FrauTina Verlag GbR Frauke Schumacher & Martina Roth Alsbacher Str. 2 64579 Gernsheim Telefon 06258/992 94 91 Aktuelle Angebote und Aktionen auf frautinaverlag.de Claus Ritzi Tausend Dates und Null Amore Der reife Single Thomas ist wild entschlossen, endlich seine Traumfrau zu finden – sei es per Anzeige oder Partnerportal. Immer schwankend zwischen aufblitzender Arroganz und zerstörerischen Selbstzweifeln lernt er die unterschiedlichsten Frauen kennen – jede genauso schräg und dennoch liebenswürdig wie er selbst. So trifft er unter anderen auf eine sexsüchtige und an Bulimie erkrankte Psychologin, eine sympathisch-abgedrehte Münchner SocietyLady, eine strenge russische Mathematiklehrerin und eine püppchenhafte Betrügerin. Leider erweist sich keine der Damen als passende Partnerin. Oder doch? Sind die Erwartungen des Helden vielleicht einfach ein wenig überspannt? Und warum verliebt er sich mit der Treffsicherheit eines Traumtänzers immer in die falsche Frau? Gibt es schließlich doch noch Amore für den alten, aber unverwüstlichen Liebesguerrillero? FrauTina Verlag GbR • frautinaverlag.de Tausend Dates und Null Amore ISBN 978-3-946230-03-8 12,90 Euro Leseprobe: Kapitel „Liebesmathematik auf russisch“ Thomas hatte in der Zwischenzeit begonnen ein Buch mit Kurzgeschichten über seine Treffen mit Frauen zu schreiben. Obwohl er sich intensiv auf dieses Projekt einließ, war er immer noch fest entschlossen eine Partnerin für‘s Leben zu finden und die Frauen, mit denen er sich noch traf nicht als Material für seine Stories zu sehen. Und dann stieß er im Netz auf Viktoria: Das Bild war zwar verpixelt, aber man konnte dennoch eindeutig erkennen, dass man es mit einer ziemlich jung gebliebenen Frau zu tun zu hatte. Eigentlich war es der typische TwentySomething-Neigungswinkel, den junge Frauen gerne einnehmen, wenn ihr Freund die Kamera direkt auf sie richtet und sie ihm beweisen wollen, wie unschuldig und neckisch sie doch sind. Sie gefiel Thomas und trotz seiner Erfahrungen mit Marina – ein Einzelfall, den man ja als denkender Mensch keineswegs verallgemeinern durfte – weckte sie seine Fantasie. Waren sie nicht alle wunderschön, diese Russinnen, die man im Fernsehen in einschlägigen Reportagen sah? Und modisch jederzeit so top gestylt, dass man sie ohne weitere Umstände von der Straße direkt auf den Catwalk schicken konnte? Thomas konnte sich sein weiteres Leben mit einer heißblütigen Russin verdammt gut vorstellen und begann sofort, ihr eine Mail zu schreiben: „Liebe Unbekannte, wir haben 115 Matchingpunkte – das ist bisher die höchste Trefferzahl aller Partnervorschläge, die ich je erhalten habe! Der Computer hat mit seiner unbestechlichen Logik herausgefunden, dass wir aller Tausend Dates und Null Amore von Claus Ritzi 228 Seiten, Softcover, Format 21 cm x 14,8 cm 12,90 Euro (ggf. zzgl. Versandkosten) ISBN 978-3-946230-03-8 Erhältlich ab Frühjahr 2016 unter frautinaverlag.de oder im Buchhandel Leseprobe – Seite 2: Kapitel „Liebesmathematik auf russisch“ Wahrscheinlichkeit nach sehr gut zusammenpassen und in vielen Aspekten des Lebens gleicher Meinung sind. Ich denke, wir sollten diese Chance nutzen und uns näher kennenlernen. Was meinst du? Ich heiße übrigens Thomas und würde mich freuen, wenn du mir antwortest.“ Viktoria antwortete prompt und das Leben fühlte sich wieder gut an: Vielleicht war es eben doch nicht so schwer auch mit Mitte 50 eine Frau kennenzulernen. Wozu gibt es schließlich Partnerportale, die sich selbst „Niveau“ bescheinigen. Und knapp 300 Euro Jahresbeitrag war angesichts der Möglichkeit eine Viktoria in Wirklichkeit zu treffen eine überschaubare Investition. Sie erzählte Thomas, dass sie Gymnasiallehrerin war und schon längst die deutsche Staatsangehörigkeit erlangt hatte. Auf beides war sie stolz und machte das schon beim ersten Telefonat mit Nachdruck deutlich: „Ich hatte reichen deitschen Mann und Läben in Luxus. Er hat mir gehalten wie Sklavin in goldenä Käfig. Im Prinzip war gut zu mir. Aber seine Famillje hat mich nix anerkannt. Haben mich gehasst – dumme Russin. Sollte Mund halten und keine Meinung haben. Wenn Streit, mein Mann immer zu seiner Familje gehalten. Eines Tages meine Geduld geplatzt. Habe beschlossen, Situation zu ändern!