Kauf- und Pachtpreise landwirtschaftlicher Flächen: Entwicklung

Kauf- und Pachtpreise landwirtschaftlicher
Flächen: Entwicklung und Auswirkungen auf
das Agribusiness
Prof. Dr. Ludwig Theuvsen
Georg-August-Universität Göttingen
Hannover, 28. April 2015
1. Einleitung
Aufregung rund um den Bodenmarkt:
•
„Behindern steigende Pachtpreise Ihre Betriebsentwicklung“ (raiffeisen.com; Frage
der Woche)
 77,7 %: Ja (1.420 teilnehmende Landwirte)
•
„eine ungesunde Entwicklung für die Landwirtschaft“ (NLG in der HAZ v. 3.6.2014)
Besteht Handlungsbedarf?
•
Initiativen zur Beruhigung der landwirtschaftlichen Bodenmärkte u.a. in BadenWürttemberg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Niedersachsen
 Schärfere Regulierung des Flächenerwerbs
 „Pachtpreisbremse“ gegen Bodenspekulation
•
Gutachten im Auftrag des BLG zu Möglichkeiten der Weiterentwicklung des
Grundstücksverkehrsrechts
Prof. Dr. Ludwig Theuvsen
1. Einleitung
Viele offene Fragen:
• Welche Rolle spielt die Biogasproduktion?
 „Verdacht“ seit EEG 2009
• Wirken Bodenspekulation und außerlandwirtschaftliche Investoren als
Preistreiber?
• Gibt es eine Preisblase am Bodenmarkt?
Heutige Fragestellungen:
• Welche Entwicklungen kennzeichnen den Bodenmarkt?
• Welche Auswirkungen hat dies auf das Agribusiness?
Prof. Dr. Ludwig Theuvsen
Gliederung
1. Einleitung
2. Entwicklungen am niedersächsischen Bodenmarkt
2.1 Kaufmarkt
2.2 Pachtmarkt
3. Ursachen der Preisentwicklung am Bodenmarkt
4. Auswirkungen auf das Agribusiness
5. Fazit
2. Entwicklungen am niedersächsischen Bodenmarkt
Durchschnittlicher Kaufpreis pro Hektar in Niedersachsen (in €)
 Anstieg um mehr als 10.000 €/ha seit 2008 (+66%)
30.000 €
25.000 €
20.000 €
15.000 €
10.000 €
5.000 €
0€
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
Mittelwert Kaufpreise für alle Landkreise
(nach LSN 2014)
Prof. Dr. Ludwig Theuvsen
2012
2013
2. Entwicklungen am niedersächsischen Bodenmarkt
Durchschnittlicher Kaufpreis pro Hektar (in €)
 Große regionale Unterschiede (Höhe; prozentuale Veränderungen)
2005
2013
proz. Anstieg
Vechta
30.125 €
64.780 €
+ 115 %
Cloppenburg
21.168 €
61.495 €
+ 190,5 %
Osterode
8.406 €
11.473 €
+ 36,5 %
Holzminden
11.147 €
13.492 €
+ 21 %
Wittmund
6.858 €
25.338 €
+ 269,5 %
Wilhelmshaven
11.114 €
37.720 €
+ 240 %
(nach LSN 2014)
Prof. Dr. Ludwig Theuvsen
2. Entwicklungen am niedersächsischen Bodenmarkt
Durchschnittlicher Kaufpreis pro Hektar (in €)
 Große regionale Unterschiede (Höhe; prozentuale Veränderungen)
2005
2013
proz. Anstieg
Vechta
30.125 €
64.780 €
+ 115 %
Cloppenburg
21.168 €
61.495 €
+ 190,5 %
Osterode
8.406 €
11.473 €
+ 36,5 %
Holzminden
11.147 €
13.492 €
+ 21 %
Wittmund
6.858 €
25.338 €
+ 269,5 %
Wilhelmshaven
11.114 €
37.720 €
+ 240 %
(nach LSN 2014)
Prof. Dr. Ludwig Theuvsen
2. Entwicklungen am niedersächsischen Bodenmarkt
Durchschnittlicher Kaufpreis pro Hektar (in €)
 Große regionale Unterschiede (Höhe; prozentuale Veränderungen)
2005
2013
proz. Anstieg
Vechta
30.125 €
64.780 €
+ 115 %
Cloppenburg
21.168 €
61.495 €
+ 190,5 %
Osterode
8.406 €
11.473 €
+ 36,5 %
Holzminden
11.147 €
13.492 €
+ 21 %
Wittmund
6.858 €
25.338 €
+ 269,5 %
Wilhelmshaven
11.114 €
37.720 €
+ 240 %
(nach LSN 2014)
Prof. Dr. Ludwig Theuvsen
2. Entwicklungen am niedersächsischen Bodenmarkt
Kaufpreise (€/m2) in Abhängigkeit vom Bodenrichtwert
 Große Unterschiede innerhalb der Regionen
(Ache 2014)
Prof. Dr. Ludwig Theuvsen
2. Entwicklungen am niedersächsischen Bodenmarkt
Gesamte verkaufte Flächen (Kauf und Verkauf) in Niedersachsen (in ha;
2005-2013)
• Rückgang der pro Jahr verkauften Fläche seit 2008 um rund 25%
• Sinkende Bodenmobilität: ca. 0,5%
 geringe Bedeutung des Kaufmarktes
20.000
18.000
16.000
14.000
12.000
10.000
8.000
6.000
4.000
2.000
0
2005
(nach LSN 2014)
2006
2007
2008
2009
Fläche in Hektar
Prof. Dr. Ludwig Theuvsen
2010
2011
2012
2013
2. Entwicklungen am niedersächsischen Bodenmarkt
Durchschnittliches Pachtentgelt für landwirtschaftliche Flächen in
Niedersachsen (in €; 1999-2013)
 Wesentlich bedeutsamer (2013: 58% Pachtflächenanteil)
 Anstieg Pachtentgelt von 2007 bis 2013 von 279 € auf 376 € (+34,7%)
 Unsicherheiten hinsichtlich der Datenlage
400 €
350 €
300 €
250 €
200 €
Durchschnittliches
Pachtentgelt
150 €
100 €
50 €
(nach LSN 2014)
0€
1999
2003
2005
2007
Prof. Dr. Ludwig Theuvsen
2010
2013
2. Entwicklungen am niedersächsischen Bodenmarkt
Pachtentgelte nach Landkreisen in Niedersachsen (2010)
• Spitzenreiter:
Cloppenburg (541 €),
Vechta (516 €),
Emsland (477 €)
• Schlusslicht:
Osterode (168 €?
