ukraine - Länder

NR. 164
24.02.2016
ukraineanalysen
www.laender-analysen.de/ukraine
PARTEIENFINANZIERUNG
OLIGARCHEN
HUMANITÄRE LAGE
DIE UKRAINE-KRISE IM FOKUS VON MSC 2016
■■ ANALYSE
Staatliche Parteienfinanzierung: Gelingt ein
Meilenstein in der Bekämpfung der politischen
Korruption?2
Von Oksana Huss, Essen
■■ TABELLEN UND GRAFIKEN ZUM TEXT
Politische Parteien in Umfragen
6
■■ STATISTIK
Die humanitäre Lage in der Ukraine
13
■■ DOKUMENTATION
UNICEF: Ukraine Konflikt betrifft mehr
als eine halbe Million Kinder
15
Transparency International fordert Fortschritte
bei den Untersuchungen zu den
Vermögenswerten von Janukowitsch15
■■ KOMMENTAR
Sind Großunternehmen in der Ukraine bereit für
einen neuen Gesellschaftsvertrag? Erklärungen vs.
Realität9
Von Iryna Solonenko, Berlin
■■ DOKUMENTATION
Appell der ukrainischen Wirtschaft an die
Gesellschaft und die Regierung (1. Februar 2016,
inoffizielle Übersetzung)
10
■■ DOKUMENTATION
Die Ukraine-Krise im Fokus der Münchener
Sicherheitskonferenz 2016 ■■ CHRONIK
8. – 21. Februar 2016
■■ STATISTIK
Regierungskrise: Abstimmungen in der
Werchowna Rada am 16. Februar 2016
Forschungsstelle Osteuropa
an der Universität Bremen
Die Ukraine-Analysen
werden unterstützt von
11
► Deutsche Gesellschaft
für Osteuropakunde e.V.
17
20
UKRAINE-ANALYSEN NR. 164, 24.02.2016
ANALYSE
Staatliche Parteienfinanzierung: Gelingt ein Meilenstein in der
Bekämpfung der politischen Korruption?
Von Oksana Huss, Essen
Zusammenfassung
Am 8. Oktober 2015 hat das ukrainische Parlament im Rahmen der Anti-Korruptionsinitiative ein Gesetz
zur Einführung der staatlichen Parteienfinanzierung verabschiedet. Das Gesetz soll am 01. Juli 2016 inkrafttreten. Es beinhaltet komplexe gesetzliche Änderungen in Bezug auf Quellen und Transparenz der Parteienfinanzierung. Dies soll einen Meilenstein im Zuge der Deoligarchisierung der ukrainischen Politik setzen:
Zum einen soll eine staatliche Finanzierung ähnliche Ausgangspositionen für alle Parteien im politischen
Wettbewerb schaffen, um die Existenz neuer Parteien jenseits des oligarchischen Einflusses zu ermöglichen.
Zum anderen sollen die neuen Kontroll- und Sanktionsmechanismen die bestehenden Schlupflöcher für
korrupte Transaktionen schließen.
Einleitung
Die politischen Parteien sind Ausgangspunkt für die
Einflussnahme der Oligarchen auf die ukrainische Politik. Sie gelten als Geburtsstätte der politischen Korruption in der Ukraine. Der Korruptionsskandal um den
Abgeordneten der Radikalen Partei, Ihor Mosijtschuk,
bestätigte erneut diese Annahme. Kurz vor den Lokalwahlen im Herbst 2015 wurde ein Video veröffentlicht, das zeigte, wie Mosijtschuk Bestechungsgelder
annimmt. Im Gegenzug verspricht er, alles so zu »organisieren«, dass sein Kunde eine Lizenz für einen Steinbruch erhält und keine »Probleme« mit der Polizei und
der Umweltschutzbehörde bekommt. Auf die Frage, wie
der Kunde mit lokalen Machthabern den Dialog führen
soll, erwidert Mosijtschuk »Der Dialog ist einfach: Die
Partei geht in den Wahlkampf, die Partei braucht Geld.
Helfen Sie der Partei, und die Partei wird Ihnen helfen.«
Übersicht
Politische Parteien spielen eine zentrale Rolle in der
Demokratie, da sie eine Plattform für die Aggregation
und Artikulation der sozioökonomischen Interessen
verschiedener gesellschaftlicher Gruppen sind. In der
Ukraine entspricht dies leider nicht der Realität. Anstatt
die Interessen der Bevölkerung zu vertreten (siehe Grafik 1 auf S. 6), dienen politische Parteien in erster Linie
als Businessplattformen für einzelne wohlhabende Personen (Oligarchen) oder bestimmte FinanzindustrieGruppen (FIG). Die Mehrheit der politischen Parteien
entwickeln sich bereits von Beginn an unter korrupten Bedingungen. Sie gelten als technische Projekte
mit Aussicht auf einen späteren Verkauf an die Politiker, die keine eigene Partei haben, diese jedoch als Plattform für den Wahlkampf brauchen. Dies erklärt die
extreme Fragmentierung der Parteienlandschaft: Ende
2015 wurden in der Ukraine 297 Parteien registriert.
Die meisten Parteien und politischen Blöcke sind perso-
nenzentriert, und ihr Programm richtet sich nach dem
Image der Parteispitze. Aus diesem Grund spielt politische Ideologie für die Parteien eine marginale Rolle.
Die Anzahl an Parteimitgliedschaften ist sehr gering
(siehe Grafik 2 auf S. 6) und interne Parteidemokratie
kaum existent. Als Ergebnis herrscht eine große Distanz
zwischen politischen Parteien und der Bevölkerung. In
Umfragen führt dies zu sehr geringem Vertrauen in die
politischen Parteien (siehe Grafik 3 auf S. 7).
Dieser Artikel konzentriert sich ausschließlich auf
das Finanzierungsmodell für Parteien als eines der korruptionsbegünstigenden bzw. -hemmenden Variablen,
zumal in diesem Bereich aktuell eine gesetzliche Änderung herbeigeführt worden ist. Daneben gibt es noch
weitere institutionelle Faktoren, wie zum Beispiel die
Verfassungsregulierung in Bezug auf die Rolle der politischen Parteien im politischen Prozess, die Machtverteilung zwischen dem Parlament und dem Präsidenten
oder das Mehrheits- oder Verhältniswahlsystem. Diese
Faktoren haben einen direkten Einfluss auf Parteiensystem und somit auf das Ausmaß von Korruptionsrisiken, denen Parteien ausgesetzt sind.
Parteienfinanzierungsmodelle
Politische Parteien sind auf eine stabile Finanzierung
und ausreichende Ressourcen angewiesen, um ihre
repräsentative Rolle im politischen System zu erfüllen.
Die Finanzierungsmodelle der Parteien im politischen
System lassen sich in zwei große Strömungen einordnen:
egalitär und libertär. Das egalitäre Modell basiert auf
der Annahme, dass materielle Unterschiede, vor allem
Vermögen und finanzielle Ressourcen, im Kontext des
politischen Wettbewerbs möglichst ausgeglichen sein
sollen. Dieser Ausgleich geschieht durch zwei wichtige Instrumente: Das erste ist die öffentliche Finanzierung der Parteien, um die den wichtigsten politischen
Akteuren zur Verfügung stehenden Ressourcen einan-
2
UKRAINE-ANALYSEN NR. 164, 24.02.2016
der anzugleichen. Das zweite ist die streng kontrollierte
Einschränkung der Ausgaben im Wahlprozess sowie
der Spenden seitens privater und juristischer Personen.
Dies geschieht, um den Einfluss wohlhabender Geber,
wie z. B. Oligarchen, zu reduzieren. Die Parteien werden als quasi-staatliche Institutionen behandelt und zur
transparenten Darlegung ihrer Einnahmen und Ausgaben aufgefordert.
Das libertäre Modell basiert auf der Annahme, dass
der Status quo im politischen Wettbewerb beibehalten werden und dass der Staat sich in die Ressourcenverteilung nicht einmischen soll. Folgerichtig werden
die Parteien im libertären Modell nicht als Teil des
Staates, sondern als Teil der Zivilgesellschaft betrachtet. Somit wird ihr Recht auf eine eigenständige Ressourcenverwaltung, ohne jegliche Einschränkung und
Kontrolle seitens des Staates, respektiert. Die libertäre
Herangehensweise ist beispielsweise in der US-amerikanischen Verfassung verankert. Das libertäre Modell
kann für pluralistische Gesellschaften mit regem wirtschaftlichem Wettbewerb, starker Zivilgesellschaft und
unabhängiger Justiz gerechtfertigt werden. Wenn diese
Voraussetzungen aber fehlen, führt das libertäre Finanzierungsmodell zu einer hohen Anfälligkeit der Parteien
für politische Korruption.
Aktuelle parteienfinanzierungsbezogenen
Korruptionsrisiken
Nach dem politischen Umbruch Anfang der 90er Jahre
folgten fast alle Staaten Zentralosteuropas einem egalitären Finanzierungsmodell für Parteien, indem sie die
öffentliche Parteienfinanzierung in unterschiedlicher
Form einführten. Die Ukraine stellt in diesem Kontext
eine Ausnahme dar, weil die öffentliche Parteienfinanzierung von Anfang an nicht vorgesehen war. Die wichtigste
Finanzierungsquelle der Parteien sind bis heute private
Unternehmen. Gesetzliche Einschränkungen für Parteispenden durch eine private oder juristische Person waren
bis vor kurzem kaum vorhanden. Die Beiträge der regulären Parteimitglieder sind aus zwei Gründen keine nennenswerte Quelle für die Parteienfinanzierung: Zum einen
haben die Parteien zu wenige Mitglieder. Zum anderen ist
das Durchschnittseinkommen der Bürger zu niedrig, was
sich auch auf ihre Beiträge auswirkt. Im Verhältnis zu den
Ausgaben der Parteien für ihre Wahlkampagnen sind diese
zu gering. Gleichzeitig sind die Wahlen in der Ukraine
proportional zum BIP mit die teuersten auf der Welt. All
dies schafft Bedingungen für eine völlige Abhängigkeit
der Parteien von Oligarchen oder FIG. Vor diesem Hintergrund kann ein Oligarch durch die Finanzierung einer
oder mehrerer Parteien direkten und uneingeschränkten
Einfluss auf die Politik nehmen und so dafür sorgen, dass
sein Interessen im politischen Prozess durchgesetzt werden.