“ Wie genau sie ihre Situation geändert hatte, stand nicht weiter zur Debatte. Viktoria präsentierte lediglich die Fakten und schob nach, dass sie verbeamtet war. Klar, darauf war sie ebenfalls stolz und tat dies auch kund. Thomas fand es immer sehr in Ordnung, wenn eine Frau ihr eigenes Geld verdiente und nicht darauf spekulierte, von ihm durchgefüttert zu werden. Insofern war ihm Viktoria schon nach dem ersten Telefonat durchaus sympathisch. Das Einzige, das ihn ein wenig irritierte war der Umstand, dass sie ihre Verwandlung von der reichen, von ihrem Mann abhängigen Gattin zur unabhängigen und gut verdienenden Gymnasiallehrerin mit All-inklusive-Beamten-Versorgungspaket laut ihrer eigenen Bekundungen noch während der Zeit organisierte, als sie noch mit ihrem Ehegespons liiert war. Aber wie diese Geschichte hinter dem Rücken des Gatten abgelaufen war, wollte er dann doch nicht so genau wissen. „Natürlich bin ich heute geschieden und wieder frei fir Liebä“, sagte Viktoria – dabei gelang es ihr, den Satzanfang so hart wie ein Scharfrichter und das Satzende in dem säuselnden Ton einer dichtenden Vollblutromantikerin zu modulieren. Egal. Hauptsache, sie war frei für Thomas. Offensichtlich assoziierte sie mit dem Wort Liebe ihr wichtigstes Schulfach, nämlich die Mathematik, die sie in unmittelbarem Anschluss an die Bekenntnisse ihrer aktuellen Liebessituation wie ein großes, überzeitliches Kunstwerk pries. Sie sprach von Klarheit und Logik. Von Unbedingtheit und Stringenz. Von einer universellen Sprache. In Sachen Mathematik war sie Thomas eindeutig überlegen, denn dessen wichtigstes Themengebiet war die deutsche Sprache. Er erklärte ihr, dass er Redaktionsleiter einer Fachzeitschrift sei und Rechnen sein mit Abstand schlechtestes Schulfach gewesen war. Um diesen Makel nicht allzu groß erscheinen zu lassen, fügte er aber sofort hinzu, dass sein bester Freund in der Schule auch der beste Mathematikschüler der ganzen Klasse war. Erstaunlicherweise fand es Viktoria überhaupt nicht schlimm, dass seine mathematischen Fähigkeiten gegen null gingen. „Hauptsache, du dänken loggisch. Dann ich dir zeigen, was wichtig in Mathematikk.“ Für ihn als eher musisch veranlagten Mann war das ein ungewöhnliches und ihn auch ängstigendes Versprechen: Er würde mit einer Frau zusammen sein, die ihm die Schönheit der Rechenkünste beibringen würde und dabei auf dem Pixelfoto aussah wie eine Ballerina. Aber noch war sie nur eine Stimme, die aus einem Telefonhörer zu ihm drang. Das Gespräch driftete in praktische Gefilde ab. „Wo du wohnen?“, wollte Viktoria wissen. Thomas nannte ihr den Namen eines bayerischen Dorfes. Viktoria zeigte sich entzückt: „Ich wohnen in Osnabrück. Aber die weniggen Fräunde, die ich habe, kommen alle aus Bayern. Finde Bayern super klasse.“ Na also. Auch wenn Thomas nur ein „Zugroaster“ war, so konnte er doch immerhin mit seinem Wohnsitz punkten. Viktoria beschloss nun, dass man nicht unnötig lange am Telefon herum quatschen, sondern sich ganz einfach möglichst bald real treffen sollte. „Isch will disch bald schon sähen“, säuselte sie und machte Thomas mächtig stolz darauf, genau der Mann zu sein, den eine schöne Russin möglichst bald sehen mag. Tausend Dates und Null Amore von Claus Ritzi 228 Seiten, Softcover, Format 21 cm x 14,8 cm 12,90 Euro (ggf. zzgl. Versandkosten) ISBN 978-3-946230-03-8 Erhältlich ab Frühjahr 2016 unter frautinaverlag.de oder im Buchhandel Leseprobe – Seite 3: Kapitel „Liebesmathematik auf russisch“ Irgendwo in Osnabrück zückte Viktoria ihr iPad und tippte die Kalenderfunktion an. „Isch könnte kommen am lätzten Wochenende von Monat. Dann bringe ich meine Sohn zu Freundin in Holland und fahre dann zu dir. Meine Sohn ist 17 Jahre alt und kein Probläm für dich, oder? Einverstanden mit Termin?