controlling Buchalik Brömmekamp Unternehmensberatung GmbH Schwerpunkte: Controlling, integrierte Unternehmensplanung, Liquiditätssteuerung, operative Restrukturierung Tel. 0211 - 82 89 77 113 [email protected] Impressum: Buchalik Brömmekamp Unternehmensberatung GmbH Düsseldorf | Berlin | Dresden | Frankfurt a.M. | Stuttgart Prinzenallee 15, 40549 Düsseldorf [email protected] www.buchalik-broemmekamp.de www.bauinsolvenz-buchalik.de Redaktion: Markus Haase, Bettina Fey Tel. 0211 – 82 89 77 0 Fax 0211 – 82 89 77 111
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