Die wenigen gesetzlichen Kontrollmechanismen
beschränken sich auf die Jahresberichte der Parteien
über ihr Vermögen, ihre Einnahmen und ihre Ausgaben. Es gibt allerdings keine konkreten, inhaltlichen
Anforderungen an diese Berichte. Die Parteien müssen
lediglich ihr Gesamteinkommen und ihre Gesamtausgaben angeben, ohne die Namen der Geldgeber und
die gespendeten Beträge offenzulegen. Es ist ein offenes Geheimnis, dass die veröffentlichten Finanzen nur
die Spitze des Eisbergs sind. Politische Parteien verfügen über schwarze Kassen, aus denen die Wahlen
finanziert werden und über die der Handel mit politischen Posten abgewickelt wird. Im Falle der Verschleierung oder Nicht-Offenlegung der finanziellen Situation
besteht keine verwaltungsrechtliche oder strafrechtliche Haftung.
Institutionell wurde die Kontrolle der Parteifinanzen zwischen Steuerbehörden und zentralen Wahlkommission aufgeteilt. In der Zwischenwahlperiode melden
politische Parteien, wie alle anderen Non-Profit Organisationen, ihre Finanzen an die Steuerbehörden. Allerdings gibt es in der Ukraine keine politisch unabhängige
Steueraufsicht. Die Kontrolle der Parteien ist dadurch
mit einem Interessenskonflikt belastet, vor allem wenn
die Regierungspartei die Steuerverwaltung kontrolliert.
Die zentrale Wahlkommission kontrolliert die Ausgaben der Parteien für die Wahlen. Theoretisch ist es
juristischen Personen gesetzlich verboten, Einzahlungen in die Wahlkassen zu tätigen. Es gibt ebenfalls
eine strikte Regulierung über die mögliche Höhe der
Spende durch private Personen. Beide Einschränkungen sind aufgrund der beträchtlichen Diskrepanz zwischen dem Gesetz über die politischen Parteien und dem
Gesetz über die Wahlen in der Ukraine relativ einfach
zu umgehen. Eine Partei kann Geld aus dem Parteibudget problemlos ins Wahlbudget übertragen. Sollte ein
Unternehmen daran interessiert sein, die Wahlkampagne zu finanzieren, wird der Betrag als Spende in die
Parteikasse eingezahlt und von der Partei in die Wahlkasse transferiert. Eigentlich ist das Wahlbudget für die
Parteien auf 90.000 Mindestlöhne (ca. 4,5 Mio. Euro)
limitiert. Allerdings sieht die Gesetzgebung keine klare
Definition von Spende oder Beitrag vor. Diese Lücke
ermöglicht es, nicht-materielle Spenden an Parteien für
ihre Wahlkampagnen, wie z. B. Dienstleistungen in
Form von Werbung oder Raumnutzung, jeglicher Kontrolle zu entziehen.
Gesetz zur staatlichen Parteienfinanzierung
Eine Gesetzesinitiative Ende 2003 machte Hoffnung auf
mehr Transparenz in der Parteienfinanzierung. Durch
die Einführung staatlicher Parteienfinanzierung sollte
der direkte Einfluss von Oligarchen auf die Parteien
3
UKRAINE-ANALYSEN NR. 164, 24.02.2016
minimiert werden. Allerdings fand die staatliche Finanzierung der Parteien im Haushalt der Ukraine in den
Jahren 2006 und 2007 (jeweils unter der Regierung
Janukowitsch bzw. Timoschenko verabschiedet) keine
Berücksichtigung und wurde trotz der Unterstützung
durch das Verfassungsgericht nicht implementiert.
Am 8. Oktober 2015 verabschiedete das Parlament
in zweiter Lesung das Gesetz »Über Gesetzesänderungen in Bezug auf Prävention und Bekämpfung der politischen Korruption«. Es zielt vor allem darauf ab, den
direkten Einfluss der Oligarchen auf die Parteien zu
minimieren und damit gegen die politische Korruption vorzugehen. Mit dem geplanten Inkrafttreten des
Gesetzes am 1. Juli 2016 wird sich das Parteienfinanzierungsmodell von einem libertären zu einem egalitären wandeln. Über die im Gesetz festgelegte staatliche
Parteienfinanzierung sowie die Kontrollmechanismen
über Einnahmen und Ausgaben der Parteien, soll die
Chancengleichheit aller Parteien im politischen Wettbewerb gesichert werden. Dies schützt vor allem neue
Parteien, die aus der Zivilgesellschaft entstehen.
Die Höhe der staatlichen Finanzierung wird anhand
einer Formel abhängig vom Wahlergebnis bestimmt.
Das Geld kann sowohl für die Parteiarbeit zwischen
den Wahlen als auch teilweise für den Wahlkampf verwendet werden. Für die Finanzierung muss jede Partei
ein offenes Konto führen, das strikt von der Wahlkasse
der Partei getrennt ist. Diese Regelung soll die Parteien
dazu bewegen, sich nicht nur auf die Wahlen zu fokussieren, sondern auch zwischen den Wahlen aktiv zu sein
und ihrem Grundsatzprogramm zu folgen.
Alle Parteien, die ab 2017 gewählt werden und die
in den Wahlen die 2%-Hürde erreichen, erhalten eine
staatliche Finanzierung für die Umsetzung ihres Grundsatzprogramms. Diese Regelung greift aber erst bei den
Wahlen nach Inkrafttreten des Gesetzes Mitte 2016.
Interessant ist aber eine Zusatzregelung für die bereits
in 2014 gewählten Parteien. Diese können vom neuen
Gesetz ab Mitte 2016 auch profitieren. Ursprünglich war
im Gesetzesentwurf 2123a geplant, die staatliche Finanzierung für alle Parteien zu sichern, die mindestens 3 %
in den seit 2014 stattgefundenen Wahlen erreicht haben.
Davon würden neben den im Parlament vertretenen Parteien auch Parteien, die nur knapp an der 5%-Hürde
gescheitert sind, profitieren. In der endgültigen Version
des Gesetzes wurde aber die Hürde für die staatliche
Finanzierung von bereits im Jahr 2014 gewählten Parteien auf 5 % festgesetzt. Damit ist die Finanzierung
exklusiv nur den im Parlament vertretenen Parteien
vorbehalten. Diese Änderung schwächt das ursprüngliche Vorhaben, neue Parteien zu stärken, wesentlich
ab. Es beeinträchtigt die Chancengleichheit im politischen Wettbewerb, da die ins Parlament gewählten Par-
teien ohnehin einen Vorteil durch den Zugang zu staatlichen Ressourcen genießen. Möglicherweise war es ein
notwendiger Kompromiss, damit solch ein Gesetz trotz
des mangelnden politischen Willens zur Korruptionsbekämpfung verabschiedet werden konnte. Die im Parlament vertretenen Parteien haben sich durch ihre Zustimmung die staatliche Finanzierung schon ab Mitte 2016,
und damit vor den Wahlen, gesichert.
Um den Einfluss der FIG und der Oligarchen zu
minimieren, ist im Gesetz eine klare jährliche Grenze
für die Höhe privater Parteispenden gesetzt. Allerdings
wurde im Gegensatz zum ursprünglichen Gesetzentwurf die Obergrenze für juristische Personen von 400
auf 800 Mindestlöhne (ca. 40.000 Euro) und für Privatpersonen von 100 auf 400 Mindestlöhne (ca. 20.000
Euro) angehoben. Zudem beinhaltet das Gesetz eine
klare Definition von »Spende« und »Unterstützung«,
inklusive nicht-materieller Ressourcen. Die Finanzierungsquellen sind ebenfalls strikter geregelt. Zum Beispiel dürfen Unternehmen mit einem staatlichen Anteil
von 25 % oder Unternehmen, die an staatlichen Großprojekten beteiligt sind, keine Parteibeiträge leisten.
Zusätzlich beinhaltet das Gesetz komplexe Regelungen in Bezug auf die Transparenz der Parteienfinanzierung. Eine entsprechende Kontrolle und die verwaltungsrechtliche und strafrechtliche Haftung im Falle
einer vorsätzlichen Täuschung in Finanzberichten ist
vorgesehen. Außerdem schreibt das Gesetz in Übereinstimmung mit Empfehlungen internationaler Organisationen, unter anderem der Gruppe der Staaten gegen
Korruption (GRECO), Kontroll- und Sanktionsmechanismen vor. Zum Beispiel werden Parteien einem
strengen internen und externen Audit unterzogen, um
staatliche Finanzierung zu erhalten. Der Inhalt ihrer
Jahresberichte ist detailliert festgelegt. Die Finanzberichte sollen in vollem Umfang veröffentlicht werden
und auf der Internetseite der Nationalen Agentur für die
Prävention von Korruption (NAZK) sowie auf der Seite
der Zentralen Wahlkommission für alle zugänglich sein.
Neben der Rechnungskammer soll die NAZK eine führende Rolle in der Kontrolle der Parteienfinanzierung
übernehmen. Sie soll alle Finanz- und Vermögensberichte sowie Wahlkassen der Parteien quartalsweise auf
ihre Vollständigkeit und Gesetzmäßigkeit überprüfen.
Damit die NAZK ihrer Aufgabe gerecht werden kann,
soll sie politisch unabhängig sein und mit den notwendigen Ressourcen ausgestattet werden. Problematisch
aus heutiger Sicht ist jedoch, dass sich die Behörde noch
im Aufbau befindet und es keine Garantie dafür gibt,
dass die hohen Anforderungen erreicht werden können.
Es ist auch nicht absehbar, ob die Behörde ihre Arbeit
vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Parteienfinanzierung aufnehmen kann. Der Mangel an kompeten-
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UKRAINE-ANALYSEN NR. 164, 24.02.2016
ter und unabhängiger Kontrolle würde ein komplettes
Scheitern der Gesetzesinitiative bedeuten.
Fazit
Zusammenfassend bietet das neue Gesetz eine solide
rechtliche Grundlage für den Übergang vom libertären zum egalitären Finanzierungsmodell für politische
Parteien. Dieser Übergang ist für die Ukraine aus zwei
Gründen dringend notwendig: Erstens sind vor dem
Hintergrund der extrem hohen Ausgaben für die Wahlen und der extrem niedrigen Einnahmen aus den Mitgliedsbeiträgen zurzeit alle Parteien auf Finanzierung
durch FIG und Oligarchen angewiesen. Dies führt zu
einer Situation, in der ausschließlich die Parteien, die
durch Oligarchen und FIG finanziert werden, wettbewerbsfähig sind. Parteien, die auf einer ideologischen
Basis gegründet wurden und die Interessen sozioökonomischer Bevölkerungsgruppen vertreten, können sich
unter diesen Umständen nicht entwickeln. Die staatliche Finanzierung auf einer fairen Wettbewerbsbasis
in Kombination mit einer rechtmäßigen Einschränkung der finanziellen Unterstützungsmöglichkeiten seitens privater und juristischer Personen könnte die Entstehung neuer politischer Parteien fördern. Zweitens
haben die bisher vorhandenen gesetzlichen Lücken korrupte Transaktionen ohne Einschränkungen ermöglicht.