“ Thomas sagte „ja“ und überlegte, dass sie im Falle eines Umzugs nach Bayern auch ihren Sohn mitnehmen konnte, für den im obersten Stock noch ein leeres Zimmer bereit stand und der als junger Mann von München sicher begeistert war. Er selbst wäre froh gewesen, wenn er von einem Osnabrück vergleichbaren Ort als Junge endlich eine Gelegenheit gehabt hätte, in eine Großstadt umzuziehen. Außerdem wäre es ja auch für ihn selbst so etwas wie ein neuer Lebensabschnitt, sollte er auf seine alten Tage dann doch noch mal die Vaterrolle übernehmen. Und sei es für einen Adoptivsohn. Thomas war sich sicher, dass sie eine äußerst harmonische Familie werden könnten: Die mathematisch strengen Seiten des Lebens erledigte Viktoria, wohingegen er sich eher um die poetisch fließenden kümmern würde. Und zwischen beiden Polen wuchs der Junge heran, der während seines Reifungsprozesses von der bipolar-familiären Artenvielfalt seiner beiden pädagogischen Bezugsgrößen profitierten würde. In der kommenden Nacht träumte Thomas von ihr: Viktoria saß als russische Ballerina im weißen Tütü auf seinem kakaobraunen Sofa – ein Bild, das ihm von klassischer Schönheit zu sein dünkte. Surreal wirkte dagegen ihr knallrot geschminkter Mund, der sich quallenartig zu immer neuen Formen verbog und dabei Worte von sich gab, die sofort nach ihrer Verbalwerdung wie Seifenblasen zerplatzten. In Thomas‘ Vorstellung verschob sich das in sich nicht stimmige Bild langsam zu einer gleichermaßen romantischen wie sanften, erotischen Fantasie: Er sah einen in Zeitlupe dozierenden roten Mund über einem in leichtem Schwung geneigten schlanken Hals, der von einer Woge weich fallender Haare umspült wurde. Die Anmutung der Pose wurde zusätzlich noch von Viktorias rehäugigen, verträumten Blicken aus ihrem fast faltenfreiem Gesicht unterstrichen und wirkte auf Thomas wie eine Einladung, sich über ihr Antlitz zu beugen, sie zu küssen und ihr ins Ohr zu nuscheln, dass er ein Fan von abstrakten universel- len Sprachen sei und sich fortan unter ihren süßen Anleitungen der Mathematik zuwenden wollte. Dann dachte er an Geometrie und den Begriff des „gleichschenkligen Dreiecks“. Die wenigen Telefonate, die man bis zu ihrem ersten Treffen führte, waren knapp und bezogen sich im Wesentlichen auf die Bestätigung des Termins. Viktoria verkündete, dass sie die weite Strecke über Nacht fahren wolle, denn „dann kann ich bisschen schneller farren“. Sie hatte einen gebrauchten fünfer BMW und erläuterte, dass sie bei ihrer Anreise eine Durchschnittsgeschwindigkeit von knapp 200 Stundenkilometern anzustreben gedachte. Thomas fand das großartig, zumal er seinen Golf, wann immer es möglich war, ebenfalls auf 200 Kilometer – zumindest auf dem Tacho – hochzujagen pflegte. Ein anderes Mal streiften sie das Thema „wohnen“. Auch in diesem Bereich war Viktoria offensichtlich sehr erfolgreich: Sie hatte in Osnabrück die Villa eines Unternehmers erstanden, der schon sehr alt war „und plötzlich Geld brauchte, weil er in Pflegeheim musste. Ich wusste: Jetzt Schnäppchen machen. Und habe gekauft Haus.