Das Manuskript zum Beitrag

Manuskript
Beitrag: Die NPD vor dem Verbotsverfahren –
Hass und Hetze
Sendung vom 23. Februar 2016
von Anna Feist, Arndt Ginzel und Ulrich Stoll
Anmoderation:
Bautzen. Clausnitz. Pegida. Legida. Warum immer wieder
Sachsen? Zehn Jahre saß die NPD im Landtag und scheiterte bei
der Wahl 2014 nur knapp. So lange wie bislang in keinem
anderen Bundesland konnte die Partei, finanziert vom Staat,
staatszersetzende Parolen unters Volk bringen. Kommenden
Dienstag beginnt am Bundesverfassungsgericht das NPDVerbotsverfahren. Verhandelt wird über die Frage, ob die NPD
rassistisch und verfassungsfeindlich ist. Dazu Anna Feist, Arndt
Ginzel und Ulrich Stoll.
Text:
O-Ton Demonstranten:
Wir wollen keine Asylantenheime!
Demo der NPD in Berlin. Die Rechtsextremisten protestieren
gegen Asylunterkünfte. Die Partei profitiert von der zunehmend
fremdenfeindlichen Stimmung.
O-Ton-Sebastian Schmidtke, NPD, Vorsitzender
Landesverband Berlin:
Natürlich, wenn Menschen dementsprechend sehen, was auf
ihre Heimat zukommt, dann werden sie auch irgendwann
heller in dem Sinne und überlegen natürlich, was passiert,
was falsch passiert und schließen sich natürlich dann
patriotischen und nationalistischen Kräften an, ganz klar.
Die NPD fühlt sich im Aufwind. Doch der Bundesrat will die Partei
verbieten lassen. Ihr Programm sei rassistisch und damit
verfassungsfeindlich.
Im NPD-Parteiprogramm heißt es:
„Grundsätzlich darf es für Fremde in Deutschland kein
Bleiberecht geben, sondern nur eine Rückkehrpflicht in ihre
Heimat!“
„Deutschland muss das Land der Deutschen bleiben…“
Nachfrage beim NPD-Parteivorsitzenden:
O-Ton Frontal 21:
Deutscher kann nur sein, wer deutscher Abstammung, also
deutschen Blutes ist, das ist Ihr Programm?
O-Ton Frank Franz, NPD, Bundesvorsitzender:
Wir wollen generell zurück zum alten Staatsbürgerrecht. Dort
ist geregelt, dass mindestens ein Elternteil deutsch sein
muss. Das heißt aber nicht, dass es nicht auch eine Art
Ermessenseinbürgerung geben kann.
O-Ton Frontal 21:
Wer könnte denn eingebürgert werden? Also, welche Ethnien
dürfen denn überhaupt eingebürgert werden?
O-Ton Frank Franz, NPD, Bundesvorsitzender:
Es geht nicht um Ethnien, es geht nicht um Ethnien. Wir
haben zum Beispiel überhaupt kein Problem auch mit
europäischen Ausländern.
O-Ton Frontal 21:
Das heißt also, die NPD ist dafür, dass polnische Juden und
französische Schwarze Deutsche werden können?
O-Ton Frank Franz, NPD, Bundesvorsitzender:
Aber das ist doch ein total hypothetischer konstruierter Fall!
O-Ton Frontal 21:
Sind Sie dafür oder dagegen?
O-Ton Frank Franz, NPD, NPD-Bundesvorsitzender:
Ne, also auf solche Hypothesen lasse ich mich nicht hier ein.
O-Ton Prof. Hans-Gerd Jaschke, RechtsextremismusExperte, Hochschule für Wirtschaft und Recht, Berlin:
Die NPD hatte und hat die Position: Niemand kann Deutscher
werden, der nicht deutschen Blutes ist. Das ist die
Ausgangsposition, die wird transportiert, und insofern
werden Flüchtlinge geradezu bekämpft, eingeschüchtert,
auch bedroht von der NPD.
Nicht nur das: Im Verbotsantrag heißt es, die NPD gefährde die
Demokratie, indem sie eine „Atmosphäre der Angst“ schaffe.
O-Ton Prof. Hans-Gerd Jaschke, RechtsextremismusExperte, Hochschule für Wirtschaft und Recht, Berlin:
Die NPD schafft eine Atmosphäre der Angst in bestimmten
Regionen Mecklenburg-Vorpommerns und Sachsens vor
allen Dingen, indem sie lokal eingreift, Menschen bedroht.
Demokratische Rechte und demokratische
Mitgestaltungsmöglichkeiten von Bürgern werden
beschnitten und verhindert. Und das ist das eigentlich
Gefährliche daran.
