Das Kraftfahrt-Bundesamt „Wir punkten mit Verkehrssicherheit“

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Postvertriebsstück • Deutsche Post AG „Entgelt bezahlt“
März 2016 • 66. Jahrgang
Das Kraftfahrt-Bundesamt
„Wir punkten mit Verkehrssicherheit“
mit dbb seiten
VBOB – Verband der Beschäftigten der obersten und oberen Bundesbehörden
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,
das Jahr 2016 ist aus gewerkschaftspolitischer Sicht ein besonderes Jahr für unsere Mitglieder und Mandatsträger. Im Jahr 2016
enden die vier- beziehungsweise zweijährigen Amtszeiten der
Personalvertretungen und der Jugend- und Auszubildendenvertretungen. In der Bundesverwaltung finden deshalb vom 1. März
bis 31. Mai Neuwahlen für die jeweiligen Gremien statt. In diesen
Zeitraum fällt außerdem die Einkommensrunde öffentlicher
Dienst für den Bund und die Kommunen. Diese beiden Top-Ereignisse erfordern von unseren Mitgliedern neben den hohen sonstigen dienstlichen Anforderungen ein zusätzliches Engagement
im ersten Halbjahr 2016. Herzlichen Dank für Ihre Unterstützung!
Die Vorbereitungen zu den Personalratswahlen laufen auf vollen
Touren; Beschlüsse zur Verselbstständigung wurden gefasst, die
Wahlvorstände haben sich konstituiert, die Wahlen sind terminiert. Die ersten von uns mit Spannung erwarteten Wahlen finden bereits am 2. und 3. März in den Bundesministerien des In­
neren und für Wirtschaft und Energie und ihren jeweiligen
Geschäftsbereichen statt. Wir sind sehr gespannt auf die Ergebnisse. Die Herausforderungen für die Personalräte werden auch
in der kommenden Wahlperiode immens sein. Das Dauerthema
Flüchtlinge/Asyl­bewerber mit seinen vielfältigen Ausprägungen,
der weitere Ausbau der IT-Konsolidierung im Bund, die anstehende Entscheidung zur künftigen Rechtsform des zum 1. Januar
2016 gegründeten ITZ Bund, Überlegungen für eine ressortübergreifende Konsolidierung bereits bestehender Dienstleistungszentren für die Bereiche Bezüge/Entgelte und Beihilfe stehen auf
der Agenda. Dieses Bündel an wichtigen Maßnahmen soll, was
die Beteiligung/Einbindung der Interessenvertretung angeht, auf
der völlig unzureichenden Basis des hoffnungslos veralteten Bundespersonalvertretungsgesetzes umgesetzt werden.
Deshalb mein Appell an alle Wahlberechtigten: In schwierigen
Zeiten brauchen wir starke Personalvertretungen! Gehen Sie zur
Wahl! Tragen Sie zu einer hohen Wahlbeteiligung bei! Statten Sie
Ihre Personalräte für die Verhandlungen mit den Dienststellen
mit einem Mandat „auf Augenhöhe“ aus!
Der dbb beamtenbund und tarifunion hat in seiner Sitzung am
18. Februar 2016 seine Forderungen für die Einkommensrunde
2016 beschlossen. Das verabschiedete Forderungspaket für die
am 21. März 2016 an gewohnter Stelle in Potsdam startende
­ arifrunde können Sie im Innenteil dieser Ausgabe nachlesen. SeiT
tens des VBOB sind wir sehr zufrieden, dass viele unserer bereits
in der letzten Ausgabe veröffentlichten Forderungen auch Aufnahme in die gemeinsame Verhandlungsliste von dbb und ver.di
gefunden haben. Wir erwarten vom Bundesinnenminister die
Einhaltung der in Köln auf der dbb Jahrestagung gemachten Zusage nach zügigen Verhandlungen. Dies bedingt konkrete Verhandlungen ab der ersten Verhandlungsrunde auf der Basis eines
fairen und ergebnisorientierten Angebots. Die Beschäftigten in
der Bundesverwaltung haben in schwierigen Zeiten mit ständig
neuen Aufgaben unter der Last der unsäglichen linearen Stellenkürzungen viel geleistet und sich als zuverlässiger Stabilitätsfaktor für unser Gemeinwesen erwiesen. Unsere Kolleginnen und
Kollegen erwarten aufgrund der glänzenden Wirtschaftsdaten
sowie der hohen zusätzlichen Steuereinnahmen des Bundesfinanzministers für ihr Engagement zu Recht eine wertschätzende
Teilhabe an dieser positiven Entwicklung.
Es handelt sich um eine gemeinsame Einkommensrunde mit Forderungen für Tarifbeschäftigte, Auszubildende und Anwärter sowie für Beamte und Versorgungsempfänger. Die Tarifrunde ist
erst mit der Zusage des Bundesinnenministers beendet, die Ergebnisse der Einigung zeit- und wirkungsgleich auf die Beamten
und Versorgungsempfänger zu übertragen.
Der VBOB wird sich aktiv an Aktionen der dbb tarifunion zur
Durchsetzung unserer angemessenen Forderungen beteiligen. Ich
bitte schon jetzt in gelebter Solidarität um rege Beteiligung an
den öffentlichen Aktionen. Denn eine sichtbare Präsenz unserer
Mitglieder erhöht den Druck auf unsere Verhandlungspartner.
Der VBOB hat sich in den letzten Wochen bewusst nicht öffentlich zum Thema Berlin-Bonn geäußert und Medienanfragen abschlägig beschieden. Das heißt aber nicht, dass wir uns im Bundesvorstand nicht mit diesem Thema intensiv beschäftigt haben.
Wir sind im regelmäßigen Austausch mit der für dieses Thema
zuständigen Ministerin Barbara Hendricks, dem Bonner Oberbürgermeister Ashok-Alexander Shridharan, mit Landrat Sebastian
Schuster sowie den Bundestagsabgeordneten der Region.
Ich möchte an dieser Stelle kurz über den aktuellen Sachstand informieren: Die Bundesministerien sind inzwischen aufgefordert,
einen erweiterten Fragebogen zur Erhebung der teilungsbedingten Aufwendungen bis Anfang April mit den ressortspezifischen
Daten zu füllen und an das BMUB zurückzusenden. Die Angaben
der Ressorts sollen eine Grundlage für den beabsichtigten Statusbericht der Beauftragten der Bundesregierung für den Berlin-­
Umzug bilden; ergänzend ist eine (vom BMUB noch nicht näher
spezifizierte) Onlinebefragung zur Effektivität und Effizienz der
Arbeitsteilung Bonn – Berlin vorgesehen. In einem für Mitte März
2016 terminierten Gespräch mit dem Leiter des Arbeitsstabes
Berlin-Bonn werden wir um detailliertere Informationen zur
­Onlinebefragung bitten.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
> VBOB Magazin | März 2016
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Verband der Beschäftigten der obersten und oberen Bundesbehörden
VBOB
<< Editorial
VBOB – Verband der Beschäftigten der obersten und oberen Bundesbehörden
<<
Das Kraftfahrt-Bundes-amt (KBA) als moderner
Verkehrssicherheits-dienstleister4–6
<<
Einkommensrunde 2016: Wir fordern linear sechs Prozent!
6
<<
Jahresauftaktveranstaltung im BMZ
VBOB-Bundesvorsitzender und BMZ-Staatssekretär nehmen
Chancen und Herausforderungen des Jahres 2016 ins Visier
8
<<
Trotz enger Terminlage –
Gespräch mit Staatssekretär Klaus-Dieter Fritsche
9
<<
VBOB unterzeichnet „Charta der Vielfalt“
10
<<
Neuwahlen in der Fachgruppe Bundesministerium
des Innern (BMI)
11
<<
Neujahrstreffen der Ruheständler
11
<<
Aufruf des Bundesvorstandes zu den Personalratswahlen 2016 12
<<
Wir gratulieren
12
<< dbb
Verband der Beschäftigten der obersten und oberen Bundesbehörden
4
<<
Tarifforderung zur Einkommensrunde 2016:
Sechs Prozent sind konsequent
<<
Branchentage zur Einkommensrunde 2016:
Bezahlung verbessern, Wertschätzung erhöhen
14
<<
Einkommensrunde 2016: Eine Frage der Wertschätzung
16
<<
Bundesfernstraßen: Auftragsverwaltung erhalten
18
<<
die andere meinung:
Der Arbeitsmarkt hält viele Flüchtlinge aus
20
<<
Kongress neueVerwaltung: Zukunft Digitale Arbeit
22
<<
Glosse: Mitreden kann jeder
23
<<
Mindestlohn: Neue Aufgaben für den öffentlichen Dienst
24
<<
Antirassismus-Arbeiter Ansgar Drücker (IDA e. V.):
Angst ist ein schlechter Ratgeber
28
<<
Arbeitsagentur Bad Hersfeld-Fulda –
Maßnahmen für Flüchtlinge: Zukunftsschmiede
30
<<
Einkommensteuer: Kalte Progression
38
<<
Malta und die Flüchtlingsproblematik:
Keine Chance im „Zufluchtsort“
40
<<
Cyberterrorismus: Gefahr oder Chimäre?
42
<<
Frauen im Top-Management in öffentlichen Unternehmen:
Integrierte Gleichstellungspolitik
46
13
<< Impressum
Herausgeber des VBOB Magazins: Bundesvorstand des Verbandes der Beschäftigten der obersten
und oberen Bundesbehörden e.V. im dbb (VBOB). Dreizehnmorgenweg 36, 53175 Bonn. Telefon:
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L.N. Schaff­rath GmbH & Co. KG DruckMedien, Marktweg 42–50, 47608 Geldern.
ISSN 1437-997X
> VBOB Magazin | März 2016
Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) als moderner
Verkehrssicherheitsdienstleister
Ganz hoch im Norden liegt die zum Geschäfts­
bereich des Bundesministeriums für Verkehr und
­digitale Infrastruktur gehörende Bundesoberbehörde, welche sich mit fast allen Fragen rund um
das Kraftfahrzeug befasst. „Wir punkten mit Verkehrssicherheit“, lautet der Wahlspruch für die
­Behörde an der Flensburger Förde, nur wenige
­Kilometer entfernt von der dänischen Grenze.
Nach der Gründung der Behörde im Jahre 1951 hat das KBA
seit 1961 seinen Dienstsitz in
der Fördestadt und seit 1990
einen weiteren Dienstsitz in
Dresden, wo die Aufgaben und
Räumlichkeiten des ehemaligen Kraftfahrtechnischen Amtes der DDR in die Organisation
der Oberbehörde integriert
wurden. Das Kraftfahrt-Bundesamt hat vier Abteilungen,
die sich mit unterschiedlichen
Aufgaben befassen:
Die Zentralen Dienste mit dem
allgemein bekannten Verwaltungsaufbau, dazu ein sehr
­großes und leistungsstarkes
IT-Referat mit 132 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie
die Familienkasse des BMVI für
den gesamten Geschäftsbereich des Verkehrsressorts.
Die Abteilung 2 mit den teilweise europaweit agierenden
Zentralen Registern, von denen
das bekannteste sicherlich das
Fahreignungsregister (FAER)
– so heißt die Verkehrssünderkartei seit 1. Mai 2014 offiziell
– ist. Mehr als neun Millionen
Verkehrsteilnehmer sind derzeit auffällig und werden im
Rahmen der geltenden Tilgungsfristen im FAER gespeichert.
Noch höher ist die Anzahl der
eingetragenen Kraftfahrzeuge
im ZFZR, dem Zentralen Fahrzeugregister. Hier werden aktuell mehr als 80 Millionen
Pkw, Lkw, Krafträder, Arbeitsmaschinen mit den dazugehörigen Halterdaten vorrätig gehalten. Seit dem 1. Januar 1999
wird jeder neu ausgegebene
Kartenführerschein im Zentralen Führerscheinregister (ZFER)
KBA
<< Inhalt
<
< Nur mit den in Flensburg hergestellten und personalisierten Karten
­können sich Berufskraftfahrer, Kontrolleure, Polizisten und Mitarbeiter
von Kfz-Werkstätten in den Kontrollgeräten legitimieren.
KBA
VBOB – Verband der Beschäftigten der obersten und oberen Bundesbehörden
Die Abteilung 4 sorgt für den
technischen Anteil im Kreislauf
der Verkehrssicherheit der Bundesrepublik Deutschland. Eine
große Anzahl von Ingenieuren
sorgt dafür, dass Fahrzeugtypen
und Fahrzeugteile nur dann in
den Straßenverkehr gelangen,
wenn sie die Normen der EURichtlinien beziehungsweise
StVZO erfüllen. Der Bogen spannt
sich von der allgemeinen Typgenehmigung bis hin zu Konformitätsüberprüfungen (CoP-P)
und der Konformität der Produktion (CoP-Q). Darüber hinaus ist das Kraftfahrt-Bundesamt gemäß Produktsicherheitsgesetz als Marktüberwachungsbehörde für den Straßenfahrzeugbereich bestellt.
Zur Bewältigung all dieser Aufgaben stehen dem KBA mit dem
aktuellen Haushalt 703 Planstellen und Stellen zur Verfügung.
Um seine Aufgaben wahrnehmen zu können, existieren im
KBA außerdem insgesamt 110
befristete Arbeitsverhältnisse
überwiegend ohne Sachgrund.
Aufgrund familienfreundlicher
Arbeitszeitmodelle mit mehr
als 70 Varianten beschäftigt die
Bundesoberbehörde mit Stand
vom 1. Februar 2016 insgesamt
785 Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer (davon 40 Auszubildende in sechs Ausbildungsberufen) sowie 146 Beamtinnen und Beamte.
Bereits wenige Jahre nach der
Gründung des VBOB im Bund
<
< Im Fahreignungsregister (FAER), dem früheren Verkehrszentralregister,
werden von Amts wegen Meldungen an die Fahrerlaubnisbehörden wegen Erreichens von Punktschwellen weitergegeben. Im Hintergrund sieht
man die Aktenwände mit den Papiereintragungen der „Verkehrssünder“,
die bald nur noch vollautomatisiert vorrätig gehalten werden.
wurde auch im KBA eine Fachgruppe ins Leben gerufen, welche über die letzten Jahre immer mehr Mitglieder gewinnen
konnte und auch in der Personalratsarbeit die Mehrheiten
aufgrund des guten Wahlergebnisses erstmalig stellen
konnte. Mittlerweile ist mindestens jeder Dritte im Hause
auch Mitglied im VBOB und mit
dieser Quote nimmt die Fachgruppe im Vergleich einen Spitzenplatz ein.
<<
Branchentag im KBA
Vor allem aus diesem Grund
hat der dbb beamtenbund und
tarifunion am 10. Februar einen
ihrer Branchentage im Kraftfahrt-Bundesamt organisiert,
um die Beschäftigten an der
Basis zu den bevorstehenden
Tarifverhandlungen zu informieren und deren Vorstellungen zur Meinungsbildung mitzunehmen.
Der Einladung des Fachgruppenvorstandes folgten viele
­organisierte Tarifbeschäftigte
und Beamte. Der Fachgruppenvorsitzende Norbert Haack
übernahm die Moderation der
Veranstaltung und leitete eine
kurze Vorstellungsrunde ein.
Danach bat er zunächst den
stellvertretenden Bundesvorsitzenden des dbb und Fachvorstand Beamtenpolitik, Hans-­
Ulrich Benra, um ein Statement
zur Tarifrunde für den Bund
und die Kommunen im März/
April 2016. Dieser gab einen Abriss auf die in der Tarifunion diskutierten Grundforderungen
und Vorhaben, insbesondere
auf die Auswirkungen der
jüngsten Rechtsprechung zu
Sockelbeträgen in der Beamtenbesoldung. Der dbb strebt
zur Vermeidung solch eines Abschlusses und den unterschiedlichen Auswirkungen auf den
Tarifbereich und die Statusgruppe der Beamtinnen und
Beamten deshalb eine prozentuale Erhöhung an.
Im Anschluss hatte der VBOBBundesvorsitzende Hartwig
Schmitt-Königsberg die Gelegenheit, die Position des VBOB
> VBOB Magazin | März 2016
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Verband der Beschäftigten der obersten und oberen Bundesbehörden
Das Kraftfahrt-Bundesamt erstellt aus seinen Registern auch
viele statistische Auswertungen. Dafür sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Abteilung 3 zuständig. Die Produktauswahl aus den Bereichen
Fahrzeugstatistiken, Kraftfahrerstatistiken und Kraftverkehrsstatistiken ist vielfältig.
Herauszuheben sind sicherlich
die Fahrzeugneuzulassungen,
die jeden Monat wieder von
vielen Interessierten – insbesondere den Fahrzeugherstellern – erwartet werden. Genauso interessant sind sicherlich
auch die Statistiken zu der Anzahl der Fahrerlaubniserteilungen nebst der Art und Menge
der Fahrerlaubnismaßnahmen
gegen auffällige Fahrzeugführer. Eine Besonderheit sind die
Statistiken über die Güterbeförderung deutscher Lastkraftwagen und das Verkehrsaufkommen insgesamt, deren Daten
durch gesonderte Erhebungen
ermittelt werden. Eine Vielzahl
der Statistiken wird sowohl auf
deutscher als auch auf europäischer Ebene bereitgestellt und
für verkehrspolitische Entscheidungen abgefordert. Neben
den Standardveröffentlichun-
gen werden auch noch Individualauswertungen gegen Kostenerstattung durchgeführt.
Windmüller
digital r­ egistriert, um dem auch
länderübergreifenden Führerscheintourismus entgegenzuwirken und sicherzustellen,
dass jeder Fahrzeugführer nur
einen Führerschein in seinem
Besitz hat. Seit der Einführung
des digitalen Fahrtenschreibers
in Nutzfahrzeugen führt das
KBA darüber ­hinaus das Zentrale
Kontrollgerätkartenregister (ZKR).
VBOB – Verband der Beschäftigten der obersten und oberen Bundesbehörden
deutlich zu machen. Unter Bezugnahme auf die Rede des Bundesinnenministers Dr. Thomas
de Maizière auf der dbb Jahrestagung 2016 erhofft er sich einen
guten und schnellen Tarifabschluss in den kommenden Wochen. Gleichzeitig erwartet er
von den Verhandlungspartnern
künftig eine deutliche Reduzierung befristeter Verträge ohne
Sachgrund im öffentlichen
Dienst, von denen auch das
KBA viel zu stark betroffen ist.
Norbert Haack bat die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dann,
ihre persönlichen Vorstellungen an die Tarifrunde zu plakatieren, und die Stellwände der
Tarifunion wurden mit Schlagwörtern reichlich beklebt. Hierbei kamen die unterschiedlichsten Forderungen zutage,
welche diskutiert und von den
Gästen aus Berlin kommentiert
wurden. Beispielsweise seien
genannt: spürbare lineare Erhöhung, Einschnitte bei der
­ usatzversorgung (VBL) verhinZ
dern, Einführung der Erfahrungsstufe 6 für die Entgeltgruppen 9 bis Ü15, Rücknahme
der Erhöhung der Arbeitszeit
der Beamtinnen und Beamten,
Abschaffung des § 18 TVöD
(Leistungsentgelt) und Einarbeitung dieser Beträge in die
Tabellen sowie zeit- und inhaltsgleiche Übertragung der
Tarifeinigung auf die Beamtinnen und Beamten sowie Versorgungsempfänger.
Die rege Beteiligung, die interessanten Diskussionen sorgten
für einen gelungenen Branchentag, von dem die Vertreter des
dbb und des VBOB reichlich Anregungen für die Forderungsfindung in der Sitzung der Bundestarifkommission am 18. Februar 2016 mitnehmen konnten. Nach gut 100 Minuten
schloss der Fachgruppenvorsitzende die Veranstaltung und
verabschiedete die Teilnehmer
und Gäste.
N. Haack
Einkommensrunde 2016:
Wir fordern linear sechs Prozent!
Verband der Beschäftigten der obersten und oberen Bundesbehörden
6
Die Einkommensrunde 2016
wird am 21. März in gewohnter Umgebung in Potsdam
starten. Die Verhandlungen
für rund 2,1 Millionen Tarif­
beschäftigte von Bund und
Kommunen werden wie in
den letzten Tarifrunden auf
­Arbeitnehmerseite von dbb
und ver.di geführt.
Bei den Vorgesprächen der
Tarifgremien von dbb und
ver.di, die am 18. Februar in
Berlin stattfanden, wurden
gemeinsame Forderungen
formuliert und beschlossen.
Eine der Kernforderungen ist
eine lineare Erhöhung der
­Tabellenentgelte um sechs
Prozent. Hier findet sich die
Forderung des VBOB, der gegenüber dem dbb 5,5 Prozent
lineare Erhöhung gefordert
hatte, gut wieder.
<<
Wie sind die Aussichten?
Die Wirtschaft boomt weiterhin und die Staatskassen sind
durch steigende Steuereinnahmen gefüllt. Der Aufschwung
wird sich laut Sachverständigenrat auch in 2016 fortsetzen.
Prognostiziert wird ein Anstieg
des Bruttoinlandsprodukts von
1,6 Prozent. Die gute gesamtwirtschaftliche Ausgangslage
wird von einem stabilen Arbeitsmarkt gestützt; so erfasste man 2015 erstmals mehr als
43 Millionen Erwerbstätige.
> VBOB Magazin | März 2016
<<
Die Voraussetzungen
sind also nicht schlecht!
Auch wenn die Ausgaben –
aber eben auch die Aufgaben
– der öffentlichen Verwaltung
vor dem Hintergrund der ak­
tuellen globalen Krisen steigen
werden, ist hier genügend
Raum, um den öffentlichen
Dienst entsprechend seinem
Beitrag nicht nur am wirtschaftlichen Erfolg teilaben zu lassen,
sondern auch entsprechend
seiner Leistung zu honorieren.
In Anlehnung an das politische
Versprechen „Wir schaffen
das“ ist es gerade der öffentliche Dienst, der nicht nur berechtigterweise sagen kann –
sondern sagen muss: „Wir
machen das!“
Und nicht nur in Anbetracht
der aktuellen Herausforderungen sind die Forderungen mit
Augenmaß beschlossen worden! Der Trend steigender Sozialversicherungsbeiträge – besonders im Hinblick auf die
Gesundheitsausgaben – setzt
sich weiter fort. Stichworte seien hier Zusatzbeiträge zur gesetzlichen Krankenversorgung
oder die bereits feststehenden
Anstiege der Beiträge zur Pflegeversicherung zum 1. Januar
2017. Ebenso deutet sich eine
beschleunigte Inflationsrate
von 1,2 Prozent in Deutschland
an, so der Sachverständigenrat. Es geht aber auch um die
Sicherstellung der Aufgabenwahrnehmung in der Zukunft.
Keiner wird im Hinblick auf die
demografische Entwicklung
bestreiten, dass attraktive Beschäftigungsbedingungen notwendig sind.
Dies gilt in besonderem Maß
für die Nachwuchsförderung,
also den Bereich der Ausbildung im öffentlichen Dienst.
Hier wurden nach intensiver
Diskussion folgende Haupt­
forderungen formuliert: die Erhöhung der Auszubildendenund Praktikantenentgelte um
100 Euro monatlich; die Angleichung des Urlaubsanspruchs
auf 30 Tage und unbefristete
Übernahme für alle Auszubildenden.
Es geht aber auch um den tariflichen Ausschluss sachgrundloser Befristungen, um Kontinuität und Erfahrung zu erhalten.
Nach den Ergebnissen einer aktuellen Studie vom Institut für
Arbeitsmarkt- und Berufsforschung bei der Bundesagentur
für Arbeit liegt die Befristungsquote im Arbeitnehmerbereich
beim Bund bei 11,3 Prozent.
Von einer vonseiten der Arbeitgeber her immer wieder aufgestellten Behauptung, dass die
Vereinbarung befristeter Arbeitsverhältnisse im öffentlichen Dienst die absolute Ausnahme sei, kann da wohl kaum
noch die Rede sein.
Da sich die seit Frühjahr 2015
galoppierende Aufgabendynamik fortsetzen wird, soll der
Tarifabschluss für zwölf Monate gelten. Selbstredend ist
auch die zeit- und inhaltsgleiche Übertragung des Tarifergebnisses auf den Beamtensowie den Versorgungsbereich
Bestandteil der Forderungen.