“ Sieben Zimmer, 230 Quadratmeter, riesiges Grundstück. Es ist nun nicht so, dass Thomas in irgendeiner Form zu Neid neigte. Im Gegenteil: Wenn Mercedes beispielsweise eine neue S-Klasse vorstellte, freute er sich darüber, dass nun ein weiteres Traumauto in der Welt war. Und natürlich hatte Thomas Freude an schönen Dingen und würde es lieben, eine Villa einzurichten. Hinzu kam, dass er ohnehin ein Fan von BMW war und ganz gewiss eines Tages auch besser motorisiert sein würde. Im Übrigen war Thomas auch total froh darüber, eine Doppelhaushälfte zu besitzen und fand 130 Quadratmeter den Lebensumständen eines Redaktionsleiters angemessen. Neid entsprach überhaupt nicht seinem Naturell, das er selbst ziemlich hemmungslos mit den Worten Großzügigkeit, Toleranz, Zufriedenheit und Ausgeglichenheit beschreiben würde. Das Einzige, das ihn wirklich störte, war dieses Beamtending. Da sein Wesen eher an der rechenabgewandten Seite der Welt orientiert war, und manch einer Thomas als Träumer bezeichnete, hatte er bis zu Viktorias Erscheinen nicht gewusst, dass vom Tausend Dates und Null Amore von Claus Ritzi 228 Seiten, Softcover, Format 21 cm x 14,8 cm 12,90 Euro (ggf. zzgl. Versandkosten) ISBN 978-3-946230-03-8 Erhältlich ab Frühjahr 2016 unter frautinaverlag.de oder im Buchhandel Leseprobe – Seite 4: Kapitel „Liebesmathematik auf russisch“ Bruttogehalt von Beamten kaum Steuern abgezogen werden. Und so kam es, dass die russische Gymnasialmathematikerin einfach mehr Bares zur Verfügung hatte, zumal sie ja auch kaum noch Geld in die private Altersversorgung investieren musste. Diese Form des finanziellen Ungleichgewichts in einer Partnerschaft konnte Thomas trotz aller Toleranz, die er in sein Selbstbild implementiert hatte, nur schwer ertragen. Aber okay, vielleicht könnte man sich ja einfach zusammentun, die Villa in Osnabrück verkaufen und ein Haus am Ammersee beziehen, das man dann gemeinsam besaß. Außerdem war es ja nicht schlecht, dass wenigstens Viktorias Zukunft abgesichert war und sie bei dem herrschenden Lehrernotstand vermutlich ratzfatz in Bayern eine Stelle finden würde und ihr Leben umorganisieren könnte. An dieser Stelle musste Thomas ihr in Bezug auf ihre Flexibilität auch ein Kompliment machen: Die Idee, ihr Leben vollkommen umzuorganisieren, begeisterte sie ebenso schnell wie ihn selbst. Und so kam es, dass er in Erwartung des gemeinsamen Glücks schon vor ihrem Besuch in die nächste Kreisstadt fuhr, um die Adressen der örtlichen Gymnasien abzuklappern. Das Wochenende rückte näher und Thomas begann, einen Putzplan zu entwickeln. Wenn Viktoria Freitagnacht fuhr, war sie vermutlich samstags am frühen Vormittag bei ihm. Er beschloss, sowohl am Donnerstag- als auch am Freitagabend das Haus aufzuräumen und zu reinigen. Am Freitagabend konnte er sich dann zur Belohnung noch gemütlich ein Bier genehmigen. Sein Haus sollte blitzen und blinken vor Sauberkeit und Viktoria Respekt abnötigen. Schließlich hatte sie ihm in einem ihrer knappen Telefonate gestanden, dass sie mindestens drei Zimmer in ihrer Villa leer stehen ließ und auch nicht regelmäßig säuberte. „Und Putzfrau kann ich nicht gebrauchen. Zu ungenau. Musst du immer dabeistähen. Kann ich gleich selber machen.“ Das war exakt das Argument, mit dem Thomas den Vorschlag seiner besorgten Mutter abwehrte, sich eine solche Fachkraft zuzulegen. Insofern gab es zwischen ihm und Viktoria auch in Bezug auf alltäglich-praktische Dinge eine ordentliche Schnittmenge, die auf einen Verständigungsgrad schließen ließ, der als Basis für eine gelingende Zweierbeziehung dienen konnte. Generell hatte Thomas ein gutes Gefühl. Sein Leben erschien ihm wie auf Viktoria zugeschnitten: Sie musste nur noch zu ihm kommen und sich in sein gutes bayerisches Leben einfügen. Seine Vorfreude auf die wunderschöne Russin war riesig. Endlich wieder eine Frau in seinem ansonsten eher öden und gestressten Leben. An seinem Erwartungshorizont zeichnete sich etwas ab, das den Gesetzmäßigkeiten der Natur folgte: Auf Regen folgt Sonnenschein. So musste es einfach auch bei ihm sein: Auf eine Phase ganz ohne Frau folgen Jahre, die von den Wonnen weiblicher Anwesenheit geprägt sind. Dem