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Von einem, der ging und doch bleibt
Am Samstag, den 20. Februar starb in Managua der Jesuit Fernando Cardenal
im Alter von 82 Jahren. Mit seinem Tod verlieren Nicaragua und weltweit alle,
die ihn kannten und schätzten, einen Menschen, der mit seiner tiefen
Menschlichkeit, Bescheidenheit, Aufrichtigkeit und dem unermüdlichen
Einsatz für eine gute Bildung für alle überzeugte. Während der
Beerdigungsfeierlichkeiten sagte der Schriftsteller Sergio Ramirez über seinen
Regierungskollegen aus revolutionären Zeiten „Fernandos Übereinstimmung
von Wort und Tat markieren eine ethische Position, die in Nicaragua
Menschen verschiedener Generationen als Beispiel dient.“
Foto: Jorge Mejía Peralta
Weltweite Anerkennung erhielt Fernando, weil durch ihn eines der theoretischen Ziele der Sandinistischen
Befreiungsfront „Enséñeles también a leer“ (Lehrt das Volk auch lesen) zur konkreten politischen Aktion wurde.
Mit ansteckender Begeisterung gab Fernando 1980 das Startzeichen für den sogenannten „Kreuzzug gegen die
Unwissenheit“. Fast 100.000 Studierende, Lehrer und Professorinnen, Techniker und Akademikerinnen,
Schülerinnen, Schüler und Hausfrauen, gerüstet nur mit Stift und Papier, zogen in die Berge und ans Meer, in
die Dörfer und Städte, um zum Teil in drei Schichten am Tag Jung und Alt zu unterrichten. Gemeinsam senkten
sie innerhalb von zwei Jahren die Analphabetenquote von 65 auf 12 Prozent und errangen Nicaragua eine
Anerkennung ohne gleichen seitens der UNESCO. Auf der ganzen Welt begeisterte der AlphabetisierungsKreuzzug, auch in Deutschland. Die CIR verkaufte zur Unterstützung Bleistifte mit dem Aufdruck „Die Hoffnung
buchstabieren lernen“.
Fernando Cardenal wurde Erziehungsminister und kurz darauf von Papst Johannes Paul II vor die Wahl gestellt
„Priester oder politischer Amtsträger!“ Eine Entscheidung, „wie zwischen zwei Lieben“, sagte Fernando einmal.
Am Ende entschied er sich für den Ort, von dem er glaubte, den Armen in jenem Moment besser dienen zu
können. Dann verlor die sandinistische Regierung 1990 die Wahlen und Fernando Cardenal sein Amt, wurde
dafür aber wieder bei den Jesuiten aufgenommen.
Bis heute wissen wir nicht genau, warum, aber eines Abends 1990 rief Fernandos Sekretärin bei der CIR an und
fragte, ob wir uns vorstellen könnten, eine Deutschlandtour auf der Suche nach finanzieller Unterstützung für
ein Nicaraguanisches Institut für Volksbildung mit Fernando zu organisieren. Natürlich konnten wir es uns
vorstellen und es entstand eine lebenslange Freundschaft zwischen Fernando Cardenal und der CIR. Fernando,
der weltoffene Jesuit, nahm nicht nur unsere Einladungen zur 10-Jahres-Feier der CIR und zum Evangelischen
Kirchentag in München 1993 an. Viel bedeutender waren für uns die politischen, philosophischen und
theologischen Einschätzungen und Sichtweisen auf sein Land – eine wichtige Facette für die fortlaufende
Aktualisierung unserer Landeskenntnis.
Lebe wohl, Gefährte, Freund und Vorbild, unvergesslicher Fernando Cardenal!
Hasta siempre compañero, amigo, ejemplo. ¡Fernando Cardenal presente!