Die Tarifforderungen in Bezug
auf die Beschäftigten des Bundes im Einzelnen:
>> Lineare Erhöhung der Tabellenentgelte um sechs Prozent
>>Nachwuchsförderung konkret gestalten:
• Erhöhung der Auszubildenden-/Praktikantenentgelte
um 100 Euro monatlich
• Unbefristete Übernahme
aller Auszubildenden
• Vollständige Übernahme
von Reisekosten zu einer auswärtigen Berufsschule oder
zu überbetrieblichen Ausbildungsmaßnahmen
• 30 Tage Urlaub für Auszubildende
>>Laufzeit: zwölf Monate
>>Tariflicher Ausschluss sachgrundloser Befristungen
>>Verlängerung der Regelungen zur Altersteilzeit
>>Zeit- und wirkungsgleiche
Übernahme für Beamtinnen
und Beamte sowie Versorgungsempfängerinnen und
Versorgungsempfänger.
uc
VBOB – Verband der Beschäftigten der obersten und oberen Bundesbehörden
Jahresauftaktveranstaltung im BMZ
VBOB-Bundesvorsitzender und BMZ-Staatssekretär nehmen
Chancen und Herausforderungen des Jahres 2016 ins Visier
Die VBOB-Fachgruppe im BMZ lud am 25. Januar
zu einem Fachgespräch mit Staatssekretär Kitschelt
und dem VBOB-Bundesvorsitzenden Schmitt-­
Königsberg in den Berliner Dienstsitz des Bundesministeriums für wirtschaftliche Entwicklung und
Zusammenarbeit (BMZ) ein. Augenmerk der Veranstaltung, die per Videokonferenz auch in den
Dienstsitz Bonn übertragen wurde, richtete sich
auf die Herausforderungen und Chancen des Jahres 2016 für BMZ und VBOB.
> VBOB Magazin | März 2016
kommt zur rechten Zeit, da am
7. März 2016 im BMZ Personalratswahlen anstehen. Gegenwärtig sind fünf der elf Personalratsvertreter VBOB-Mitglieder. Es wäre schön, diese
beachtliche Präsenz weiter
auszubauen.
Entwicklungspolitische
Herausforderungen 2016
Staatssekretär Kitschelt ging in
seinem Vortrag auf die bereits
erreichten Ziele des Vorjahres
ein. Strategisch wichtiges Datum war der 1. Juli 2015, an
dem das Bundeskabinett den
Regierungsentwurf für den
Haushalt 2016 und den Finanzplan bis 2019 beschlossen hat.
Die Bundesregierung erhöhte
die Ausgaben für die Entwicklungszusammenarbeit in den
nächsten Jahren deutlich – allein der Haushalt des BMZ wird
dieses Jahr um 880 Millionen
Euro auf 7,42 Milliarden Euro
steigen. Dies stellt den höchsten Etat und den größten Zuwachs in absoluten Zahlen seit
ten, das Jahr 2016 lieben“ werden. Anschließend ging der
redegewandte Staatssekretär
Kitschelt auf die Grüne Woche,
die Jahrestagung der Asiatischen Entwicklungsbank, das
Habitat Forum Berlin, den
Weltzukunftskongress, die
G20-Präsidentschaft sowie
das „Weißbuch Entwicklungspolitik“ ein, die nur einige Meilensteine darstellen, die das
BMZ in diesem Kalenderjahr
passieren wird.
Der Veranstaltung schloss sich
ein Zusammensein mit Snacks
und Getränken an, bei dem der
Bundesvorsitzende noch auf
zahlreiche Fragen profunde
Antworten geben konnte, und
so einen wesentlich Beitrag
Fachgruppe BMZ (2)
Verband der Beschäftigten der obersten und oberen Bundesbehörden
8
Die gut besuchte Veranstaltung, an der rund 60 Personen
teilnahmen, war gleich in zweifacher Weise eine überzeugende Visitenkarte des VBOB:
­Einerseits konnte der Bundesvorsitzende wichtige Themen
wie die Tarifverhandlungen für
Bund und Kommunen, das
Dienstrechtsneuordnungsgesetz, die Entgeltordnung sowie
die einzelnen Aspekte des
Bonn-Berlin-Gesetzes öffentlichkeitswirksam thematisieren. Andererseits konnte die
Fachgruppe die Jahresauftaktveranstaltung dazu nutzen,
mit der Umsetzung des vom
Vorstand mit den Mitgliedern
gemeinsam erarbeiteten
­Konzepts einer offensiveren
Öffentlichkeitsarbeit zu beginnen. Wichtiger Bestandteil der
Strategie ist, durch die Öffnung
von Veranstaltungen auch für
Nichtmitglieder, über Inhalte
neue Mitglieder zu werben.
Zeitgleich soll das „Wir-Gefühl“
vitalisiert werden. Der Ansatz
zeigte als Impuls erfreuliche
Wirkung, denn zahlreiche interessierte Tarifbeschäftigte und
Beamte traten nach der Veranstaltung dem VBOB bei. Mittlerweile sind fast 15 Prozent
der Belegschaft des BMZ
VBOB-Mitglieder. Die Formel
Veranstaltungen mit „übergreifenden Inhalten und TOPReferenten“ zu kombinieren,
erscheint Erfolg versprechend
zu sein. Der Mitgliederzuwachs
<<
<
< Die Berliner Runde im direkten Gespräch mit den Bonner Kollegen per Videokonferenz.
<<
Personalratswahlen 2016
In der Meldefrist sind beim Wahlvorstand im BMZ vier Wahlvorschläge für die Gruppe der Beamten und ein Wahlvorschlag
für die Gruppe der Tarifbeschäftigten eingegangen. Dies bedeutet bei der Gruppe der Beamten erstmals eine Listenwahl
und bei der Gruppe der Tarifbeschäftigten weiterhin eine Personenwahl. Um sich von den
anderen Listen, die Namen wie
„Frischer Wind“ oder „unabhängige Liste“ tragen, abzuheben,
wählte die Fachgruppe den Zusatz „VBOB – WirFürEuch!“)
Gründung des Ministeriums
dar. Die Bundesregierung geht
damit weiterhin einen gewichtigen Schritt auf das Ziel zu,
jährlich 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens (ODAQuote) für die Entwicklungszusammenarbeit bereitzustellen.
Dieses Ziel wurde beim Gipfel
auf Schloss Elmau von den
Staats- und Regierungschefs
der G 7 bekräftigt. 2016 beschrieb Kitschelt als das „Umsetzungs-Jahr“. Fachgruppenvorsitzender Khalatbari, der
den Abend moderierte, merkte
an, dass dann wohl „diejenigen, die das Jahr 2015 moch-
leistete, um neue Mitglieder
für den VBOB zu gewinnen. In
Bonn, wo die Veranstaltung
per Videokonferenz übertragen wurde, übernahm der
stellvertretende Vorsitzende
Peter Schlemminger die Moderation. Neben dem Themenschwerpunkt des Abends wurde auch das Engagement von
Peter Köchling gewürdigt, der
nach langen Jahren des Fachgruppenvorsitzes auch weiterhin dem VBOB mit seiner Expertise als Beisitzer erhalten
bleibt.
B. Khalatbari
VBOB
VBOB – Verband der Beschäftigten der obersten und oberen Bundesbehörden
<
< Staatssekretär Klaus-Dieter Fritsche (rechts hinten im Bild) und Peter Rath (rechts vorne im Bild) im Gespräch mit den Vertretern des VBOB.
Es bestand Einvernehmen, den Gesprächsfaden bei neuem Sachstand wieder aufzunehmen.
Trotz enger Terminlage
Bundesvorsitzender Hartwig
Schmitt-Königsberg und der
stellvertretende Bundesvorsitzende Olaf Lüdtke bedankten
sich bei Staatssekretär Fritsche,
dass er trotz der engen Terminlage dem VBOB sehr kurzfristig
für ein Gespräch zur Verfügung
stand. Im direkten Anschluss
an die Personalversammlung
im Bundeskanzleramt wurde
am 22. Januar 2016 in nun
schon gewohnt offener und
konstruktiver Gesprächsatmosphäre der Dialog mit Staats­
sekretär Fritsche fortgesetzt.
Erstmals nahm MinR Peter
Rath, neuer Leiter des Haushalts- und Personalreferates
in der Abteilung 6, an dieser
Runde teil.
Ein Schwerpunkt der Arbeit des
Bundesnachrichtendienstes
liegt in der Aufklärung des islamistisch motivierten internationalen Terrorismus. Die Gesprächsteilnehmer waren sich
einig, dass Deutschland auch
durch die ausgezeichnete Arbeit der Sicherheitsbehörden
Bundesamt für Verfassungsschutz (im Inland) und Bundesnachrichtendienst (im Ausland)
bisher von Anschlägen durch
Kommandos des islamistisch
motivierten internationalen
Terrors verschont blieb. Deshalb ist es unabdingbar, den
Sicherheitsbehörden ausreichende Ressourcen, und zwar
Personal und insbesondere
­IT-Technik, zur Verfügung zu
stellen.
Auch die Nachwuchsgewinnung für die Sicherheitsbehörden rückt wieder stärker in den
Fokus. Um in Konkurrenz mit
anderen Arbeitgebern bei der
Suche nach den „besten Köpfen“ nicht ins Hintertreffen zu
geraten, ersuchten die Vertreter des VBOB Staatssekretär
Fritsche um Unterstützung für
Ihren Vorschlag, den Anwärterinnen und Anwärtern für die
Laufbahnen des mittleren und
des gehobenen Dienstes als
Anreiz bei der Personalge­
winnung für die zunehmend
risikobehaftetere Tätigkeit
künftig eine Zulage in Form
­einer Sicherheitszulage oder
Ähnliches anzubieten.
Nach langwierigen und intensiven Verhandlungen ist das
Verfassungsschutzgesetz im
November letzten Jahres in
Kraft getreten. Die Gesprächsteilnehmer haben im Rahmen
des Gesetzgebungsverfahrens
eng und sehr vertraulich zusammengearbeitet und begrüßten, dass mit dem neuen
Gesetz die Position des BfV –
auch in der Zusammenarbeit
mit den Länderbehörden –
maßgeblich gestärkt wurde
und vor allem Rechtssicherheit
und -klarheit für den Einsatz
von V-Leuten geschaffen wurden.
Ein weiteres Thema beschäftigte in den letzten Wochen
die Personalvertretung im
BND. Die Novellierung der
nicht mehr in die heutige Zeit
passenden Sondervorschriften
für den Bundesnachrichtendienst (§ 86 BPersVG) ist auf
einem guten Weg. Die letzten
Hürden wurden in guter Zusammenarbeit aller Beteiligten
unter aktiver Einbindung des
VBOB aus dem Weg geräumt.
Die Kabinettbefassung im
1. Quartal 2016, Befassung im
Bundestag einschließlich der
Beratung in den Ausschüssen
sowie im Bundesrat sind terminiert. Das Inkrafttreten der
­Novelle ist nach den Parlamentsferien vorgesehen. Mit
der Novelle der Sondervorschriften für den BND geht
eine erhebliche Verbesserung
der Rechtssituation für den
Personalrat, und damit auch
für die Beschäftigten einher.
Der Umzug von Pullach in den
Neubau in der Chausseestraße
in Berlin mit all seinen Begleiterscheinungen belastet die
Kolleginnen und Kollegen im
BND in besonderem Maße.
Staatssekretär Fritsche informierte über den Stand der Planungen und bat um Verständnis, dass er immer noch keinen
belastbaren Umzugstermin
nennen könne. Ein Termin werde erst dann öffentlich genannt, wenn sichergestellt sei,
dass er auch eingehalten werden kann.
hsk
> VBOB Magazin | März 2016
9
Verband der Beschäftigten der obersten und oberen Bundesbehörden
Fortsetzung des Dialogs mit dem Beauftragten
für die Nachrichtendienste des Bundes, Staats­
sekretär Klaus-Dieter Fritsche, zu Themen der
­Sicherheitsbehörden BfV und BND.
VBOB – Verband der Beschäftigten der obersten und oberen Bundesbehörden
Der Bundesvorstand hat in seiner Sitzung am
15. Februar 2016 die Charta der Vielfalt unterzeichnet. Hierzu konnten wir Aletta Gräfin von
Hardenberg als Geschäftsführerin der Charta und
die Projektleiterin Corina Christen als Gäste im
dbb forum begrüßen. Unser Bundesvorsitzender
schritt zur Tat und unterzeichnete die bereits vorab von der Beauftragten der Bundesregierung für
Migration, Flüchtlinge und Inte­gration, Aydan
Özoğuz, unterschriebene Urkunde. Der Bundeshauptvorstand hatte in seiner Sitzung am
13./14. November 2015 einstimmig den Beitritt
zur Charta der Vielfalt beschlossen.
fen, das frei von Vorurteilen ist.
Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen Wertschätzung
erfahren – unabhängig von Geschlecht, Nationalität, ethnischer Herkunft, Religion oder
Weltanschauung, Behinderung, Alter, sexueller Orientierung und Identität.
„Mit unserem Motto ,JUNG
und ALT – VIELFALT als CHANCE.
JETZT!‘ auf dem Bundesvertretertag 2014 haben wir uns mit
Schwerpunkt auf die Altersstruktur und den demografischen Wandel ein genau solches Programm auf die Fahnen
VBOB
Verband der Beschäftigten der obersten und oberen Bundesbehörden
10
Die Charta wurde im Dezember 2006 von vier Konzernen
ins Leben gerufen. Mehr als
2 300 Unternehmen und öffentliche Einrichtungen haben
sie bereits unterzeichnet und
kontinuierlich kommen neue
Unterzeichner hinzu. Die Initiative mit dem Ziel der Förderung von Vielfalt in Unternehmen und Institutionen hat die
Bundeskanzlerin als Schirmherrin. Die Initiative will die Anerkennung, Wertschätzung und
Einbeziehung von Vielfalt in
der Arbeitskultur in Deutschland voranbringen. Organisationen sollen ein Umfeld schaf-
> VBOB Magazin | März 2016
Brenner
VBOB unterzeichnet „Charta der Vielfalt“
<
< Die Geschäftsführerin der Charta der Vielfalt, Gräfin von Hardenberg,
freut sich über den „Neuzugang“ VBOB.
geschrieben“, so der VBOBBundesvorsitzende Hartwig
Schmitt-Königsberg am Rande
der Unterzeichnung. Die Geschäftsführerin der Charta der
Vielfalt, Frau von Hardenberg,
überreichte die Urkunde auf
der Sitzung des Bundesvorstandes und zeigte sich sehr
erfreut über den Zuwachs im
Netzwerk der Charta.
„Wenn wir von Vielfalt in der
Verwaltung sprechen, geht es
keineswegs darum festzustellen, dass die eine Personengruppe etwas besser kann, als
die andere. Wichtig ist die vorurteilsfreie Zusammenarbeit
aller Beschäftigten zum Vorteil für die Organisation“, so
Gräfin von Hardenberg. Es
geht gerade nicht um die Alleinstellung und das Hervorheben des Einzelnen mit seinen
spezifischen, sich aus seiner
Persönlichkeit, Alter oder Herkunft ergebenden Fähigkeiten
und Vorzüge. Es geht um die
Optimierung des Zusammenspiels unterschiedlichster
­Charaktere mit diversen kulturellen und persönlichen Hintergründen im Arbeitsalltag.
Jeder bringt ihm eigene Besonderheiten mit, die im Team
­akzeptiert, genutzt und als
­Gewinn betrachtet werden.
Optimierte Arbeitsergebnisse,
gesteigerte Kundenorientierung oder höhere Flexibilität
und damit ein erfolgreicheres
Verwaltungshandeln erbringt
nicht der eine Kollege oder die
eine Kollegin, sondern das vielfältige Team.
Das ist ein Prozess, der „von
oben“ angestoßen werden
muss, der eines neuen Bewusstseins und auch der Steuerung bedarf. Eine Unterzeichnung der Charta der Vielfalt
kann hier der erste Schritt sein.
Auf der Homepage der Charta
kann man die Liste der Unterzeichner einsehen. Wählt man
hier „Öffentlicher Sektor/Bund“
aus, erhält man ­lediglich 26
­Suchergebnisse. Da ist noch
viel Luft nach oben!
Mit der Unterzeichnung hat
sich der VBOB auf dem Papier
zu den Inhalten der Charta bekannt, jetzt freuen wir uns
auf die weitere praktische
­Auseinandersetzung mit dem
Thema!
In diesem Zusammenhang
möchten wir gleich auf den
4. Deutschen Diversity-Tag,
am 7. Juni 2016 hinweisen.
Weitere Informationen finden
Sie hierzu auf www.deutscherdiversity-tag.de. st
VBOB – Verband der Beschäftigten der obersten und oberen Bundesbehörden
Im November 2015 hat die Fachgruppe 16 im BMI Berlin einen
neuen Fachgruppenvorstand
gewählt. Die erste Herausforderung für den neuen Vorstand
sind die Personalratswahlen im
März, bei denen sich die VBOBKandidaten ein gutes Abschneiden wünschen. Parallel dazu
hat sich der Vorstand vorgenommen, die Fachgruppe noch
aktiver zu gestalten und sowohl die persönlichen Kontakte als auch die inhaltliche Arbeit zu intensivieren. Im Fokus
der inhaltlichen Arbeit werden
die Vorstellungen der Mitglieder für ein zeitgemäßes Arbeitsumfeld stehen. Gemeinsam mit den Mitgliedern sollen
auch Problemfelder in der täglichen Arbeit identifiziert, aufbereitet und transportiert werden. Dies umfasst sowohl die
Vereinbarkeit der beruflichen
Tätigkeit mit den Anforderungen von Familie oder Pflege,
aber auch konkrete ablauforganisatorische Verbesserungen
im Arbeitsalltag des BMI sollen
gemeinsam mit den Personalratsmitgliedern des VBOB thematisiert werden. Im Lauf diesen Jahres will der Vorstand
den persönlichen Zusammenhalt der Fachgruppe stärken.
Hierzu wird es gemeinsame
Mittagsveranstaltungen geben, aber auch eine gemeinsame Abendveranstaltung ist
Marion Felchner
Neuwahlen in der Fachgruppe
Bundesministerium des Innern (BMI)
<
< Der neue Vorstand der Fachgruppe des VBOB im BMI-Berlin: Nils Stützle,
Ulrike Schäfer, Sascha Titze, Dr. Karlheinz Stöber, Christian Engel, Evelyn
Woite, Arne Schlatmann, Marion Felchner (von links)
­ ngedacht. Der neue Vorstand
a
hofft auf einen regen Austausch mit den Mitgliedern der
Fachgruppe und freut sich auf
seine Aufgaben in der Gemeinschaft des VBOB.
K. Stöber
11
Verband der Beschäftigten der obersten und oberen Bundesbehörden
Neujahrstreffen der Ruheständler
Bei einem sehr gut besuchten Neujahrsempfang der Senioren/
­-innen und deren Partner der Fachgruppe Bundeskriminalamt
Wiesbaden konnte die Vorsitzende der Fachgruppe, Brigitte Becker, nicht nur die Anwesenden, sondern auch den Vertreter der
Mitglieder des VBOB im Ruhestand, Joachim Politis, sehr herzlich
begrüßen. In einer kurzen Einführung berichtete die Vorsitzende
über einige aktuelle Themen aus dem BKA und aus der Vorstandsarbeit der Fachgruppe. Die Ausführungen des Kollegen Politis betrafen weitgehend die Änderungen im Beihilferecht, zukünftig zu
erwartende Änderungen in der Zuständigkeit der Beihilfestellen,
Einkommensrunde 2016, Probleme und Personalfragen beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und ging noch auf
die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur amtsangemessenen Alimentation ein.
Richard Steinheimer
Seitens der Fachgruppe BKA wurde angeregt, dringend die Broschüren zur Pflegeversicherung und den Ratgeber für den Trauerfall zu
aktualisieren. Dies, so Politis, werden wohl durch eine Neuauflage
einer Broschüre durch den dbb realisiert. Joachim Politis konnte die
zahlreichen Fragen zum Beihilferecht ausführlich beantworten und
hierbei zeigte sich auch, wie wichtig dieser Gedankenaustausch mit
einem Vertreter des Bundesvorstandes des VBOB ist.
D. Schäfer
> VBOB Magazin | März 2016
VBOB – Verband der Beschäftigten der obersten und oberen Bundesbehörden
Aufruf des Bundesvorstandes zu
den Personalratswahlen 2016
Brenner
<< Wir gratulieren im März
Mit einer Urkunde und der
­silbernen Ehrennadel werden
für
25
jährige Mitgliedschaft im VBOB
­geehrt:
VBOB Fachgruppe Bundes­
ministerium für Verkehr und
digitale Infrastruktur (13)
Heribert Braun
Dietmar Meyer
VBOB Fachgruppe Bundes­
ministerium für Umwelt,
­Naturschutz, Bau und
­Reaktorsicherheit (14)
Karlheinz Lange
Frank Stephan
VBOB Fachgruppe Bundes­
rechnungshof (19)
Dr. Horst-Dieter Ritter
VBOB Fachgruppe Bundesamt
für Verfassungsschutz (23)
Helmut Braun
Horst Casper
Hans-Peter Görres
Dieter Jacobs
Eugen Dirk Menden
Dr. Eckart Schmeel
> VBOB Magazin | März 2016
Norbert Schumacher
Dieter Ziewers
VBOB Fachgruppe Bundes­
verwaltungsamt (24)
Dagmar Wißkirchen
VBOB Fachgruppe Bundesamt
für Kartographie und Geodäsie
(28)
Brigitte Heidrich-Winkelhahn
VBOB Fachgruppe Bundes­
gerichtshof (36)
Andreas Weisenburger
VBOB Fachgruppe KraftfahrtBundesamt (37)
Sonja Sontowski
VBOB Fachgruppe Bundesanstalt für Immobilienaufgaben
(BVV) (41)
Heinrich Prein
VBOB Fachgruppe EisenbahnBundesamt/Bundeseisenbahnvermögen (44)
Iris Rudolph
VBOB Fachgruppe Bundes­
verwaltungsamt Hamm (48)
Markus Rengel
Mit einer Urkunde für
40
jährige Mitgliedschaft im VBOB
werden geehrt:
VBOB Fachgruppe Bundes­
ministerium für Wirtschaft und
Energie (05)
Dr. Günter Waschke
VBOB Fachgruppe Bundesministerium des Innern Bonn/Der
Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (06)
Günther Tiffert
VBOB Fachgruppe Bundesministerium für Arbeit und Soziales (08)
Fritz Schütte
VBOB Fachgruppe Bundes­
ministerium für Verkehr und
digitale Infrastruktur (13)
Peter Züll
VBOB Fachgruppe Bundes­
netzagentur (53)
Manfred Bäumer
Mit einer Urkunde und der silbernen Ehrennadel werden für
50
jährige Mitgliedschaft im VBOB
geehrt:
VBOB Fachgruppe Deutscher
Bundestag/Bundesrat (01)
Konrad Bruns
VBOB Fachgruppe Bundes­
ministerium des Innern Bonn/
Der Beauftragte der Bundes­
regierung für Kultur und
­Medien (06)
Rainer Franz
Es ist uns eine besondere Ehre,
folgendem Mitglied für die
VBOB Fachgruppe Bundesamt
für Verfassungsschutz (23)
Hermann Begon
60
VBOB Fachgruppe Bundessozialgericht/Bundesarbeitsgericht (35)
Jürgen Wenzel
VBOB Fachgruppe Bundesamt
für Verfassungsschutz (23)
Walter Voß
jährige Mitgliedschaft in diesem
Jahr mit einer
­ rkunde zu gratulieren:
U
Fotolia – © Konstiantyn
Verband der Beschäftigten der obersten und oberen Bundesbehörden
12
dbb
2016
Sebastian Hänel
Einkommensrunde
< Die Forderung im Detail
Sechs Prozent sind konsequent
Russ, der die am 21. März 2016
in Potsdam beginnenden Tarifverhandlungen für den dbb
führen wird, betonte, dass die
Forderung „konsequent“ sei:
„Sowohl hinsichtlich der Erwartungen der Beschäftigten
als auch mit Blick auf eine zukunftstaugliche Personalpolitik.“ Russ weiter: „Die Flüchtlingssituation hat allen gezeigt,
wie wichtig ein motivierter,
funktionsfähiger und personell
angemessen ausgestatteter
öffentlicher Dienst ist. Dafür
gibt es aber jede Menge Handlungsbedarf, bei der generellen
Bezahlung genauso wie bei der
Übernahmezusage für die Auszubildenden. Wenn wir die Arbeitsbedingungen insgesamt,
vor allem aber für Berufseinsteiger, nicht spürbar verbessern – indem wir zum Beispiel
die Befristung stark zurück­
fahren –, werden wir unseren
Personalbedarf bald nicht
mehr decken können. Ergebnis
wären weitere Leistungseinschränkungen des Staates.
Wir brauchen aber mehr
Staat, nicht weniger.“
Marco Urban
Der dbb will in der Einkommensrunde 2016 für die Beschäftigten von Bund
und Kommunen signifikant höhere Einkommen durchsetzen. Das unterstrich der Zweite Vorsitzende des dbb, Willi Russ, auf einer Pressekonferenz
am 18. Februar 2016 in Berlin.