dämlichen Stillschweigen im Wohnzimmer folgen Tage und Nächte voller brillanter Debatten oder zumindest kommentierter Fernsehereignisse. Das Leben würde wieder Fahrt aufnehmen und es gäbe noch eine Qualität jenseits der Arbeit. Selbst das Putzen machte unter diesen Vorzeichen Spaß. Thomas rockte die Bude in Sportkleidung und war vom Wischen, Feudeln und Staubsaugen so nassgeschwitzt, als wäre er eine Stunde gejoggt. Sein Haus war zwar klein und bescheiden, aber gewienert und geschrubbt war es ein wahres Kleinod aus Eleganz und Gemütlichkeit. Thomas liebte es und Viktoria würde sich hier bestimmt wohl fühlen. Es war Freitagabend und er war mit dem Hochdruckstrahler gerade damit beschäftigt, den hartnäckigen Urinstein aus der Toilette im Erdgeschoss zu entfernen. Irgendwie hatte er ein schlechtes Gewissen, denn obwohl er stets darauf geachtet hatte, das Haus möglichst sauber zu halten und zumindest das Wohn- und Esszimmer immer so weit in Ordnung haben wollte, dass er jederzeit Gäste empfangen konnte, war ihm die schleichende Verunreinigung der Toilette gar nicht aufgefallen. Erst als er das stille Örtchen – sozusagen Viktorias Blick antizipierend – mit den Augen einer schönen Frau sah, dachte er, dass er irgendwie doch ein kleines Ferkel war. Thomas gelobte Besserung – in Zukunft sollten auch seine WCs picobello sein. Dann läutete es. Die Schweißflecken seines Unterhemdes waren tellergroß und seine alte Turnhose war schon ein wenig ausgeblichen, aber auf einem bayerischen Dorf sind die Nachbarn nicht so kleinlich, zumal sie ja selbst ständig in ihren Gärten herumwühlen oder sonst wie mit Hausarbeiten beschäftigt sind, für die man gerne Tausend Dates und Null Amore von Claus Ritzi 228 Seiten, Softcover, Format 21 cm x 14,8 cm 12,90 Euro (ggf. zzgl. Versandkosten) ISBN 978-3-946230-03-8 Erhältlich ab Frühjahr 2016 unter frautinaverlag.de oder im Buchhandel Leseprobe – Seite 5: Kapitel „Liebesmathematik auf russisch“ mal alte Klamotten aufträgt. Dumm nur, dass es kein Nachbar, sondern Viktoria war, die vor der Tür stand. „Viktoria?“, fragte Thomas überflüssigerweise und vergaß für einen kleinen Moment sie hereinzubitten. „Ja“, antwortete sie mit hauchdünner Stimme und zitterte dabei ein wenig. Verschämt schloss er mit der linken Hand die Toilettentür und bedeutete ihr mit der rechten doch bitte einzutreten. Auch wenn seine äußerliche Erscheinungsweise derart von seinem für diese Zusammenkunft geplanten Protokoll abwich, so gelang es ihm doch, diesen Fauxpas angesichts der Unsicherheit von Viktoria zu überspielen, die bei Thomas aufgrund ihrer rührenden Hilflosigkeit sofort die Rolle des galanten Ritters aufrief. Er führte sie in der Art eines Butlers zur Couch und bot ihr einen Cognac an, den sie mit einem Schluck hinunterspülte. „Ja, es ist so“, begann sie mit einer Erklärung für ihre viel zu frühe Ankunft und brach den Satz auch sogleich wieder ab, um Thomas mit großen, mit kräftig Kajal umrandeten Augen anzuschauen und zu fragen: „Hast du nicht gelesen SMS, die ich geschrieben habe?“ Er hatte geputzt und nichts sonst, der Tag war mit einer Art Hochleistungsputzaktivität bis an die Grenzen seiner zeitlichen Dehnbarkeit ausgefüllt gewesen und das Handy war unbeobachtet und stumm in der schon am Vortag gereinigten Küche gelegen. „Nein, ich habe keine Nachricht von dir empfangen“, sagte er verblüfft und eilte kurz in die Küche, um zu checken, ob eine neue Nachricht eingegangen war. Tatsächlich – schon am frühesten Morgen war eine Botschaft von ihr eingetrudelt. „Komme früher, erkläre dir alles am Freitagabend“ stand da zu lesen. „Also es ist so“, fing Viktoria, die nun schon einen Tick unaufgeregter war, an: „Hast du in Russland Freinde, erwarten sie jedderzeit deine Gastfreundschaft.