Grevesmühlen in Mecklenburg-Vorpommern, gestern Abend: Der
örtliche Pegida-Ableger MVGida marschiert. Und die NPD mischt
mit: NPD- Plakate, Landtags- und Kommunalpolitiker der Partei,
auch der Redner ein Partei-Kader.
O-Ton Redner:
Also, nochmal: Wir sind hier die Guten und deshalb sind wir
hier auf der Straße auch unterwegs und wollen unser Gesicht
zeigen.
Ihr wahres Gesicht zeigen Rechtsextreme nach der
Demonstration: Gezielt schlagen sie einen Fotografen mit der
Faust ins Gesicht. Der Schläger mit der weißen Kapuze rennt
davon. Vier andere decken ihn. Der Fotograf blutet.
Güstrow in Mecklenburg-Vorpommern. Hier versuchen Neonazis,
Andersdenkende durch Bedrohungen mundtot zu machen. Karen
Larisch engagiert sich gegen rechte Gewalt, leitet eine
Begegnungsstätte auch für Flüchtlinge – die Villa Kunterbündnis.
Die Folge: ständige anonyme Drohungen.
O-Ton Karen Larisch, Villa Kunterbündnis, Güstrow:
Da sind, na ja, so Vergewaltigungsfantasien. An was man
sonst nicht einmal denkt, einer Frau zu wünschen, hier wäre
es angebracht, nämlich dass sie von einer größeren Gruppe
dankbarer junger bis unter die Kraushaarspitzen mit
Testosteron geladene Neger in alle Körperöffnungen
beglückt wird, und danach könnte man ihr den Kopf
abschlagen . Solche Sachen.
Hass geschürt von Rechtsextremisten, sagt Karen Larisch. Bei ihr
wurde eingebrochen, Scheiben zerschlagen, Möbel zertrümmert.
Auch vom örtlichen NPD-Stadtrat Nils Matischent fühlt sie sich
bedroht. Nils Matischent und seine Kameraden marschieren
immer wieder vor ihrem Büro auf, zeigen Präsenz.
O-Ton Karen Larisch, Villa Kunterbündnis, Güstrow:
Also, ich saß in einem Café in Güstrow. Dann kommt Herr
Matischent mit drei Leuten lang, entdeckt mich durch die
großen Scheiben und tippelte dann so in sein Handy. Und es
kam eine ganze Gruppe Leute, die sich vor diesen Scheiben
aufbarrikadiert hat. Wir haben mehrfach die Polizei gerufen,
weil wir sehen konnten, dass eine andere Gruppe in Richtung
unseres Wohnhauses gegangen ist. Und dann rief auch
schon meine Tochter an, dass die an der Tür ruckeln und da
vermummte Leute sind und die schon im Flur sind.
Karen Larisch wollte den NPD-Mann zur Rede stellen. Der wiegelt
ab. Inzwischen existiert in Güstrow sogar eine Bürgerwehr.
Angeblich, um vor kriminellen Ausländern zu schützen.
O-Ton Karen Larisch, Villa Kunterbündnis, Güstrow:
Dann hat man eine Bürgerwehr gegründet, patrouillierte
schwarz gekleidet durch die Straßen, im Beisein der Polizei,
die das natürlich mitbekommen haben. Und wen haben sie
angegriffen? Mich - und andere Bürgerinnen und Bürger. Die
schützen niemanden vor Migranten, sondern die machen in
SA-Manier tatsächlich Jagd auf politische Gegner.
Wir wollen Nils Matischent befragen, besuchen ihn. Eine
Verwandte macht klar: Wir sind unerwünscht.
O-Ton Frontal 21:
Wissen Sie zufällog, wann Herr Matischent wieder?
O-Ton Verwandte von Nils Matischent:
Nein!
O-Ton Frontal 21:
Wissen Sie?
O-Ton Verwandte von Nils Matischent:
Wollt ihr Lügen weiter verbreiten, ja? Verpissen Sie sich.
Okay? Sie haben genug gefragt. Ich hab gesagt: nein - und
jetzt raus!
Auf schriftliche Nachfrage erklärt Nils Matischent, er sei weder
Mitglied der Bürgerwehr noch habe er Karen Larisch bedroht. Die
Staatsanwaltschaft Rostock ermittelt gegen ihn.
Wir treffen einen Aussteiger, der jahrelang in der rechten Szene
und auch in der NPD war. Er sagt, dass die NPD zu Gewalttaten
aufstachelt. Er fürchtet die Rache seiner ehemaligen Kameraden,
will unerkannt bleiben.
O-Ton ehemaliges NPD-Mitglied:
Es ergehen jede Woche Anschläge auf Flüchtlingsheime, auf
linke Büros, da ist in den letzten zwei Jahren zunehmende
Militanz festzustellen. Es gibt natürlich Kontakte der NPD,
dass dann für gewisse Demos im mitteldeutschen Raum
auch militante Gruppen angeschrieben werden, dass sie bitte
kommen möchten.