<
dbb Vize Willi Russ (rechts) und der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske
­stellten die gemeinsame Einkommensforderung der Gewerkschaften
auf einer Pressekonferenz in Berlin vor.
<
Stabile Staatseinnahmen
Die Staatseinnahmen seien generell stabil, sie müssten allerdings gerecht und aufgaben­
orientiert verteilt werden:
„Die Wirtschaft boomt und
die Staatskassen sind so gut
gefüllt wie lange nicht. Auch
das hat viel mit der Leistungsfähigkeit des öffentlichen
Dienstes zu tun. Die Kolleginnen und Kollegen fordern jetzt
ihren fairen Anteil am wirtschaftlichen Erfolg ein – das ist
nur recht und billig und gilt für
Arbeitnehmer und Beamte
gleichermaßen. Deshalb fordern wir natürlich die zeit- und
inhaltsgleiche Übertragung der
Tarifeinigung auf die Beamten
und Versorgungsempfänger.“
<
Entgeltordung regeln
Außerdem stünden in Potsdam
wichtige strukturelle Fragen
zur Klärung an. Russ: „Wir erwarten, dass die Entgeltordnung für den kommunalen
­Bereich endlich unter Dach
und Fach gebracht wird.“ Im
Vorfeld der Pressekonferenz
zur Einkommensforderung hat-
Die gemeinsame Forderung
von dbb und ver.di sieht neben einer linearen Erhöhung
der Tabellenentgelte um
sechs Prozent Nachwuchsförderung vor. So sollen die
Auszubildenden- und Prak­
tikantenentgelte um 100
Euro monatlich erhöht werden. Darüber hinaus sollen
alle Auszubildenden unbefristet übernommen werden.
Weitere Kernpunkte sind die
vollständige Übernahme von
Reisekosten zu einer auswärtigen Berufsschule oder zu
überbetrieblichen Ausbildungsmaßnahmen sowie
30 Tage Urlaub für Azubis.
Der Tarifvertrag soll eine
Laufzeit von zwölf Monaten
haben und die zügige Einführung einer neuen Entgeltordnung im kommunalen Bereich enthalten.
Darüber hinaus fordern dbb
und ver.di den tariflichen Ausschluss sachgrundloser Befristungen, die Verlängerung
der Regelungen zur Altersteilzeit, Gesundheitsschutz für
Flughafenfeuer­wehren sowie
die zeit- und wirkungsgleiche
Übernahme für Beamtinnen
und Beamte sowie Versorgungsempfänger.
te die Bundestarifkom­mission
(BTK) des dbb im dbb forum
berlin getagt und sich eingehend mit den wirtschaftlichen
Rahmendaten beschäftigt. Einen ausfürlichen Bericht zur
BTK-Sitzung und weitere Einzelheiten zur Einkommensforderung finden Sie ab Seite 16.
> VBOB Magazin | dbb seiten | März 2016
13
aktuell
Tarifforderung zur Einkommensrunde 2016:
Cornelia Krüger
dbb
< Teilnehmerinnen und Teilnehmer der
dbb Branchentage diskutierten in Bonn ...
Branchentage zur Einkommensrunde 2016:
Bezahlung verbessern,
Wertschätzung erhöhen
aktuell
14
Im Januar und Februar 2016 hat der dbb seine
Reihe von Branchentagen im Vorfeld der Einkommensrunde 2016 fortgesetzt und den Beschäftigten ein Forum geboten, ihre Vorstellungen zur
Forderungsfindung zu artikulieren. Es wurde deutlich, dass eine bessere Bezahlung für die Beschäftigten an erster Stelle steht. Klar wurde aber auch:
Höhere Einkommen können nur der Anfang sein,
um den öffentlichen Dienst zu einem attraktiveren Arbeitgeber zu machen.
Im Bonner Stadthaus trafen
sich Beschäftigte aus dem
Sozial- und Erziehungsdienst,
der allgemeinen Verwaltung,
aus dem technischen Bereich,
Hausmeister, Mitarbeiter aus
Schulsekretariaten, der Abfallwirtschaft, von der Straßenreinigung, aus Bäderbetrieben,
Garten- und Landschaftsbau
und aus dem Gesundheitsdienst am 26. Januar 2016.
„Jede Berufsgruppe soll zu
Wort kommen, bevor wir unser gewerkschaftliches Forderungspaket schnüren“, machte
Andreas Hemsing, stellvertretender Vorsitzender der dbb
Bundestarifkommission und
Vize der komba gewerkschaft,
deutlich. So vielschichtig wie
die Arbeitsbedingungen seien
auch die Erwartungen. „Aber
Einigkeit besteht in dem Anspruch auf mehr Wertschätzung der Arbeit, die die kommunalen Beschäftigten Tag für
Tag zuverlässig leisten.“
Schon vor Beginn des Flüchtlingszustroms nach Deutschland sei die Personaldecke
gerade in den Kommunen vielfach auf Kante genäht gewesen. „Egal ob Erstaufnahme,
vorläufige Unterbringung oder
Anschlussunterbringung und
vor allem Integration in die Gesellschaft – die Kommunen
sind jetzt an allen Stellen unmittelbar von der Flüchtlingsbewegung betroffen. Eigentliche Aufgaben bleiben liegen
oder können nur rudimentär
erledigt werden. Mit diesem
Druck steigt auch die Belas-
> VBOB Magazin | dbb seiten | März 2016
tung für die Beschäftigten“,
so Hemsing. Schon heute sei
klar, dass diese zusätzlichen
Belastungen kein kurzfristiges,
vorübergehendes Phänomen
sein werden.
<
Kommunalverwaltung:
Ganz nah dran
„Nirgendwo erleben Bürgerinnen und Bürger staatliche
Dienstleistungen so direkt wie
vor Ort in den Kommunen –
etwa im Bürger- oder Grünflächenamt oder bei der Verund Entsorgung. Deshalb muss
hier dringend wieder investiert
werden“, sagte der Zweite
Vorsitzende und Fachvorstand
Tarifpolitik, Willi Russ, am 26.
Januar 2016 in Weiden in der
Oberpfalz. In den vergangenen
Jahren hätten viele Kommunen
sparen müssen, viele Leistungen seien weggefallen oder
privatisiert und damit langfristig teurer geworden, erklärte
Russ. „Das war ein Irrweg. Heute sehen wir die Ergebnisse: In
den Schulen bröckelt der Putz
von der Decke, die Schlaglöcher in den Straßen werden
immer größer und die Wartezeiten in den Bürgerämtern
länger. Wenn wir das nicht ändern, werden die Menschen
das Vertrauen in den Staat
verlieren.“ Notwendig seien
Investitionen in die Infrastruktur und in das Personal. Um
Fachkräfte und Nachwuchs
gewinnen zu können, müsse
der öffentliche Dienst attraktiver werden: „Die Kommunen
müssen erkennen, dass die
anstehende Einkommensrunde wegweisend für sie wird.
Es geht nicht nur um höhere
Einkommen. Es geht auch darum, mit einer Entgeltordnung
endlich moderne, faire und
transparente Beschäftigungsbedingungen zu etablieren“,
so Russ.
<
BA: Beschäftigte
fordern ihren Anteil
Beschäftigte der Bundesagentur für Arbeit (BA) diskutierten
im Rahmen der dbb Branchentage am 28. Januar 2016 in
Düsseldorf. Die BA ist mit mehr
als 100 000 Beschäftigten der
größte Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes, nimmt tarifrechtlich allerdings eine Sonderstellung ein: Es gibt einen
zwischen Gewerkschaften und
BA ausgehandelten Haustarifvertrag, der die Besonderheiten
berücksichtigt. Insbesondere
beinhaltet der Tarifvertrag ein
fein ausverhandeltes System
zur Eingruppierung. „Die Ein-
stroms mit stetig steigenden
Vermittlungszahlen konfrontiert werden: „Es darf nicht vergessen werden, dass hinter der
Arbeit Menschen stehen, nicht
nur Kennzahlen. Wenn die BA
das Ziel hat, immer effektiver
zu werden, stellt sich eine Frage: Wo bleibt die Anerkennung? Wenn auf BA-Seite Prozesse gestrafft und optimiert
werden, erwarten wir, dass ein
Teil der Effizienzgewinne an die
Beschäftigten zurückfließt.“
„Es ist an der Zeit, dass sich die
gute Arbeit der Kolleginnen
und Kollegen auch in einem
guten Einkommen widerspiegelt“, sagte der stellvertretende dbb Bundesvorsitzende und
Fachvorstand Beamtenpolitik,
Hans-Ulrich Benra, am 10. Februar 2016 in Flensburg. Für die
Beschäftigten des KraftfahrtBundesamtes hätte darüber
hinaus das Ende der Befristungspraxis hohe Priorität. Mit
Friedhelm Windmüller
< ... und in Flensburg.
etwa 110 befristeten Arbeitsverhältnissen bei rund 750
Stellen nehme das Amt einen
unrühmlichen Spitzenplatz in
der Bundesverwaltung ein. Gegenüber den Beamtinnen und
Beamten auf dem KBA-Branchentag bekräftigten Benra
und der Bundesvorsitzende des
Verbandes der Beschäftigten
der obersten und oberen Bundesbehörden (VBOB), Hartwig
Schmitt-Königsberg, dass die
Einkommensrunde 2016 erst
zu Ende sein wird, wenn das
Ergebnis zeit- und inhaltsgleich
auf Beamte und Versorgungsempfänger übertragen worden
sei.
<
Krankenhauspersonal
warnt vor Kollaps
„Ohne spürbare Einkommensverbesserungen wird die Konkurrenzsituation auf dem
Arbeitsmarkt für den Gesundheitsbereich wie für den ge-
Peter Steffen
kommensrunde 2016 ist dennoch von hoher Bedeutung für
die BA-Beschäftigten“, erklärte
Karl-Heinz Leverkus, stellvertretender Vorsitzender der dbb
Bundestarifkommission. „Die
Entgeltentwicklung ist jedes
Jahr an die Ergebnisse der Verhandlungen gekoppelt. Für Besonderheiten oder Verhandlungsergebnisse, die nicht auf
den Tarifvertrag der BA übertragbar sind, findet der dbb
gleichwertige Lösungen.“ Seit
Jahren befinde sich die BA
strukturell im Umbau. Prozesse
würden optimiert und Arbeitsabläufe gestrafft. „Das Selbstverständnis und das Vorgehen
der BA sind die eines modernen
Dienstleisters geworden, mit
allem, was dazugehört. Umstrukturierungen und das Streben nach Effizienzsteigerungen
gehören dazu“, erläuterte Leverkus und verwies darauf,
dass die Beschäftigten im Zuge
des anhaltenden Flüchtlingszu-
< ... in Düsseldorf ...
< Die Teilnehmer während des Branchentages 2016 in der KRH Psychiatrie in Wunstorf (Niedersachsen).
samten öffentlichen Dienst
noch schwieriger. Wir brauchen
hier dringend eine deutliche
Aufwertung“, fasste Karl-Heinz
Leverkus die Forderung der Beschäftigten der KRH Psychiatrie
am 3. Februar in Wunstorf zusammen. Es sei fachlich nicht
zu begründen, warum Nachtarbeits- und Wochenendzuschläge im Krankenhaus niedriger sind als beispielsweise
bei der Bundespolizei oder im
Jugendamt.
Mit den schwierigen Arbeitsbedingungen setzten sich am
1. Februar auch die Beschäftigten des Klinikums Dortmund
kritisch auseinander und warnten vor einem Kollaps im Gesundheitswesen. „Die verfehlte Gesundheitspolitik der
letzten Jahrzehnte hat Veränderungen nach sich gezogen,
die weit am wirklichen Bedarf
vorbeigehen“, kritisierte Andreas Hemsing. „Es wird mit dem
Argument der knappen Kassen
bewusst in Kauf genommen,
dass eine adäquate Gesundheitsversorgung der Bevölkerung nicht mehr stattfinden
kann. Die Beschäftigten sollen
einerseits hoch qualifiziert,
universell einsetzbar und grenzenlos belastbar sein, andererseits wird ihnen die entsprechende Anerkennung nicht
zugestanden.“ Das zeige sich
etwa in der geringen Entlohnung, der massiven Arbeitsverdichtung und münde schließlich in Arbeitsbedingungen, die
die Gesundheit der Beschäftigten enorm schädigen.
> VBOB Magazin | dbb seiten | März 2016
15
aktuell
< ... in Weiden ...
Lothar Drechsel
Anestis Aslanidis
dbb
dbb
Einkommensrunde 2016:
Eine Frage der Wertschätzung
Friedhelm Windmüller
Zur Forderungsfindung für die am 21. März 2016 beginnende Einkommensrunde mit Bund und
­Kommunen waren dbb Bundesvorstand und dbb Bundestarifkommission (BTK) am 18. Februar 2016
im dbb forum berlin zusammengekommen.
aktuell
16
<
dbb Bundestarifkommission und dbb Bundesvorstand diskutierten vor der Abstimmung am 18. Februar 2016 im dbb forum berlin über das Forderungspaket.
In den Beratungen wurden auf
der Grundlage einer eingehenden Analyse der allgemeinen
wirtschaftlichen Entwicklung
und der Rückmeldungen aus
den Reihen der Beschäftigten,
die der dbb in den vergangenen Monaten bei zahlreichen
Branchentagen gesammelt
hat, konkrete Forderungen an
die Arbeitgeber entwickelt.
Willi Russ, Zweiter Vorsitzender und Fachvorstand Tarifpolitik des dbb, will vor allem eine
spürbare lineare Einkommenserhöhung durchsetzen: „Der
öffentliche Dienst macht im
Rahmen seiner ihm gegebenen
Möglichkeiten einen verdammt guten Job – insbesondere aktuell unter dem Druck
der großen Zahl an Schutzsuchenden in unserem Land. Das
wollen wir auch im Rahmen
der diesjährigen Einkommensrunde entsprechend gewürdigt
sehen“, betonte Russ vor Beginn der Beratungen.
<
Struktur im Fokus
Bei den Tarifverhandlungen wird
es zudem um strukturelle Fragen gehen. Besonders auf den
Nägeln brenne die nicht mehr
akzeptable Befristungspraxis im
öffentlichen Dienst. Laut einer
neuen Studie des „Instituts für
Arbeitsmarkt- und Berufsforschung“ (IAB) liegt der Anteil befristeter Arbeitsverhältnisse bei
den Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst oberhalb von 15
Prozent und damit über der Privatwirtschaft. Vor allem jüngere
Arbeitnehmer unter 35 Jahren
werden danach häufig nur befristet eingestellt. „Dies ist keine
Perspektive für junge Menschen,
die zu Recht Verlässlichkeit und
Planbarkeit erwarten, wenn sie
sich für einen Arbeitgeber entscheiden. Diese Ergebnisse sollen in die Tarifforderungen einfließen“, sagte Russ.
Weiteres Thema der diesjährigen Einkommensrunde wird die
> VBOB Magazin | dbb seiten | März 2016
seit mehr als zehn Jahren verhandelte neue Entgeltordnung
für die kommunalen Arbeitnehmer sein. „Selbstverständlich
werden wir wieder darauf dringen, dass auch Beamte und
Versorgungsempfänger beim
Bund zeit- und i­nhaltsgleich
von den verhandelten Ergebnissen profitieren“, unterstrich
dbb Verhandlungsführer Russ.
<
Der öffentliche Dienst:
Wichtiger denn je
In der Begründung zur Einkommensforderung stellte die BTK
klar, dass die Debatten, wie viel
Staat sich das Land noch leisten
kann oder will, verstummt seien. Der Konsens sei groß, wie
seit Jahren nicht mehr: „Der öffentliche Dienst ist Stabilitätsfaktor, und die Bürger erwarten
von der Politik, dass sie ihre
Haushalte nicht weiter auf Kosten des öffentlichen Sektors saniert. Vielmehr besteht große
Einigkeit, dass der öffentliche
Dienst gestärkt werden muss,
damit das schnell ausgesprochene ,Wir schaffen das‘ kein
leeres Versprechen bleibt. Neben der hochwertigen Alltagsarbeit des öffentlichen Dienstes
sind nahezu alle öffentlichen
Bereiche auch von der aktuellen
Integrationsarbeit betroffen“,
heißt es in der Begründung der
BTK. Gerade der öffentliche
Dienst setze dieses Versprechen der Politik um und sagt:
„Wir machen das!“ Um auch in
Zukunft attraktive Arbeitsplätze anbieten zu können, müssten die Beschäftigten besser
bezahlt werden.
<
Neue Entgeltordnung im
kommunalen Bereich
Seit über zehn Jahren gibt es
den TVöD, allerdings fährt dieses Tarifmobil noch mit einem
alten BAT-Motor. Im Rahmen
der Einkommensrunde sollen
die kommunalen Arbeitgeber
auch über den Abschluss einer
dbb
<
Spürbar mehr
Einkommen
Die Wirtschaft boomt und die
Staatskassen sind gefüllt. Das
hat viel mit dem öffentlichen
Dienst und seiner starken Leistung zu tun. Der Wirtschaftsstandort Deutschland lebt von
seinen verlässlichen Strukturen. Aus diesem Grund fordert
der dbb angemessene Teilhabe
am wirtschaftlichen Erfolg
über den Inflationsausgleich
hinaus. „In diesem Sinne ist unsere Forderung nach sechs Prozent weder bescheiden noch
unbescheiden, sondern ganz
einfach realistisch“, so die Mitglieder der BTK. Zudem soll der
Tarifabschluss auch eine soziale Komponente enthalten.
<
Jugend fördern
Weiter will der dbb in der
­Einkommensrunde auch ein
Zeichen für die Jugendförderung im öffentlichen Dienst
setzen. Die Jugend sei mobil
und engagiert. Mit hoch motivierten und engagierten Kräften könnten die Herausforderungen des Landes auch in
Zukunft gemeistert werden.
Dazu müsse der öffentliche
Dienst aber auch Perspektiven
bieten, denn sonst sei die Jugend auch „mobil genug, woanders ihr Glück zu finden.
Mit dem kostbaren ,Rohstoff‘
gut ausgebildeter und engagierter junger Menschen geht
der öffentliche Dienst noch
immer viel zu sorglos um.
Noch immer wird der Wettbewerb mit der privaten Wirtschaft nicht wirklich geführt.“
In diesem Zusammenhang
müsse die Befristungspraxis
im öffentlichen Dienst geändert werden.
<
Beamte müssen
Anschluss halten
Die linearen Komponenten
des Abschlusses sollen der
BTK zur Folge zeit- und wirkungsgleich auf den Beamtenbereich übertragen werden. „Besser noch: Der
Bundesinnenminister stellt
gleich zum Verhandlungs­
In eigener Sache:
Keine Rituale
Die Forderung der Gewerkschaften für die Einkommensrunde 2016 mit Bund und
Kommunen lag noch nicht auf
dem Tisch, da mahnte Thomas
Böhle im Vorfeld bereits Mäßigung und Zurückhaltung an.
Auch ohne diesen Appell des
Verhandlungsführers der kommunalen Arbeitgeber haben
dbb und ver.di ein Forderungspaket mit Augenmaß geschnürt und eine lineare Anhebung der Einkommen um sechs
Prozent gefordert. In diese Forderung sind sowohl die wirtschaftlichen Eckdaten als auch
die in zahlreichen dbb Branchentagen von der Basis eingeholten Bedürfnisse und Erfordernisse eingeflossen. Sechs
Prozent mehr werden Rückstand aufholen, Anschluss an
die allgemeine Einkommensentwicklung sichern und überdies zur dringend notwendigen
Attraktivitätsverbesserung
beitragen, der es bedarf, um
qualifizierte und motivierte
Menschen in schwieriger Zeit
zu einem Job im öffentlichen
Dienst zu bewegen. Zur Bewältigung der Flüchtlingskrise, so
erklärte Thomas Böhle seinen
< Hintergrund
Am 21. März 2016 starten in Potsdam die Verhandlungen über den
Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen
(TVöD), von denen insgesamt knapp zwei Millionen Beschäftigte
betroffen sind: 147 335 Arbeitnehmer des Bundes, 1 241 845 Arbeitnehmer der Kommunen, für die der TVöD direkte Auswirkungen hat, sowie 179 595 Beamte und 179 000 Versorgungsempfänger des Bundes, auf die der Tarifabschluss übertragen werden soll,
um den Gleichklang der wirtschaftlichen und finanziellen Entwicklung im öffentlichen Dienst zu gewährleisten. Die wirkungsgleiche
Übertragung betrifft nur die Bundesbeamten, da die Kommunalbeamten nach den jeweiligen Landesgesetzen besoldet und versorgt
werden. Weitere Verhandlungstermine in Potsdam sind für den
11. und 12. April 2016 sowie den 27. und 28. April 2016 vorgesehen.
Sollte es hier zu keiner Einigung kommen, gilt eine Schlichtungsvereinbarung zwischen Gewerkschaften, Bund und Kommunen.
auftakt klar, dass die Bundesbeamten ­keine Bitt­steller
sind, sondern wichtiger Bestandteil e
­ ines unteilbaren
öffentlichen Dienstes. Die
Teilhabe aller ­Beschäftigten
des öffentlichen Dienstes an
der wirtschaftlichen Entwicklung muss statusunabhängig
erfolgen“, so die Delegierten.
Eine relativ kurze Laufzeit des
Tarifabschlusses von zwölf
Monaten schaffe darüber hinaus Planungssicherheit und
Re­ak­tions­möglichkeiten im
Hinblick auf die derzeit sehr
dynamische Belastungssitua­
tion des öffentlichen Dienstes
vor dem Hintergrund des an-
haltenden Flüchtlingszustroms.
Mäßigungsappell, sei mehr
Personal erforderlich, deshalb
müsse ein Plus in der Einkommensrunde 2016 den allgemeinen Mehrkosten für diese Neueinstellungen ­untergeordnet
werden. Doch das ist ein Trugschluss.
ergebnisorientierte Einkommensrunde ist das Gebot der
Stunde. Die Beschäftigten wollen weder demonstrieren noch
streiken, sondern ihren Job machen und vor allem den Menschen in Not nach Kräften jede
Hilfe zukommen lassen, die ihnen möglich ist. Bundesinnenminister Thomas de Maizière
hat kundgetan, dass das Anliegen der Mitarbeiter im öffentlichen Dienst nach angemessener Lohnerhöhung berechtigt
ist: „Dazu bedarf es keiner Verhandlungsrituale und keiner
Streiks, nicht einmal Warnstreiks. Wir wissen auch so, die
geleistete Arbeit zu würdigen.“
Zum Verhandlungsauftakt am
21. März in Potsdam wird sich
zeigen, ob der Innenminister zu
seinem Wort steht. sm
Die von den politisch Verantwortlichen in Bund und Kommunen inzwischen einge­
sehene Notwendigkeit, die
allgemeine Verwaltung ebenso
zu verstärken wie die Bereiche
innere Sicherheit, Erziehung
und öffentliches Gesundheitswesen, wird nur gelingen,
wenn durch eine angemessene
Anhebung der Einkommen seitens der Arbeitgeber ein deutliches Zeichen der Wertschätzung gesetzt wird. Eine zügige,
<
Rituale abschaffen –
zügig verhandeln!
„Auf der Kölner Arbeitstagung
des dbb Anfang Januar dieses
Jahres sprach sich Bundesinnenminister de Maizière dafür
aus, ohne Rituale zügig zu verhandeln. Da sind wir dabei,
das finden wir gut“, bekräftigten die Mitglieder der BTK.
Wenn die Arbeitgeber das
ernst meinten, legten sie zum
Verhandlungsauftakt am 21.
März 2016 ein ergebnisorientiertes Angebot vor. > VBOB Magazin | dbb seiten | März 2016
17
aktuell
modernen Entgeltordnung
­verhandeln, ohne die in vielen
Bereichen kaum noch gut ausgebildete Kräfte eingestellt
werden könnten. Das werde
exemplarisch am eklatanten
Personalmangel im Bereich
des öffentlichen Gesundheitsdienstes deutlich.
dbb
Bundesfernstraßen:
Auftragsverwaltung erhalten
Friedhelm Windmüller
Der dbb ist gegen eine Zerschlagung der Auftragsverwaltung, unterstützt
aber Reformen in den Bereichen Planung, Finanzierung und Verfahren. Das
machten die stellvertretenden Bundesvorsitzenden Kirsten Lühmann und
Ulrich Silberbach am 4. Februar 2016 in einem Gespräch mit Vertretern der
Bodewig-II-Kommission „Bau und Unterhaltung des Verkehrsnetzes“ in
Berlin deutlich. Im Rahmen der Auftragsverwaltung planen, bauen und
betreiben bislang die Länder die Bundesfernstraßen für den Bund.