“ Das klang soweit ganz gut, aber was haben russische Freunde mit der verfrühten Ankunft zu tun? „Ich habe russische Freinde, die in Amerika läben. Sind gestern nach Deutschland gekommen, haben angerufen und mir gesagt, dass sie am Sonntag zu Besuch bei mir vorbeikommen. Musste ich also früher zu dir und fahre dann morgen Nacht zurück.“ Oha. Strammes Programm. Stramme Freunde. Stramme Frau. Erst jetzt verpuffte so langsam der Überrumpelungseffekt und Thomas begann Viktoria genauer wahrzu- nehmen. Sie hatte ein sympathisches, vollwangiges Gesicht, das von einer unglaublich dichten, sandfarbenen Löwenmähne umrahmt wurde. Betrachtete man ihre starken Arme und ihr breites Kreuz, dann schied sie als Ballerina aus und war eher Mitglied in einem olympischen Schwimmkader. Auch die Schenkel waren alles andere als zart. Nur in einer Hinsicht glich sein vorgefertigtes Bild der Frau, die vor ihm auf seinem Sofa saß: Sie war modisch gestylt und auf High Heels aufgebockt, die in dieser Höhe noch nie eine Frau in seinem Wohnort getragen hatte. Thomas war hin- und hergerissen. Selbst wenn er sie dazu bringen konnte, zehn Kilo abzuspecken, blieb immer noch das viel zu breite Kreuz. Andererseits standen ihre mädchenhafte Verlegenheit und ihr scheues Lächeln in diametralem Gegensatz zu ihrem breiten Rücken. Und wenn man so wollte, überdeckte die Löwenmähne gewissermaßen die allzu kräftige Ausformung ihres Oberkörpers. Viktoria war eine Frau, die er absolut wechselhaft wahrnahm: War sie in einem Moment schön, konnte man sie eine Sekunde später schon wieder nicht ganz so prima finden. Aber sie war sympathisch und Thomas musste dringend die Klamotten wechseln. Also stellte er ihr noch einen Cognac hin, huschte in Bad und Schlafzimmer und kam frisch geduscht in Jeans und Hemd wieder zu ihr zurück. Viktoria hatte schon das zweite Glas geleert und schien sich vollkommen gefangen zu haben. „Weißt du was?“, sie sah ihn strahlend und erwartungsfroh an, „Machen wir doch einfach das Bäste aus unsere Situation!“ Grundsätzlich war Thomas immer dafür das Beste aus einer Situation zu machen und so fand er es auch völlig in Ordnung, dass sie „zur Entspannung“ kochen wollte. „Machen wir einfaches Gericht. Spaghetti Bolognese. Lass uns in Supermarkt fahren und schnell einkaufen.“ Spaghetti, Hackfleisch, Parmesan. Okay. Im Supermarkt bemerkte er die Blicke der anderen Männer. Viktoria war äußerst vorteilhaft gekleidet. Sie trug einen beigefarbenen, leichten Sommermantel, der knapp über den Knien endete und von Weitem wie ein kurzes, ziemlich sexy Kostümchen wirkte. In Kombination mit den atemberaubend hohen Nuttenstelzen und der Löwenmähne entsprach ihre Silhouette aus der Ferne den Idealmaßen einer Tausend Dates und Null Amore von Claus Ritzi 228 Seiten, Softcover, Format 21 cm x 14,8 cm 12,90 Euro (ggf. zzgl. Versandkosten) ISBN 978-3-946230-03-8 Erhältlich ab Frühjahr 2016 unter frautinaverlag.de oder im Buchhandel Leseprobe – Seite 6: Kapitel „Liebesmathematik auf russisch“ Pornodarstellerin – erst bei näherer Betrachtung trat das breite Kreuz wieder in den Vordergrund. Thomas musste zugeben, dass er es genoss, im örtlichen Supermarkt mit einer getunten Sexbombe herumzuschlendern und nach Spaghetti Ausschau zu halten. Auf der anderen Seite fragte er sich jedoch, ob er langfristig mit Viktoria im Dorf nicht doch einen gewaltigen Imageschaden erleiden würde und er stellte sich vor, wie die Nachbarn hinter ihm tuscheln würden und er einen neuen Spitznamen bekäme: Porno-Tom. Viktoria ignorierte die lüsternen Blicke der Männer ebenso wie die hasserfüllten der dörflichen Hausfrauen. Offensichtlich war der Einkauf von Lebensmitteln für sie ein sinnliches Erlebnis, das ihre ganze Konzentration erforderte. Vor dem Regal mit den tausend Nudelsorten stolzierte sie wie ferngesteuert auf eine ganz bestimmte Marke zu und befand mit gnadenloser