Sowohl die Einnahmen als auch die Ausgaben der Parteien blieben ohne jegliche Kontrolle und Sanktionen
im Dunklen. Als Ergebnis ist das Vertrauen der Bevölkerung in die Parteien sehr gering und es gibt keine
innerparteiliche Demokratie. Die neuen Kontroll- und
Sanktionsmechanismen sollen die vorhandenen Lücken
schließen und Transparenz in die Finanzierungsquellen und Finanztransaktionen bringen.
Ausblick
Das Gesetz bedeutet einen wichtigen Schritt in Richtung Deoligarchisierung der ukrainischen Politik. Der
politische Wille zur Verabschiedung eines solchen
Gesetzes war sehr gering. Es kam nur aufgrund des
massiven Drucks zivilgesellschaftlicher und externer
Akteure zustande. Es wird daher auch nicht überraschen, wenn seine Implementierung nur schleppend
vorangetrieben wird. So hängt zum Beispiel der Erfolg
dieser Reform wesentlich vom Aufbau der Nationalen
Agentur für die Prävention von Korruption (NAZK)
ab und davon, wie politisch unabhängig und effektiv
sie ihre Kontrollfunktion ausüben kann. Desweiteren
mangelt es an gesetzlicher Einschränkung der überteuerten Wahlkampagnen und politischer Werbung. Diese
stellen den größten Teil der Ausgaben der Parteien dar.
Deshalb werden die Parteien weiterhin versuchen, für
den Wahlkampf auf schwarze Kassen zurückzugreifen.
Trotz dieser kritischen Anmerkungen erfüllt dieses
Gesetz wichtige Anforderungen auf dem Weg zur Visaliberalisierung mit der EU und entspricht den langjährigen kritischen Empfehlungen der OSZE und GRECO
in Bezug auf Parteienfinanzierung. Außerdem ist es
wichtig, die treibende Rolle der Zivilgesellschaft in diesem Gesetzgebungsverfahren zu betonen. Immerhin
wurde das Gesetz gemeinsam von Vertretern der führenden NGOs, wie z. B. Transparency International
Ukraine, der Bewegung »Chesno«, der gesellschaftlichen Initiative »Reanimationspaket für die Reformen«,
International Foundation for Electoral Systems (IFES)
usw. ausgearbeitet. Schließlich wurde es gemeinsam
mit der fraktionsübergreifenden Gruppe »Eurooptimisten« (diese besteht aus Journalisten und zivilgesellschaftlichen Aktivisten, die im Jahr 2014 ins Parlament
gewählt worden sind) gegen alle Widerstände durchgesetzt. Diese Kooperation ist bereits eine Leistung an
sich, die die positive Entwicklung der Zivilgesellschaft
und die demokratischen Bestrebungen in der Ukraine
hervorhebt.
Über die Autorin:
Oksana Huss promoviert am Institut für Entwicklung und Frieden der Universität Duisburg-Essen. Ihre Promotion
wurde durch die Hanns-Seidel-Stiftung gefördert. Seit 2015 ist sie Ko-Leiterin des interdisziplinären Netzwerks der
Nachwuchswissenschaftler <http://www.kwi-nrw.de/home/netzwerk3.html>, die sich mit Transformationsprozessen
in der Ukraine beschäftigen. Das Netzwerk wird durch das Kulturwissenschaftliche Institut Essen (KWI) gefördert.
Schwerpunkte ihrer Forschung sind die postsowjetische Transformation und die Korruptionsforschung: <http://www.
kwi-nrw.de/home/profil-ohuss.html>
5
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TABELLEN UND GR AFIKEN ZUM TEX T
Politische Parteien in Umfragen
Grafik 1: Gibt es unter den politischen Parteien eine, die Ihre Interessen vertritt?
(%, November 2015)
Nein
56,5
Ja
23,3
Schwer zu sagen
20,2
Quelle: Repräsentative Umfrage des Fonds Demokratischer Initiativen (DIF), gemeinsam durchgeführt mit dem Rasumkow-Zentrum,
N=2009 in allen Regionen außer der Krim, dem Donbass und Luhansk, vom 14. bis 22. November 2015, <http://razumkov.org.ua/
ukr/poll.php?poll_id=1083>. Zusammengestellt von Oksana Huss.
Grafik 2: Sind Sie Mitglied einer politischen Partei? (%, 2010–2015)
Ja
Nein
Keine Antwort
November 2015 3,5
95,9
0,6
November 2014 3,5
96,4
0,1
Mai 2011
3,9
93,1
3
Mai 2010
5,3
91,5
3,2
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
90%
100%
Quelle: Repräsentative Umfrage des Fonds Demokratischer Initiativen (DIF), gemeinsam durchgeführt mit dem Rasumkow-Zentrum,
N=2009 in allen Regionen außer der Krim, dem Donbass und Luhansk, vom 14. bis 22. November 2015, <http://razumkov.org.ua/
ukr/poll.php?poll_id=1085>. Zusammengestellt von Oksana Huss.
UKRAINE-ANALYSEN NR. 164, 24.02.2016
7
Grafik 3: Vertrauen Sie den politischen Parteien? (%, 2001–2015)
70
60
50
40
30
20
10
Ja*
Jun 15
Jun 14
Dez 14
Jun 13
Dez 13
Dez 12
Jun 12
Dez 11
Jun 11
Jun 10
Dez 10
Jun 09
Dez 09
Dez 08
Jun 08
Dez 07
Jun 07
Jun 06
Dez 06
Jun 05
Dez 05
Jun 04
Dez 04
Dez 03
Jun 03
Jun 02
Dez 02
Dez 01
0
Dez 01 Dez 02 Dez 03 Dez 04 Nov 05 Dez 06 Dez 07 Dez 08 Okt 09 Dez 11 Sep 12 Dez 13 Dez 14 Nov 15
16
12,4 16,3 15,6 16,1 15,1 22,5 12,5 16,8 18,5
20
20,9
15
11,8
Nein** 44,6
40,2
50,3
46,5
49,6
54,4
55
48
53
57
51,3
61
53,5
50,7
* Summe der Antworten »Vertraue den Parteien völlig« und »Vertraue den Parteien eher«
** Summe der Antworten »Vertraue den Parteien gar nicht« und »Vertraue den Parteien eher nicht«
Quelle: Repräsentative Umfrage des Fonds Demokratischer Initiativen (DIF), gemeinsam durchgeführt mit dem Rasumkow-Zentrum,
N=2009 in allen Regionen außer der Krim, dem Donbass und Luhansk, vom 14. bis 22. November 2015, <http://razumkov.org.ua/
ukr/poll.php?poll_id=82>, <http://razumkov.org.ua/ukr/poll.php?poll_id=1086>. Zusammengestellt von Oksana Huss.
Grafik 4: Wer soll Ihrer Meinung nach die politischen Parteien finanzieren?
(%, November 2015)
0
5
10
15
20
25
30
Parteiführung
45
39,5
Parteiunterstützer
31,1
Unternehmer
14,1
Staat
Schwer zu sagen
40
39,9
Parteimitglieder
Andere
35
13
0,7
17,4
Quelle: Repräsentative Umfrage des Fonds Demokratischer Initiativen (DIF), gemeinsam durchgeführt mit dem Rasumkow-Zentrum,
N=2009 in allen Regionen außer der Krim, dem Donbass und Luhansk, vom 14. bis 22. November 2015, <http://razumkov.org.ua/
ukr/poll.php?poll_id=1091>. Zusammengestellt von Oksana Huss.
UKRAINE-ANALYSEN NR. 164, 24.02.2016
Grafik 5: Unterstützen Sie die Finanzierung der politischen Parteien aus dem staatlichen Budget?
(%, November 2015)
Nein
76,2
Ja
14,9
Schwer zu sagen
8,8
Quelle: Repräsentative Umfrage des Fonds Demokratischer Initiativen (DIF), gemeinsam durchgeführt mit dem Rasumkow-Zentrum,
N=2009 in allen Regionen außer der Krim, dem Donbass und Luhansk, vom 14. bis 22. November 2015, <http://razumkov.org.ua/
ukr/poll.php?poll_id=1084>. Zusammengestellt von Oksana Huss.
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UKRAINE-ANALYSEN NR. 164, 24.02.2016
KOMMENTAR
Sind Großunternehmen in der Ukraine bereit für einen neuen
Gesellschaftsvertrag? Erklärungen vs. Realität
Von Iryna Solonenko, Berlin
A
m 1. Februar haben verschiedene führende Vertreter
ukrainischer Großunternehmen den Start der sogenannten Ukrainischen Wirtschaftsinitiative verkündet.
In der Erklärung (siehe Dokumentation S. 10), die sie
unterzeichnet und auf einer Pressekonferenz vorgestellt
haben, legen sie dar, dass die Ukraine eine neue Entwicklungsstrategie braucht und versprechen Eigeninvestitionen und die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Außerdem
sichern sie zu, ihre steuerlichen Verpflichtungen fair und
offen zu begleichen sowie intransparente Finanzierung
von Politikern und politischen Parteien zu verhindern.
Die Veröffentlichung dieser Erklärung stieß in der
Ukraine nur auf wenig Resonanz. Nun könnte man sich
wundern, da die Implementierung eines neuen Gesellschaftsvertrages eines der Hauptanliegen der Revolution der Würde, auch bekannt als Euromaidan, gewesen ist. Auch der Begriff der Deoligarchisierung wurde
seither immer bedeutender.
Vorsichtige Überlegungen zu verschiedenen Gesichtspunkten rund um diese Erklärung legen den Schluss
nahe, dass diese keine Veränderungen der »Spielregeln«
zur Folge haben wird. Sie ist lediglich eine Absichtserklärung, die für sich genommen positiv ist, jedoch schwerlich praktische Folgen haben wird.
Verschiedene Faktoren lohnt es sich, in diesem Zusammenhang zu erwähnen. Erstens ist das in den vergangenen
25 Jahren in der Ukraine gewachsene Regierungssystem,
in dem einige der wohlhabendsten Personen einflussreiche TV-Kanäle besitzen, die Entscheidungsfindung im
Parlament, in der Regierung und der Justiz beeinflussen
und über Monopole ganzer Wirtschaftssektoren verfügen, weitestgehend unverändert geblieben. Das Gesamtvermögen der 100 wohlhabendsten Unternehmer in der
Ukraine lag im Jahr 2015 bei etwa 26,5 Billionen USDollar; das ist halb so viel wie in 2013, entspricht jedoch
immer noch mehr als einem Viertel des ukrainischen BIP.