< Kurt Bodewig (links Mitte) beriet mit den stellvertretenden dbb Bundesvorsitzenden Ulrich Silberbach (3. von
rechts) und Kirsten Lühmann (2. von rechts) sowie dem Bundesvorsitzenden der Fachgewerkschaft der Straßenund Verkehrsbeschäftigten (VDStra.), Siegfried Damm (rechts), über die Zukunft der Straßeninfrastruktur.
Die Kommission unter Leitung
des ehemaligen Bundesverkehrsministers Kurt Bodewig
prüft und bewertet im Auftrag
der Verkehrsminister der Länder aktuelle Untersuchungen
zur Auftragsverwaltung und
soll mögliche Konsequenzen
für Länder und Kommunen
aufzeigen. Der Bund hatte eine
Bündelung der Aufgaben in
einer bundeseigenen Gesellschaft vorgeschlagen.
„Eine solche Bundesfernstraßengesellschaft und insbesondere die damit verbundene
Änderung des Art. 90 Grundgesetz lehnen wir ab“, sagte
Ulrich Silberbach. „Dadurch
würden öffentliche Einrichtungen der Daseinsvorsorge in ihrem Bestand gefährdet. Das
System der Auftragsverwaltung der Bundesstraßen und
Autobahnen durch die Landes-
straßenbauverwaltungen hat
sich seit Jahrzehnten bewährt.“
Die dort Beschäftigten hätten
trotz anhaltenden Personalabbaus stets kompetent und zuverlässig für Erhalt und Sicherheit der Bundesfernstraßen
gesorgt. Es gehe nicht an, dass
der Bund die Landesstraßenbauverwaltungen zuerst ka-
puttgespart habe und ihnen
nun mangelnde Effizienz vorwerfe. Durch einschneidende
Veränderungen bei Bau und
Unterhaltung von Bundesfernstraßen würde sich die Leistungsfähigkeit über Jahre hinweg verringern, gab Silberbach
zu bedenken. „Auch bisherige
Synergien beim Betriebsdienst,
Auch Öffentlich-Private Partnerschaften (ÖPP), die von einer Bundesfernstraßengesellschaft nach Gutdünken als
Standardmodell eingesetzt
werden könnten, seien kein
geeignetes Mittel. „Selbst der
Bundesrechnungshof hat solche ÖPP für das Straßenwesen
als intransparent und unwirtschaftlich klassifiziert“, so dbb
Vize Silberbach. Der dbb warne deshalb vor einem Paradigmenwechsel hin zur faktischen Teilprivatisierung der
Straßeninfrastruktur. „Dessen
Risiken und Nebenwirkungen
sind bisher nicht einmal ansatzweise durchdacht. Stattdessen fordern wir den Bund
zu einer kreditfinanzierten
Investitionsoffensive auf. Die
würde Chancen eröffnen, die
marode öffentliche Straßeninfrastruktur zum Nulltarif zu
modernisieren.“
© hykoe – Fotolia.com
aktuell
18
der für das gesamte Straßennetz zuständig ist, würden damit leichtfertig aufs Spiel gesetzt.“ Kirsten Lühmann sagte:
„Es wäre mit dem Auftrag der
öffentlichen Hand zur Daseinsvorsorge nicht zu vereinbaren,
dass mögliche Privatisierungen
von Bundesfernstraßen oder
eine Beteiligung privater Anteilseigner an einer solchen
Gesellschaft die parlamentarische Kontrolle des Bundes
schmälern.“
< Die Bundesfernstraßen werden nach Art. 90 des Grundgesetzes im Auftrag des Bundes von den Ländern verwaltet. Die Auftragsverwaltungen nehmen die zugewiesenen Aufgaben als eigene Aufgaben wahr. Die Länder
planen, bauen und betreiben Bundesfernstraßen für den Bund. Die Bundesregierung prüft derzeit die Schaffung einer Bundesfernstraßengesellschaft unter Beteiligung privater Anleger, wodurch die Straßenbauverwaltungen der Länder einen großen Teil ihrer Aufgaben verlieren würden.
> VBOB Magazin | dbb seiten | März 2016
dbb
Der Fall des Monats
Besoldung:
Ausgleichszulage für nach
Berlin versetzte Landesbeamte
©Fxquadro – Fotolia.com
Vermindert sich die Grundbesoldung eines Landesbeamten (etwa aus Nordrhein-Westfalen)
durch die Versetzung in das Land Berlin, so steht
ihm nach Auffassung des Verwaltungsgerichts
Berlin (Az.: 36 K 225.14, Urteil vom 14. Juli 2015)
eine Ausgleichszulage gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1
des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG) in der
Fassung der Bekanntgabe vom 6. August 2002 zu.
§ 13 Abs. 2 BBesG galt gemäß
Art. 125 a GG bis 30. Juni 2011
und ist durch den neu eingeführten § 1 b Abs. 1 Nr. 1 des
Landesbesoldungsgesetzes
Berlin in das Berliner Landesrecht überführt worden. Hiernach erhalten Beamte eine
Ausgleichszulage, wenn sich
die Dienstbezüge des Beamten
aus dienstlichen Gründen verringern.
Ein aus dem Land NordrheinWestfalen in das Land Berlin
versetzter Beamter, der als
bester Kandidat aus einem Auswahlverfahren hervorgegangen
ist, muss vom aufnehmenden
Dienstherrn übernommen
werden. Die anzunehmenden
dienstlichen Gründe für die Versetzung ergeben sich ohne Weiteres aus der dem Grundsatz
der Bestenauslese folgenden
Entscheidung zugunsten des
ausgewählten (Versetzungs-)
Bewerbers.
Das Verfahren konnte erfolgreich durch das Dienstleistungszentrum Ost geführt
werden. Dem betroffenen
Beamten konnten so Nachzahlungsbeträge von rund
20 000 Euro gesichert werden.
Das Urteil ist rechtskräftig. ak
< Info
Der dbb gewährt den Einzelmitgliedern seiner Mitgliedsgewerkschaften berufsbezogenen Rechtsschutz.
Zuständig dafür sind die
Juristen in den dbb Dienstleistungszentren in Berlin,
Bonn, Hamburg, Nürnberg
und Mannheim. Das dbb
magazin dokumentiert den
„Fall des Monats“.
> VBOB Magazin | dbb seiten | März 2016
dbb
die andere meinung:
Der Arbeitsmarkt hält viele Flüchtlinge aus
Das neue Jahr fing auf dem Arbeitsmarkt scheinbar schlecht an. Mit der
Meldung, die Arbeitslosenzahl sei im Januar hochgeschossen, um satte
239 000 gegenüber dem Dezember. Es lag nahe, das mit dem Flüchtlingsstrom zu verbinden. Doch war dieser Anstieg rein saisonal bedingt; im Jahresvergleich hatte die Zahl sogar um 110 000 abgenommen. Das deutsche
Jobwunder hält unvermindert an.
Kurzfristig entlasten die Flüchtlinge den Arbeitsmarkt sogar,
denn für ihre Betreuung, die
Verwaltung und für die Sicherheitsdienste werden jetzt überall Leute gesucht; ebenso als
Lehrer und Kindergärtner. In
den nächsten Jahren aber wird
die Arbeitslosenzahl durch sie
zunächst steigen. Um bis zu
200 000 schätzt man für 2016,
was aber durch die ansonsten
positive Entwicklung weitgehend wieder wettgemacht
werden kann, sodass wahrscheinlich nur ein kaum merkliches Netto-Plus von 70 000
bleiben wird. 2017 sollen es
mehr sein. Dann werden die
Problem ernster. Es sind aber
Übergangsprobleme.
©Daniel Ernst – Fotolia.com
fokus
20
Wenn es Gefahren für den
Arbeitsmarkt gibt, dann lauern sie in den schwächelnden
Exportmärkten in China und
anderen Schwellenländern.
Oder im zusammenbrechenden Ölmarkt. Nicht aber im
massiven Zuzug von Flüchtlingen. Auch die Rekordzahl von
einer Million Zuzüglern allein
in 2015 hat bisher keinerlei
Spuren in der Statistik hinterlassen. Das wird zwar nicht
komplett so bleiben, aber
wenn es gut läuft, weitgehend. Der deutsche Arbeitsmarkt kann, so die Schätzung
der Bundesagentur für Arbeit,
jährlich 350 000 zusätzliche
Arbeitskräfte verkraften – das
wären praktisch alle arbeitsfähigen Flüchtlinge des letzten
Jahres mit Aussicht auf einen
längeren Aufenthaltsstatus
gewesen.
Arbeitsgenehmigungen für
einfache Tätigkeiten noch
während des Asylverfahrens
erteilen. Denn die Leute wollen
viel lieber arbeiten, als in Hallen herumzuhängen. Eine
gleich mit dem Asylverfahren
startende Betreuung durch die
Bundesagentur für Arbeit, die
es bisher nur in Pilotprojekten
gibt, würde ebenfalls helfen.
Noch ist das alles sowieso kein
Thema. Noch sitzen die meisten
Flüchtlinge in Notunterkünften
fest. Erst kommt das langwierige Asylverfahren, dann der
Integrationskurs, dann die
Aus- und Fortbildung oder die
Anerkennung des früher erworbenen Berufsabschlusses. Experten der Bundesagentur rechnen damit, dass allenfalls zehn
Prozent der Betroffenen schon
nach einem Jahr werden arbeiten können und dass es zehn
Jahre dauern wird, bis 70 Prozent der Neubürger endlich in
Jobs untergebracht sind. Hinter
dieser Schätzung steckt auch
eine ernüchternde Feststellung:
Es sind eben nicht die Fachkräfte von morgen, es sind eher die
von übermorgen. Und es sind
beileibe nicht alles Fachkräfte,
die da kommen. Hier liegt die
wirkliche Herausforderung: Wie
und wie schnell kann es gelingen, diese Menschen zu qualifi-
> VBOB Magazin | dbb seiten | März 2016
zieren? Und wie viele Jobs gibt
es für Unqualifizierte? Ein nennenswerter Teil von ihnen – geschätzt bis zu 300 000 – wird
vielleicht in die Schwarzarbeit
gehen, mindestens vorübergehend. Dieser Markt wird wieder
wachsen.
Man könnte die Arbeitsmarktintegration der Flüchtlinge allerdings an manchen Stellen
mit politischen Maßnahmen
beschleunigen. Nicht nur durch
massive Anstrengungen für
den schnellen Spracherwerb,
sondern auch durch eine unbürokratischere Anerkennung
von Qualifikationen. Hier tun
sich Kammern und Behörden
noch enorm schwer und übertreiben es beim Papierkram
mitunter mit der deutschen
Gründlichkeit. Auch könnte der
Staat für bestimmte Flüchtlingsgruppen mit hoher Bleibewahrscheinlichkeit leichter
Es wäre die Mühe wert. Denn
Deutschland entkommt mit
dem neuen Arbeitskräftereservoir für ein paar Jahre der
demografischen Falle, in der
andere europäische Länder, die
sich dem Zuzug verweigern,
knietief stecken. Dieser Zuzug
in den deutschen Arbeitsmarkt
ist zwar nicht problemlos, aber
er ist eine Chance. Die Politik,
die Wirtschaft, die Verwaltung, die gesamte Gesellschaft
sollte diese Chance sehr konsequent nutzen. Und, wie die
Kanzlerin gefordert hat, auch
sehr flexibel.
Werner Kolhoff
< Der Autor ...
... (60) ist Korrespondent
und Leiter des Hauptstadtbüros der „Berliner Medien
Service GmbH“, die täglich
20 Regionalzeitungen in
Deutschland mit Nachrichten, Analysen und Kommentaren über die Bundespolitik
versorgt. Kolhoff war zuvor
zwölf Jahre lang in leitenden Funktionen bei der
„Berliner Zeitung“ tätig. Er
begann seine journalistische
Laufbahn beim Berliner „Tagesspiegel“. Zur Zeit des
Mauerfalls war er von 1989
bis 1991 Sprecher des Berliner Senats und von 2002 bis
2006 als Gruppenleiter im
Bundespresseamt zuständig
für die Koordinierung der
täglichen Pressearbeit und
des Internetauftritts der
Bundesregierung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
2016 ist ein „Superwahljahr“: Beim Bund, in den Jobcentern sowie in den Ländern Bayern, Berlin,
Bremen, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen werden neue Personalräte
und überwiegend auch neue Jugend- und Auszubildendenvertretungen gewählt. Damit ist ein
Großteil der im öffentlichen Dienst Beschäftigten zur Wahl aufgerufen. Auch deshalb kommt
den Personalratswahlen 2016 eine herausragende Bedeutung zu.
Sie alle, liebe Kolleginnen und Kollegen, stellen mit Ihrem Einsatz die Handlungsfähigkeit unseres
Staates sicher. Dies beweisen Sie gerade auch in diesen Monaten, in denen die Vielzahl der zu uns
kommenden Menschen den Staat und seine Verwaltung vor enorme Herausforderungen stellt.
Dabei werden die Grenzen Ihrer Belastbarkeit erreicht, ja nicht selten sogar überschritten.
Qualitativ hochwertige Arbeit kann auf Dauer aber nur geleistet werden, wenn die Arbeitsbedingungen stimmen.
Darum setzt sich der dbb ein für:
> eine den Aufgaben angemessene Personalausstattung und eine damit zwingend
einhergehende engagierte Nachwuchsgewinnung,
> eine Teilhabe der Einkommensentwicklung an der positiven Konjunktur,
> den Abbau von Mehrarbeit und Überstunden,
> flexible Arbeitszeitregelungen,
> einen effektiven Arbeits- und Gesundheitsschutz,
> eine Förderung der Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Pflege,
> lebenslange Qualifizierung und Fortbildung,
> einen Ausbau der Mitbestimmung für JAV und PR und
> eine unbefristete Übernahme der Azubis und Anwärter/-innen
Personalräte sind Ihre Ansprechpartner und Ihr Sprachrohr. Sie bündeln und vertreten Ihre Interessen gegenüber dem Dienstherrn und Arbeitgeber und stehen Ihnen in Ihrem dienstlichen Alltag kompetent mit Rat und Tat zur Seite, sei es für Sie als Person, sei es für die Gesamtheit der Beschäftigten. Ohne die Mitgestaltung der Personalräte ist eine erfolgreiche Durchsetzung guter
Arbeitsbedingungen nicht denkbar.
Es gilt, für die nächsten Jahre die Weichen für die Gestaltung der Rahmenbedingungen in den
Dienststellen und damit für jeden einzelnen Beschäftigten vor Ort richtig zu stellen.
Jugendliche und Auszubildende brauchen eine engagierte Stimme, die sich für ihre Interessen
stark macht. Von der Qualität der Ausbildung bis zur Übernahme nach der Ausbildung kann eine
Jugend- und Auszubildendenvertretung gemeinsam mit dem Personalrat Verbesserungen durchsetzen und Missstände abschaffen.
Die Personalratsmitglieder und Jugend- und Auszubildendenvertreter der dbb Mitgliedsgewerkschaften haben bewiesen, dass sie große Qualitäten besitzen. Sie werden zudem von ihren Fachgewerkschaften und vom dbb als Dachverband unterstützt. Sie verfügen damit neben den aktuellen Fachkenntnissen auch über ein fundiertes Hintergrundwissen. Sie sind mit den Verhältnissen
der jeweiligen Dienststelle auf das Beste vertraut.
Diese Nähe ist unsere Stärke.
Entscheiden Sie mit, wer als Personalratsmitglied in den nächsten Jahren auch Ihre Interessen
gegenüber dem Arbeitgeber vertritt. Entscheiden Sie sich für eine sachliche und sachverständige
Personalratsarbeit.
Wählen Sie die Kandidatinnen und Kandidaten der dbb Gewerkschaften!
Mit kollegialen Grüßen
Klaus Dauderstädt
Bundesvorsitzender
Sandra Kothe
Bundesvorsitzende dbb jugend
dbb
Kongress neueVerwaltung:
Bonn Conference Center Management GmbH
Zukunft Digitale Arbeit
fokus
22
Unter dem Motto Zukunft Digitale Arbeit richtet
der diesjährige E-Government-Kongress neueVerwaltung am 28. und 29. April 2016 im World Conference Center Bonn den Blick auf die aktuellen
Veränderungen in Behörden und Dienststellen
und zeigt anhand praktischer Beispiele auf, welche
Lösungen und Erfahrungen bereits vorhanden sind.
Die Digitalisierung schreitet
unaufhaltsam voran und verändert über alle Branchen hinweg massiv die Arbeitswelt.
Das Internet der Dinge, in dem
Geräte eigenständig untereinander Daten austauschen, das
Entstehen einer hochkomplex
vernetzten Industrie 4.0, die
Auswertung gigantischer Datenmengen in Echtzeit und die
weltweite Verbreitung von Social Media treiben eine Dynamik an, deren Ende derzeit
noch nicht zu erkennen ist.
Social Media und mobile
Datengeräte reagiert.
Parallel hierzu werden derzeit
die Wirkungen der E-Government-Gesetze von Bund und
Ländern spürbar: Projekte zur
Einbindung des neuen Personalausweises in Verwaltungsprozesse sind bereits erfolgreich realisiert, obwohl noch
zahlreiche Probleme wie die
vielfältigen Schriftformerfordernisse gelöst werden müssen.
<
Was bedeutet das für die
öffentliche Verwaltung?
<
Neue Trends durch
E-Government-Gesetze
Nachdem die öffentliche Verwaltung einen großen Teil ihrer
Aufgaben bereits per Computer, Netzwerk und Internet erledigt, zeigt sich seit geraumer
Zeit auch, dass sie bereits auf
neuere Entwicklungen wie
E-Akte und digitale
Prozesse
Eine besondere Herausforderung verbindet sich mit der
Einführung der E-Akte, die auf
allen Ebenen von den Gesetzgebern in Bund und Ländern vorgegeben wird. Hierdurch dürfte
in den kommenden Jahren die
größte Veränderung in der öffentlichen Verwaltung entstehen, da sie die meisten Arbeitsplätze stark verändern wird.
> VBOB Magazin | dbb seiten | März 2016
Antragsformulare können bereits jetzt so gestaltet werden,
dass aus den Angaben des Antragstellers Metadaten, Zuständigkeiten, Mitzeichnungslisten oder Fristen generiert
werden, die den Umlauf und
die Ablage von Vorgängen in
E-Akten automatisieren. Zugleich ist es hierdurch – nicht
zuletzt für den Antragsteller
– möglich, jederzeit den aktuellen Bearbeitungstand seines
Antrages zu verfolgen.
Auch die Einführung der
E-Rechnung, die in vielen EULändern bereits eingesetzt
wird, zieht eine erhebliche
Reduzierung von Ressourcen
und Kosten – die Fachhochschule für öffentliche Verwaltung NRW rechnet mit circa
25 Prozent – nach sich.
<
Personal im Fokus
Im Ergebnis werden Fachverfahren und Standardverfahren
zusammenwachsen, digitale
Archive die Papierablage ersetzen. Effektive Suchprogramme
erleichtern dann den Zugriff
auf Dokumente, Vorgänge sowie Akten und Medienbrüche
gehören damit der Vergangenheit an.
<
Der E-Government-Kongress
neueVerwaltung setzt exakt
an diesem Punkt an und zeigt
auf, wie sich der Arbeitsplatz
der Zukunft und damit auch
die Aufgaben des Personals
verändern werden.
Die Bedeutung des Personals
im Rahmen der digitalen Veränderungsprozesse unterstreicht Hannelore Kraft,
NRW-Ministerpräsidentin
und Schirmherrin der Veranstaltung in ihrem Grußwort: „Mit dem kommenden
E-Government-Gesetz geht
die Landesregierung einen
weiteren großen Schritt auf
den Weg zu einer effektiven,
bürgerfreundlichen Verwaltung im digitalen Zeitalter.
Elektronische Akte, Prozessoptimierung, IT-Sicherheit
und Datenschutz – all das
sind Themen, die weit über
ihre technologischen Dimensionen hinaus reichen. Deshalb müssen und werden wir
nicht allein in Technik, sondern ebenso in die Fähigkeiten
unserer Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter investieren.“
<
Damit verbunden ist die Chance, dass sich das Personal stärker auf die komplexer werdenden fachlichen Aufgaben
konzentrieren kann. Letztlich
wird es darauf ankommen, dass
die Beschäftigten und ihre Vertretungen verstärkt in die Entwicklungen einbezogen werden
und sich kreativ mit den neuen
Herausforderungen auseinandersetzen. Wie sich die Entwicklung zukünftig gestalten wird,
hängt dabei in großem Maße
auch davon ab, wie Verwaltung,
Gewerkschaften und Politik mit
ihrer Verantwortung für das
Gemeinwesen mit dem Thema
Digitalisierung umgehen.
Kongress
Zukunft Digitale Arbeit
Frühbucherrabatt sichern
und 100 Euro sparen
Noch bis zum 15. März 2016
können sich Frühbucher zum
Preis von 420 Euro für den
Kongress neueVerwaltung anmelden. Danach beträgt die
Teilnahmegebühr 520 Euro.
Ausführliche Informationen
zum Kongress und die Möglichkeit zur Onlineanmeldung
finden Sie unter www.neue
Verwaltung.de.
Weitere Informationen erteilt:
Maria Herkenhöner,
Tel.: 0228. 81 93 171,
m.herkenhoener@
dbbakademie.de.
dbb
Glosse:
gleich Letzteres immer wieder
behauptet wird. Im Zuge der
Globalisierung geht es selbstredend gar nicht, wenn wir
sprachlich außen vor bleiben.
Um die ungehinderte Teilhabe
am gesellschaftlichen Leben
sicherzustellen, sollten sich besonders Menschen in mittleren
Jahren, also etwa zwischen 25
und 65, eine Liste anlegen und
sich immer wieder die Bedeu-
einem Pad (= Unterlage) ruht,
das die Gleitfähigkeit des Zeigegeräts erhöht und das Abtasten
erleichtert. Da Learning by
Running (= Unterwegslernen)
am besten entspannt klappt,
genießen Sie einen „Coffee to
go“ (= Kaffee zum Mitnehmen)
und gönnen Sie sich einen
Snack (= Zwischenmahlzeit).
Haben Sie ihr digitales Vokabelheft im Griff, wissen Sie auf
Anhieb, ob Sie einen Light-MidMorning-Snack, einen Breaktime-Snack, Lunchtime-Snack
oder Midnight-Snack ordern
sollten. Was uns noch fehlt, ist
eine App (= Anwendungsprogramm für mobile Betriebssysteme), die – auf unser Datenverarbeitungsbrettchen oder
Mobilfernsprechgerät installiert – das polyglotte Mitreden
für jedermann zum Klacks beziehungsweise zum Klick werden lässt. Das wäre Inklusion
in Reinkultur, zumindest was
die Sprache betrifft.
sm
23
finale
Erinnern Sie sich auch mit Unbehagen an die leidigen Vokabeltests, die uns so manche
Schulstunde vergällten? Aber
von nichts kommt nichts: Ohne
Verinnerlichung der entsprechenden Wortschätze bleibt es
uns verwehrt, am inzwischen
polyglotten (= mehrsprachigen) Leben teilzunehmen: Wir
könnten weder mitreden noch
verstünden wir Bahnhof, ob-
Damit wären wir/Sie bereits bei
den ersten Vokabeln, die aufgeschrieben und gelernt werden
müssten: Tablet = elektronisches Datenverarbeitungsbrettchen mit Touchpad (= berührungsempfindliche Fläche zur
Befehlseingabe). Bitte nicht mit
Kaffeepads verwechseln wegen
der möglichen Verbrühungsgefahr beim Berühren! Im Gegensatz zum Tablet ist zur Nutzung
des Computers (= elektronische
Datenverarbeitungsanlage)
meistens eine „Maus“ notwendig, die nicht den kleinen grauen Nager meint, sondern ein
Zeige- oder Eingabegerät bezeichnet, das wiederum auf
©pathdoc – Fotolia.com
Mitreden
kann jeder
tung der lebensnotwendigen
Idiome einpauken. Im Zeitalter
der Massenkommunikation ist
dazu keineswegs ein Vokabelheft vonnöten, sondern ein digitales Verzeichnis, abgespeichert auf dem Tablet oder dem
Smartphone.
> VBOB Magazin | dbb seiten | März 2016
Mindestlohn:
spezial
24
Neue Aufgaben für den öffentlichen Dienst
Aus gewerkschaftspolitischer Sicht ist der Mindestlohn eine gerechte Sache. Niemand sollte für
Hungerlöhne arbeiten müssen. Seit 1. Januar 2015
gilt der gesetzliche Mindestlohn von 8,50 Euro pro
Stunde, für den die Gewerkschaften lange gekämpft haben. Befürchtungen, der Mindestlohn
könnte Arbeitsmarkt und Konjunktur dämpfen,
haben sich ein Jahr nach der Einführung nicht
bewahrheitet. Die Probleme liegen anderswo.