Selbstgewissheit, dass „du nurr mit diese Nudeln pärfekte Spaghetti machen kannst“. Beim Weinregal tippte sie ebenso zielsicher auf einen schweren roten und beteuerte nebenbei, dass sie kaum Alkohol trinken würde. Thomas legte zwei Flaschen in den Korb. In der Küche durfte er nichts tun. Man muss dazu sagen, dass Thomas sehr gerne kochte. Gut, sie ließ ihn Zwiebeln und Knoblauch schälen. Aber sie bestand darauf, dass die Zwiebeln von Anfang an mit den Spagetti und dem Fleisch vermengt in Butter geschwenkt wurden, während der Knoblauch erst ganz zum Schluss über das Gericht gestreut werden durfte. „Wenn du Knoblauch zu früh einrührst, wirkt nicht. Muss scharrf sein und frrisch!“ Ihre Art Sätze in Form von unverrückbaren Gesetzen zu formulieren, begann ihm Kummer zu machen. Thomas war eher ein Mensch, dessen Sätze von einem unsichtbar-moderaten „naja“ begleitet werden. Aber auf der anderen Seite: Hatte sie nicht den leckersten Barolo im ganzen Regal herausgefischt? Irgendwie kannte sie sich mit Lebensmitteln aus. Und irgendwie stieg auch die Stimmung. Und irgendwann hatte er seinen Arm um die Frau am Herd gelegt. Eigentlich war sie doch ganz schön. Und sympathisch war sie ja allemal. Ob der Knoblauch nun gleich oder später eingeführt wird, sollte ohnehin nicht so wichtig sein. Irgendwann waren beide betrunken. Die Teller standen mit Essensresten verkrustet in der Küche und Viktoria und Thomas schleckten ein wenig an einander herum. Die Zeit verging viel zu schnell. Plötzlich war Viktoria von der langen Fahrt erschöpft und er führte sie leicht wankend in das Zimmer unter dem Dach, wo sie – wie schon lange zuvor verabredet – völlig unbehelligt übernachten konnte. Der letzte Kuss im Zimmer war ein tiefer, rotweingetränkter Zungenkuss. Kurz vor dem Einschlafen fragte sich Thomas, ob das Leben nicht grundsätzlich von Kompromissen geprägt ist und er Abstriche von seinem Primaballerina-Frauenprinzip machen sollte und sich stattdessen mit Löwenmähne, High Heels und neuen Lebensmittelerkenntnissen arrangieren sollte. Noch bevor er sich zu einer Antwort durchringen konnte, gab ihm der Alkohol den entsprechenden Paukenschlag und er sank in ein tiefes Vergessen. Am nächsten Morgen stand sie schon im Wohnzimmer, als Thomas die Treppe herunterkam. Es war ein groteskes Bild: Sie hatte eine Decke über den Kopf geworfen und sah mit ihrer darunter hervorquellenden Mähne aus, als ob sie auf dem Plattencover von Woodstock erwacht wäre. Lediglich die abenteuerlich hohen Schuhe, die sie schon am Vortag trug passten nicht in dieses Bild. Wegen ihres schnellen Aufbruchs bei ihrer Freundin hatte sie nach eigener Aussage „einfach vergässen“ bequemere Schuhe einzupacken. Nun denn. Es war kaum zu übersehen, dass sie von einem Kater gequält wurde und Thomas hatte ein wenig Mitleid mit ihr: Wie sie in seinem Wohnzimmer herumstand, wirkte sie überaus hilflos. Nach dem Frühstück und einer Dusche schien sie jedoch wie verwandelt und wirkte wieder recht tatendurstig. Sie warf einen Blick auf die Süddeutsche Zeitung und entdeckte einen Artikel über die Energiewende. Ohne ihn genauer zu lesen entfuhr es ihr schrill: „Energiewände! Wenn ich Wort schon höre!“ Thomas war irritiert: Was hatte sie nur? „Ihr Deitschen seid verruckt! Ohne Atom habt ihr bald schon nix mehr Strom!“ Schon sein fragender Blick schien sie zu ärgern: „Ich bin Mathematikkerin. Ich rächne. Nix Spekulation! In Deitschland ohne Atom geht Lichter aus!“ Thomas versuchte einzuwenden, dass es wohl Tausend Dates und Null Amore von Claus Ritzi 228 Seiten, Softcover, Format 21 cm x 14,8 cm 12,90 Euro (ggf. zzgl. Versandkosten) ISBN 978-3-946230-03-8 Erhältlich ab Frühjahr 2016 unter frautinaverlag.de oder im Buchhandel Leseprobe – Seite 7: Kapitel „Liebesmathematik auf russisch“ soooo dramatisch doch nicht kommen werde. Möglicherweise war es der Restalkohol im Gemisch mit ihrem russischen Temperament, das Viktoria auf die Palme brachte: „Gehörst du auch zu die Spinner? Wo glauben, Strom kommt aus Steckdose? Ich Mathematikkerin – rächne. Strom wird nicht reichen in Deitschland!