Pressemappe 26/02/16 Freitag, 26. Februar 2016, um 21.45 Uhr Die Revolution der Selbstlosen Die revolution der Selbstlosen pressemappe 26/02/16 Freitag, 26. Februar 2016, um 21.45 uhr Die Revolution der Selbstlosen Dokumentarfilm von Sylvie Gilman und Thierry de Lestrade Eine Koproduktion von ARTE France und VIA DECOUVERTES Frankreich 2015, 91 Min., Erstausstrahlung Der Mensch ist des Menschen Wolf, schrieben Generationen von Dichtern und Philosophen. Der Verlauf der Menschheitsgeschichte scheint die Aussage zu belegen. Doch immer wieder erheben sich Stimmen gegen eine solch pessimistische Sichtweise der menschlichen Natur. Heute kommen auch Psychologen, Primatenforscher, Mathematiker und Neurowissenschaftler zu einem anderen Ergebnis: Altruismus und Zusammenarbeit sind sehr wohl grundlegende Wesenszüge des Menschen. Selbstbezogenheit, Materialismus und Geldgier beherrschen unsere moderne Gesellschaft. „Homo homini lupus est – der Mensch ist des Menschen Wolf“, schrieb der englische Philosoph Thomas Hobbes bereits im Jahr 1651. Und die Geschichte der Menschheit scheint diese gnadenlose These zu bestätigen. Immer mehr Wissenschaftler stellen diese pessimistische Sichtweise der menschlichen Natur jedoch in Frage. Seit rund 20 Jahren widerlegen Forschungsergebnisse die These von einem universellen Egoismus. Das Katastrophenzentrum der Universität Delaware hat beispielsweise in dem Zeitraum von 30 Jahren das menschliche Verhalten nach 700 Katastrophen durchleuchtet und den Mythos widerlegt, dass die Menschen nach einem Unglück sich negativ verhalten oder verstärkt selbstsüchtig handeln, wie uns die Medien dies meist glauben machen. Die Erkenntnisse des Katastrophenzetnrum der Universitaät Delaware rücken die bestehenden Vorurteile in ein völlig neues Licht und untermauern, was auch Psychologen, Neurowissenschaftler und Primatenforscher seit rund 20 Jahren in unzähligen Studien heraus fanden, dass nämlich Altruismus, Hilfsbereitschaft und die Fähigkeit zur Kooperation durchaus grundlegende, angeborene Wesenszüge des Menschen sind. So verfügen entwicklungspsychologischen Studien der Universität Yale und des Leipziger MaxPlanck Instituts bereits Babys schon in den ersten Lebensmonaten über ein rudimentäres moralisches Urteilsvermögen, eine Art Gerechtigkeitssinn und zeigen spontan altruistische Verhaltensweisen. Studien des Primatologiezentrums Yerkes und der Universität Chicago weisen dasselbe Verhalten an Schimpansen nach und liefern damit den Beweis dafür, dass die selbstlose Motivation, die wir Menschen zeigen, tatsächlich schon sehr alt ist. 2 Die revolution der Selbstlosen pressemappe Betrachtet man jedoch unsere Welt von heute, fällt es schwer, zu glauben, dass Altruismus und die Fähigkeit zur Kooperation durchaus grundlegende, angeborene Wesenszüge des Menschen sein sollen. Wenn Babys mit einem Sinn für Moral geboren werden, warum sind dann manche Erwachsene so gemein, egoistisch und rücksichtslos? Was geschieht mit den angeborenen, altrusitischen Eigenschaften im Laufe des Lebens? Warum setzen sie sich scheinbar nicht durch? Der Psychologe Paul Bloom hat diese Fragen untersucht und erklärt dies so: „In gewissem Sinne wird das meiste Übel der Welt von unserer Bereitschaft verursacht, unter Menschen zu unterscheiden, die uns etwas bedeuten und anderen, die uns egal sind. Dieser Wunsch, die Welt in „wir“ und „die anderen“ aufzuteilen, haben wir in verschiedenen Experimenten bereits bei den jüngsten Babys festgestellt. Das bleibt unser Leben lang so und ist nur äußerst schwierig zu überwinden.