Auf einer Pressekonferenz zur
Lage auf dem Arbeitsmarkt zog
Bundesarbeitsministerin Andrea
Nahles am 5. Januar 2016 in
Berlin eine weitgehend positive
Bilanz: „Die Arbeitslosenquote
ist weiter gesunken und mit
Blick aufs Gesamtjahr waren in
Deutschland so wenige Menschen ohne Arbeit wie seit
1991 nicht mehr. Besonders erfreulich ist mit plus 600 000 der
erneute Zuwachs bei der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung im Vergleich zum
Vorjahr“, erklärte Nahles. Die
Arbeitsplätze in Deutschland
seien so sicher wie nie. Das Risiko, eine sozialversicherungspflichtige Arbeit zu verlieren
und arbeitslos zu werden, liege
bei deutlich unter einem Pro-
zent. „Zu dieser guten Entwicklung hat allen Unkenrufen zum
Trotz auch die Einführung des
Mindestlohns vor einem Jahr
beigetragen: Er schafft Dynamik von geringfügiger Beschäftigung hin zu sozialversicherungspflichtiger Arbeit – und
das besonders häufig in Niedriglohnbranchen.“
Ebenso ist die befürchtete Klagewelle wegen des Mindestlohns ausgeblieben. Vor dem
Bundesarbeitsgericht sind
kaum Klagen in der Sache anhängig, was nicht zuletzt auf
die saftigen Bußgelder zurückzuführen ist, die auf Verstöße
gegen den Mindestlohn stehen. Gerichtspräsidentin Ingrid
Schmidt sagte der „Welt“ am
> VBOB Magazin | dbb seiten | März 2016
10. Februar 2016: „Eine Klagewelle gibt es nicht [...] Der Mindestlohn wird gezahlt!“ Unter
anderem dürfen Arbeitgeber
ihren Angestellten nicht kündigen, weil sie das Gehalt nicht
auf den Mindestlohn anheben
wollen. Der Bundesgerichtshof
wird darüber hinaus noch festlegen, welche Sonderzahlungen Arbeitgeber als Lohnbestandteile in den Mindestlohn
einrechnen dürfen.
Auch die Ende Januar 2016
vorgestellte Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der
Hans-Böckler-Stiftung kommt
zu positiven Ergebnissen: Der
gesetzliche Mindestlohn nutze
Millionen Beschäftigten. Vor
allem in klassischen Niedriglohnbranchen seien die Verdienste kräftig gestiegen. Der
positiven Entwicklung auf dem
Arbeitsmarkt habe der Mindestlohn unter dem Strich
nicht geschadet. Es sei deutlich
zu erkennen, dass die neue Bezahlungsuntergrenze das Lohngefüge in Deutschland verändert habe, aufgeholt hätten
vor allem weniger gut qualifizierte Arbeitnehmer.
Die Lohnentwicklung sei
„wesentlich ausgeglichener“
geworden, schreiben die
WSI-Forscher Marc Amlinger,
Dr. Reinhard Bispinck und Dr.
Thorsten Schulten. Auch wenn
sich bislang noch nicht exakt
sagen lasse, wie viele Menschen letztendlich vom Mindestlohn profitiert haben, so
deuteten überdurchschnittlich
hohe Steigerungen in klassischen Niedriglohnbranchen
auf „erhebliche Effekte“ hin.
Potenziell betroffen seien nach
Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) zwischen
4,8 und 5,4 Millionen Beschäftigte, die im Jahr 2014 noch einen geringeren Stundenlohn
als 8,50 Euro hatten.
<
Ostdeutsche profitieren
Weitere Ergebnisse der Studie:
2015 sind die Bruttostundenlöhne von Voll- und Teilzeitbeschäftigten gestiegen, im
dritten Quartal um 2 Prozent
gegenüber dem Vorjahresquartal. In Ostdeutschland lag die
Steigerung im Schnitt sogar bei
3,6 Prozent, in Westdeutschland
bei 1,7 Prozent. Die stärksten
Zuwächse erzielten ungelernte
©Monkey Business – Fotolia.com
dbb
dbb
Auch die Tarifpolitik hat nach
der WSI-Analyse dazu beigetragen, dass die unteren Lohngruppen weiter aufholen konnten. In mehreren Branchen, in
denen es noch tarifliche Niedriglöhne unter 8,50 Euro gab,
wurden höhere Verdienste bereits vor 2015 vereinbart. Die
Gewerkschaften wollten damit
niedrige Tarifentgelte an das
Mindestlohnniveau heranführen, während die Arbeitgeberverbände auf die möglichst
weitgehende Ausnutzung des
Übergangszeitraums von zwei
Jahren zielten. Zu den betroffenen Branchen zählen das
Friseurgewerbe, die Fleischindustrie sowie der Bereich
Land- und Forstwirtschaft und
Gartenbau. Anfang 2015 lag
der Anteil der Niedriglohngruppen unter 8,50 Euro in Tarifverträgen nur noch bei 6 Prozent.
Durch weitere Tarifanpassungen konnte er im Laufe des
Jahres 2015 auf 3 Prozent
weiter reduziert werden,
zeigt die Auswertung der
Wissenschaftler.
Die von vielen Ökonomen prognostizierten Jobverluste sind
ausgeblieben, geht weiter aus
der WSI-Analyse hervor. Die Beschäftigung hat im Gegenteil
kontinuierlich zugenommen.
Im Oktober 2015 gab es nach
Angaben der Bundesagentur
für Arbeit 713 000 mehr sozialversicherungspflichtige
Beschäftigte als im gleichen
Monat des Vorjahres. Dies entspricht einem Zuwachs von 2,3
Prozent. In Ostdeutschland fiel
das Plus mit 1,9 Prozent leicht
geringer als in Westdeutschland mit 2,4 Prozent aus. Gerade in Branchen mit traditionell
vielen Geringverdienern sind
nach Einführung des Mindestlohns nicht nur die Verdienste,
sondern auch die Zahl der Jobs
kräftig gestiegen. Den größten
Beschäftigungsaufbau verzeichnete mit 6,6 Prozent das
Gastgewerbe, gefolgt von den
Bereichen „sonstige wirtschaftliche Dienstleistungen“, Leiharbeit, Heime und Sozialwesen
sowie Verkehr und Lagerei. Lediglich bei der Beschäftigung in
der ostdeutschen Land- und
Forstwirtschaft weist die Statistik einen geringen Rückgang
in einer traditionellen Niedriglohnbranche aus. Allerdings
könne dieser kaum auf den
Mindestlohn zurückgeführt
werden, so die Forscher. Denn
gerade in diesem Bereich gilt
ein Branchenmindestlohn unterhalb von 8,50 Euro.
<
Mindestlohn
noch zu niedrig
Vor dem Hintergrund der positiven Erfahrungen werde der-
zeit über die Anhebung des
Mindestlohns diskutiert, so
das WSI. Diese soll erstmals
Anfang 2017 erfolgen. Als Orientierungsgröße für die Empfehlung der Mindestlohnkommission gilt die Entwicklung
der Tariflöhne in den Vorjahren. Nach dem Tarifindex des
Statistischen Bundesamtes
stiegen die Tariflöhne 2014
und 2015 insgesamt um 5,5
Prozent. Das heißt für den Mindestlohn: Er müsste auf etwa
neun Euro angehoben werden.
Darüber hinaus wäre zu prüfen,
ob ein solches Mindestlohnniveau tatsächlich den im Gesetz
geforderten „angemessenen
Mindestschutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer“
gewährleistet, heißt es im WSIBericht. Für eine Abwägung sehen die Forscher verschiedene
relevante Orientierungsmarken: So liegen die Mindestlöhne in Westeuropa derzeit alle
oberhalb von neun Euro pro
Stunde. Der französische Mindestlohn liegt sogar mehr als
einen Euro über dem deutschen Niveau. Auch relativ betrachtet ist der deutsche Mindestlohn niedrig: Er entspricht
weniger als 50 Prozent des
Medianlohns in Deutschland.
Nach gängiger Definition müsse er damit als „Armutslohn
betrachtet werden“, schreiben
die Wissenschaftler. In den Diskussionen um eine europaweit
koordinierte Mindestlohnpoli-
tik werde oft eine Untergrenze
von 60 Prozent des Medianlohns im jeweiligen Land als
„angemessen“ betrachtet. Für
Deutschland würde dies eine
Erhöhung auf mehr als zehn
Euro bedeuten. Oberhalb dieser
Marke liegen auch die meisten
tariflich vereinbarten Branchenmindestlöhne.
<
Öffentlicher Dienst
und Mindestlohn
Was hat das mit dem öffentlichen Dienst zu tun, wo nach
Entgelt- und Besoldungsgruppen bezahlt wird? Theoretisch
dürfte der Mindestlohn hier
gar kein Thema sein. „Das
stimmt nicht ganz“, weiß Volker Geyer, Bundesvorsitzender
der Kommunikationsgewerkschaft DPV (DPVKOM). „In den
Postnachfolgeunternehmen
Post, Postbank und Telekom
spielt das Thema Mindestlohn
in der Tat keine Rolle. Das kann
für den gesamten Postmarkt
jedoch nicht behauptet werden. Insbesondere im Bereich
alternativer Zustelldienste verdienen die Beschäftigten oftmals weniger als den Mindestlohn.“ So seien dort viele
Beschäftigte als Subunternehmer und Scheinselbstständige
auf dem Postmarkt tätig. Für
diese Gruppen gelte der gesetzliche Mindestlohn nicht.
„Im Bereich der Call-Center
wurde der gesetzliche Mindestlohn unseres Wissens
> VBOB Magazin | dbb seiten | März 2016
25
spezial
Vor allem in Dienstleistungsberufen hat sich die Bezahlung
verbessert: Der ostdeutsche
Einzelhandel, das Gastgewerbe, die Wach- und Sicherheitsdienste und „sonstige personennahen Dienstleistungen“,
zu denen etwa Wäschereien
und Frisöre gehören, verzeichneten kräftige Steigerungen.
Im Gastgewerbe, das vom Mindestlohn am stärksten betroffen ist, stiegen die Verdienste
um 2,9 Prozent, in Ostdeutschland sogar um 8,6 Prozent. Innerhalb des produzierenden
Gewerbes wurde in der Fleischverarbeitung bis zum dritten
Quartal ein Zuwachs von insgesamt 5,6 Prozent erreicht.
©jd-photodesign – Fotolia.com
Frauen in Ostdeutschland mit
8,5 Prozent, bei Männern der
gleichen Gruppe gab es ein
Plus von 8 Prozent.
dbb
spezial
26
Auf der Habenseite sieht Geyer
auch Telekom und Post gut
aufgestellt, was den Zusammenhang vom Arbeitsmarkt
und Mindestlohn betrifft:
„Hier hat die Einführung des
Mindestlohns zu keinen negativen Auswirkungen geführt.
Das Gleiche kann auch für den
Bereich der Call-Center konstatiert werden. Dort sind mehr
sozialversicherungspflichtige
Arbeitsplätze geschaffen worden und es werden nach wie
vor Fachkräfte gesucht – trotz
Mindestlohn.“ Kritisch sieht
der Gewerkschafter allerdings
Tendenzen, dass der Mindestlohn von Firmen „ausgetrickst“
wird, besonders in Betrieben
ohne Betriebsrat: „Es ist davon
auszugehen, dass der Arbeitgeber in Betrieben ohne Betriebsrat immer wieder versucht, die
gesetzlich vorgeschriebene
Zahlung des Mindestlohns
durch Lohnkürzungen an anderer Stelle zu ,refinanzieren‘. Bezogen auf den Call-Center-Bereich bedeutet dies, dass eine
Lohnerhöhung durch Einführung des Mindestlohns nicht
eins zu eins in den Portemonnaies der Beschäftigten ankam, da gleichzeitig andere
leistungsorientierten Vergütungsbestandteile gekürzt
wurden. Diese Vorgehensweise
ist sogar in den Betrieben zu
beobachten, die einen Betriebsrat haben.“
Für die DPVKOM stehe jedoch
fest, dass auch dort, wo keine
betrieblichen Interessenvertreter vorhanden sind, Mindestlohn gezahlt werden müsse.
Dessen ungeachtet stelle der
Mindestlohn nur eine Mindestabsicherung dar. „Bessere
Löhne und kontinuierliche
Lohnerhöhungen werden am
ehesten durch Tarifverträge
erzielt, die von den Gewerkschaften ausgehandelt werden. Vor allem in der Call-Center-Branche, in der es keine
Tarifverträge gibt, ist es daher
überaus wichtig, dass sich die
Beschäftigten in einer Gewerkschaft zusammenschließen –
am besten natürlich in der
DPVKOM“, empfiehlt Geyer.
Im Großen und Ganzen jedoch
sei der Mindestlohn eine Erfolgsgeschichte, an der die
DPVKOM maßgeblich beteiligt
war. Dennoch könne man ein
gutes Gesetz noch besser machen, so Geyer: „Es muss gewährleistet werden, dass der
Mindestlohn auch wirklich bei
lingszustroms haben sie neben
ihren historisch gewachsenen
Aufgaben zu schultern. Auch
die Umsetzung des Mindestlohns kontrolliert der Zoll. Bundesfinanzminister Wolfgang
Schäuble hat dem Zoll im Januar 2015 1 600 gesetzlich vorgesehene, zusätzliche Stellen versprochen. Trotzdem gibt es
immer wieder Begehrlichkeiten, Zollpersonal etwa zur Polizei zu verlagern oder für andere
Aufgaben abzustellen. Dieter
Dewes, Bundesvorsitzender
ausgebildet werden. Diese Anwärterinnen und Anwärter
stünden also auch für die Kontrolle des Mindestlohns noch
gar nicht zur Verfügung. „Wir
haben von Anfang an verlangt,
das Zeitfenster der Ausbildung
beim Zoll zu nutzen, um mehr
Personal einzustellen“, so Dewes, der darauf hinweist, dass
die ersten Nachwuchskräfte im
mittleren Zolldienst nach zwei
Jahren, im gehobenen Zolldienst erst nach drei Jahren in
der Finanzkontrolle Schwarz-
des BDZ Deutsche Zoll- und
Finanzgewerkschaft, betont,
dass die neuen Stellen für die
Finanzkontrolle Schwarzarbeit
nicht zuletzt auf Drängen des
BDZ bewilligt worden sind:
„Gefordert hatten wir die Einstellung von bis zu 2 500 weiteren Beschäftigten. Denn seit
Inkrafttreten der Neuregelungen zum 1. Januar 2015 hat der
Zoll mit der Finanzkontrolle
Schwarzarbeit rund fünf Millionen Beschäftigungsverhältnisse mehr im Blick als zuvor. Die
Bundesregierung hat die Warnungen vor immensen Personalfehlbeständen in diesem
Arbeitsbereich viel zu lange
ignoriert.“ Das neue Personal,
dass zum 1. August 2015 eingestellt wurde, müsse zunächst
arbeit tätig werden können.
„Erhebt man den Anspruch,
dass ab sofort die volle Aufgabenbandbreite ausgefüllt wird,
kommt der Zuwachs also viel
zu spät. Die ursprünglichen
Planungen gingen davon aus,
jährlich 320 statt bisher 160
Nachwuchskräfte in die Finanzkontrolle Schwarzarbeit zu lenken – also 50 Prozent mehr als
bisher. Dieser Vorgang sollte
sich solange wiederholen, bis
die 1 600 neuen Beschäftigten
da sind. Auch dann wäre das
Personal erst in rund fünf Jahren komplett gewesen“,
kritisiert der Gewerkschafter.
Mit den Abordnungen in der
Flüchtlingskrise seien aber
auch diese Zahlen vorerst Makulatur, Personalaufwuchs in
Jan Brenner
mittlerweile flächendeckend
eingeführt – allerdings gibt es
auch hier noch Probleme bei
der Umsetzung“, erklärt Geyer.
den Beschäftigten ankommt.
Außerdem ist es wichtig, dass
die Zahlung des Mindestlohns
nicht durch die Beschäftigung
von Scheinselbstständigen umgangen wird. Hier muss der
Gesetzgeber tätig werden.
Darüber hinaus ist sicherzustellen, dass die Zahlung des
Mindestlohns durch den Zoll
überprüft wird und Verstöße
gegen das Mindestlohngesetz
geahndet werden.“
<
Zoll im Fokus
Die Kolleginnen und Kollegen
vom Zoll sind viel beschäftigt:
Die Erhebung der Kraftfahrzeugsteuer, die Kontrolle der
Schwarzarbeit sowie Abordnungen im Zuge des Flücht-
> VBOB Magazin | dbb seiten | März 2016
dbb
der Finanzkontrolle Schwarzarbeit sei noch lange nicht
abgeschlossen.
<
Fundierte Ausbildung
dauert
Von Tendenzen, frisches Personal im dreimonatigen Schnellverfahren einsatzfähig zu machen, wie es zum Beispiel bei
der Polizei in der Ausbildung
von Wachpolizisten geschieht,
hält Dewes dennoch nichts:
„Die Tätigkeit im Arbeitsbereich Finanzkontrolle Schwarzarbeit spezialisiert sich immer
weiter – gerade auch aufgrund
weiterer Ausnahmetatbestände, die der BDZ kritisiert. Die
Kontrollen werden prüfungsund zeitintensiver. Angesichts
einer immer komplexer werdenden Rechtslage sehen sich
die Beschäftigten bei der Finanzkontrolle Schwarzarbeit
erheblich steigenden fachlichen Anforderungen gegenüber.“ Das Rüstzeug für diese
hochqualifizierte Arbeit könne
nicht in einem „Crash-Kurs“
vermittelt werden. Entsprechende Überlegungen stünden
beim Zoll allerdings auch nicht
an. Dewes: „Die qualitativ
hochwertige Ausbildung der
Bundeszollverwaltung ist europaweit anerkannt, auch und
gerade im Arbeitsbereich Fi-
DER MINDESTLOHN
In Europa längst Realität
In den meisten Ländern der Europäischen Union ist der Mindestlohn
bereits Realität. Die 8,50 € entsprechen 51% des mittleren Lohns. Damit
befindet sich Deutschland im europäischen Mittelfeld.
Frankreich
62 %
Slowenien
60 %
Portugal
58 %
Ungarn
54%
Belgien
51%
Lettland
51%
Deutschland
51%
Irland
48 %
9,53€
4,56€
2,92€
1,97€
9,10€
1,93€
8,50€
Litauen
48 %
8,65€
1,76€
Großbritannien
47 %
7,43€
Niederlande
47 %
9,11€
Polen
47 %
Slowakei
47 %
2,31€
2,02€
Rumänien
45%
Spanien
44%
Griechenland
43%
3,35€
Luxemburg
42%
11,10€
2,13€
2,01€
Estland
Tschechien
36%
36%
1,14€
3,91€
(Neu ab 1.1.2015)
Im Mittel verdient ein Vollzeitbeschäftigter in Deutschland
2.889 € im Monat, das entspricht
einem Stundenlohn von 16,70 €
bei einer 40-Stunden-Woche.
Somit liegt ein Mindestlohn von
8,50 € pro Stunde bei 50,9% des
mittleren Lohns.
EU-Länder mit gesetzlichem Mindestlohn
EU-Länder ohne Mindestlohnregelung
In 21 von 28 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union
erhalten Arbeitnehmer einen gesetzlichen Mindestlohn –
Deutschland wird dann Nummer 22 sein. Nur Dänemark,
Finnland, Italien, Österreich, Schweden und Zypern
haben noch keinen Mindestlohn.
Quelle: OECD; für Deutschland: Berechnungen des WSI auf der Grundlage von Daten der Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit – Werte für 2012, Euro-Werte Stand Januar 2014
© Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2014
nanzkontrolle Schwarzarbeit.
Diesen Standard gilt es unbedingt zu halten.“
Einige der neuen jungen Kolleginnen und Kollegen, die
ursprünglich zur Verstärkung
der Finanzkontrolle Schwarzarbeit vorgesehen waren, gibt der
Zoll derzeit an das Bundesamt
für Migration und Flüchtlinge
(BAMF) und die Bundespolizei
ab, um bei der Bewältigung des
Flüchtlingszustroms zu helfen.
„Seit Oktober 2015 handelt es
sich um eine zunächst befristete Abordnung von 320 Arbeitskräften“, erklärt Dewes. „Zusätzlich zu 50 Zöllnerinnen und
Zöllnern, die das BAMF bei der
Entscheidung über Asylanträge
unterstützen, sind 233 weitere
an das BAMF sowie 159 Zollvollzugsbedienstete zur Bundespolizei abgeordnet worden.
Wenn in einer solchen Ausnahmesituation ein Arbeitsbereich wie die Finanzkontrolle
Schwarzarbeit mit diesem
personellen Mehrbedarf herangezogen wird, muss für die Zukunft feststehen, dass die Politik zu ihrem Wort steht und die
Aufstockung dieses Bereichs im
Interesse einer effizienten Kontrolle des Mindestlohns wieder
ungehindert fortschreitet.“ Das
sei parteiübergreifend gewollt
und werde gewerkschaftlich
eingefordert, zumal es sich um
einen gesetzlichen Auftrag
handle.
br
dbb
Antirassismus-Arbeiter Ansgar Drücker (IDA e. V.):
Angst ist ein schlechter Ratgeber
Drücker:
Angst würde uns lähmen und
wohlüberlegte Schritte gegen
diese Stimmung blockieren,
aber Besorgnis und Strategien
zur Auseinandersetzung mit
rassistischen Vorurteilen sind
auf jeden Fall angesagt. Wir
beobachten nicht erst seit der
kontroversen gesellschaftlichen Diskussion über die
Flüchtlingspolitik, dass sich rassistische Einstellungen bis weit
in die Mitte der Gesellschaft
hinein breitmachen. Mit der
AfD füllt eine Partei die
rechtspopulistische Lücke im
deutschen Parteiensystem, die
mit plakativen und ebenso einfachen wie unrealistischen Forderungen auf viel Zustimmung
stößt und sich zu einer Art politischem Arm der Pegida-Bewegung entwickelt hat. Dadurch
ist eine gesellschaftliche Stimmung entstanden, die Rechtsextreme als Unterstützung für
Brandanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte wahrnehmen.
Und das ist in der Tat besorgniserregend, denn das „wir“ in
Deutschland umfasst nun auch
eine Million neu nach Deutschland gekommener Menschen,
die zwar einer weiterhin vorhandenen Willkommenskultur
begegnen, aber eben auch zunehmend auf Vorurteile, Ausgrenzung und Ablehnung stoßen und täglich bedroht sind,
Opfer von Übergriffen und Gewalttaten zu werden. Das ist
das völlig falsche Signal an die
übergroße Mehrheit der Neuen, die sich integrieren wollen.
Dabei geht leider zunehmend
auch der Blick für die Situation
verloren, vor der die Menschen
fliehen, und unser Mitgefühl
droht zu schwinden. Die Geflüchteten des Jahres 2015 machen etwa ein Prozent der Bevölkerung aus und nicht alle
sind Muslime, von einer Islamisierung des Abendlandes kann
also keine Rede sein. Eher sind
wir aufgerufen, den Islam als
eine selbstverständlich auch in
> VBOB Magazin | dbb seiten | März 2016
< Ansgar Drücker
Deutschland praktizierte Religion wahrzunehmen, deren
Glaubensgemeinschaften übrigens gegenüber den christlichen Kirchen strukturell eher
benachteiligt sind.
dbb magazin:
Warum sagen in den laufenden
Diskussionen und Gesprächen
so viele Menschen „Ich bin kein
Rassist, aber ...“?
Drücker:
Diese Formulierung ist fast immer der Anfang eines Satzes,
der zu keinem guten Ende füh-
ren kann. Sie geht etwa von
einem Bild aus, dass man aufgrund einer vermeintlichen politischen Korrektheit, beispielsweise die Herkunft von Tätern,
nicht offen ansprechen dürfe.
Ganz im Gegenteil wird aber
beispielsweise nach den Übergriffen in Köln in der Silvesternacht fast ausschließlich über
die Herkunft der Täter statt
über Sexismus und sexualisierte Gewalt und ihre Prävention
oder über Drogen gesprochen.
Geflüchtete werden massenweise als Täter verdächtigt, obwohl allenfalls einzelne beteiligt waren. Seit Jahresbeginn
hat dies die Stimmung im Lande in gefährlicher Weise kippen lassen – und dies hat auch
mit der geballten Verbreitung
von Vorurteilen und Klischees
über Geflüchtete und Menschen arabischer oder nordafrikanischer Herkunft zu tun. Jeder, der intensiver im Kontakt
mit geflüchteten Menschen
steht, weiß, wie unterschiedlich „die Neuen“ sind, die zu uns
kommen, und wie falsch die
sowohl in den Medien als auch
in Alltagsgesprächen kommunizierten Stereotype sind. Wer
diese Formulierung benutzt,
©Franz Pfluegl – Fotolia.com
spezial
28
dbb magazin:
Eine Partei, die Schüsse auf
Flüchtende aus kriegs- und krisengeschüttelten Ländern für
gerechtfertigt hält. Tausende
Demonstrierende gegen eine
angebliche „Islamisierung des
Abendlandes“. Obergrenzen gegen Willkommenskultur. Muss
uns diese Stimmung in Deutschland Angst machen?