Zwei Tage nach dem Interview wird dem NPD-Aussteiger vor
seiner Unterkunft aufgelauert. Wir bringen ihn in Sicherheit. Er
erzählt uns, was ihm passiert ist.
O-Ton ehemaliges NPD-Mitglied:
Auf einmal sah ich von hinten schon den Herrn Böhm
angelaufen kommen. Der ging auch gleich auf zehn
Zentimeter Tuchfühlung an mich ran und sagte, ich soll mich
doch aus Leipzig verpissen. Lösch deine ganzen Bilder auf
dem Handy, wir kriegen dich, jetzt wissen wir ja, wo wir dich
abends finden.
Herr Böhm, damit meint er den Leipziger NPD-Stadtrat Enrico
Böhm, mehrfach wegen Körperverletzung verurteilt. Unsere Bitte
um Stellungnahme bleibt unbeantwortet.
Enrico Böhm ist nicht der einzige Straftäter in den Reihen der
NPD. Auf Hunderten von Seiten führt der Verbotsantrag Kader
der NPD und ihrer Organisationen auf, die wegen rechter Gewalt
und Propaganda vorbestraft sind. Insgesamt seien:
„25% dieses Personenkreises rechtskräftig strafrechtlich
verurteilt.“
O-Ton Frontal 21:
Warum haben Sie 25 Prozent rechtskräftig verurteilte
Straftäter in Funktionen in der NPD?
O-Ton Frank Franz, NPD, Bundesvorsitzender:
Wie kommen Sie auf diese Zahl?
O-Ton Frontal 21:
Die Zahl steht im Antrag des Bundesrates.
O-Ton Frank Franz, NPD, Bundesvorsitzender:
Das wird ja zu prüfen sein, ob die Zahl richtig ist.
Noch einer, der die Liste der Vorbestraften ergänzt: David
Petereit, NPD-Landtagsabgeordneter in MecklenburgVorpommern. Er wurde 2015 wegen Volksverhetzung verurteilt,
weil er eine Hass-CD vertrieb. Die von ihm damals
herausgegebene Nazi-Zeitschrift „Der weisse Wolf“ bekam sogar
eine Spende von der Terrorgruppe NSU und bedankte sich:
„Vielen Dank an den NSU. (…) Der Kampf geht weiter…“.
Herausgeber David Petereit bestreitet, davon gewusst zu haben.
O-Ton Norbert Nieszery, SPD, Fraktionsvorsitzender
Mecklenburg-Vorpommern:
Da kann man schon sehen, dass offensichtlich es Kontakte
gegeben hat, dass zumindest der Nationalsozialistische
Untergrund von den Aktivitäten Petereits wusste und sie so
hoch eingeschätzt hat, hier in Mecklenburg-Vorpommern,
dass sie ihm persönlich eine Geldspende haben zukommen
lassen.
O-Ton Frontal 21:
Haben Sie kein Problem damit, dass Herr Petereit weiterhin
Landtagsabgeordneter ist?
O-Ton Frank Franz, NPD, Bundesvorsitzender:
Na ja, offenbar ist der Herr Petereit auf freiem Fuß, er ist
nicht verurteilt, und insofern scheint die Problematik nicht
gegeben.
O-Ton Frontal 21:
Also auch die Vergangenheit, dass er dem NSU offenbar
nahe war, stört Sie nicht?
O-Ton Frank Franz, NPD, Bundesvorsitzender:
Das halte ich für ein Gerücht, dass er dem NSU nahe war.
Sicher ist: Bei einer Hausdurchsuchung wurde bei David Petereit
das Bekennerschreiben des NSU gefunden. Darin heißt es:
„Die Aufgaben des NSU bestehen in der energischen
Bekämpfung der Feinde des deutschen Volkes (…) Sieg oder
Tod.“
Sollte es zu einem NPD-Verbot kommen, versiegt auch die
staatliche Finanzierung. Allein bei David Petereit geht es um mehr
als 7.000 Euro an Diäten und Kostenpauschalen - monatlich.
1,415 Millionen Euro kassiert die NPD pro Jahr an
Wahlkampfkostenerstattung. Dazu kommen mindestens 790.000
Euro für die NPD-Fraktion in Mecklenburg-Vorpommern und bis
zu ihrer Wahlniederlage 2014 bekam die Fraktion in Sachsen
ein Million Euro.
Auch wenn ein NPD-Verbot gelingt – die Fremdenfeinde
marschieren weiter.
Abmoderation:
Die Fremdenfeinde bleiben. Und damit auch all die anderen
Kürzel, die wie „NPD“ für Hass und Hetze stehen, auch. Woche
für Woche verbreitet beispielsweise Pegida ungehindert
verfassungsfeindliche Parolen. Und Tausende johlen begeistert.
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