“ Doch wenn es Altruismus gibt, müsste man doch auch Maßnahmen entwickeln können, um ihn zu fördern. Ein Ansatzpunkt hierfür scheint die Meditation zu sein, die im Buddhismus als Mittel zum Erlernen der buddhistischen Grundwerte Mitgefühl und Selbstlosigkeit dient. So konnte der Neurowissenschaftler Richard Davidson und sein Forscherteam von der Universität in Wisconson bei zahlreichen Probanden bei der Meditation eine Zunahme der Intensität der Gammawellen beobachten sowie grundlegende Veränderungen in deren Gehirn feststellen. Die Forscher wiesen nach, dass nur 2 Wochen Übung mit gerade mal 30 Minuten am Tag – insgesamt also 7 Stunden – ausreichten, um das Gehirn grundlegend zu modifizieren. Auf diesen Erkenntnissen basierende Meditationsübungen zeigten an Schulen in Problemvierteln bereits überraschende, positive Erfolge im Sozialverhalten, bei der Kontrolle negativer Emotionen, bei den schulischen Leistungen sowie einen Rückgang der Konflikte im Allgemeinen. Doch können Achtsamkeitsübungen zur Steigerung der Selbstlosigkeit auch als „Glücks-Training“ genutzt werden? Und welche Rolle spielt dabei das Geld? Bei ihrem Streben nach Glück konzentrieren sich viele Menschen darauf, möglichst viel Geld zu verdienen, um sich teure Produkte leisten zu können. Doch machen uns solche Käufe wirklich glücklich? Antworten auf diese Frage liefert eine aktuelle Studie der Harvard Business School. Dort untersuchte der Marketingprofessor Michael Norton in einem Experiment mit seinen Studenten, die optimale Art, sein Geld auszugeben, um glücklich zu sein und zeigte dabei, wie sich mit Geld durchaus Glück kaufen lässt – solange man es nicht für sich selbst ausgibt. Doch ist Selbstlosigkeit überhaupt mit der modernen Wirtschaft kompatibel? Manche Ökonomen setzen durchaus große Hoffnungen in die Wandlungsfähigkeit unserer Gesellschaft und arbeiten auf ein neues Wirtschaftsmodell hin, in dem der „Homo oeconomicus“ durch die sogenannte „mitfühlende Wirtschaft“ ersetzt wird, in der die Motivationsfaktoren Macht, Leistung und Belohnung durch die Faktoren Verbundenheit und Fürsorge ersetzt werden. Auch die Wirtschaftsexperten auf dem alljährlichen Weltwirtschaftsforum in Davos haben sich ein neues Thema auf die Fahne geschrieben: Achtsamkeit. Sie stellen sich die Frage, ob sich Achtsamkeitsübungen zur Steigerung der Selbstlosigkeit auch als Trainig zum Glück erweisen. Seinen Geist der Güte zu öffnen und sich in humanitären Projekten zu engagieren, ist aus ihrer Sicht eine Win-win-Situation, die auch für die moderne Wirtschaft keine Utopie bleiben soll. Mit diesen und weiteren interessannten Forschungsergebnissen gelingt es dem Film, dem allgegenwärtigen Pessimismus entgegen zu wirken und die Menschen zum Handeln zu motivieren. Die Dokumentation steht für Sie in voller Länge auf presse.arte.tv zur Ansicht bereit! 3 Die revolution der Selbstlosen pressemappe ÜBER OPTIMISMUS UND MEDITATION Wie immer in ihrer Arbeit, nähern Sie sich dem Thema Altruismus aus der Perspektive der Wissenschaft… Sylvie Gilman: Als unser Produzent Jean-Pierre Devorsine uns anbot, den buddhistischen Mönch Matthieu Ricard zu treffen, der sich in seinem Buch „Allumfassende Nächstenliebe“ mit dem Thema Altruismus beschäftigte, war unsere Reaktion eher durchwachsen: Wie kann man es wagen, von Altruismus zu sprechen, wenn man sich den Zustand der Welt ansieht? Sollten wir uns als Filmemacher nicht mit ernsthafteren Problemen auseinandersetzen? Würden wir nicht nur spöttisches Gelächter ernten? Als wir jedoch feststellten, dass Matthieu Ricard das Thema Altruismus nicht aus moralischer oder religiöser