Entscheidend ist, dass die zehn wohlhabendsten Personen
60 % dieses Vermögens besitzen. Es gibt keinerlei Anzeichen, dass diejenigen, die von dem bestehenden System
profitieren, etwas daran verändern wollen.
Darüber hinaus gibt es auch keine Anzeichen, dass
die Nutznießer des alten Systems gezwungen würden,
ihre Methoden zu verändern. Die Geschichte lehrt uns,
dass Industriemagnate neue Spielregeln, die auf dem
Prinzip der Rechtstaatlichkeit beruhen, nur dann akzeptieren, wenn die Erhaltung ihrer alten Methoden zu
kostspielig wird. In der Ukraine ist dies noch nicht der
Fall. Neue Spielregeln gibt es einfach noch nicht und
die politische Führung zeigt auch keine Ambitionen,
deren Entwicklung zu fördern, abgesehen von der offiziellen Rhetorik, die auf etwas anderes schließen lässt.
Mit Blick auf den Entscheidungsprozess der vergangenen zwei Jahre seit dem Euromaidan wird außerdem
klar, dass alle auf Reform bedachten Initiativen entweder von der Zivilgesellschaft oder von neuen reformorientierten Akteuren in den Behörden und der internationalen Gebergemeinschaft gefordert wurden. Hierzu
zählten z. B. Demonopolisierung, mehr Transparenz der
öffentlichen Finanzen und Unternehmen und die staatliche Finanzierung politischer Parteien. Die Zahl dieser
Akteure ist gering, und viele dieser Initiativen erfuhren
Widerstand von verschiedenen, oftmals aus der Riege
der Großunternehmer stammenden, Interessengruppen.
Drittens haben sich die wohlhabendsten und vermutlich einflussreichsten ukrainischen Unternehmer,
wie Rinat Achmetow oder Ihor Kolomoisky, der Wirtschaftsinitiative nicht angeschlossen. Tatsächlich unterstützte keine der 20 vermögendsten Personen, einmal
abgesehen von Wiktor Pintschuk, einem bekannten Philantropen, und Oleh Bachmatjuk, einem Agrar-Oligarchen, die Erklärung. Diejenigen, die sie unterstützten,
können nur schwerlich als Oligarchen bezeichnet werden, da sie weder TV-Kanäle besitzen, noch politische
Parteien finanzieren. Das bedeutet, dass ukrainische Oligarchen, also diejenigen Unternehmer, die großen politischen Einfluss haben, nicht wirklich an einer Veränderung der bestehenden Situation interessiert sind. Für
die Wahlkampagnen zu den kürzlich erfolgten Regional- und Lokalwahlen in der Ukraine spielten die Oligarchen eine wichtige Rolle. Das Scheitern des Misstrauensvotums vom 16. Februar 2016 kann ebenfalls auf den
großen Einfluss der Oligarchen zurückgeführt werden.
Die Gruppierungen Oppositionsblock und Vidrodzhennia (Wiedergeburt) sind dafür bekannt, dass sie die
Interessen von Rinat Achmetow, Serhi Liowotschkin
und Ihor Kolomoisky vertreten. Obwohl sie die Regierung immer wieder öffentlich kritisieren, unterstützten
sie das Misstrauensvotum nicht (siehe Tabellen 1 und
2 auf S. 11–12). Ukrainische Enthüllungsjournalisten
geben an, dass Rinat Achmetow von seiner engen Verbindung zu Premierminister Arseni Jazenjuk profitiert.
Zu guter Letzt ist unklar, welche Maßnahmen auf
die Erklärung folgen könnten. In diesem Punkt bleibt
sie selbst sehr vage.
9
UKRAINE-ANALYSEN NR. 164, 24.02.2016
Der hinter der Erklärung steckende Gedanke ist gut.
Initiiert wurde sie von Serhi Taruta, einem der ukrainischen Großunternehmer, ehemaliger Gouverneur der
Region Donezk und zurzeit Parlamentsmitglied. Sie entstand aus zwei von ihm organisierten Treffen von Großunternehmern im August und Dezember 2015. Die Erklärung
mag den Willen eines Teils der Wirtschaftsgemeinschaft
ausdrücken, die Spielregeln zu ändern. Sie spiegelt außer-
dem die Forderung der Gesellschaft nach einem neuen
Gesellschaftsvertrag wider. Insofern kann sie als ein Streben des Großunternehmertums nach Legitimation gesehen werden. Bis zu ihrer praktischen Umsetzung haben die
Vorsätze jedoch wenig Bedeutung. Alle oben herausgestellten Faktoren lassen erkennen, dass diese Teilinitiative der
Großunternehmen kaum praktische Folgen haben wird.
Übersetzung aus dem Englischen: Alena Göbel
Über die Autorin:
Iryna Solonenko ist Associate Fellow am Robert Bosch-Zentrum für Mittel- und Osteuropa, Russland und Zentralasien der DGAP. Von 2000 bis 2012 hat sie für die Open Society Foundations und am EastWest-Institute in der
Ukraine gearbeitet. Sie hat Abschlüsse in European Studies, Public Administration und Geschichte von der Central
European University in Budapest, der National Academy of Public Administration in Kiew und der National University Kyiv-Mohyla Academy in Kiew. Zu ihren Forschungsinteressen gehören die Europäische Nachbarschaftspolitik und die Östliche Partnerschaft, die politische Ökonomie der postsowjetischen Transformation und zivilgesellschaftliche Entwicklungen.
DOKUMENTATION
Appell der ukrainischen Wirtschaft an die Gesellschaft und die Regierung
(1. Februar 2016, inoffizielle Übersetzung)
Seit der Unabhängigkeit wurden in der Ukraine weder gemeinsame, transparente Regeln, noch eine effektive Entwicklungsstrategie oder bessere Bedingungen für das Wirtschaftswachstum und die Verbesserung des Lebensstandards der Menschen geschaffen.
Wir, die Besitzer großer und mittlerer ukrainischer Unternehmen erkennen an, dass die Verantwortung für die
aktuelle Krise auch bei uns liegt. Wir wissen um die Verantwortung für die Wiederherstellung des Vertrauens im
Land und für die Schaffung einer neuen Entwicklungsstrategie.
Wir initiieren einen neuen Gesellschaftsvertrag zur Festlegung gemeinsamer Ziele sowie der für ihre Durchsetzung notwendigen Bedingungen und Grundsätze. Wirtschaft, Politik und Gesellschaft gehen damit eine gegenseitige Verpflichtung ein.
Der Zweck des Vertrages ist die Implementierung eines neuen Gesellschaftssystems, das folgendes gewährleistet:
• schnelles Wirtschaftswachstum und das Wohlergehen der Bürger;
• Schaffung gleicher und günstiger Bedingungen für die Unternehmen in der Ukraine;
• Förderung und Entwicklung eines fairen Wettbewerbs in der Binnenwirtschaft;
• Wettbewerbsfähigkeit der Ukraine auf den Weltmärkten;
• effektive und transparente öffentliche Verwaltung
Im neuen Gesellschaftsvertrag übernimmt die Wirtschaft die Verantwortung für das Wirtschaftswachstum des Landes,
die Regierung schafft die Wachstumsbedingungen und die Gesellschaft überwacht die Tätigkeiten dieser beiden Akteure.
Für das Wirtschaftswachstum übernimmt die Wirtschaft folgende Aufgaben:
Wir verpflichten uns, selbst zu investieren und Investoren für die ukrainische Wirtschaft zu gewinnen, außerdem
sagen wir zu, Arbeitsplätze mit menschenwürdigen Arbeitsbedingungen und angemessener Bezahlung zu schaffen.
Wir garantieren Ehrlichkeit und Transparenz sowohl in unseren privaten Steuererklärungen als auch die in den
ukrainischen Staatshaushalt fließenden Steuerabgaben unserer Unternehmen betreffend.
Wir betreiben keine intransparente Finanzierung von Politikern und politischen Parteien.
Wir haben Interesse an einem fairen Justizsystem und an transparenten und gemeinsamen Regeln in der Ukraine.
Wir sind bereit, die Schaffung solcher Regeln zu fördern und verpflichten uns, diese einzuhalten.
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Wir gründen in Eigenverantwortung so schnell wie möglich eine Vereinigung der Unternehmen der Ukraine auf
Grundlage der Prinzipien dieser Erklärung, um eine konsolidierte Einheit zu bilden und einen neuen Gesellschaftsvertrag abzuschließen.
Für die Durchführung dieser Aufgaben sowie die Erfüllung der auferlegten Pflichten gründet die Wirtschaft
einen Fonds zur Erarbeitung eines neuen Gesellschaftsvertrags und einer langfristigen Strategie zur wirtschaftlichen
Entwicklung der Ukraine. Außerdem dient der Fonds zur Durchführung tiefgreifender, schneller und systematischer
Reformen, zur Unterstützung von Initiativen sozial aktiver Bürger und ihrer Verbände, zur Schaffung neuer sozialer
Institutionen und zur Lösung der Entwicklungsprobleme.
Zur Ausarbeitung und Annahme eines neuen Gesellschaftsvertrags, der ein erster Schritt aus der nationalen Krise
wird, rufen wir alle, denen das Schicksal der Ukraine nicht gleichgültig ist, dazu auf, einen offenen, nationalen Dialog zu beginnen: den Präsidenten als Garant der Verfassung, die Regierung, Abgeordnete, Institutionen der Zivilgesellschaft, Fachorganisationen und alle Bürger.
Wir laden ukrainische Unternehmen, die diese Ziele und Grundsätze unterstützen – unabhängig von ihrer
Größe –, ein, sich dieser Erklärung anzuschließen.
Quelle: <http://www.pravda.com.ua/rus/news/2016/02/1/7097434/>
STATISTIK
Regierungskrise: Abstimmungen in der Werchowna Rada am 16. Februar 2016
Tabelle 1: Misstrauensvotum gegen die Regierung Jazenjuks in der Werchowna Rada am
16. Februar 2016
Ja
Koalitionsparteien
Block Petro
Poroschenko
Volksfront
Selbsthilfe*
Vaterland**
Radikale
Partei von Oleh
Ljaschko
Oppositionsblock
Gruppe
»Volkswille«
Gruppe »Partei
Wiedergeburt«
Fraktionslose
Gesamt
Dagegen
Enthaltung
137
2
10
Nicht
abgestimmt
13
Abwesend
Gesamt
100
262
97
0
10
10
19
136
0
25
15
15
1
0
0
0
0
0
0
0
2
1
1
0
78
0
3
6
81
26
19
21
8
1
0
1
33
43
6
0
0
1
13
20
0
0
0
11
12
23
28
194
0
2
2
12
1
28
20
184
51
420
* Am 18. Februar 2016 ist die Partei Selbsthilfe aus der Koalition ausgetreten.
