Franz Josef Strauß im Film

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DeR KanDiDaT
Franz Josef Strauß
Franz Josef Strauß im Film
Vieles lässt sich nachlesen, in Büchern und Artikeln
über Franz Josef Strauß; mit kritischen und lobenden
Texten könnte man Monate des Lesens verbringen. In
den besten, oft wohl eher zufällig entstandenen Augenblicken der filmischen Dokumente, in den non-verbalen
vor allem, finden sich Informationen, die in keiner Lektüre zu entdecken sind. Zum Beispiel in dem Interview,
das Günter Gaus 1964 in der TV-Reihe ZUR PERSON
mit Strauß geführt hatte; der war zu diesem Zeitpunkt
nicht mehr Verteidigungsminister und noch nicht Finanzminister. Strauß erklärt selbstbewusst, dass sich
die Fantasie der Bürger an eigenwilligen Personen –
natürlich denkt er dabei an sich – eben viel stärker entzünden würde. Während er dies sagt, raucht er eine
dicke Zigarre; vielleicht soll sie an Ludwig Erhard erinnern, vielleicht auch zeigen, dass er ein handfester und
genussfähiger Kerl ist und eben kein blutleerer Asket.
Im Verlauf des Interviews gerät die Pose zum Fiasko.
Immer deutlicher wird, dass er zu hastig raucht, dass
die Zigarre viel zu heiß wird. Das ist keinem Genuss,
sondern einem Image-Zwang geschuldet. Immer häufiger muss der Mann husten, und für die zunehmend
deutlichen Zeichen der Transpiration ist wohl kaum nur
die Temperatur im Studio verantwortlich. Strauss verträgt diese Zigarre einfach nicht! Aufschlussreich: Für
ein zweites, vier Jahre später aufgezeichnetes Gespräch mit Gaus hat Strauß die Konsequenz gezogen;
statt der Zigarre hält er von Anfang bis Ende eine Brille
in der Hand; er setzt sie niemals auf, lässt sie aber
auch nicht los – als bräuchte er etwas, an dem er sich
festhalten kann. Vielleicht soll ihn die Brille auch intellektuell wirken lassen. Gaus fragt ihn, warum er so
viele Probleme mit Intellektuellen habe. Antwort: Er,
Strauß, sei doch selbst ein Intellektueller.
Aus heutiger Sicht widerlegen die Dokumente auch
den Mythos, Strauß sei ein begnadeter Rhetoriker gewesen. Er ist souverän im Ausweichen, auch im Fintieren, doch seine Waffe war nicht das Florett, sondern
der Säbel. Wenngleich er letztlich kein brillanter Redner
war, so gab er redend immerhin Inhalte seines Denkens preis. Mit Blick auf heutige Politiker kann man das
durchaus als Vorzug betrachten. Strauß hat zum Beispiel nicht gezögert, den chilenischen Diktator Pinochet
als »Garant der Freiheit« zu preisen. »Schillernd« mag
einstige Bewunderung wieder zu neuem Leben erwecken. Und den Verdacht, der Ärger von damals sei
produktiver und damit leichter zu ertragen gewesen als
es der Frust über die Politiker von heute je sein kann.
hans Günther pflaum
Filmprogramm zur Ausstellung »Franz Josef Strauß im Bild«,
die vom 24. April bis zum 2. August 2015 im Münchner Stadtmuseum zu sehen ist.
Schnipp-Schnapp Schüsse | DDR 1959 | R+B: Walter Heynowski | 10 min | Agitatorischer Kurzfilm über
die Wiederbewaffnung der BRD. – Zur Person: FranzJosef Strauß | BRD 1964 | R+B: Günter Gaus | 64 min
| Legendäres Fernsehinterview: »Lassen Sie mich meinen Versuch, ein Strauß-Porträt zu zeichnen, mit der
Frage beginnen: Wie erklären Sie sich selbst die Hitzigkeit, die Erregung, die die öffentliche Meinung annimmt, sobald Ihr Name fällt?« (Günter Gaus) – Hier
Strauß | USA 1965 | R+B+K: Don Alan Pennebaker,
Michael Blackwood | 34 min | deutsche OF | Direct-Cinema-Porträt, das ohne Kommentar, Interview oder
direkte Ansprache auskommt. »Meine Ankündigung,
einen Film über Strauß zu machen, provozierte wildes
Gelächter. Es schien eine absurde Idee zu sein. Man
nahm ihn entweder nicht ernst oder hielt ihn für einen
üblen Charakter, eine Person jedenfalls, die man nicht
leiden kann. Das interessiert mich immer.« (Don Alan
Pennebaker)
▶ Dienstag, 5. Mai 2015, 21.00 Uhr
Der Kandidat | BRD 1980 | R+B: Alexander Kluge, Volker Schlöndorff, Stefan Aust, Alexander von Eschwege
| K: Igor Luther, Werner Lüring, Jörg Schmidt-Reitwein,
Bodo Kessler, Thomas Mauch | 129 min | »Als Filmcharakter gefiel uns Franz Josef Strauß gut. Als Bundeskanzler fanden wir ihn unpassend. Es war aber
nicht die politische Überzeugung (die wir auch durch
Ausübung unseres Wahlrechts hätten ausdrücken können), sondern die Chance eines weiteren Kollektivfilms
(also die Vereinigung der Willenskräfte), die zur Herstellung des Films DER KANDIDAT führte.« (Alexander
Kluge) »Wir waren uns von Anfang an einig, dass wir
nicht einen Pro- oder Anti-Strauß-Film drehen wollten.
