Veränderungen der Bodenvegetation und des Oberbodenzustandes

Veränderungen der Bodenvegetation und des Oberbodenzustandes
durch Fichtenanbau auf Standorten des Kalkbuchenwaldes
Dipl.-Ing. Jochen Engelhardt, Waldbau-Institut, Albert-Ludwigs Universität Freiburg
Buchenwälder mit Beimischung von Ahorn, Esche und anderen Laubhölzern stellen
auf den meisten Standorten die natürliche potentielle Vegetation (TÜXEN 1956) der
Schwäbischen Alb dar. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde begonnen, devastierte
Flächen gezielt mit Fichte aufzuforsten. Diese Aufforstungen nehmen heute etwa ¼
der Waldfläche der mittleren Alb ein.
Wirtschaftliche Bedeutung:
Oberflächlich entbaste Kalkverwitterungslehme bieten gute Wuchsbedingungen für die
Fichte. Hier leistet sie einen wesentlichen Beitrag zur betrieblichen Wertschöpfung. Bei
hohen Kalkgehalten im Oberboden tritt verstärkt Rotfäule auf und führt zu
Holzentwertung und
zunehmender Instabilität der ohnehin durch
Sturm- und
Borkenkäfer beeinträchtigten Fichte. Ein Flächenrückgang der Fichte durch
Überführung reiner Fichtenforsten in stabile Mischbestände ist zu beobachten.
Ökologische Diskussion:
Müller schreibt 1999: „Das Aufforsten mit Fichten bedeutet für viele Frühjahrespflanzen
des Waldes nicht nur eine Bedrohung, sondern meist die sichere Vernichtung.“
Überlegungen zur Naturnähe führen zur Buche als Hauptbaumart der natürlichen
potentiellen Vegetation. Andererseits werden seltene Pflanzenarten (z.B. Pyrolaceen
und Orchideen) speziell unter Fichte beobachtet.
Die vorliegend Arbeit untersucht den Einfluss der Fichte auf die Bodenvegetation und
den Oberboden anhand des Vergleichs reiner Buchenüberschirmung mit
zunehmendem Anteil an Fichtenüberschirmung bis hin zur reinen Fichte. Auf 172
Probeflächen in 37 Beständen (51-90-jährig) der mittleren Schwäbischen Alb (ebene
bis schwach geneigter Lage, vorwiegend 20-60 cm Gründigkeit) wurde Vegetation,
Baumartenüberschirmung, Lichteinfall, Oberbodenzustand und Bodenmächtigkeit
erhoben.
Anhand erster Auswertungen werden für die forstliche Praxis interessante Aspekte der
Artenzusammensetzung dargestellt.
1. Artenvielfalt
Es wurden in dieser Untersuchung 214 Arten von Gefäßpflanzen und 57 Moosarten
erfasst.
Die
durchschnittliche
Artenzahl
je
Aufnahmefläche
steigt
von
reiner
Buchenüberschirmung (25 Gefäßpflanzen, 5 Moose) zu reiner Fichtenüberschirmung
(47 Gefäßpflanzen, 21 Moose) relativ kontinuierlich an.
Die Arten wurden nach ihrem Vorkommen ( a) fehlend unter reiner Fichte (z.B,
Aronstab (Arum maculatum), Gelbes Winröschen (Anemone ranunculoides),
Türkenbund-Lilie (Lilium martagon), b) fehlend unter Buche ( z.B. Wald-Schaumkraut
(Cardamine flexuosa), Sumpf-Kratzdiestel (Cirsium palustre), Echtes Johanniskraut
(Hypericum perforatum), c) sowohl unter Buche und Fichte (z.B. Wald-Bingelkraut
(Mercurialis perennis) Wald-Ziest (Stachys sylvatica), Wald-Sauerklee (Oxalis
acetosella), d ) nur unter Mischüberschirmung (z.B. Ranunculus auricomus (Gold-
Hahnenfuß), Giersch (Aegopodium podagraria), Tollkirsche (Atropa belladonna)
eingeteilt.
Es zeigt sich bei den Gefäßpflanzen, dass sowohl Artenzusammensetzung als auch
Bodenbedeckung zum größten Teil durch Arten, die unter allen Bestockungen
vorkommen (Gruppe c mit Wald-Bingelkraut) bestimmt wird. Ab etwa 50%
Fichtenüberschirmung kommt zunehmend auch den fichtengebundenen Arten (Gruppe
b mit Wald-Schaumkraut) Bedeutung an der Artenvielfalt zu, ihr Anteil an der
Bodenbedeckung bleibt jedoch relativ gering.