** Am 17. Februar 2016 ist die Partei Vaterland aus der Koalition ausgetreten.
Quelle: Werchowna Rada der Ukraine, <http://w1.c1.rada.gov.ua/pls/radan_gs09/ns_golos?g_id=6051>
Zum Vergleich: Abstimmung über das neue Ministerkabinett der Ukraine in der Werchowna Rada am 2. Dezember 2014 in den UkraineAnalysen 143, S. 7 <http://www.laender-analysen.de/ukraine/pdf/UkraineAnalysen143.pdf>
UKRAINE-ANALYSEN NR. 164, 24.02.2016
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Tabelle 2: Abstimmungen in der Werchowna Rada über die Regierungsarbeit und den Misstrauensantrag am 16. Februar 2016 im Vergleich
Koalitionsparteien
Block Petro Poroschenko
über die unbefriedigende Arbeit der
Regierung
Misstrauensvotum
162
137
120
97
Volksfront
0
0
Selbsthilfe*
26
25
Vaterland**
16
15
Radikale Partei von Oleh
Ljaschko
15
15
Oppositionsblock
26
8
Gruppe »Volkswille«
15
6
0
0
29
28
247
194
Gruppe »Partei Wiedergeburt«
Fraktionslose
Gesamt
* Am 18. Februar 2016 ist die Partei Selbsthilfe aus der Koalition ausgetreten.
** Am 17. Februar 2016 ist die Partei Vaterland aus der Koalition ausgetreten.
Quelle: Werchowna Rada der Ukraine, <http://w1.c1.rada.gov.ua/pls/radan_gs09/ns_golos?g_id=6051>, <http://w1.c1.rada.gov.
ua/pls/radan_gs09/ns_golos?g_id=6049>
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STATISTIK
Die humanitäre Lage in der Ukraine
Grafik 1: Anzahl der Todesopfer und Verwundeten im Militärkonflikt in der Ostukraine seit
Mitte April 2014
Verwundete
25.000
Todesopfer
20.000
15.000
10.000
5.000
0
Aug. Sep. Okt. Nov. Dez. Jan. Feb. Mrz. Apr. Mai. Jun. Jul. Aug. Sep. Okt. Nov. Dez. Jan.
14
14
14
14
14
15
15 15
15
15
15
15
15
15
15
15
15
16
Anmerkung: Dies sind sehr konservative Schätzungen der UN-Menschenrechtsbeobachtermission in der Ukraine und der Weltgesundheitsorganisation. Die Gesamtzahl ist wahrscheinlich viel höher. Die Zahlen umfassen ukrainischen Streitkräfte, Zivilisten, einige Mitglieder der bewaffneten Gruppen und Passagiere vom abgestürzten Flug MH17 der Malaysia Airlines.
Quelle: Zusammenfassung der Redaktion der Ukraine-Analysen nach Angaben des UN Office for the Coordination of Humanitarian
Affairs (OCHA), Ukraine Situation reports No. 1–39, Ukraine Situation Update No. 1–7, Humanitarian Bulletin Ukraine Issue 1–6,
<http://reliefweb.int/country/ukr>
Tabelle 1: Anzahl der Todesopfer und Verwundeten im Militärkonflikt in der Ostukraine seit
Mitte April 2014
Verwundete
Todesopfer
Verwundete
Todesopfer
Ende Juli 2014
4.087
1.367
April 2015
15.594
6.238
Aug. 2014
6.033
2.249
Mai 2015
15.962
6.417
Sept. 2014
8.332
3.551
Juni 2015
16.385
6.503
Okt. 2014
9.336
4.035
Juli 2015
17.087
6.832
Nov. 2014
10.016
4.356
Sept. 2015
17.610
7.883
Dez. 2014
10.360
4.771
Okt. 2015
17.610
7.883
Jan. 2015
11.862
5.244
Nov. 2015
17.974
8.529
Feb. 2015
14.735
5.807
Dez. 2015
20.732
9.098
März 2015
15.397
6.083
Jan. 2016
20.945
9.145
Anmerkung: Dies sind sehr konservative Schätzungen der UN-Menschenrechtsbeobachtermission in der Ukraine und der Weltgesundheitsorganisation. Die Gesamtzahl ist wahrscheinlich viel höher. Die Zahlen umfassen ukrainischen Streitkräfte, Zivilisten, einige Mitglieder der bewaffneten Gruppen und Passagiere vom abgestürzten Flug MH17 der Malaysia Airlines.
Quelle: Zusammenfassung der Redaktion der Ukraine-Analysen nach Angaben des UN Office for the Coordination of Humanitarian
Affairs (OCHA), Ukraine Situation reports No. 1–39, Ukraine Situation Update No. 1–7, Humanitarian Bulletin Ukraine Issue 1–6,
<http://reliefweb.int/country/ukr>
UKRAINE-ANALYSEN NR. 164, 24.02.2016
Grafik 2: Binnenvertriebene in der Ukraine von Juni 2014 bis Januar 2016
1.800.000
1.600.000
1.400.000
1.200.000
1.000.000
800.000
600.000
400.000
200.000
0
Jun. Jul. Aug. Sep. Okt. Nov. Dez. Jan. Feb. Mrz. Apr. Mai. Jun. Jul. Aug. Sep. Okt. Nov. Dez.
14 14 14 14 14 14 14 15 15 15 15 15 15 15 15 15 15 15 15
Quelle: Zusammenfassung der Redaktion der Ukraine-Analysen nach Angaben von UNOCHA, UNICEF, <http://reliefweb.int/coun
try/ukr>
Tabelle 2: Binnenvertriebene in der Ukraine von Juni 2014 bis Januar 2016
Juni 2014
46.169
Juli 2014
111.616
August 2014
230.389
September 2014
295.156
Oktober 2014
442.213
November 2014
490.046
Dezember 2014
579.653
Januar 2015
942.748
Februar 2015
1.069.809
März 2015
1.198.156
April 2015
1.255.700
Mai 2015
1.315.625
Juni 2015
1.357.778
Juli 2015
1.414.798
August 2015
1.449.245
September 2015
1.505.570
Oktober 2015
1.537.717
November 2015
1.621.030
Dezember 2015
1.661.002
Januar 2016
1.695.270
Quelle: Zusammenfassung der Redaktion der Ukraine-Analysen nach Angaben von UNOCHA, UNICEF, <http://reliefweb.int/coun
try/ukr>
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UKRAINE-ANALYSEN NR. 164, 24.02.2016
DOKUMENTATION
UNICEF: Ukraine Konflikt betrifft mehr als eine halbe Million Kinder
(19. Februar 2016)
Two years on, Ukraine conflict affects over half a million children—UNICEF
Over 200,000 children need psychosocial support
GENEVA/ NEW YORK/KYIV, Ukraine, 19 February 2016—The conflict in Ukraine has deeply affected the lives of
580,000 children living in non-government controlled areas and close to the front line in eastern Ukraine, UNICEF
said today. Of these, 200,000—or one in three—need psychosocial support.
“Two years of violence, shelling and fear have left an indelible mark on thousands of children in eastern Ukraine,”
said Giovanna Barberis, UNICEF Representative in Ukraine. “As the conflict continues, we need to reach these children urgently to meet their physical as well as psychological needs.”
More than 215,000 children are internally displaced from the conflict-affected areas. At least 1 out of 5 schools
has been damaged or destroyed. Last year, more than 20 children were killed and over 40 were injured. Out of those,
28 casualties were caused by mines and unexploded ordnance. A polio outbreak was confirmed in Ukraine 19 years
after the country was declared polio free.
Damage to basic infrastructure has put the water supply at risk for some 2 million people across the frontline.
As temperatures plummet, fuel shortages and high prices of coal are leaving children at risk of respiratory infections. Lack of access to health services and a shortage of medicines are threatening more disease outbreaks.
“UNICEF calls all parties to the conflict in Ukraine to ensure safe movement and unhindered humanitarian access
to help children in need,” Ms. Barberis said.
UNICEF has been working with partners to provide children with the basic services they need.
To date, UNICEF has:
• Provided psychosocial support to over 46,000 children and trained almost 5,000 teachers and psychologists to
identify signs of distress among children.
• Reached 1.6 million people with safe water and over 164,000 children and adults with essential hygiene items.
• Distributed education kits and school supplies to over 200,000 children.
• Reached nearly 280,000 children with information on the risks of landmines and unexploded ordnance.
• Delivered antiretroviral drugs to 8,000 people and children living with HIV in non-government controlled areas
and HIV testing for over 31,000 pregnant women.
• Procured polio vaccines for 4.7 million children.
Earlier this year, UNICEF has called for an additional US$54.3 million to address the humanitarian needs of the most
vulnerable children in conflict-affected areas.
Quelle: <http://www.unicef.org/media/media_90268.html>
Transparency International fordert Fortschritte bei den Untersuchungen zu
den Vermögenswerten von Janukowitsch (23. Februar 2016)
Transparency International calls for progress in the investigation Yanukovych’s assets
(23.02.2016)
On the second anniversary of when former Ukraine’s President Viktor Yanukovych fled his country, Transparency
International called on Ukrainian authorities to fully investigate the former president’s corruption-related crimes, to
bring him to justice and to begin efforts to ensure the return of billions of euros of stolen assets.
The global anti-corruption group and its chapters in Ukraine, Russia and the United Kingdom also called on the
European Union to maintain the current sanctions imposed on Yanukovych and his closest allies that are scheduled
to run out in March.
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UKRAINE-ANALYSEN NR. 164, 24.02.2016
The voting public in Transparency International’s recent global Unmask the Corrupt contest ranked Yanukovych’s
case as one of the most symbolic cases of grand corruption.
“Since Yanukovych escaped to Russia, little has been done in Ukraine to investigate the serious and numerous allegations of grand corruption against him and his cronies,” said Andrei Marusov, Chairman of the Board of TI-Ukraine.
“Instead courts have released Yanukovych’s allies who were part of his criminal enterprise and they have unfrozen their bank accounts and assets, while the Ukrainian Interpol regional office deleted Yanukovych and members of
his family from the wanted list.”