Jan Brenner
Ansgar Drücker ist Geschäftsführer des Informations- und Dokumentationszentrums für Antirassismusarbeit e. V. (IDA). IDA ist das Dienstleistungszentrum der Jugendverbände für die Themenfelder
(Anti-)Rassismus, (Anti-)Rechtsextremismus und
Migrationspädagogik. Auch die dbb jugend ist
IDA-Mitglied.
dbb magazin:
Was raten Sie insbesondere jungen Menschen, die sich angesichts der vielen Menschen, die
in Deutschland aktuell Zuflucht
suchen, Sorgen machen?
Drücker:
Mein eigenes Sicherheitsgefühl erhöhe ich am wirkungsvollsten, wenn ich mich mit
etwas vertraut mache, hier
mit der neuen Zusammensetzung der Bevölkerung – denn
es sind vor allem sehr unterschiedliche und vielfältige
Menschen gekommen, die
ganz überwiegend offen, kontaktfreudig und an unserer
Gesellschaft interessiert sind.
Integration ist eine Aufgabe,
die sich auch an die sogenannte Mehrheitsgesellschaft rich-
dbb jugend magazin
Sechs Prozent plus, 100 Euro mehr und 30 Urlaubstage für Azubis, unbefristete Übernahme
und zeit- und inhaltsgleiche Übernahme des
Tarifergebnisses für den Beamtenbereich – mit
diesen Kernforderungen zieht auch die dbb jugend in die Einkommensrunde für den öffentlichen Dienst von Bund und Ländern. „Das ist fair
und angemessen – und die Arbeitnehmer sollten sich hüten, uns mit dem Verweis auf die
finanziellen Belastungen durch die Zuwanderung mit einer mageren ‚symbolischen‘
Tariferhöhung abzuspeisen“, schreibt dbb
jugend-Chefin Sandra Kothe im Editorial der
März-Ausgabe von t@cker, dem dbb jugend
magazin. Gerade die Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes zeigten derzeit in beeindruckender Weise Einsatz, um die großen
_0XBJ1_tacker
tet, die sich öffnen muss für
die Neuen und sie unterstützen muss. Die Menschen, die
zu uns kommen, sind ja nicht
bessere oder schlechtere Menschen. Sie kommen allerdings
zum großen Teil aus Ländern
mit Krieg, Verfolgung und Diskriminierung und sehnen sich
nach einer Gesellschaft, in der
ihre Grundrechte gewährleistet sind. Die beste Prävention
sind daher eine schnelle Integration durch Sprachkurse,
berufliche Integration und
schließlich auch persönliche
online
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x 297.00 mm);
24.Feb 2016
08:19:10;
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Rassismus:
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dbb jugend
hamburg:
Kritik an „Ste
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orteile auf Sie Ihr Zuhause zur
Wohlfühloa
Seite 23
se!
Kontakte zwischen „Alten“
und „Neuen“, die für die vielen
informellen Lernerfahrungen
im Alltag so wichtig sind. Und
wer sich als junger Mensch
Sorgen um seine berufliche
Zukunft macht: Gerade im öffentlichen Dienst und im öffentlich geförderten Bereich
entstehen derzeit reichlich
neue Arbeitsplätze aufgrund
der erhöhten Einwanderung
nach Deutschland – also eher
eine Chance als ein Grund zur
Angst für offene junge Menschen.
22
Einkommensr
unde:
6 Prozent
und
fristete Übe unbernahme
herausgeber:
dbb jugend
Herausforderungen der Zuwanderung zu
schaffen – nachzulesen in der t@ckerstory: „Hauruck – mit Hirn und Herz“ lautet
die Devise der Aachener Stadtverwaltung
beim Flüchtlingsmanagement, „und es ist
ein beeindruckendes Beispiel dafür, was die
Kolleginnen und Kollegen des öffentlichen
Dienstes seit Monaten für Höchstleistungen
vollbringen, um die Schutzsuchenden aufzunehmen, unterzubringen und zu integrieren“,
so Kothe. Neben Wissenswertem rund um das
aktuelle Thema Rassismus und weiteren Einzelheiten zur anstehenden Einkommensrunde
gibt es im t@cker wie immer allerlei News und
Infos aus den Reihen der dbb jugend.
Einfach reinsurfen unter www.tacker-online.de!
> VBOB Magazin | dbb seiten | März 2016
29
spezial
läuft oft noch vor der eigentlich auf der Hand liegenden
Herausforderung davon, dass
wir jetzt alle gefordert sind,
unser Zusammenleben mit den
Neuen zu organisieren und
praktisch zu gestalten – und
dabei sind Angst und Vorurteile keine guten Ratgeber.
dbb
Arbeitsagentur Bad Hersfeld-Fulda – Maßnahmen für Flüchtlinge:
Zukunftsschmiede
fokus
30
Vor vier Monaten startete die Arbeitsagentur Bad Hersfeld-Fulda ein
„Willkommensprogramm“ für Flüchtlinge aus Kriegs- und Krisengebieten,
die es nach Osthessen verschlagen hat. Unterstützt von Pädagogen und
externen Praktikern begleiten Arbeitsvermittler und Berufsberater die
Schutzsuchenden schrittweise in ein neues Leben. Ihre Angebote sollen
den Entwurzelten helfen, eine Zukunft zu schmieden, die sie für den
Arbeitsmarkt qualifiziert: der Anfang eines weiten Weges.
Monika Fischer hört zu.
Zuerst haben die Gäste das
Wort, die an diesem Donnerstag der Einladung ins BiZ, das
Berufsinformationszentrum
der Arbeitsagentur Bad Hersfeld-Fulda, gefolgt sind. Monika Fischer hat die 15 Frauen
und Männer gebeten, sich kurz
vorzustellen. Sie sollen ihren
Namen nennen, ihr Alter, das
Land, aus dem sie geflohen
sind, welchen Beruf sie in ihrer
Heimat ausübten und welcher
Beschäftigung sie in Deutschland nachgehen möchten.
Mohamad eröffnet die Runde:
„Ich komme aus Syria. Ich bin
22 Jahre alt. Ich habe als Englischlehrer für kleine Kinder
gearbeitet. Ich möchte studieren“, sagt er auf Deutsch. Sein
Nachbar, 23, ebenfalls Syrer
und wie die gesamte Gruppe
Teilnehmer eines von der
Arbeitsagentur finanzierten,
achtwöchigen Deutschkurses,
der in diesen Tagen zu Ende
geht, hat in der Heimat ein
Maschinenbaustudium begonnen. Er möchte es in
Deutschland fortsetzen.
Aischa ist 36, war Schneiderin
in Syrien und möchte als Modedesignerin arbeiten. Ein
anderer, 46, hatte in Syrien
ein Kleidergeschäft, würde
als Verkäufer arbeiten. Der
30-jährige Kurdischlehrer,
der mit Frau und vier Kindern
aus dem Irak geflohen ist,
möchte zuerst gut Deutsch
lernen, sich dann weiter orientieren. Weitere (Wunsch-)Berufe der – bis auf die 21-jährige Eritreerin Sara – aus Syrien
und dem Irak stammenden
< „Was haben Sie in Ihrer Heimat gearbeitet?“ Die Leiterin des BiZ in Fulda, Monika Fischer, bietet Geflüchteten
erste Einblicke in den deutschen Arbeitsmarkt.
> VBOB Magazin | dbb seiten | März 2016
dbb
und Medien noch nach Athen
schauten, haben wir in der Arbeitsverwaltung gesagt, wir
müssen von der anderen Seite
kommen. Soziale Integration
geht nur über Bildung und Beruf. Deshalb müssen wir die
Menschen rasch in unserem
System erfassen und mit ihnen
arbeiten. Wir können nicht warten, bis alle anerkannt sind.“
Menschen sind: Taxifahrer,
Friseurin, Lkw-Fahrer, Raumpflegerin, Ingenieur, Lehrer,
Kfz-Mechaniker, Verkäufer.
Acht Wochen Sprachkurs
reichen freilich nicht, Nachfragen der Berufsberaterin
zu beantworten oder komplexere Sachverhalte zu verstehen. Als Monika Fischer aus
dem Füllhorn der rund 3 200
in Deutschland anerkannten
Ausbildungsberufe Beispiele
wählt, um sie eingehender
vorzustellen und später die
Nutzung der Berufsinformationsportale der Bundesagentur
für Arbeit präsentiert, übersetzt die Deutschdozentin, die
ihre Schülern ins BiZ nach Fulda begleitet hat, ins Englische.
Ex-Englischlehrer Mohamad
übersetzt aus dem Englischen
ins Arabische.
Waldemar Dombrowski
zieht Zwischenbilanz.
„Die Gruppeninformationsveranstaltungen im BiZ richten
sich an Flüchtlinge, die bereits
ein paar Deutschkenntnisse erworben haben. Wir holen alle
Teilnehmer unserer Deutschkurse ins BiZ. Sie werden dort
auch von einem Arbeitsvermittler zu ihren beruflichen Interessen befragt und zu einem
späteren Zeitpunkt zum individuellen Beratungsgespräch in
unser neues Arbeitsmarktbüro
eingeladen“, erläutert Waldemar Dombrowski, der Chef der
Arbeitsagentur Bad HersfeldFulda. Natürlich führten diese
Gespräche nicht zur sofortigen
Vermittlung einer Stelle,
schränkt Dombrowski ein, der
auch Bundesvorsitzender der
dem dbb angehörenden „vbba
– Gewerkschaft Arbeit und Soziales“ ist. „Wir verfolgen einen
präventiven Ansatz: Wir wollen
so früh wie möglich Kontakt zu
den Flüchtlingen aufbauen. Bereits im letzten Jahr, als Politik
Die Regelung trat nach Veröffentlichung im Bundesgesetz-
Der Transport der Informationen durch drei Sprachen ist
zeitraubend, stellt aber sicher,
dass auch die sprachlich weniger Versierten mitkommen.
Denn auch sie sollen die Chance nutzen können, die moderne Infothek des BiZ im Anschluss an Fischers Vortrag zu
erkunden, wo sie mithilfe des
BiZ-Teams oder eigenständig
mehr über Berufsbilder und
Bewerbungsmodalitäten erfahren.
> VBOB Magazin | dbb seiten | März 2016
31
fokus
< „Wir wollen so früh wie möglich Kontakt zu den Flüchtlingen aufbauen.“ Waldemar Dombrowski, Chef der
Arbeitsagentur Bad Hersfeld-Fulda, und Agenturbereichsleiterin Lisa Moises.
Die Entscheidung, die Bundesagentur für Arbeit (BA) und
ihre regionalen Dienststellen
in den Integrationsprozess
einzubeziehen, regelt – wie
alle Aufgaben der Arbeitsverwaltung – das Dritte Sozialgesetzbuch (SGB III). Dort verfügt der aktualisierte § 421:
„Die Agentur für Arbeit kann
die Teilnahme von Ausländerinnen und Ausländern, die
eine Aufenthaltsgestattung
besitzen und bei denen ein
rechtmäßiger und dauerhafter
Aufenthalt zu erwarten ist, an
Maßnahmen zur Erlangung
erster Kenntnisse der deutschen Sprache fördern, wenn
dies zu ihrer Eingliederung
notwendig ist und der Maßnahmeeintritt bis zum 31. Dezember 2015 erfolgt“.
dbb
< „Welche Schmerzen kennt Ihr noch?“ Förderschullehrerin Sabine Wittig vermittelt im Deutschkurs Alltagswissen ...
fokus
32
blatt am 24. Oktober 2015 in
Kraft. „Wir hatten Vorabinformationen, dass wir Sprachkurse als Ersatzvornahme
anbieten dürften, um das
Bundesamt für Migration und
Flüchtlinge zu entlasten – und
haben rechtzeitig den Landkreis sowie die infrage kommenden Bildungsträger ins
Boot geholt“, erzählt Waldemar Dombrowski. Eigentlich
sei das ja keine Aufgabe der
Arbeitsvermittlung, fügt er
hinzu. „Aber wir haben das
hinbekommen: Am 4. und
7. November starteten die
ersten beiden Kurse.“
Dann ging es zügig weiter. Bis
Ende Dezember 2015 wurden
in den Landkreisen Fulda und
Bad Hersfeld-Rotenburg von
der Arbeitsagentur insgesamt
33 Deutsch-Einstiegskurse mit
706 Teilnehmerinnen und Teilnehmern realisiert. Mitte März
2016 werden die letzten beendet sein – Fortsetzung nicht
vorgesehen. Zwischenzeitlich
hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF)
das Angebot an Integrationskursen jedoch ausgeweitet.
„Auch wenn die Organisation
der Kurse eine On-top-Aufgabe
für uns war: Die Befristung der
Maßnahme ist dennoch bedauerlich, wenn man den Nutzen bedenkt, den die Flüchtlinge daraus ziehen“, sagt
Dombrowski. „Die Menschen
erleben, dass wir sie unterstüt-
zen und bleiben dem Angebot
treu“, bekräftigt Bereichsleiterin Lisa Moises. „Wir könnten
die Kurse als Auftragsaufgabe
mit zusätzlichem Personal und
Steuermitteln weiter durchführen. Aber – und das habe
ich nachfragenden Abgeordneten gesagt – das muss die Politik entscheiden“, ergänzt der
Agenturchef.
Sabine Wittig lässt lesen.
24 Augenpaare versenken den
Blick ins Lehrbuch. Ahmad atmet tief durch: „Guten Tag,
mein Name ist Tom Becker.
Ich hatte die ganze Nacht
Zahnschmerzen. Kann ich für
heute einen Termin haben?“.
Saif übernimmt den Part der
Sprechstundenhilfe: „Sie können heute Abend um 18 Uhr
vorbeikommen, bitte bringen
Sie Ihre Versichertenkarte mit.“
Ahmad: „Die habe ich immer
dabei.“
„Danke“, sagt Sabine Wittig,
der Zeigefinger ihrer rechten
Hand schnellt in die Höhe –
vermittelt der Gruppe ein
„Achtung – jetzt kommt etwas Neues.“ Es folgt ein Frageund Antwort-Spiel: „Welche
Schmerzen kennt ihr noch?“
Jetzt recken sich die Hände der
Schüler. Sie waren im Dezem-
< ... und überwindet mithilfe ihrer Gesten Verständnislücken.
> VBOB Magazin | dbb seiten | März 2016
ber in ihrer in einem kleinen
Dorf in der Rhön gelegenen
Flüchtlingsunterkunft gefragt
worden, ob sie Interesse an einem Einsteigersprachkurs haben. Sie sind seit 11. Dezember
2015 an jedem Wochentag im
Dorfgemeinschaftssaal erschienen, um zu lernen. Fünf
Tage je acht Stunden, ergibt
hochgerechnet auf die achtwöchige Kursdauer 320 Stunden: Eine unschätzbar wertvolle Gelegenheit, nicht nur die
Sprache zu lernen, sondern
wichtige Informationen über
das Alltagsleben in Deutschland und die Umgangsformen
der Deutschen aufzunehmen.
Veranstalter des Kurses, in
dem Sabine Wittig gerade den
menschlichen Körper und die
Liste möglicher Schmerzen
durchnimmt, ist das Weiterbildungszentrum (WBZ) Rübsam.
Das auf die fachspezifische
Weiterbildung, insbesondere
im handwerklich-technischen
Bereich, spezialisierte Unternehmen gehört zu den 16 Bildungsträgern, die einen
Sprachkurs nach § 421 SBG III
durchführen.
An diesem Tag ist die Gruppe
mit zwei Bussen in die WBZZentrale ins nordöstlich an Fulda angrenzende Petersberg gebracht worden. Dort sollen sie
am Nachmittag auch die Lernwerkstatt kennenlernen. Geschäftsführerin Susanne Hartmann wird die Gelegenheit
nutzen, die Entwicklung der
„Schüler“ weiter zu verfolgen.
Ihre Aufgabe ist es, in Zusammenarbeit mit den Dozentinnen ein erstes „Profiling“, eine
Bewertung anzufertigen, die
hilft, individuelle Fähigkeiten
und Begabungen zu identifizieren, um folgende Förderangebote der Arbeitsagentur passgenauer zuschneiden zu
können.
An den anderen Tagen findet
der Unterricht im Dorf der
Flüchtlinge in der Rhön statt.
Das rief wiederum die in der
Nachbarschaft ansässige
Sabine Wittig auf den Plan.
dbb
Doch was passiert, wenn der
gut strukturierte Alltag nach
Auslaufen des Kurses wieder
vom ereignislosen Einerlei in
den Unterkünften abgelöst
wird? Darüber mag Sabine
Wittig nicht spekulieren.
„Viele verbringen die unausgefüllten Stunden dann wohl
wieder in den Gemeinschaftsräumen vor dem Fernseher.“
Sie hat aber auch von einem
Kurs gehört, den die Lehrerin
weiterführt, auf ehrenamtlicher Basis.
Martin Vogel und Rebecca
Schad sind vorbereitet.
Er, Arbeitsvermittler in Diensten der Arbeitsagentur Bad
Hersfeld-Fulda mit interkultureller Zusatzausbildung, und
sie, Mitarbeiterin des vom
Landkreis Fulda betriebenen
kommunalen Job-Centers mit
Auslandserfahrung, bilden ein
Kompetenzteam der besonderen Art. Sie engagieren sich –
jeweils im Auftrag und Interesse ihres Dienstherrn – im
neuen Arbeitsmarktbüro, um
die nahtlose Betreuung ihrer
Kunden mit Migrationsschicksal sicherzustellen. „Jeder
Flüchtling, der in Deutschland
einen Asylantrag stellt, ändert
im Laufe des Verfahrens seinen Status und wechselt damit auch den Leistungsträger“,
erklärt Rebecca Schad. „Solange sich eine Person noch im
laufenden Asylverfahren befindet, beziehungsweise eine
Ablehnung erhalten hat, aber
< „Wir reichen uns bei einem Statuswechsel die Akte einfach über den Tisch.“ Arbeitsmarktbüro-Mitarbeiter
Rebecca Schad und Martin Vogel verteilen die Zuständigkeit zwischen Arbeitsagentur und Kreisjobcenter.
nicht rückgeführt werden
kann, ist die Arbeitsagentur
zuständig“, ergänzt Martin
Vogel. „Sobald ein Asylgesuch
anerkannt ist, hat der oder die
Betreffende Anspruch auf
Grundsicherung, und die wird
wiederum aus Mitteln der
steuerfinanzierten kommunalen Job-Center gezahlt“, führt
Rebecca Schad die Erklärung
fort.
In der Vergangenheit sei es
bei diesen Übergängen von einem Leistungsträger zum anderen häufig zu unerwünschten Unterbrechungen in der
Betreuung gekommen, erklären sie. Unter dem Eindruck
des anhaltenden Flüchtlingszustroms, der 2015 mehr als
2 000 Schutzsuchende nach
Osthessen gebracht hat, sei am
7. Dezember 2015 die Idee der
Arbeitsmarktbüros – ein zweites wurde im Nachbarkreis Bad
Hersfeld-Rotenburg eingerichtet – kurzerhand umgesetzt
worden: „Durch die räumliche
Gemeinsamkeit lässt sich viel
bürokratischer Aufwand sparen“, sind sich beide einig. „Wir
reichen die Akte bei einem Statuswechsel sozusagen nur über
den Tisch.“
Darüber hinaus sind Rebecca
Schad und Martin Vogel vormittags auf Publikumsverkehr
eingestellt. Vogel empfängt
etwa die Teilnehmer der Gruppeninformationsveranstaltungen aus dem BiZ zur Beratung.
Dass wenige Tage nach Eröff-
> VBOB Magazin | dbb seiten | März 2016
33
fokus
„Eigentlich wollte ich ein Sabbatjahr machen“, erzählt die
studierte Förderschullehrerin,
„weil ich ehrenamtlich in der
Flüchtlingshilfe engagiert bin,
und es in der Rhön zu wenig
Lehrer gibt, bin ich eingesprungen.“ Wittig lobt den Fleiß und
die Disziplin ihrer Schüler, die
keine Unterrichtsstunde versäumen, die Hausaufgaben erledigen und noch abends in
der Unterkunft weiterlernen:
„Das ist eine gemischte Gruppe, darunter Studenten, Ausgebildete und Menschen ohne
Beruf. Sogar ein Analphabet ist
dabei. Er hat am härtesten zu
kämpfen, aber er ist entschlossen zu lernen und kann meinem inklusiven Unterricht gut
folgen.“ Wichtig ist der jungen
Frau auch zu betonen, dass die
männlichen und muslimisch
geprägten Syrier, Iraker und
Afghanen im Kurs ihr respektvoll begegnen. „Ich habe mich
zu keinem Zeitpunkt auch nur
ansatzweise sexuell bedrängt
gefühlt. Ich habe sogar mit ihnen über die Ereignisse in der
Silvesternacht in Köln gesprochen. Alle waren beschämt.“
dbb
nung des Arbeitsmarktbüros
die ersten Kunden aus eigenem Antrieb bei ihnen vorbeikamen, hat den eingeschlagenen Weg der Zusammenarbeit
rasch bestätigt.
fokus
34
Leheng Kassem nimmt seine
Zukunft selbst in die Hand.
Im Herbst 2014 flüchtete Leheng Kassem mit seinem zwei
Jahre jüngeren Bruder aus Syrien über die Balkanroute. Im
November 2014 stellten sie ihren Asylantrag. Und da sich das
Warten auf eine Entscheidung
auch mit Eigeninitiative vertreiben lässt, begann Leheng Kassem für sich allein Deutsch zu
lernen. Anfang 2015 stieg er in
Hofbieber, wo er untergebracht
ist, in einen Bus und fuhr ins
Arbeitsmarktbüro nach Fulda.
„Er stand einfach vor der Tür
und fragte, ob ich ihm ein Praktikum im medizinischen Bereich vermitteln könnte“, berichtet Martin Vogel. „Als ich
ihn fragte, wie er denn von unserem neuen Service erfahren
hat, antwortete er mit einem
Satz, den ich wortwörtlich in
Erinnerung habe: ,Wenn wir
fragen, es gibt Antworten.‘ “
Der junge, aber schon erfahrene Arbeitsvermittler, der wie
alle Mitglieder seines Berufsstandes gute Kontakte zu den
Arbeitgebern und Bildungsinstituten der Region pflegt, ermöglichte Leheng Kassem die
Teilnahme an der Maßnahme
„Perspektiven für Flüchtlinge“,
die auch ein Praktikum beinhaltet. Das Klinikum Fulda willigte
ein, Leheng Kassem als Praktikanten anzunehmen.
Als Martin Vogel Leheng Kassem im Klinikum besucht, hat
er vier von sechs Wochen Praktikum hinter sich – und weiß,
dass er am richtigen Platz ist:
„Ich habe in Syrien drei Monate
Medizin studiert. Ich möchte
so gut Deutsch sprechen, dass
ich hier wieder studieren
kann“, sagt er fließend. Zuerst würde er gern eine Lehre
im Krankenpflegebereich beginnen. „Ich habe noch viele
Probleme mit der Grammatik“,
räumt der Deutsch-Autodidakt
ein. „Ich habe leider nicht so
viel Kontakt mit deutschen
Leuten wie nötig, um besser
zu sprechen“, fügt er leise hinzu. Die Patienten der Inneren
Station haben den freundlichen jungen Mann mit dem
wachen Blick rasch ins Herz geschlossen, erzählen die Krankenschwestern. Und Claudia
Venus von der Pflegedienstleitung des Klinikums Fulda
betont gegenüber Martin
Vogel, dass sie in dem großem
Krankenhaus durchaus gute
Chancen für eine spätere Beschäftigung des Syrers sieht.
„Zuerst muss er natürlich seine Sprache und Qualifikation
verbessern. Wenn er das geschafft hat, könnten wir ihn
gut auch als Dolmetscher einsetzen. Wir haben immer mehr
Patienten, die sich nur auf Arabisch richtig verständlich machen können.“
„Ich werde Sie nach Ende des
Praktikums wieder ins Arbeitsmarkbüro einladen“, sagt Arbeitsvermittler Vogel beim
Abschied zu Kassem. „Dann
schauen wir, was wir als nächstes für Sie tun können.“
< „Wir werden sehen, was wir als nächstes für Sie tun können.“ Vermittler
Martin Vogel pflegt gute Kontakte zu den Arbeitgebern der Region.