Sicht, sondern aus der Perspektive eines Wissenschaftlers – der er ja ist – angeht, war klar, dass sein Ansatz mit unserem übereinstimmte: Nämlich Fragen über die Gesellschaft von heute mithilfe der Wissenschaft zu erforschen und zu analysieren. Außerdem haben unsere Recherchen ergeben, dass Altruismus seit gut zwanzig Jahren ein großer und zugleich innovativer Forschungszweig darstellt. Thierry de Lestrade: In Yale, Harvard und am MaxPlanck-Institut kommen weltweit renommierte Wissenschaftler alle zum gleichen Ergebnis: Die natürliche Selektion, die Darwins Erben immer wieder propagiert haben, ist nicht der einzige Mechanismus, der den evolutionären Prozess vorantreibt. Auch Zusammenarbeit und gegenseitige Hilfe sind wichtige Faktoren der Evolution. Sie haben es der Menschheit ermöglicht, zu überleben: Als Spezies sind wir somit für Altruismus prädisponiert. Diese konvergenten Erkenntnisse untersuchen wir im ersten Teil des Films. Im Anschluss daran sprechen wir mit Neurowissenschaftlern wie Richard Davidson, der eng mit Matthieu Ricard zusammenarbeitet, wie man diese Faktoren nutzen und fördern kann, die wir in der heutigen Zeit ja so dringend benötigen. 4 Ein Gespräch mit den Filmemachern Kann man von revolutionären Theorien sprechen? T. de L.: Auf jeden Fall gehen die Theorien gegen den Mainstream, der die Biologie für einen Krieg hält, in dem nur die Stärksten überleben und der das Leben der Menschen und Unternehmen als einen einzigen erbitterten Wettbewerb betrachtet. S. G .: Kontinuierlich vermitteln die Medien das Bild vom universellen Egoismus als Motor der menschlichen Geschichte und nähren damit einen kollektiven Fatalismus. So zeigten beispielsweise beim Hurrikan Katrina die Fernsehstationen in der ganzen Welt ununterbrochen Bilder von Plünderungen. Dabei verhielt sich nur eine ganz kleine Minderheit so. Das haben Wissenschaftler von dem Delaware Disaster Research Center bewiesen. Vielmehr war die Situation vor Ort von Solidarität und gegenseitiger Hilfe dominiert. Ein journalistisches Sprichwort besagt, dass nur schlechte Nachrichten gute Nachrichten seien… T. de L.: Natürlich ist es von der Dramaturgie her betrachtet viel einfacher, Missstände anzuprangern – so wie wir dies in der Dokumentation „Männer vom Aussterben bedroht» getan haben –, als etwas Positives zu erzählen. Auf der anderen Seite ist es viel zufriedenstellender, wenn man die gängigen Meinungen mit neuen Ideen aufmischen und seine Begeisterung für etwas mit anderen teilen kann. S. G.: Es war ein langer Weg für uns bis zu diesen Erkenntnissen über Altruismus. Zumal Optimismus intellektuel suspekt geworden ist! Wir hoffen jedoch, dass es uns gelungen ist, zu zeigen, wie eindeutig und vielversprechend die Erkenntnisse über Altruismus sind. Glauben Sie an eine «altruistische Welt von morgen» oder ist das alles nur Theorie? S. G.: Man muss das vorhandene altruistische Erbe fördern und hoffen, dass es die Welt verändern kann. Die Neurowissenschaft zeigt uns, dass wir die Kraft haben, uns zu verändern. So haben Forscher entdeckt, dass wir mithilfe der Meditation unser Gehirn dahingehend modifizieren können, unseren Mitmenschen mit mehr Wohlwollen zu begegnen. Sie gehen auch davon aus, dass diese Veränderungen im Gehirn eines jeden Einzelnen einen direkten Einfluss auf deren Umwelt haben und eine Art altruistische Kettenreaktion auslösen. Eigentlich klingt die Geschichte fast zu schön, um wahr zu sein. Doch die Tatsache, dass Neurowissenschaftler in Davos gemeinsam mit den Teilnehmern des Welt wirtschaftsgipfels meditiert haben – was wir übrigens