The Russian Federation has played a role in keeping Yanukovych free by failing to extradite him back to Ukraine.
They cited the current political situation and said he cannot be returned to Ukraine because they have given him Russian citizenship.
However, the United Nations Convention against Corruption, signed and ratified by Russia in 2003, clearly lays
out the obligation for all signatories to accept materials from law enforcement bodies of other countries. Following
UNCAC, the Russian Federation should prosecute Yanukovych under the Russian legislation. That is why Transparency International calls on the Russian authorities to cooperate with the Ukrainian authorities and punish Yanukovych, regardless of his citizenship.
Transparency International also called on the EU to renew and strengthen current political and economic sanctions against Yanukovych’s old team. More specifically EU countries should not allow the disgraced politicians who
were deeply involved in Yanukovych corrupt enterprise to cross their borders. Their businesses should not get EU contracts and in effect they should be boycotted.
Transparency International also supports the Ukrainian Media Guard campaign, which is asking advertisers (business, government, and private) to boycott media (Ukrainian media companies of Ukrainian Media Holding; TVchannels 112, and Tonis) belonging to business-partners of Yanukovych (Serhii Kurchenko, Vitalii Zakharchenko,
Serhii Arbuzov).
“Since the departure of Mr. Yanukovych, the United Kingdom has been implicated in laundering the assets of a
number of close associates who propped up his corrupt regime. The UK authorities need to be vigilant in the hunt for
stolen assets and unexplained wealth, and this needs active support from their counterparts in Ukraine. At the same
time, we need systemic reform in the UK, for example relating to property ownership and the UK’s Overseas Territories, to make sure this does not happen again. Prime Minister David Cameron has rightly stated that the UK should
not be a safe haven for dirty cash and the coming International Anti-Corruption Summit, that the UK is hosting, is
an opportunity to start this process. Two years have passed, but we should not allow Yanukovich and his cronies to
get away with it. TI-UK supports the Ukrainian chapter of TI and calls on the UK authorities to act,” said Robert
Barrington, Executive Director of Transparency International UK.
Transparency International Russia will also support TI Ukraine in revealing Yanukovych’s assets in Russia. “We suspect that his villa in the Mezhyhiriia village close to Kyiv is just the tip of the iceberg. We intend to find the remaining
pieces of his enterprise in Russia and we will do everything possible to make sure that neither Moscow, nor the Rostov
region serve as the refuge for former dictators like Yanukovych,” says Anton Pominov, General Director of TI Russia.
The case of Yanukovych must not be forgotten. Two years ago a hundred people were killed during the Maidan
protest. In memory of these people, who fought for freedom and to clean Ukraine of its corruption clans, the crimes
of the former president must be investigated and he must be brought to justice.
Quelle: <https://www.transparency.org/news/pressrelease/transparency_international_calls_for_progress_in_the_investigation_
yanukovy>
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UKRAINE-ANALYSEN NR. 164, 24.02.2016
DOKUMENTATION
Die Ukraine-Krise im Fokus der Münchener Sicherheitskonferenz 2016
Während der Gespräche und Reden auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2016 werfen sich sowohl der
ukrainische Präsident Poroshenko als auch der russiche Ministerpräsident Medwedew gegenseitig eine unzureichende Umsetzung des Minsker Abkommens vor. Dabei unterstützen viele europäische sowie US-amerikanische Politiker den Kurs Poroshenkos und kritisieren das Vorgehen der russischen Regierung. Petro
Poroshenko fürchtet eine Spaltung der gemeinsamen Werte Europas und betont die Priorität von guter
Zusammenarbeit und Solidarität zwischen der Ukraine und der EU.
Der ukrainische Präsident Petro Poroshenko auf der MSC 2016 (13. Februar 2016)
Europa und die Ukraine müssen zusammenhalten
The Head of State thanked Angela Merkel for her efforts on restoring peace in Ukraine. The President emphasized the
importance of unity in the EU and prolongation of sanctions against Russia for the non-fulfillment of the Minsk agreements.
Quelle: <http://www.president.gov.ua/en/news/prezident-ta-premyer-ministr-bavariyi-domovilis-vidnoviti-di-36736>
…und gemeinsame Werte verteidigen
“Europe is associated with certain values for Ukrainians. Today, there is a threat of alternative values that cause isolationism, intolerance, disrespect for human rights, religious fanaticism and homophobia. This alternative Europe has
its own leader called Mr. Putin. This alternative Europe has its own barefoot soldiers called pro-Russian parties that
fight against Europe”
Quelle: <http://www.president.gov.ua/en/news/petro-poroshenko-na-myunhenskij-konferenciyi-yedinij-zasib-z-36727>
Putin als Aggressor
“Mr. Putin, it is your aggression, not a civil war in Ukraine. It is not a civil war in Crimea, it is your troops who occupied my country. It is not a civil war in Syria, it is your bombardment of civil society in Syria. And it is a demonstration that we live in parallel universes with Russia”
“(…)For a one and a half year I built up a strong army. Another good example that exactly one year ago, immediately after signing the Minsk Agreements, Russia sent five thousand troops trying to kill, as they said to the Minsk
directly (this is the Putin Word), eight thousand Ukrainian soldiers (…). And I said never ever. And we have these five
thousand Russian troops. But we defend our land. Another argument about dialog with Russia in the civil war: Since
I became President we released two third of the occupied Donbass and we don’t have any single conflict in the cities
and towns which were released. The only one reason of the conflict is the Russian troops of my territory. That’s why we
of course should have a dialog. But only when the troops would be withdrawn and they stop bombing Aleppo, when
they stop supplying the weapons, missiles, multi-rocket-launch systems, ammunition, fresh troops to me, to Ukraine,
the occupied part and when they withdraw their troops from Crimea.”
Quelle: <https://www.securityconference.de/en/media-library/video/presidential-debate-with-petro-poroshenko-sauli-niinistoedalia-grybauskaite-andrzej-duda-and-mart/?tx_dreipctvmediacenter_mediacenter%5Bvenue%5D=36&cHash=b6fbe65d8298
4c6c61e252b48375020e>
Die Menschenrechtsverletzungen auf der Krim ähneln der Stalinzeit
The parties also discussed the situation in the occupied Crimea. The President urged the EU to actively protect the
rights of Crimean Tatars. The violation of their rights resembles Stalin’s period.
Quelle: <http://www.president.gov.ua/en/news/petro-poroshenko-proviv-zustrich-iz-federikoyu-mogerini-36732>
Die Ukraine wird unabhängiger von russischer Energie
“We survived this year without a single supply of natural gas from Russia, which was earlier used by Russian authorities as an instrument of political pressure. We are working hard, but the oil and gas sector was a source of corruption
for any authorities in Ukraine earlier”
Quelle: <http://www.president.gov.ua/en/news/prezident-ukrayina-potrebuye-doviri-partneriv-na-shlyahu-ref-36731>
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UKRAINE-ANALYSEN NR. 164, 24.02.2016
Erneuerung des Rechtssystems und Durchführung von Reformen
President Petro Poroshenko noted that the government of Ukraine was actively working over reforms. According to
him, the country is gradually changing and needs solidarity and trust of partners
“Frankly speaking, we have a terrible judicial system. We are creating a special infrastructure together with our
European and American partners”
Quelle: <http://www.president.gov.ua/en/news/prezident-ukrayina-potrebuye-doviri-partneriv-na-shlyahu-ref-36731>
Auszüge aus der Rede von Ministerpräsident Dmitri Medwedew (13. Februar 2016)
Ein neuer Kalter Krieg?
“Speaking bluntly, we are rapidly rolling into a period of a new cold war. Russia has been presented as well-nigh the
biggest threat to NATO, or to Europe, America and other countries (an Mr Stoltenberg has just demonstrated that).
They show frightening films about Russians starting a nuclear war. I am sometimes confused: is this 2016 or 1962?”
Die Ukraine befindet sich am Rande des nationalen Zusammenbruchs
“I am referring to Ukraine, the volatile Balkans, and Moldova that is teetering on the brink of a national collapse”
IWF hat fundamentale Kreditregeln in Bezug zur Ukraine geändert
“I’ll just point out how the International Monetary Fund adjusted it’s fundamental rules on lending to countries with
overdue sovereign debt when the issue concerned Ukraine’s sovereign debt to Russia.”
Das Minsk-Abkommen als bestes Mittel für eine friedliche Beilegung
“The Normandy format has helped us launch negotiations on Ukraine. We believe that there are no better instruments
for a peaceful settlement than the Minsk Agreements.”
Der Russisch-Französische Dialog ist ertragreich
“We welcome France’s balanced and constructive stance on Ukraine and on all other acute international issues. I
fully agree with Mr. Valls that the Russian-French dialoge never stopped, and that it has produced concrete results.”
Die Fortführung der Minsker Verhandlungen hängt von Kiew ab
“It is true that all sides must comply with the Minsk Agreements. But implementation primarily depends on Kiev.
Why them? Not because we are trying to shift responsibility, but because it’s their time.”
Keine Waffenruhe im Süd-Osten der Ukraine
“First and most important, a comprehensive ceasefire is not being observed in southeastern Ukraine. Shooting is routinely reported at the line of conduct, which should not be happening. And we must send a clear signal to all parties
involved, in this regard.”
Kritik an Kiew: keine Verfassungsänderung
“Second, amendments to the Ukrainian Constitution have not been approved to this day, although this should have
been done by the end of 2015. And the law on a special status for Donbass has not been implemented.”
“Instead of coordinating specific decentralisation parameters with the regions, and this is the crucial issue, Ukraine
has adopted so-called “transitional provisions,” even though the above requirements were put in black and white in
the Minsk Agreements.”
Fragwürdige Ergebnisse bei lokalen Wahlen
“Third, Kiev continues to insist that local elections be based on new Ukrainian law. Furthermore, Kiev has not implemented its commitment on a broad amnesty that should embrace all those who were involved in the developments in
Ukraine in 2014–2015. Without being amnestied, these people will be unable to participate in elections, which will
make any election results questionable. The OSCE will not endorse this.”