Für Waldemar Dombrowski
sind Erfolgsgeschichten wie
die von Leheng Kassem ein Beleg, dass Flüchtlinge in nicht
allzu ferner Zukunft auf dem
ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden können. „Gerade
in Regionen wie hier in Osthessen, in der viele Lehrstellen mangels Bewerbern nicht
mehr besetzt werden, könnten sie helfen, die demografische Entwicklung abzumildern“, sagt der Chef der
Arbeitsagentur Bad HersfeldFulda. „Wir dürfen uns aber
nichts vormachen: Ohne berufliche und schulische Bildung ist keine Integration
möglich. Und bis das bei den
Flüchtlingen erreicht ist, die
wir jetzt schon in unserem
System haben, werden in
vielen Fällen mehrere Jahre
vergehen. “
Text: Christine Bonath
Fotos: Jan Brenner
< Info
< „Ich möchte so gut deutsch sprechen, dass ich hier weiter Medizin studieren kann.“ Leheng Kassem aus Syrien hat auf dem Weg zum Praktikum im Klinikum Fulda viel Eigeninitiative gezeigt.
> VBOB Magazin | dbb seiten | März 2016
Die Arbeitsagentur Bad
Hersfeld-Fulda unterhält
Standorte in Fulda, BadHersfeld und Bebra sowie
eine Außenstelle in Hünfeld
und beschäftigt insgesamt
350 Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter. Als Dienststelle
der Bundesagentur für Arbeit ist sie zuständig für
gesamt Osthessen. Ihre Aufgaben sind im Sozialgesetzbuch SGB III Arbeitsförderung niedergelegt. Sie zielen
unter anderem darauf, den
Arbeitsmarkt durch Förderung, Vermittlung und Beratung auszugleichen. Anfang
November 2015 startete
zudem eine Reihe von Informations- und Bildungsangeboten, mit denen
Flüchtlinge Schritt für
Schritt für den deutschen
Arbeitsmarkt qualifiziert
werden sollen.
dbb
Endlich mehr Freiraum:
Machen Sie Ihr Zuhause zur Wohlfühloase
Wie wäre es beispielsweise mit
einer kleinen Wellnessoase im
ehemaligen Kinderzimmer? Einem herrlichen Wintergarten
oder neuen Energiesparfenstern? Die Gründe für eine Modernisierung sind vielfältig.
Mal steht ein Plus an Wohlfühlatmosphäre im Vordergrund, mal soll in energiesparende Maßnahmen investiert
werden.
<
Sparen mit Perspektive
Bausparen ist gut geeignet, um
langfristig ganz bequem Wohnwünsche zu erfüllen. Das dbb
vorsorgewerk arbeitet seit 2008
mit der Wüstenrot Bausparkasse zusammen, um Einzelmitgliedern aller Landesbünde und
Mitgliedsgewerkschaften des
dbb beamtenbund und tarifunion und ihren Angehörigen mit
attraktiven und speziell rabattierten Angeboten den Einstieg
ins Bausparen und günstige
Bau- beziehungsweise Modernisierungsfinanzierungen zu
ermöglichen. Seit einigen Wochen bietet Wüstenrot mit sei-
nen neuen Bauspartarifen
beispielsweise in der Tarifvariante Komfort mit 1 Prozent sogenannten gebundenen Sollzinssatz den unternehmensgeschichtlich niedrigsten
Darlehenszinssatz an.
für sämtliche Wüstenrot
„Wohnspartarife“ verbrieft; jedes Mitglied hat somit einen
eindeutig formulierten Anspruch auf Ersparnis der halben Abschlussgebühr.
<
Sichern Sie sich diesen Zinssatz für kommende Modernisierungsvorhaben. Bau- beziehungsweise „Wohnsparen“,
wie Wüstenrot seine neuen Tarife nennt, punktet zudem mit
Flexibilität, schnellen Zuteilungszeiten und der Möglichkeit, jederzeit Sondertilgungen
für das Bauspardarlehen leisten zu können.
<
Exklusiver
Mitgliedsvorteil
Mitglieder der dbb Fachgewerkschaften und ihre Ehegatten, Lebenspartner und Kinder
sparen 50 Prozent der Abschlussgebühr beim Abschluss
eines Bausparvertrages. Wichtig: Dieser Mitgliedsvorteil ist
in den Allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge (ABB)
Die 20-Prozent-Formel
Bausparen ist auch bestens
geeignet, um regelmäßig anfallende Modernisierungen zu
finanzieren. Denn Sie haben
auch die Möglichkeit, einen
Bausparvertrag zu teilen und
sich die Bausparsumme in
Tranchen auszahlen zu lassen.
Je nach Bausparsumme und
der gewählten Tarifvariante
besteht die Möglichkeit der
Teilung sogar mehrfach. Als
Richtwert sollte die Bausparsumme zur Modernisierungsvorsorge circa 20 Prozent des
Immobilienwerts betragen.
<
Anschlussfinanzierung
Übrigens: Auch im Hinblick auf
Ihre Anschlussfinanzierung ist
das „Wohnsparen“ über Wüstenrot ideal. So können Sie
sicher sein, dass nach Ablauf
der Zinsbindung keine böse
Überraschung auf Sie zukommt.
Wenn es mal schnell gehen
muss und Sie sofort mit der
Modernisierung loslegen
möchten, bietet das Wüstenrot Wohndarlehen eine Finanzierung, die individuell auf Ihre
Bedürfnisse zugeschnitten ist:
So können Sie wählen, ob Sie
konstante Raten vom Anfang
bis zum Ende bevorzugen oder
ob Sie es flexibel mögen –
dann können Sie die Raten jederzeit kostenlos anpassen.
Weitere Vorteile des Wohndarlehens:
> Attraktive Konditionen
> Sondersparzahlungen
> Sondertilgungen während
der Bauspardarlehenszeit
jederzeit und in beliebiger
Höhe.
dbb Mitglieder und ihre Angehörigen profitieren bei der
Baufinanzierung von einem attraktiven Zinsvorteil in Höhe
von 0,15 Prozent-Punkten. ks
< Info
Sie wollen sich alle Vorteile
sichern? Informieren Sie
sich gerne bei den Kolleginnen und Kollegen der Kundenbetreuung des dbb vorsorgewerk. Diese sind
montags bis freitags in der
Zeit von 8 bis 18 Uhr unter
030.40816444 für Sie erreichbar. Gerne wird Ihnen
auch eine kompetente Beratung vor Ort vermittelt.
Fragen Sie den Bausparund Finanzierungsexperten
von Wüstenrot nach den
vom dbb vorsorgewerk
empfohlenen Produkten
und exklusiven Vorteilen
für dbb Mitglieder. Weitere
Informationen finden Sie
unter www.dbb-vorsorgewerk.de.
> VBOB Magazin | dbb seiten | März 2016
35
spezial
© Photographee.eu – Fotolia.com
Wohnwünsche verändern sich im Laufe der Zeit: Kinder werden größer und
ziehen aus, die Bedürfnisse der Eltern wandeln sich – ergreifen Sie die Chance
und passen Sie auch Ihre Immobilie den veränderten Lebenssituationen an.
Einkommensteuer:
Kalte Progression
spezial
38
Der Begriff der kalten Progression wird oft v­ erwendet – doch was bedeutet
er wirklich? Die Erklärung funktioniert nicht ohne die Dar­legung einiger
grundlegender Begriffe aus der Steuertariflehre.
Der deutsche Einkommen­
steuertarif verläuft progressiv.
Das bedeutet, dass der Steuerpflichtige nach Leistungsfähigkeit besteuert wird. Vereinfacht
gesagt, muss derjenige, der
mehr Einkommen erzielt, auch
mehr Steuern zahlen. Und zwar
nicht nur absolut, sondern auch
relativ im Vergleich zum erzielten Einkommen. Konkret: Bis
zu einem Jahresverdienst von
8 652 Euro (Grundfreibetrag
2016) wird keine Steuer fällig.
Hiermit will der Gesetzgeber
das Existenzminimum eines jeden Steuerpflichtigen gewährleisten. Diesen Bereich nennt
man dementsprechend auch
Nullzone.
Über 8 652 Euro beginnt der
Eingangssteuersatz mit 14 Prozent und steigt bis auf 42 Prozent ab einem Einkommen von
53 666 Euro und bleibt dann
vorerst konstant. (Darüber hinaus existiert für zu versteuernde Einkommen ab 250 000
Euro die sogenannte Reichensteuer. In diesem Bereich ist
ein um drei Prozentpunkte höherer Spitzensteuersatz zu
zahlen.) Wegen dieser relativ
niedrigen Grenze sind viele Einkommensbezieher im mittleren Einkommensbereich bereits vom Spitzensteuersatz
betroffen. Zur Verdeutlichung
nehme man ein Einkommen
von 65 000 Euro, davon werden
8 652 Euro nicht besteuert. Der
Verdienst über 8 652 Euro bis
53 665 wird mit Steuersätzen
zwischen 14 und knapp 42 Prozent belegt (Progressionszone).
Für den Anteil ab 53 666 Euro,
das wären im konkreten Beispiel 2 682 Euro, steigen die
Steuersätze nicht mehr an,
sondern verbleiben bei 42 Prozent (Proportionalzone).
<<
Grenz- und Durchschnittssteuersatz
Zwei Begriffe seien jetzt noch
eingeführt. Die Grenzsteuerund die Durchschnittssteuerbelastung. Unter ersterer versteht man die Steuerbelastung,
die eintritt, wenn man einen
> VBOB Magazin | dbb seiten | März 2016
Euro mehr als ursprünglich verdient. Als Beispiel mag die Progressionszone im Steuertarif
gelten. Mit jedem Euro Mehrverdienst verändert sich die
Steuerbelastung und nicht nur
absolut, sondern auch relativ.
Unter der Durchschnittssteuerbelastung versteht man die gesamte Steuerbelastung im Verhältnis zum (zu versteuernden)
Einkommen.
Nun zum eigentlichen Gegenstand der Ausführungen, der
sogenannten kalten Progression: Der Sachverständigenrat
zur Begutachtung der wirtschaftlichen Entwicklung hat
hierzu folgende treffende Aussagen vorgenommen: „Es handelt sich somit um Mehrbelastungen der Bürger, die dann
auftreten, wenn die Grenzen
des Einkommensteuertarifs
trotz steigenden Preisniveaus
unverändert bleiben. Wegen
des progressiven Tarifs führt
dies dazu, dass Einkommenssteigerungen in Höhe der
Preissteigerungsrate zu höhe-
ren Durchschnittssteuersätzen führen. So erhöhen sich
die staatlichen Einnahmen
­relativ stärker, selbst wenn
die Wirtschaft preisbereinigt
nur mit geringen Raten
wächst.“
Zur Verdeutlichung: Man gehe
von einer einprozentigen Inflationsrate und einer gleich hohen Gehaltserhöhung aus. In
diesem Fall wird der Vorteil der
Lohnerhöhung durch die progressive Besteuerung überkompensiert, obwohl der Steuerpflichtige tatsächlich über
keine höhere Leistungsfähigkeit verfügt.
Volkswirtschaftlich gesehen
verliert der Arbeitnehmer
durch die ungerechtfertigt
hohe Besteuerung durch den
Staat den Anreiz, ein höheres
Einkommen zu erzielen. Durch
das nominal höhere Einkommen steigt die Steuerbelastung
relativ stärker, die Durchschnittsbelastung steigt und
die Kaufkraft sinkt.
Der Sachverständigenrat hatte
in seinem Jahresgutachten
2013/2014 errechnet, dass für
Steuerpflichtige mit mittleren
© bluedesign - Fotolia.com
dbb
Mit dem Gesetz zum Abbau
der kalten Progression und Anpassungen von Familienleistungen hat der Gesetzgeber
nunmehr auf die anhaltende
Diskussion reagiert und der
Bundesrat hat dem Gesetz am
10. Juli 2015 zugestimmt.
Zum Ausgleich der zumindest in
2014 und 2015 entstandenen
kalten Progression wurde ab
dem Jahr 2016 der Tarifverlauf
um die kumulierte Inflationsrate der beiden Jahre in Höhe von
1,48 Prozent entsprechend verschoben. Auch in Zukunft soll
eine Anpassung erfolgen. Es
bleibt jedoch abzuwarten, ob
Grenzsteuersatz
in Prozent
42 %
14 %
0 € 8 652 €
in Jahren, in denen der Anpassungsbedarf größer sein wird,
die Bereitschaft zur Tarifkorrektur weiterhin vorhanden ist.
Dies gilt insbesondere für konjunkturell schlechtere Zeiten.
53 656 €
Weiterhin wurde – wie erwähnt
– mit dem Gesetz der Grundfreibetrag zur Gewährleistung
der Freistellung des Existenz­
minimums auf 8 652 Euro an­
gehoben. Darüber hinaus
zu versteuerndes
Einkommen in €
­ urden mit dem Gesetz der
w
Kinderfreibetrag, das Kindergeld, der Entlastungsbetrag für
Alleinerziehende und der Kinderzuschlag für Geringverdiener angehoben.
rh
39
spezial
Einkommen (50 000 Euro/Jahr)
die jährliche Belastung durch
die kalte Progression seit der
letzten Tarifanpassung (2010)
in 2014 bei 772 Euro im Jahr
gelegen hat. Bei einem Einkommen bis 80 000 Euro stieg
die Belastung auf 938 Euro.
Infografik: dbb
dbb
> VBOB Magazin | dbb seiten | März 2016
Myriam Thyes
dbb
Malta und die Flüchtlingsproblematik:
Keine Chance im „Zufluchtsort“
spezial
40
Am 18. und 19. Januar 2016 besuchte eine dreiköpfige Delegation des Europäischen Wirtschafts- und
Sozialausschusses (EWSA) das Europäische Asylunterstützungsbüro in Valletta, das gemeinsam mit der
Europäischen Kommission und weiteren EU-Agenturen die Einrichtung der Hotspots in Griechenland
und Italien koordiniert. Die EWSA-Delegation sprach mit dem maltesischen Innenminister, mit dem
UNHCR und einer Reihe von in der Flüchtlingshilfe engagierten Nichtregierungsorganisationen. Ein
Flüchtlingslager, das Open Centre von Marsa, wurde besichtigt, das Hauptquartier der Migrant Offshore Aid Station besucht. Ein Fazit des Besuchs: Malta, dessen Name im Phönizischen „Zufluchtsort“
bedeutet, muss alles daransetzen, jede Art von Hilfe für Migranten zu gewähren.
Ahmed ist ein 21-jähriger Somalier. Er wirkt intelligent und
sympathisch, vielleicht einen
Tick zu erwachsen für sein Alter.
Ahmed kam vor drei Jahren in
einer seeuntauglichen Nussschale nach Malta. Sein Englisch
– neben Maltesisch die offizielle
Landessprache der kleinen Inselgruppe – ist hervorragend.
Ahmed betreibt einen Radiosender für Migranten und wird
hierbei von einem Verein für
Flüchtlinge unterstützt. Der
Radiosender leistet einen Beitrag, den Mangel an Information zu lindern, den Flüchtlinge
und auch die Hilfsorganisationen beklagen. „Ich will hier
mein Leben aufbauen“, sagt
Ahmed, „ will die Werte der Bewohner dieser schönen Insel
teilen und verteidigen.“
So positiv wie Ahmed wirken
indes nicht alle Migranten, die
sich in der Inselhauptstadt
aufhalten. Im Gewerbegebiet
von Valletta erregen Gruppen
schwarzafrikanischer Männer
an einigen Straßenkreuzungen
Argwohn. Doch die, die am
Straßenrand warten, sind keine
Verbrecher, sondern Tagelöhner. Sie schuften ohne jeden
Schutz auf Baustellen und Feldern, in Fabrik- oder Lagerhallen. Die „Kriminellen“ sitzen in
den heranfahrenden Pick-ups
und Lastwagen: Malteser, die
unter den Asylsuchenden oder
bereits abgelehnten Migranten
kräftige Hände für schwierige
Arbeit suchen. Die Folgen sind
fatal. Während die EWSA-Delegation sich auf Malta aufhielt,
brach auf einer Baustelle ein
Gerüst ein. Ein Iraker stürzte
aus dem dritten Stock ab und
starb wenige Stunden später
im Krankenhaus. Gegen den
Geschäftsführer der Baufirma
wird nun ermittelt. Ein anderer
> VBOB Magazin | dbb seiten | März 2016
Flüchtling wurde kurz zuvor
von einem herunterfallenden
Kranteil in der Hafenanlage
erschlagen.
Doch nicht alle Arbeitgeber beschäftigen illegal Flüchtlinge.
Die Regierung hat den Arbeitsmarkt für Flüchtlinge geöffnet,
Arbeitserlaubnisse werden
ausgestellt, dennoch bleiben
die bürokratischen Hürden
für arbeitsuchende Migranten
laut örtlicher Handelskammer
hoch.
<
Aufnahmelager
statt Gefängnis
Das Open Centre in Marsa
ist ein Aufnahmelager für
Flüchtlinge, das die Regierung
betreibt. Die Flüchtlinge fristen
wie andernorts in Europa ein
Leben auf engstem Raum. Nur
scheint einem die Armut der
Bewohner noch rascher ins
Auge zu springen. Pritschen
aus Metall und hohe Spinde
reihen sich in den Schlafräumen aneinander. Ein Mann
wäscht draußen eine Pfanne
unter einem rostigen Wasserhahn. Und doch, erfahren die
EWSA-Beobachter, ist die Lage
der Flüchtlinge besser als noch
vor einem Jahr. Denn bis 2015
nahmen die maltesischen Behörden Asylsuchende, die ohne
Visum einreisten, in Haft. Inzwischen führte internationaler Druck zum Umdenken, und
es darf davon ausgegangen
werden, dass die rudimentär
wirkende Versorgung, die das
Open Centre leistet, weit besser ist als die Zustände in den
maltesischen Gefängnissen.
Derzeit beherbergt das Lager
nur etwa 100 Flüchtlinge. Seit
einem Jahr kämen kaum noch
Flüchtlingsboote nach Malta,
berichtet der Repräsentant des
dbb
Ohne Aufenthaltsstatus
kein legales Leben
Sobald die Geflüchteten das
Lager verlassen, sind sie auf
sich selbst gestellt. Dann gibt
es kein Zurück mehr in die
staatliche Obhut, so die Politik
der Regierung. Wie andernorts
springt auch hier die engagierte Zivilgesellschaft in die Bresche. Ein großes Problem bleibt
die Gesundheitsversorgung.
Asylsuchende und anerkannte
Flüchtlinge haben Zugang, abgelehnte Bewerber, die oftmals
nirgendwohin rückgeführt werden können, erhalten nur noch
eine Notversorgung, müssen
den Arzt aus eigener Tasche bezahlen. Überhaupt ist der Aufenthaltsstatus der abgelehnten
Flüchtlinge ein weit größeres
Problem als der Arbeitsmarktzugang: Ohne entsprechenden
Titel gibt es kein Bankkonto,
keinen Kredit, keine soziale Sicherheit. „Die Menschen leben
im Limbus, im äußersten Kreis
der Hölle“, sagt eine Helferin in
Anspielung auf die katholische
Theologie.
Doch nicht alle Flüchtlinge, die
kommen, sind identitäts- und
mittellos. Gut 90 Prozent der
etwa 2 000 Asylbewerber, die
Malta 2015 erreichten, reiste
regulär mit Visum im Flugzeug
oder einer Fähre in den Inselstaat. Und es gibt noch eine
dritte Kategorie von Migranten, die anders als die Bootsflüchtlinge und die regulär Einreisenden von der Regierung
mit offenen Armen empfangen
werden. Malta wirbt seit Jahren damit, dass Drittstaatsangehörige die maltesische
Im Gespräch mit Innenminister
Carmelo Abela wird deutlich,
wie schwierig der Spagat ist,
den die maltesische Regierung
wagen muss. Einerseits ist Valletta bestrebt, bessere Voraussetzungen für eine Integration
der bleibenden Flüchtlinge zu
schaffen. Die Schwarzarbeit
soll durch Arbeitserlaubnisse
bekämpft werden. Die grundlegende Frage des rechtlichen
Status der Flüchtlinge bleibt
aber weitgehend unbeantwortet, weil die Regierung ihr
kleines Land offenbar als Transitzone auf dem Weg nach
Deutschland und Schweden
sieht.
<
Plädoyer für gemeinsame Asylpolitik Europas
Im Inselstaat mit seinen
420 000 Einwohnern ist Aufnahmekapazität jedenfalls kein
abstraktes Thema. Dazu ist die
Regierung in Valletta allzu offensichtlich bemüht, jeden
Anschein zu vermeiden, Flüchtlinge – zumindest mittellose
– seien auf Malta willkommen.
Deutschland oder andere reiche
EU-Staaten hätten einen Magneten eingeschaltet und die
Fluchtbewegung in Gang gesetzt, zeigt sich der Innenminister überzeugt. Diese „Pull-Factors“, die Anzugskräfte, seien
aber nicht so wichtig wie die
„Push-Factors“, Krieg, Hunger
und Elend in Syrien, Libyen und
anderswo. Abela plädiert daher
für eine gemeinsame europäische Asylpolitik mit einem permanenten Verteilmechanismus.
Noch nicht anfreunden kann
sich der Minister hingegen mit
dem Gedanken einer europäischen Grenzschutztruppe. Da
gebe es hinsichtlich der staatlichen Souveränität einige offene
Fragen.
<
Können die Hotspots
funktionieren?
2014 nahm das Europäische
Asylunterstützungsbüro (EASO)
seine Arbeit in der maltesischen
Hauptstadt auf. Das EASO versucht, die technischen Voraussetzungen für ein einheitliches
europäisches Asylsystem zu
schaffen. Aktuell unterstützt
das Büro die Kommission, Frontex und die Mitgliedstaaten
Griechenland und Italien bei
der Errichtung sogenannter
Hotspots, jener Erstaufnahmelager, die an den Außengrenzen
für die Rückkehr von Kontrolle
und Ordnung sorgen und der
Ausgangspunkt für die Verteilung der Flüchtlinge auf die EU
sein sollen. Der erste Hotspot in
Griechenland sei einsatzbereit,
weitere vier folgten in den
kommenden Wochen, erklärt
der kommissarische EASODirektor José Carreira nicht
ohne Stolz, aber auch ohne jede
Illusion: Sollten die Mitgliedstaaten sich nicht auf einen gemeinsamen Verteilungsmechanismus einigen, können die
Hotspots nicht funktionieren.
Hinzu kommt, dass dem Unterstützungsbüro die Unterstützung fehlt. 200 Asylexperten
hatten die Mitgliedstaaten dem
EASO für 2015 zugesagt. 30 waren bis Ende Januar 2016 da.
<
Probleme werden am
runden Tisch diskutiert
David de Bernadin und seine
Mitstreiter der Migrant Offshore Aid Station (MOAS) wollen von Politik und politischen
Ansichten erst gar nichts wissen. MOAS ist eine vor allem
aus der Schweiz finanzierte
Nichtregierungsorganisation,
die Seenotrettung betreibt.
Mit zwei Booten, 40 und 56
Meter lang, haben sie bereits
12 000 Flüchtlinge aus Seenot
gerettet. Die von Malta aus koordinierten Aktionen finden
aktuell vor allem in der Ägäis
statt. Die unpolitische Haltung
der Seenotretter erlaubt ihnen,
mit allen Behörden der Mittelmeeranrainer vertrauensvoll
zusammenzuarbeiten.
Handeln wollen jetzt auch die
Engagierten in der maltesischen Zivilgesellschaft. Ein runder Tisch von Vertretern der
Vereine und Verbände, darunter
auch Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften und die Kirche,
ist auf Initiative des maltesischen EWSA-Mitglieds Stefano
Mallia zusammengekommen.
Sie vereinbarten, sich fortan
regelmäßig zu treffen, um die
Themen Migration und Integration in Malta voranzubringen.
Das anderthalbtätige Marathonprogramm der EWSA-Delegation auf Malta zeigt: Die
Herausforderungen sind groß,
die Probleme größer. Es gibt sie
zwar, die Menschen und Institutionen, die sich weiter für
Humanität und für europäische
Zusammenarbeit einsetzen. Ein
großes Hindernis bei der Bewältigung der Migrationskrise
bleibt jedoch der alltägliche
Rassismus. „Ich möchte Teil dieser Gesellschaft sein, im Bus
bleibt der Platz neben mir aber
meist frei“, sagt Ahmed, der Somalier. Sein altes Land hat er
verloren, ein neues noch nicht
gefunden.
cm
< Info
Delegationen des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (EWSA) haben von Dezember 2015 bis
Januar 2016 zwölf Mitgliedstaaten bereist, um sich ein
Bild von den Herausforderungen der Flüchtlingskrise
zu machen. Der EWSA wird
den Institutionen und den
Mitgliedstaaten in Kürze
einen Bericht vorlegen, der
sowohl Mut machende Beispiele als auch kritische Entwicklungen aufzeigen soll.