Bei der Artenzusammensetzung der Moose sind Verhältnisse der Gruppen und deren
Verläufe ähnlich, allerdings mit deutlicherem Gewicht der fichtengebundenen Arten.
Die Bodenbedeckung der Moose erreicht erst ab ca. 30% Fichtenüberschirmung
nennenswerte Anteile (über 1%) und steigt ab in etwa 50% Fichte steil an.
2. Einfluss aktueller waldbaulicher Vorstellungen auf die Artenvielfalt
Die regionalen Waldentwicklungstypen der Landesforstverwaltung Baden-Württemberg
sehen für Buchen-Mischwälder der Schwäbischen Alb eine Nadelholzbeimischung von
bis zu 40% und für stabile Fichtenbestände eine Buchen- (sonstiges Laubholz)Beimischung von 20-40% vor . Hiervon ausgehend wird nun die Auswirkung von 30%
Beimischung der jeweils anderen Baumart auf das Arteninventar reiner Buchen- bzw.
Fichtenüberschirmung betrachtet.
Buche mit 30% Fichtenbeimischung: Von insgesamt 104 Gefäßpflanzen unter reiner
Buche wurden 8 Arten ab 30% Fichtenbeimischung nicht mehr beobachtet (z.B.
Mandelblättrige Wolfsmilch (Euphorbia amygdaloides ), Maiglöckchen (Convallaria
majalis, Rotes Wald-vögelein (Cephalanthere rubra), Knoblauchsrauke (Alliaria
petiolata) und andere. Von den 22 Moosarten unter reiner Buche wurden 5 ab 30%
Fichtenbeimischung nicht mehr beobachtet (z.B. Pappel-Kurzbüchsenmoos
(Brachythecium populeum), Echtes Thujamoos (Thuidium recognitum).
Fichte mit 30% Buchenbeimischung: Von 153 Gefäßpflanzen unter reiner Fichte
wurden 64 ab einer Buchenbeimischung von 30% nicht mehr beobachtet (z.B. z.B.
Acker-Vergißmeinnicht (Myosotis arvensis), Weißes Labkraut (Galium album), Weißes
sowie rotes Straußgras (Agrostis stolonifera und capillaris).
35 Arten kamen nur unter reiner Fichte vor (z.B. Moosauge (Monoses uniflora),
Wiesen-Glockenblume (Campanula patula), Glatthafer ( Arrhenatherum elatius). Die
Bedeutung reliktischer Freiflächen-Arten in Aufforstungsbeständen ist zu diskutieren.
Von den 39 Moosarten unter reiner Fichte wurden 8 ab einer Buchenbeimischung von
30% nicht mehr beobachtet (z.B. Rotstengelmoos (Pleurozium schreberii),
Farnwedelmoos (Ptilium crista-castrensis), Gewelltes Plattmoos (Plagiothecium
undulatum) und Gezähneltes Sternmoos (Mnium spinulosum). Die Aussage in der
Beschreibung der Waldentwicklungstypen, dass der stabile Fichtenbestand „Bei
fehlendem Mischbaumanteil ökologisch wenig vielfältig“ ist, kann also bezüglich der
Bodenvegetation nicht bestätigt werden.
Auch die summarischen Verläufe von Artenzahlen und Deckungen der Gruppen a-c (a
fehlend unter Fichte, b fehlend unter Buche, c unter allen Bestockungen) zeigen bei
den Gefäßpflanzen deutlichen Einfluss geringer Beimischungen im Gegensatz zu
reiner Überschirmung.
3. Überblick zu den Veränderungen des Oberbodezustandes:
Der pH- Wert der obersten Bodenschichten sinkt von durchschnittlich 5,3 unter Buche
auf 4,5 unter Fichte, Das C/N-Verhältnis steigt von durchschnittlich 14,1 unter Buche
auf 16,7 unter Fichte. Allerdings zeigen sowohl PH-Wert als auch C/N-Verhältnisse
enorme Streuungen, die weitere Einflussfaktoren vermuten lassen wie beispielsweise
Bestandesalter oder Licht und Gründigkeit. Der pH-Wert in 10-15cm Tiefe zeigt in
seiner Gesamtheit keinen signifikanten Zusammenhang zur Baumschicht. Genauere
Analysen lassen mehrere sich überlagernde Effekte erkennen: eine Komponente, die
mit dem PH-Wert der oberen Bodenschicht und somit der Fichtenüberschirmung einher
geht, eine gegenläufige Komponente die möglicherweise auf tiefer gelagerte
Stoffwechselprozesse zurückzuführen ist und ein Absinken des pH-Wertes mit
zunehmender Gründigkeit.