“ Sie gestikulierte wild und versicherte Thomas immer wieder, dass sie auf diesem Gebiet eine Art Expertin sei und es hasse, dass in Deutschland die Menschen so traumtänzerisch dem „Aberglauben“ verfallen seien, ohne Atomstrom auszukommen. Thomas dachte still, dass man im Falle eines Energiemangels einfach die Erregungsenergie von wutschnaubenden Russinnen anzapfen müsste, um für den entsprechenden Ausgleich zu sorgen. Er wagte es jedoch das Wort „Fukushima“ in den Raum zu stellen. Für Viktoria war das kein Argument: „Deitsches Atomkraftwerk viel stabiler. Und dass Tsunami und Erdbeben in Deitschland gleichzeitig auftreten ist von Natur aus unmäglich.“ Thomas nuschelte noch ein kurzes „aber trotzdem ...“ bevor Viktoria ihn anblaffte: „Kann nicht zusammen sein mit schwache Mann. Mann wo nicht sieht Realität! Trotzdem danke für alles.“ Dann rannte sie in das Gästezimmer, packte so schnell ihre Sachen zusammen, wie es Thomas noch bei keinem anderen Menschen erlebt hatte, hastete die Treppenstufen hinab und ward ebenso schnell verschwunden, wie sie gekommen war. Thomas hörte noch das satte Motorengeräusch ihres BMWs, dann war er wieder alleine. Er wusste nicht, die wievielte Pleite Viktoria war, aber Thomas beschloss weiter an seinem Buch über seine schrillsten Erfahrungen mit weiblichen Bekannt- schaften zu schreiben. Als er darüber nachdachte was er damit erreichen konnte, schwankte er wie üblich zwischen Selbstkritik und leichtem Größenwahn: Bestimmt würde er keinen renommierten Verlag finden und musste seine Aufzeichnungen im Selbstverlag herausbringen. Dann würden es ein paar Leute aus seinem Bekanntenkreis kaufen und ihn nach der Lektüre misstrauisch beäugen: Zu wieviel Prozent war die Hauptfigur mit ihm persönlich identisch? Auf der anderen Seite steigerte sich Thomas in eine Vision hinein: Ganze Heerscharen von Frauen in der Midlife-Crisis würden sein Buch lesen, um die männliche Sicht auf Dates besser verstehen zu können. Zwar würde ihnen das Buch keinen Deut weiterhelfen, da ja die Sichtweise jeden Mannes eine verdammt individuelle Angelegenheit war, aber der ganze Schmarrn könnte ihm ein wenig Geld in die Kassen spülen: Wie viel Geld konnte man eigentlich mit einem Bestseller verdienen? Würde es reichen, um sich endlich eine ordentliche Karre zulegen zu können, mit der Thomas neue Damenbekanntschaften beeindrucken könnte? Auch seine journalistische Karriere könnte sein Buch befördern: Thomas sah sich schon in der Rolle eines Spiegel-, Stern- oder Zeit-Autors. Alleine dass die Realität schon so weit gediehen war, dass er an den Rand dieser Fragestellung gekommen war und die – wenn auch klitzekleine – Möglichkeit bestand, dass er sich eines Tages ganz real überlegen musste wie er seinen neuen Reichtum anlegen sollte, bescherte Thomas gute Laune. Obwohl er wusste, dass alles völliger Blödsinn war, beschloss er wider alle Vernunft seine Träume als Realität der ganz fernen Art in sein jetziges Leben zu integrieren. Claus Ritzi Jahrgang 1958, gelernter Geisteswissenschaftler (Literaturwissenschaft, Philosophie, Soziologie) arbeitet heute in einem renommieren Corporate Publishing Verlag als Key Account Manager und Chefredakteur. Der Einstieg in den Traumberuf des Journalisten war nicht ganz einfach. Denn obwohl er schnell in einer lokalen Redaktion der Süddeutschen Zeitung die Ehre hatte, auch für das Feuilleton schreiben zu dürfen, musste er seine Tätigkeit als Autor mit Aushilfsjobs als Taxifahrer kombinieren, um überleben zu können.
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