Der EWSA ist ein beratendes
EU-Organ, das darauf abzielt, die europäische Zivilgesellschaft und die Sozialpartner in die Rechtsetzung
einzubinden.
> VBOB Magazin | dbb seiten | März 2016
41
spezial
<
Staatsangehörigkeit und damit
einen EU-Pass kaufen können.
Mit 600 000 Euro Bargeld und
dem Kauf eines Grundstücks
im Wert von mindestens
300 000 Euro ist dabei, wer
über die nötigen Mittel verfügt. Auf diese Weise wurden
nicht wenige ehemalige Gefolgsleute des Gaddafi-Regimes innerhalb kürzester
Frist zu EU-Bürgern.
©maspartame – Fotolia.com
Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR), Jon
Hoisaeter. 2013 waren allein
im Sommer 2 000 Bootsflüchtlinge angelandet. Vermutlich
bringe die italienische Marine
inzwischen fast alle Flüchtlinge
aufs europäische Festland. Die
Situation sei jedoch hochdynamisch, sagen Hoisaeter und
seine Kollegin Mireille Mifsud.
Es könnten jederzeit wieder
mehr Boote kommen.
©Dan Race – Fotolia.com
dbb
Cyberterrorismus:
Gefahr oder Chimäre?
Die Börsen in Frankfurt, London und Paris implodieren von einer Sekunde auf die andere mitten im laufenden Handel. Finanztransaktionen in Billionenhöhe
laufen ins Leere. Konten sind gelöscht. Es ist kein kurzer
Blackout, die elektronischen Handelssysteme sind irreparabel zerstört. Schutzmechanismen versagen. Staaten werden von jetzt auf gleich zahlungsunfähig. Es folgen Unruhen, Anarchie und Bürgerkrieg. Eine einzige Cyberattacke hat
ganz Europa destabilisiert und ins Chaos stürzen lassen. Ist der
digitale Supergau eine reale Gefahr oder lediglich das Ergebnis
allzu lebhafter Fantasie?
finale
42
Reale Akte von Cyberterrorismus
auf staatliche Einrichtungen
sind bislang kaum dokumentiert. Lediglich zwei besorgniserregende Fälle ereigneten sich.
In Estland legte ein Hackerangriff 2007 die Regierungsnetze
für zwei Wochen lahm. Die Urheberschaft des Angriffs ist bis
heute nicht geklärt, unter anderem, weil der oder die Angreifer
ihre Attacke über gekaperte Privatrechner aus 76 Ländern gesteuert hatten. In Frankreich
brachte eine Cyberattacke des
Islamischen Staats (IS) 2015 den
Sendebetrieb des Fernsehsenders TV5 Monde für Stunden
zum Erliegen. Weiter kaperten
die Terroristen die sendereigene Internetseite, die Facebookund Twitter-Accounts sowie
die mobile Website, um dort
IS-Propaganda zu verbreiten.
Bei dem Angriff wurden die
Systeme des Senders stark
beschädigt.
So abstrakt derartige Angriffe
letztlich bleiben, so unscharf
sind auch die Einschätzungen
von Fachleuten, was Cyberterrorismus eigentlich sei. Die einen wähnen die Welt bereits
mitten im Cyberkrieg aus Kleinkriminalität, Sexualdelikten,
Drogengeschäften, Finanzmanipulationen, Spionage und
terroristisch motivierten Aktionen, während die anderen
sich noch um Begriffsdefinitionen bemühen. Macht es einen
Unterschied, ob sich ein pickliger, frustrierter Computernerd
in die Systeme des Pentagon
hackt oder ein Dschihadist? Wo
verläuft die Grenze zwischen
„einfacher“ Cyberkriminalität
und Terrorismus?
<
Kulturtechnik in Gefahr
Abseits von Definitionsfragen
steht fest, dass die moderne Zivilisation mittlerweile auf elektronischer Datenverarbeitung
basiert, und damit – aus welchen Beweggründen auch immer – angreifbar ist. Es gibt
heute keine lebenswichtigen
Infrastrukturen mehr, die nicht
über elektronische Netzwerke
gesteuert werden. Von der Bahn
über Kraftwerke, Verkehrsleitsysteme und Logistik bis hin zu
den Finanzmärkten hängt die
ganze Welt an der digitalen
Strippe, ist vernetzt und damit
gefährdet für Manipulationen.
Das musste unter anderem der
Deutsche Bundestag erfahren,
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dessen Netzwerk 2015 durch
einen Hackerangriff in die
Knie gezwungen wurde. Auslöser war eine relativ simple,
getarnte E-Mail, mit der Kriminelle einen Trojaner ins
hausinterne Netz eingeschleust und teils vertrauliche Daten abgezweigt hatten. Die Hintergründe sind
bis heute nicht geklärt, im
Januar 2016 hat die Bundesanwaltschaft den Fall übernommen und ermittelt wegen geheimdienstlicher
Agententätigkeit.
Blut vergossen wurde aufgrund von Cyberattacken
bisher zwar keines. Wenn
aber EU-weit viele Unternehmen und staatliche Einrichtungen in ihren Kernaufgaben von digitalen
Netzen und Infrastrukturen
abhängen, bedeutet das,
dass IT-Vorfälle durch Beeinträchtigung von Dienstangeboten und Unterbrechung von Geschäftsvorgängen massive Auswirkungen haben können.
Hinzu kommt, dass mit der
Entwicklung des Binnenmarkts der EU viele Netzund Informationssysteme
grenzüberschreitend arbeiten.
Ein IT-Vorfall in einem Land
kann Auswirkungen auf andere
Länder und sogar auf die gesamte EU haben. Sicherheitsvorfälle können auch das Vertrauen der Verbraucher in
Onlinezahlungssysteme und
IT-Netze untergraben.
<
Europäischer Weg ...
Daher stehen Internetkriminalität und Cyberterrorismus
auf der Agenda europäischer
Sicherheitsbehörden. Die Verhandlungsführer des EU-Parlaments, des Ministerrats und
der EU-Kommission haben sich
auf neue Bestimmungen zur
Cybersicherheit geeinigt. Der
Binnenmarktausschuss hat am
14. Januar 2016 darüber abgestimmt und die Bestimmungen
beschlossen. Zu einem späteren Zeitpunkt müssen die EUAbgeordneten die Regeln im
Plenum annehmen, damit diese in Kraft treten können.
Bereits am 18. Dezember 2015
hatte der Ausschuss der Ständigen Vertreter (AStV) bei der EU
ein informelles Abkommen mit
dem Europäischen Parlament
über die ersten Regeln vorge-
Vattenfall/Kathrin Rößler
dbb
< Kraftwerk in Sachsen: Energieinfrastrukturen sind lebenswichtig und
müssen vor Angriffen geschützt werden.
finale
44
schlagen, um die Sicherheit von
Netzen und Informationssystemen in der EU zu stärken. Die
daraus hervorgegangene Netzund Informationssicherheitsrichtlinie (NIS) soll die Zusammenarbeit zwischen den
Mitgliedstaaten erhöhen und
Sicherheitsverpflichtungen für
Betreiber von Diensten der Daseinsvorsorge wie Energie, Verkehr, Gesundheit und Finanzen
ebenso berücksichtigen wie
Anbieter kommerzieller digitaler Dienstleistungen. Die Sicherheitsanforderungen in der
Daseinsvorsorge sollen höher
sein, weil deren Störung direkte
Auswirkungen auf Gesellschaft
und Wirtschaft haben können.
Konkret könnte zum Beispiel
eine Cyberattacke auf das
Stromnetz eines EU-Landes
direkte Auswirkungen auf andere Länder haben, weil das
Gleichgewicht zwischen den
Stromnetzen im europäischen
Verbundsystem, die jeweils nur
eine bestimmte Last verkraften können, aus den Fugen gerät. Fällt ein Stromnetz in Spanien flächendeckend aus, ist
der enthaltene Strom nicht
plötzlich „weg“. Stattdessen
verteilt sich die Energie schlagartig auf andere Netze und
sorgt für Lastspitzen, die das
dortige Stromnetz ebenfalls
zusammenbrechen lassen.
Eine Kettenreaktion entsteht.
<
... mit nationaler
Umsetzung
Daher soll jedes EU-Land nationale Behörden benennen, die
mit der Umsetzung der Sicherheitsstrategie betraut werden.
Das gesamte Gesetzgebungsverfahren soll im Frühjahr 2016
abgeschlossen sein. Ist die
Richtlinie letztlich in Kraft ge-
treten, haben die EU-Mitgliedstaaten 21 Monate Zeit, die
erforderlichen nationalen Vorschriften zu erlassen. Weitere
sechs Monate später müssen
die öffentlichen Versorger festgelegt sein, die unter die Richtlinie fallen sollen. Insgesamt
soll durch diese Maßnahmen
die Widerstandsfähigkeit gegenüber Cyberangriffen erhöht
und Cyberkriminalität eingedämmt werden. Am Ende des
Prozesses soll eine einheitliche
europäische Cyberraumstrategie stehen.
EU-Berichterstatter Andreas
Schwab (MdEP) sagte dazu gegenüber dem Informationsdienst des Europäischen Parlaments: „Ein europäischer Ansatz
ist nötig, da viele unserer Infrastrukturen ineinander verzahnt
sind. Wenn wir diese grenzüberschreitenden Infrastrukturen nicht auf europäischer Ebene schützen, dann begeben wir
uns in Schwierigkeiten.“ Es gehe
dabei nicht um alle Bestandteile der Infrastrukturen, sondern
nur um die digitalen Dienste.
Zudem seien auch nur bestimmte Bereiche betroffen.
Von den Mitgliedstaaten
erwartet Schwab, dass die jeweilige Gesetzgebung die entsprechenden Infrastrukturen
abdeckt. Weiter sehe die Richtlinie eine Reihe von Verpflichtungen für die Betreiber in den
betroffenen Bereichen vor. Sie
müssten widerstandsfähige
Systeme schaffen: „Die Richtlinie legt Sicherheitsverpflichtungen nicht nur für die Betreiber kritischer Infrastrukturen,
sondern auch für die Anbieter
digitaler Dienste fest. Wir sprechen hier von Suchmaschinen,
Onlinemarktplätzen und
Cloud-Computing-Diensten.
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Auch wenn diese nicht direkt
kritische Infrastrukturen betreffen, so sind sie dennoch
von großer Bedeutung.“
<
< Buchtipp
Joachim Jakobs:
Vernetzte Gesellschaft –
vernetzte Bedrohungen
Mehr Sicherheit
für Bürger
Zwar verfügten die Anbieter
bereits über Schutzvorkehrungen gegen Cyberangriffe. Darüber hinaus sollen sie Sicherheitsvorfälle den zuständigen
nationalen Behörden gemeldet
werden. „Nicht jeder einzelne
Vorfall muss gemeldet werden,
sondern nur schwerwiegende
Zwischenfälle. Der Arbeitsaufwand bleibt also gering“, erklärt
Schwab. Mittlerweile hat das
Bundesministerium des Innern
das Mitte 2015 verabschiedete
IT-Sicherheitsgesetz dahingehend konkretisiert, welche
Dienstleistungen aus den Bereichen Energie, Wasser, Informationstechnik Telekommunikation und Ernährung in ihrer
Bedeutung für die Allgemeinheit als kritisch anzusehen sind
und die Konkretisierung zur
Stellungnahme an die Bundesländer und Unternehmensverbände gesandt. Unter anderem
sollen Stromerzeuger mit einer
Leistung ab 420 Megawatt und
Nahrungsmittelproduzenten
mit einem Ausstoß von 334 000
Tonnen pro Jahr als kritisch eingestuft werden. Insgesamt wären von der erweiterten Meldepflicht für Cyberangriffe 650
Anlagen betroffen. Der finanzielle Mehraufwand für die Firmen wird auf rund drei Millionen Euro pro Jahr geschätzt.
Letztlich sollen auch Bürgerinnen und Bürger von der Richtlinie profitieren. „Viele Dienste,
die die Bürger in Anspruch nehmen, wie das Energie-, Verkehrsund Bankensystem, sind in steigendem Maße digitalisiert. Wir
sind hier von Strukturen abhängig, die die reibungslose Funktionsfähigkeit dieser Dienste
möglich machen. Wenn wir nun
diese Strukturen sicherer und
widerstandsfähiger machen,
dann entstehen auch direkte
Vorteile für die europäischen
Bürger“, so Schwab.
br
Wie gefährlich ist die fortschreitende Vernetzung der
Welt für den Einzelnen, für
die Gesellschaft, das Staatswesen und die Wirtschaft?
Sind Firmen, Behörden und
Institutionen ausreichend
gegen Cyberangriffe gewappnet? Diese Fragen beleuchtet
der Fachjournalist für Datenschutz und IT-Themen, Joachim Jakobs, in seinem neuesten Buch. Zwar kann der
Autor kein Patentrezept zur
Umgehung der Gefahren ausstellen. Dennoch lohnt die
Lektüre, die aufgrund der unzähligen miteinander zu verwebenden Details Schwindel
erregen kann, besonders für
alle, die bislang allzu sorglos
mit der digitalen Welt umgehen, und das nicht nur im Privaten. Auch dem Staat und
seinen Organen sowie der
Politik attestiert Jakobs Nachholbedarf in Sachen IT-Sicherheit. An unzähligen, belegten
Beispielen digitaler Sicherheitspannen verdeutlicht er,
wie die zunehmende Verdichtung von Informationen und
Daten aus allen Bereichen des
Lebens mehr und mehr zum
Sicherheitsproblem für die
Allgemeinheit wird, das neue
und vor allem konsequente
Regeln erfordert. Zumal in
einer vernetzten Welt selbst
die Grenzen zwischen Angreifern und Opfern verschwimmen, während die Bedrohung
mit der technischen Leistungsfähigkeit wächst.
Das Buch ist im Cividale
Verlag erschienen und als
E-Book (ISBN: 978-3-94521915-7; 11,99 Euro) und gedruckt
(ISBN: 978-3-945219-16-4;
21,90 Euro) erhältlich.
dbb
Frauen im Top-Management in öffentlichen Unternehmen:
contrastwerkstatt - Fotolia
Erforderlich ist eine integrierte Gleichstellungspolitik,
die öffentliche Unternehmen einbezieht
spezial
46
In der öffentlichen Wirtschaft sind Frauen im Top-Management kaum zu finden. Das zeigt eine aktuelle Studie des Instituts für Public Management der
Universität Leipzig. Danach sind nicht einmal 16 Prozent der Top-Managementposten der öffentlichen Betriebe mit Frauen besetzt. Die dbb bundesfrauenvertretung hat den Herausgeber der Studie, Professor Dr. Ulf Papenfuß,
gefragt, wie gut das Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen
und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst tatsächlich ist und was nötig ist, um Spitzenfrauen ins TopManagement der öffentlichen Unternehmen zu befördern.
?
Herr Prof. Dr. Papenfuß, für
Ihre Studie haben Sie die TopManagementorgane von 69
Städten und 1 552 öffentlichen
Unternehmen untersucht. Warum ist der Blick auf die kommunalen Unternehmen in der
Debatte um die weiblichen
Führungskräfte so wichtig?
Papenfuß: In den Städten beziehungsweise Kommunen arbeiten im Bundesdurchschnitt
über 50 Prozent der von der öffentlichen Hand Beschäftigten
außerhalb der sogenannten
Kernverwaltung. Öffentliche
Unternehmen besitzen eine
Vorbildfunktion in der Diskussion, und Politik und öffentliche Verwaltung können hier
entsprechend den von der Politik formulierten Zielen direkt
Einfluss nehmen. Die Repräsentation von Frauen in TopManagementorganen ist von
besonderem Interesse, da zentrale Unternehmensentscheidungen bei der öffentlichen
Aufgabenerfüllung in diesen
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getroffen oder zumindest entscheidend geprägt werden.
Daher sollte gerade bei öffentlichen Unternehmen nicht
überproportional über die Aufsichtsräte, sondern genauso
über die Top-Managementorgane diskutiert werden.
?
Im Städtevergleich können nur
wenige Städte, etwa Gera, Berlin und Offenbach am Main, einen weiblichen Führungsanteil
von knapp über 30 Prozent vorweisen. In Städten wie Trier,
Jena und Ludwigshafen gibt
es gar keine Frauen in TopManagementpositionen.
Wie erklären Sie die großen
Unterschiede?
Papenfuß: Städte gehen mit
dem Thema offenkundig sehr
unterschiedlich um: Auf den
verschiedenen Ebenen in Politik, Verwaltung und Unternehmen scheinen sehr unterschiedliche Faktoren eine Rolle
zu spielen, wie Personalentwicklungs- und Besetzungsmodelle, Zeitpläne und Zielgrößen
mit unterschiedlicher Verbindlichkeit, verschiedenartige
gleichstellungspolitische Ansätze, Unterschiede in den
Kulturen in den Städten und
Unternehmen, verschiedene
Förderprogramme, Vereinbarkeit von Familie und Beruf,
Anteil von Frauen an der Erwerbsquote sowie auch Unterschiede im Engagement und in
den Fähigkeiten bei verantwortlichen Einzelakteuren.
dbb
?
Warum greifen einige Regelungen aus dem Gesetz für die
gleichberechtigte Teilhabe von
Frauen und Männern bei den
öffentlichen Unternehmen
nicht richtig?
Papenfuß: Teilweise hat der
Gesetzgeber für einige Unternehmen in der Privatwirtschaft
Anforderungen formuliert, diese aber nicht für öffentliche
Unternehmen umgesetzt. Zum
Beispiel ist im Gesetz für die
gleichberechtigte Teilhabe von
Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen
Dienst in § 76 des Aktiengesetzes (AktG) vorgesehen, dass der
Vorstand für den Frauenanteil
in den beiden Führungsebenen
unterhalb des Vorstandes Zielgrößen festlegt und diese veröffentlicht. Jedoch greifen
diese Regelungen für die allermeisten öffentlichen Unternehmen nicht. Und hier geht es
nur um eine Berichtspflicht und
Transparenz, keine Quote. Verstärkt durch die Befunde der
Studie stellt sich umso mehr
die drängende Frage, ob die Anwendung dieser Regelung aus
§ 76 AktG nicht identisch in die
Satzung von öffentlichen Unternehmen aufgenommen
werden sollte beziehungsweise
ein protokollierter Gesellschafterbeschluss zur Anwendung
scheidungsträger zu erhalten,
aber die Abgabe und Veröffentlichung einer Entsprechenserklärung mit Kurzbegründung
ist klar verbindlich.
?
?
Inwiefern können öffentliche
Unternehmen die Besetzung
von Führungspositionen überhaupt selbst steuern?
Papenfuß: Die Besetzung der
Top-Managementorgane erfolgt durch die öffentliche
Hand als Gesellschafter und
durch die Aufsichtsräte. Hier ist
die Politik vertreten und kann
entsprechend Einfluss nehmen.
Eine entscheidende Rolle spielen auf kommunaler Ebene die
Oberbürgermeister/-innen. Auf
den weiteren Führungsebenen
sind die Unternehmen verantwortlich, wobei der Aufsichtsrat Zustimmungsvorbehalte
für einige Führungspositionen
nutzen könnte. Es gibt verschiedene konzeptionelle Ansatzpunkte wie zum Beispiel
Stadtratsbeschlüsse, Aufnahme von öffentlichen Unternehmen in Gleichstellungskonzepte und -berichte, gezielte
Fördermaßnahmen, entsprechende Regelungen in Public
Corporate Governance Kodizes
mit verbindlichem Comply-orExplain-Mechanismus oder
Zielvereinbarungen mit den
Top-Managementorganen
beim Abschluss oder der Verlängerung von Anstellungsverträgen in Bezug auf die weiteren Führungsebenen.
?
Wie funktioniert die Steuerung
über einen Public Corporate
Governance Kodex mit verbindlichem Comply-or-ExplainMechanismus?
Papenfuß: Ein Public Corporate
Kodex (PCGK) ist eine Zusammenstellung von Grundsätzen
verantwortungsvoller Steuerung, Leitung und Überwachung öffentlicher Unternehmen. Von den Empfehlungen
eines PCGK können die Unternehmen situationsgerecht abweichen, sind dann aber verpflichtet, dies jährlich in einer
sogenannten Entsprechenser-
Was ist Ihrer Ansicht nötig,
um auch in der öffentlichen
Wirtschaft mehr Frauen in
Top-Managementpositionen
zu bringen?
< Professor Dr. Ulf Papenfuß
klärung zu begründen und die
stattdessen gewählte Lösung
nachvollziehbar zu erläutern.
Die Entsprechenserklärungen
sind auf der Unternehmenshomepage zu veröffentlichen.
Dieser Mechanismus von „comply or explain“ (Anmerkung der
Redaktion: „befolge oder erkläre“) ist, gerade aufgrund der besonderen Verantwortung öffentlicher Unternehmen, relevant und bietet viele Chancen.
Die Abgabe der Entsprechenserklärung sollte – wie zunehmend praktiziert – in der Unternehmenssatzung festgeschrieben werden und zudem ein
protokollierter Gesellschafterbeschluss hierzu erfolgen. Bei
der Befolgung einzelner Empfehlungen besteht bewusst Flexibilität, um den erforderlichen
Gestaltungsspielraum für Ent-
Papenfuß: Für die öffentliche
Wirtschaft müssen wir die Ursachen, die zur Unterrepräsentation von Frauen in den verschiedenen Bereichen führen,
noch differenzierter verstehen.
Diese Ergebnisse müssen wir
noch transparenter diskutieren.
Im Städtevergleich sollten die
Konzepte und Maßnahmen zu
Ausgestaltung und tatsächlichen Effekten konkret verglichen werden. Gleichstellungspolitik darf nicht nur auf Kernverwaltung schauen, erforderlich ist eine integrierte Gleichstellungspolitik, die öffentliche
Unternehmen einbezieht. An
einigen Stellen braucht es auch
noch mehr Bewusstsein und
Engagement, um die Potenziale
auszuschöpfen. Und zentral ist,
in allen Bereichen über Qualifikation, Chancengerechtigkeit
und Potenziale für die Daseinsvorsorge stets faktenbasiert
mit belastbaren Daten zu diskutieren.
Die Fragen stellte
Birgit Strahlendorff.
< Info
Die Studie „Frauen in Top-Managementorganen öffentlicher Unternehmen: Ein deutschlandweiter Städtevergleich“ nimmt 69 Städte
und 1 552 öffentliche Unternehmen in den Blick. Die besten Ergebnisse hinsichtlich des Frauenanteils in Führungspositionen erzielten
die Städte Gera mit 33,3 Prozent, Berlin mit 32,4 Prozent und Offenbach am Main mit 31,3 Prozent. Am Ende der Rangliste der Städte
mit mehr als zehn öffentlichen Unternehmen in puncto Top-Managerinnen stehen Jena, Ludwigshafen, Trier und Völklingen. Dort sind
gar keine Frauen in Spitzenpositionen zu finden. Auf Bundesländerebene schnitten die öffentlichen Betriebe vor allem in Niedersachsen (9,9 Prozent), Bayern (8,7 Prozent) und Rheinland-Pfalz (5,8 Prozent) hinsichtlich der Anzahl weiblicher Führungskräfte schlecht ab.
Deutlich bessere Ergebnisse können Berlin (32,4 Prozent), Bremen
(25,2 Prozent) und Mecklenburg-Vorpommern (20,5 Prozent) vorweisen. Im Branchenvergleich stehen die Betriebe im Bereich Gesundheit und Soziales (33,1 Prozent) sowie in den Krankenhäusern
(29,1 Prozent) deutlich besser da als etwa Stadtwerke (3 Prozent)
und die Abfall- und Entsorgungswirtschaft (5,5 Prozent).
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47
spezial
Die dbb bundesfrauenvertretung sieht vor allem in
der Führungskultur vieler
öffentlicher Betriebe starke
Defizite. „Hier erwarten wir
nicht nur mehr Engagement
seitens der Politik. Die Betriebsleitungen selbst sind
jetzt gefragt. Mit zielführenden Konzepten zur Führungskräfteentwicklung
und mehr Transparenz bei
der Besetzung von Leitungspositionen müssen die Weichen für eine zeitgemäße
Unternehmensführung neu
gestellt werden“, sagte Helene Wildfeuer, Vorsitzende
der dbb bundesfrauenvertretung, am 1. Februar 2016.
erfolgt. Auf jeden Fall sollte die
Regelung als Empfehlung auch
in alle Public Corporate Governance Kodizes aufgenommen
werden.
Universität Leipzig
< Statement