18
UKRAINE-ANALYSEN NR. 164, 24.02.2016
Süd-Ost Ukraine am Rand der humanitären Katastrophe
“of course, the humanitarian situation is extremely alarming. The economy of southeastern Ukraine is deteriorating,
that part of Ukraine is blockaded, and the German Chancellor’s initiative on the restoration of the banking system in
the region there has been rejected. Tens of thousands of people are living on the verge of a humanitarian catastrophe. ”
Russland steht mehr hinter der Umsetzung des Minsker Abkommens als die Ukraine
“I must say that Russia has shown and will continue to show reasonable flexibility in the implementation of the Minsk
Agreements where this doesn’t contradict their essence. But we can’t do what is not in our competence. That is, we
cannot implement the political and legal obligations of the Kiev government. This is under the direct authority of the
President, the Government and the Parliament of Ukraine. But unfortunately, it appears that they don’t have the will
or a desire to do it. I think this has become obvious to everyone”
Quelle: <http://government.ru/en/news/21784/>
Auszüge aus der Rede von US-Außenminister John Kerry (13. Februar 2016)
Die USA und Europa halten bei der Unterstützung der Ukraine gegen Russland fest zusammen
“And nowhere is that more clear than in our joint, unwavering support for a democratic Ukraine. Our European partners, you, deserve enormous credit for showing the resolve you have shown and the common purpose you have summoned, in order to stand up to Russia’s repeated aggression. And I am confident that Europe and the United States
are going to continue to stand united, both in sustaining sanctions for as long as they are necessary and in providing
needed assistance to Ukraine until the sovereignty and integrity of Ukraine is protected through the full implementation of the Minsk agreement.”
Russland hat die Wahl: Entweder es erfüllt die Regelungen des Minsker Abkommens, oder es leidet weiterhin wirtschaftlich unter den verhängten Sanktionen
“Russia has a simple choice: fully implement Minsk or continue to face economically damaging sanctions. And the
path to sanctions relief is clear: withdraw weapons and troops from the Donbas; ensure that all Ukrainian hostages
are returned; allow full humanitarian access to occupied territories, which, by the way, is required by international
law and by several United Nations resolutions; support free, fair, and internationally-monitored elections in the Donbas under Ukrainian law; and restore Ukraine’s control of its side of the international border, which belongs to it. Put
plainly, Russia can prove by its actions that it will respect Ukraine’s sovereignty, just as it insists on respect for its own.”
Das Demokratiepotenzial der Ukraine ist heute höher als je zuvor
Ukraine has responsibilities with respect to Minsk—and it’s critical that Kyiv upholds its end of the bargain. But
Ukraine’s democratic potential is clearly far brighter today than it was when we met here several years ago, far brighter
even than it was before the brave protests in the Maidan. And with our transatlantic support, 2016 has all the potential possible—all the groundwork laid through the good work of Germany and France and the Normandy format and
though the support of other countries—to be able to make 2016 the year that Ukraine proves reform can triumph over
corruption. And we call on all of the country’s elected leaders to demonstrate the unity, the integrity, and the courage that their people are demanding.”
Die USA verstärken das Engagement in der europäischen Sicherheit
“Now, in addition to our joint focus on Ukraine, the United States has significantly upgraded our commitment to
European security with a planned fourfold increase in our spending on the European Reassurance Initiative, from
just under $790 million to $3.4 billion. This will allow us to maintain a division’s worth of equipment in Europe and
an additional combat brigade in Central and Eastern Europe, making our support—and NATO’s—more visible and
more tangible.”
Quelle: <http://www.state.gov/secretary/remarks/2016/02/252486.htm>
Zusammengestellt von Aron Trieb
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UKRAINE-ANALYSEN NR. 164, 24.02.2016
CHRONIK
8. – 21. Februar 2016
08.02.2016
Der Abgeordnete des Blocks Petro Poroschenko Egor Firsow tritt aus der parlamentarischen Fraktion der
Partei aus. Als Grund gibt er an, dass die Fraktion weiterhin die Präsenz des Abgeordneten Ihor Kononenko in der Fraktion toleriere. Der scheidende Wirtschaftsminister Ajwaras Abromawitschus hatte Kononenko Korruption vorgeworfen. Firsow erklärt, er könne nicht länger per Mitgliedschaft in der Fraktion
Kononenkos Praktiken decken und wolle nicht mit ihnen assoziiert werden.
08.02.2016
Ihor Bilous, Vorsitzender der Stiftung für Staatsvermögen, kündigt an, dass das Parlament noch im Februar
ein Gesetz verabschieden werde, das eine umfassende Privatisierung von Staatsvermögen erlaube. Dieses
Gesetz sei eine wichtige Forderung der internationalen Geldgeber der Ukraine, insbesondere des Internationalen Währungsfonds.
09.02.2016
Weiterhin wird der Waffenstillstand im Donbass täglich verletzt. Entlang der Frontlinie finden vereinzelte
Kämpfe zwischen Separatisten und der ukrainischen Armee statt.
09.02.2016
Der Vorsitzende der rechtsradikalen Partei Freiheit, Oleh Tjanhnybok, erhält in einem Prozess gegen den
Innenminister Arsen Awakow teilweise recht. Awakows Aussage zufolge, habe Tjahnybok am 31. August
2015 »Banditen« vor das Parlament gebracht, die »unsere Soldaten verstümmelt und ermordet haben«. Am
31. August 2015 war es vor dem Parlament zu schweren Ausschreitungen gekommen, als das Parlament
eine Verfassungsänderung zur Dezentralisierung in erster Lesung angenommen hatte. Dabei hatte ein
Demonstrant eine Granate geworfen. Mehrere Polizisten waren ums Leben gekommen.
09.02.2016
Ein Staatsanwalt der Ermittlungsgruppe zu den Ereignissen auf dem Maidan am 20. Februar 2014 erklärt,
man habe 25 Namen von Kämpfern der mittlerweile aufgelösten Spezialeinheit »Berkut« ermittelt, die
auf Demonstranten geschossen haben. Damals waren auf dem Maidan und in unmittelbarer Umgebung
mehrere Dutzend Personen durch Schüsse ums Leben gekommen. 18 der beschuldigten Personen befänden sich auf der Flucht.
10.02.2016
Der Vorstandsvorsitzende des mehrheitlich in Staatsbesitz befindlichen Konzerns Ukrnafta, Marc Rollins,
erklärt, dass ein Entzug der Förderlizenzen für den Konzern und damit für den ukrainischen Staat katastrophale Folgen hätte. Da Ukrnafta im Jahr 2015 nicht die vorgeschriebene Summe an Steuern gezahlt
habe, erwägt die Regierung, dem Konzern die Lizenz zu entziehen. Rollins kritisiert, dies geschehe nur,
um dem Unternehmer Ihor Kolomojskyj zu schaden, der über 40 % der Aktien des Konzerns hält.
10.02.2016
Die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, erklärt, dass der IWF seine
Hilfskredite für das Land aussetzen könnte, wenn weiterhin keine ernsthaften Reformen durchgeführt
und die Korruption nicht bekämpft werde.
10.02.2016
In einem Gebiet bei Donezk, das weder von den Separatisten noch von der ukrainischen Armee kontrolliert
wird, fährt ein Kleinbus am Straßenrand auf eine Mine und explodiert. Drei Menschen kommen ums Leben.
11.02.2016
Der Nationale Rundfunkrat verbietet die Ausstrahlung von 15 weiteren russischen Fernsehsendern auf
dem Gebiet der Ukraine. Eine Überprüfung des Programms habe ergeben, dass Personen in den Sendern
auftreten, die laut den ukrainischen Behörden die nationale Souveränität der Ukraine bedrohen.
11.02.2016
Die Fraktion der Partei Selbsthilfe beginnt eine Unterschriftensammlung im Parlament. Sie strebt eine
Abstimmung an, um der Regierung das Misstrauen auszusprechen. Damit eine solche Abstimmung abgehalten wird, sind 150 Unterschriften notwendig. Die Partei Selbsthilfe, die Teil der Regierungskoalition
ist, fordert schon seit Wochen den Rücktritt des Ministerpräsidenten Arsenij Jazenjuk.
11.02.2016
Der Chef des Nationalen Antikorruptionsbüros, Artem Sytnyk, erklärt, dass im Jahr 2014 etwa 110 Milliarden Hrywnja (Mitte 2014 etwa 6,8 Milliarden Euro) aus Staatsbetrieben illegal abgezweigt worden seien.
12.02.2016
Mehrere Staatsbeamte, darunter einige stellvertretende Minister, veröffentlichen eine gemeinsame Erklärung, in der sie die Korruption in der Verwaltung beklagen. Viele derjenigen, die nach dem Machtwechsel
2014 aus verschiedenen Bereichen in die Verwaltung gewechselt seien, könnten ihrer Tätigkeit nicht länger nachgehen, da sie die Korruption nicht länger mittragen wollten. Sie rufen den Präsidenten und den
Ministerpräsidenten auf, entschlossen die versprochenen Reformen umzusetzen.
12.02.2016
Das Finanzministerium veröffentlicht Zahlen zur Entwicklung der Staatsschulden. Ende 2015 habe die
Staatsschuldenquote bei 79 % des Bruttoinlandsproduktes gelegen. In absoluten Zahlen seien das 65,5
Milliarden US-Dollar.
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UKRAINE-ANALYSEN NR. 164, 24.02.2016
12.02.2016
Aktivisten in Transkarpatien in der Südwestukraine halten an der Grenze des Gebietes Warentransporte
mit russischen Nummernschildern an und hindern sie an der Weiterfahrt. Unter den Teilnehmern sind
nach Medienberichten zahlreiche ehemalige Teilnehmer der »Anti-Terror-Operation« der ukrainischen
Armee. Am nächsten Tag erklärt der Gouverneur des Gebiets, Hennadyj Moskal, die Aktion sei beendet.
Die blockierten russischen Transporte hätten die Grenze zur Slowakei überquert.
13.02.2016
Bei einem Treffen der Außenminister der Ukraine, Russlands, Frankreichs und Deutschlands während
der Sicherheitskonferenz in München wirft der ukrainische Außenminister Pawlo Klimkin Russland vor,
gemeinsame Militärübungen mit den Separatisten abzuhalten und Waffen über die Grenze in das separatistisch kontrollierte Gebiet im Donbass zu liefern.
13.02.2016
In Marjinka im Gebiet Donezk wird ein Kontrollpunkt zum Übertritt der Frontlinie geschlossen. Nach
ukrainischen Angaben ist der Grund für die Schließung der Beschuss des Kontrollpunktes durch separatistische Truppen in den vergangenen Tagen.
14.02.2016
Das russische Verkehrsministerium untersagt ukrainischen Lastkraftwagen auf russischem Territorium
die Weiterfahrt. Dies geschehe als Reaktion auf die Handlungen von Aktivisten in mehreren westlichen
Regionen der Ukraine, die seit dem 12. Februar russische Transporte in Richtung EU an der Weiterfahrt
hindern. Am Folgetag verbietet die ukrainische Regierung im Gegenzug den Transit russischer LKW
durch die Ukraine.