Sondern wir wollten nachfragen, was ist das für ein
Land, in dem ein Mann wie Strauß, der sich seine
Chancen immer im letzten Moment durch Skandale
verdorben hat, heute im Alter von 65 Jahren behaupten
kann, er sei der geeignete Mann für das wichtigste politische Amt in dieser Republik.« (Volker Schlöndorff)
▶ Dienstag, 19. Mai 2015, 21.00 Uhr
Franz Josef Strauß
man diesen Bayern nennen; entsprechend disparat
sieht dann auch DER KANDIDAT aus: der Film, mit dem
Alexander Kluge, Volker Schlöndorff, Stefan Aust und
Alexander von Eschwege den Weg von FJS zum Kanzlerkandidaten verfolgten. Einmal fährt Strauß zu seinem Rivalen, dem niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht. Die beiden Politiker treffen sich in
der Staatskanzlei in Hannover. Vor einem Interview sitzen die zwei auf einem Sofa, jeder wusste, die beiden
können sich nicht ausstehen, aber hier lächeln sie sich
an wie ein altes Ehepaar und versuchen, die Stille mit
Smalltalk zu überwinden – sie dürfen sich nicht anschweigen. Sie reden, aber sie haben sich nichts zu
sagen: Die Szene ist peinlich, lächerlich und, insgeheim, irgendwie todtraurig.
Eine merkwürdige latente Unsicherheit ist auch hinter
den Momenten der Selbstironie zu spüren. Strauß
nimmt sich niemals wirklich auf die Schippe; seine Versuche, mit sich ironisch umzugehen, bleiben ein stets
erkennbares Bemühen, das Wohlwollen der anderen
auf sich zu ziehen. Zu Beginn von D. A. Pennebakers
Film HIER STRAUSS (1965) verlässt der Politiker ein
Haus und bedankt sich bei seinem Gastgeber für irgendein »Entgegenkommen« – wer die vielen Affären,
die Strauß keineswegs alle unbeschadet überstanden
hat, noch im Kopf hat, könnte hellhörig werden. Dann
geht Strauß eine Straße entlang, unterwegs erkundigt
er sich leutselig in Richtung Kamera: »Läuft er?« Und er
steigt in ein Auto, die Kamera hat neben ihm Platz genommen. Strauß fragt: »Aber die schlechten Bilder nehmen sie raus?!« Das klingt leutselig, in der vermeintlichen Naivität irgendwie unschuldig. Für DER KANDIDAT sollen sich die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten geweigert haben, auch nur eine Sekunde
Archiv-Material zur Verfügung zu stellen. Angst vor
»schlechten Bildern«? Ein paar Filmminuten, nachdem
Strauß zu dem unsichtbar bleibenden Kameramann ins
Auto gestiegen ist, sehen wir ihn bei der CSU-Landesgruppe in Bonn. Die Herren haben Zoff miteinander.
Alle sitzen, nur Strauß steht. So kann er auf sie herabschauen. Einige davon macht er zur Schnecke. Sein
Machtbewusstsein ist in kaum einem Augenblick dieser Filme zu übersehen. Nur einmal – weiß der Himmel,
warum er sich dabei von Pennebaker hat filmen lassen
– liegt der angebliche Kraftmensch total erschöpft in
einem Sessel, bei sich zu Hause in Rott am Inn; gegenüber der Aktivität seiner Frau, die ihm den Zeitplan der
kommenden Woche aufs Auge zu drücken scheint,
wirkt er völlig hilflos.
Es gibt viele kleine Sequenzen in diesen Filmen, die
den alten Zorn – oder auch, je nach Standpunkt – die
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