filmen durften – gibt Grund zur Hoffnung. T. de L.: Die Forschungsergebnisse bieten außerdem viele weitere Ansätze, insbesondere im Bildungswesen. Mit diesem Film wollen wir das Gefühl der Hilflosigkeit angesichts der Brutalität dieser Welt überwinden und neue Impulse geben zu handeln. Der Film zeigt aber auch, dass es einige Herausroderungen zu meistern gibt: zum Beispiel die Tatsache, dass die Prädisposition zur gegenseitigen Unterstützung bei Kleinkindern sich auf die Individuen beschränkt, die sie als gleichartig ansehen. Gegen dieses Herdenverhalten müssen wir ankämpfen, denn es birgt die Gefahr, beim Erwachsenen jegliche Art der Empathie gegenüber Individuen, die er nicht als zu seiner Gruppe gehörend empfindet, zunichte zu machen. Hat dieser Film Sie verändert? T. de L.: Ja, wie übrigens auch unsere früheren Filme. Sylvie meditiert jetzt jeden Tag... und ich, ich versuche, dies auch zu tun. Das Interview führte Irène Berelovitch. Die revolution der Selbstlosen pressemappe Die Wissenschaftler Stabliste Matthieu Ricard FELIX Warneken Buddhistischer Mönch und studierter Molekularbiologe mit Abschluss in Zellulargenetik. Er ist offizieller Französisch-Übersetzer für den Dalai Lama und lebt im Kloster Shechen in Nepal. Er ist Autor zahlreicher Bücher. Sein jüngstes Werk «Allumfassende Nächstenliebe: Altruismus - die Antwort auf die Herausforderungen unserer Zeit» ist Anfang Februar 2016 im Verlag EditionBlumenau erschienen. Professor für Psychologie an der Harvard University. Buch und Regie Sylive Gilman Thierry de Lestrade Tania Singer Neurowissenschaftlerin und Direktorin des Department of Social Neuroscience an dem Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig. Michael Tomasello Kamera Jean-Pierre Devorsine Kognitionspsychologe. Co-Direktor des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie. SchnittGuillaume Quingard Frans de Waal Primaten- und Verhaltensforscher, spezialisiert auf Empathie. Direktor am Yerkes Primate Center. Autor des Buches „Das Prinzip Empathie. Was wir von der Natur für eine bessere Gesellschaft lernen können“. KAREN WYNN Direktorin des Säuglings-KognitionLabors an der Yale University. RICHARD DAVIDSON PAUL BLOOM Professor für Psychologie und Psychiatrie. Seit 1984 lehrt er an der University of Wisconsin-Madison. Er ist auch der Gründer und Präsident des Center for Investigating Healthy Minds. Professor für Psychologie und Kognitionswissenschaft an der Yale University. Autor des Buches „Der Ursprung der Freude“. Daniel Batson Wissenschaftliche Direktorin des Forschungszentrums für Mitgefühl und Altruismus an der Stanford University. Psychologe. Er führte Experimente durch, um die Existenz des Altruismus basierend auf Empathie zu etablieren. 5 Musik Baptiste Charvet Ton Yves Grass Philippe Scultéty Baptiste Charvet Tonschnitt Bruno Lagoarde Produktionsassistenz Chloé Machenaud Nadia Toukali Herstellungsleiter Céline Ceccaldi Nancy-Emmanuelle Gille Produzent Cécile der la Garanderie Eine Produktion von ARTE France und Via DECOUVERTES EMMA SEPPALA Bildrechte: ALLE RECHTE VORBEHALTEN © Via Découvertes Mehr zum Thema finden Sie zeitgleich zur Ausstrahlung auf FUTURE.ARTE.TV. Neben Hintergrundinformationen und Videos zum Thema Altruismus, Empathie und Mitgefühl steht Ihnen der Dokumentarfilm dort zwei Monate lang in voller Länge zur Ansicht zur Verfügung. Pressekontakt: Vera Berger tel. +33 3 88 14 24 18 - [email protected] Fotos unter: www.presse.arte.tv oder per E-mail: [email protected] Folgen Sie uns auf Twitter: @ARTEpresse
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