15.02.2016
Der stellvertretende Generalstaatsanwalt Witalij Kasko erklärt seinen Rücktritt. Er erklärt, dass der Generalstaatsanwalt Wiktor Schokin seine Arbeit bei der Verfolgung von Korruptionsdelikten behindert habe.
Der US-Botschafter in Kiew, Geoffrey Pyatt, bedauert Kaskos Rücktritt.
15.02.2016
Die leitende Staatsanwältin der von Russland annektierten Halbinsel Krim, Natalja Poklonskaja, eröffnet ein Verfahren gegen die inoffizielle Vertretung der Krimtataren, den Medschlis. Nach Medieninformationen steht das Verfahren im Zusammenhang mit der Gesetzgebung zur Extremismusbekämpfung.
16.02.2016
Die Kämpfe im Donbass verschärfen sich. Die ukrainische Armee meldet seit Wochen erstmals wieder
mehrere tote Soldaten – drei seien gefallen.
16.02.2016
Der EU-Botschafter in Kiew, Jan Tombinski, fordert die umgehende Einführung eines elektronischen
Registers für die Einkünfte von Staatsbeamten. Diese war für 2016 geplant, jedoch durch eine Gesetzesänderung auf 2017 verschoben worden. Tombinski beklagt außerdem, dass Änderungen im Gesetz »Über
die Staatsanwaltschaft«, dem Generalstaatsanwalt zu starken Einfluss auf die neu eingerichtete Antikorruptions-Ermittlungsbehörde gebe.
16.02.2016
Das Parlament verabschiedet ein Gesetz zur Privatisierung von Staatsbesitz, das es juristischen Personen
aus so genannten »Aggressorstaaten« verbietet, als Käufer an der Privatisierung teilzunehmen. Damit sind
russische Firmen ausgeschlossen, da Russland laut einem Parlamentsbeschluss von Januar 2015 als »Agressorstaat« eingestuft ist.
16.02.2016
Präsident Petro Poroschenko ruft Generalstaatsanwalt Wiktor Schokin zum Rücktritt auf. Er habe das Vertrauen der Gesellschaft verloren. Auch die Regierung werde von der Bevölkerung nicht mehr unterstützt,
so Poroschenko. Er empfehle eine vollständige Neubildung der Regierung auf Basis der Regierungskoalition der Parteien Block Petro Poroschenko-Solidarität, Volksfront, Selbsthilfe und Vaterland.
16.02.2016
Im Parlament scheitert ein Misstrauensvotum gegen Ministerpräsident Arsenij Jazenjuk. 194 Abgeordnete sprechen ihm ihr Misstrauen aus, erforderlich für eine Absetzung sind 226. Er bleibt also im Amt.
Die Fraktion der Partei Selbsthilfe hatte das Misstrauensvotum gegen Ministerpräsident Arsenij Jazenjuk beantragt. Die erforderlichen 150 Unterschriften von Parlamentariern hatte sie in den vergangenen
Tagen gesammelt. Die Parlamentsmehrheit verabschiedet eine Resolution, die die Arbeit der Regierung
für unzureichend befindet.
16.02.2016
Generalstaatsanwalt Wiktor Schokin reicht seinen Rücktritt ein. Am Vormittag hatte Präsident Petro Poroschenko ihn dazu öffentlich aufgerufen. Schokin war vorgeworfen worden, den Kampf gegen die Korruption – u. a. auch in seiner eigenen Behörde – nicht entschlossen genug zu führen.
16.02.2016
Russland und die Ukraine vereinbaren, den im jeweils anderen Land durch offizielle Beschlüsse festgesetzten LKW die Rückfahrt zu erlauben.
16.02.2016
Julia Tymoschenko, die Vorsitzende der Partei Vaterland, beruft den einzigen Minister der Partei, den
Minister für Jugend und Sport, Ihor Schdanow, aus der Regierung ab. Sie erklärt jedoch vorerst nicht den
Austritt ihrer Fraktion aus der Regierungskoalition.
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UKRAINE-ANALYSEN NR. 164, 24.02.2016
17.02.2016
Boris Filatow, der Bürgermeister der ostukrainischen Stadt Dnipropetrowsk, erklärt, ein Abgeordneter des
Oppositionsblocks im Stadtparlament sei von Unbekannten verprügelt worden.
17.02.2016
Die Wahlbeobachterorganisation OPORA fordert, ein kürzlich verabschiedetes Gesetz zurückzunehmen,
da es unter Verletzung der Geschäftsordnung zustande gekommen sei. Das Gesetz sieht vor, dass Kandidaten von einer Parteiliste entfernt werden können, nachdem die entsprechende Wahl abgehalten wurde.
17.02.2016
Julia Tymoschenko, die Vorsitzende der Partei Vaterland, erklärt den Austritt ihrer Fraktion aus der Regierungskoalition. Der am Vortag aus der Regierung abberufene Minister für Jugend und Sport, Ihor Schdanow, erklärt unterdessen, dass er nicht bereit sei, seinen Rücktritt einzureichen. Auf Bitten des Ministerpräsidenten Arsenij Jazenjuk werde er sein Amt weiter ausführen.
17.02.2016
Russland reicht bei einem Londoner Schiedsgericht Klage gegen die Ukraine ein. Grund ist der Kredit in
Höhe von drei Milliarden US-Dollar, den Russland der Ukraine im Jahr 2013 ausgezahlt hatte und dessen Frist zur Rückzahlung Ende 2015 abgelaufen war.
17.02.2016
Der Fraktionschef des Blocks Petro Poroschenko, Jurij Luzenko, fordert Ministerpräsident Arsenij Jazenjuk auf, eine neue Regierung vorzuschlagen oder selbst das Amt niederzulegen. Jazenjuk habe die Unterstützung von vier der fünf Fraktionen der Regierungskoalition verloren.
17.02.2016
Der Abgeordnete des Blocks Petro Poroschenko und Journalist Mustafa Nayem erklärt, dass auf einer
Fraktionssitzung des Blocks diskutiert worden sei, warum am Vortag Ministerpräsident Arsenij Jazenjuk
nicht das Misstrauen ausgesprochen wurde. Ein Teil der Fraktion hatte nicht mit abgestimmt, im Ergebnis waren nicht die erforderlichen 226 Stimmen zusammengekommen. Nayem erklärt, dass Jazenjuk von
ausländischen Botschaftern gestützt werde.
18.02.2016
Ein Vertreter der Generalstaatsanwaltschaft erklärt, dass in den Ermittlungen zu den Ereignissen auf dem
Maidan im Februar 2014 insgesamt 276 Personen angeklagt worden seien. Damals waren insgesamt etwa
100 Menschen durch Schüsse ums Leben gekommen, die große Mehrheit davon Demonstranten.
18.02.2016
Die Fraktionen der Parteien Selbsthilfe und Vaterland treten aus der Regierungskoalition aus. Beide hatten
zuvor einen Rücktritt des Ministerpräsidenten Arsenij Jazenjuk gefordert. Die Koalition verliert mit dem
Austritt der Fraktionen ihre Parlamentsmehrheit. Der Chef der Radikalen Partei, Oleh Ljaschko, erklärt
seine Bereitschaft zur Formierung einer neuen Koalition und zur Umbildung der Regierung. Die Radikale Partei hatte die Regierungskoalition bereits am 1. September 2015 verlassen.
18.02.2016
Das Parlament verabschiedet drei Gesetzesprojekte, die für die EU eine Bedingung für eine Abschaffung
der Visapflicht darstellen. Zuvor waren diese Gesetze mehrfach verändert worden, wogegen EU-Vertreter
Protest eingelegt hatten. Die nun verabschiedeten Fassungen sind im Sinne der EU. Es geht u. a. um eine
Reform der Staatsanwaltschaft.
19.02.2016
Der erste Vizesprecher des Parlaments, Andryj Parubij, erklärt, dass es keinen Anlass gebe, die Auflösung
der Koalition bekanntzugeben. Der gestrige Tag, an dem das Parlament mehrere wichtige Gesetze verabschiedet hatte, habe gezeigt, dass es arbeitsfähig sei. Am 18. Februar 2016 hatten zwei Fraktionen ihren
Austritt aus der Regierungskoalition erklärt.
20.02.2016
Bei einem Gefangenenaustausch kommen drei Soldaten der Ukraine und sechs Kämpfer der Separatisten
frei. Später wird ein weiterer ukrainischer Soldat freigelassen. Nach Angaben der Beauftragten des Präsidenten für die friedliche Regulierung des Konflikts im Donbass, Irina Heraschtschenko, verbleiben damit
133 Soldaten der ukrainischen Armee in Gefangenschaft.
20.02.2016
Boris Gryslow, der Beauftragte Russlands in der trilateralen Kontaktgruppe aus Russland, der Ukraine und
der OSZE, nennt die Voraussetzungen für einen Austausch der verbliebenen Gefangenen. Dazu müsse die
Ukraine ein umfassendes Amnestiegesetz erlassen.
20.02.2016
Der EU-Botschafter in der Ukraine, Jan Tombinski, beklagt, dass es in der Ukraine keinen politischen
Willen zur Einrichtung einer Agentur zur Korruptionsprävention gebe. Anders könne er sich nicht erklären, warum sie nach acht Monaten ihre Arbeit noch immer nicht aufgenommen habe. Die Agentur ist eine
Bedingung der EU zur Abschaffung der Visapflicht.
20.02.2016
In Kiew werfen einige Dutzend Teilnehmer einer Demonstration Steine auf Filialen der Sberbank und der
Alfa-Bank. Beide Banken stammen aus Russland. Außerdem wird ein Büro des ostukrainischen Unternehmers Rinat Achmetow attackiert. Bei der Demonstration sind ukrainische Flaggen und Symbole nationalistischer Organisationen zu sehen. Am Folgetag bestreitet der Vorsitzende der rechtsradikalen Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN), etwas mit den Unruhen zu tun gehabt zu haben.
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UKRAINE-ANALYSEN NR. 164, 24.02.2016
21.02.2016
Ministerpräsident Arsenij Jazenjuk erklärt, dass man im vergangenen Monat die Auszahlung von Sozialleistungen an 150.000 vermeintliche interne Flüchtlinge ausgesetzt habe. Es habe sich ein Betrugssystem
etabliert, bei dem Menschen Papiere vorzeigen, die sie angeblich als geflüchtete ehemalige Bewohner des
Donbass ausweisen. So bezögen sie widerrechtlich zusätzliche Sozialleistungen.
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