Oder 197 €?)
• Stärkste prozentuale
Anstiege:
Vechta, Cloppenburg, Emsland,
Grafschaft Bentheim
(Bodenmarkt Exklusiv 2010)
Prof. Dr. Ludwig Theuvsen
2. Entwicklungen am niedersächsischen Bodenmarkt
Durchschnittliches Pachtentgelt je ha neuverpachtete Fläche
Niedersachsen: Agrarland Nr. 1 – auch bei den (Neu-)Pachtpreisen
(BLAG 2014)
Prof. Dr. Ludwig Theuvsen
3. Ursachen der Preisentwicklung am Bodenmarkt
Breustedt/Habermann (2010): Einflussgrößen auf die Höhe der Neupachtpreise in Westdeutschland:
a) Betriebliche Merkmale:
- Größe der Neupachtfläche
- Ackerpachtanteil
- Standarddeckungsbeitrag
- Anteile ertragsstarker Kulturen
(Zuckerrüben, Kartoffeln)
- Bodenqualität (EMZ)
- Betrieb im Haupterwerb
b) Regionale Merkmale:
- Viehdichte
- Anbauanteil Biogasmais
- Bevölkerungsdichte
- Höhe Alternativeinkommen
Prof. Dr. Ludwig Theuvsen
3. Ursachen der Preisentwicklung am Bodenmarkt
Emmann/Theuvsen (2010): Einflussgrößen auf Pachtpreisanstieg in Niedersachsen
Viehdichte in
der Region
Anteil Ackerfläche
an der landwirtschaftlichen Fläche
Anteil Getreidefläche an der
landwirtschaftlichen Fläche
+
+
Pachtpreisveränderung in
den vergangenen fünf
Jahren
+
+
Biogasdichte in
der Region
Prof. Dr. Ludwig Theuvsen
+
Anteil
Kartoffelfläche an
der Ackerfläche
Gliederung
1. Einleitung
2. Entwicklungen am niedersächsischen Bodenmarkt
2.1 Kaufmarkt
2.2 Pachtmarkt
3. Ursachen der Preisentwicklung am Bodenmarkt
4. Auswirkungen auf das Agribusiness
5. Fazit
4. Auswirkungen auf das Agribusiness
Steigende Pachtpreise
Wirkungen auf die Landwirtschaft
Mittel-/längerfristige Wirkungen
Sofortwirkungen
Rentabilität /
Einkommen
Liquidität
Wettbewerbs
-fähigkeit
Intensität
Mittelbare Wirkungen auf die
Ernährungswirtschaft
Prof. Dr. Ludwig Theuvsen
Betriebsentwicklung
Strukturwandel
4. Auswirkungen auf das Agribusiness
a) Pachtpreise: Wirkungen auf Einkommen und Liquidität
Ausgangspunkt:
-
Betrachtung regionstypischer Betriebe:
a) Ackerbaubetrieb (LK Hildesheim)
b) Milchviehbetrieb (LK Friesland)
-
Wichtige Betriebsmerkmale (Betriebsgröße, Pachtflächenanteile u.ä.)
orientieren sich an Durchschnittswerten aus der Agrarstatistik:
 „Agrarstatistisches Kompendium 2011“ und „Durchschnittsergebnisse aus dem
Wirtschaftsjahr 2012/2013“ der Landwirtschaftskammer Niedersachsen
Prof. Dr. Ludwig Theuvsen
4. Auswirkungen auf das Agribusiness
Ackerbaubetrieb (LK Hildesheim):
-
95 ha, davon 44 ha Eigentums- und 51 ha Pachtfläche
-
Regionstypische Fruchtfolge, u.a. 19 ha Zuckerrüben, 71 ha Getreide
-
Pachtentgelt 2010:
 453 €/ha (+6,7% von 1999 bis 2010)
 23.103 €/Jahr
-
Unternehmergewinn (nach Entlohnung eigener Produktionsfaktoren):
 369 €/ha
 35.055 €/Jahr
Prof. Dr. Ludwig Theuvsen
4. Auswirkungen auf das Agribusiness
Ackerbaubetrieb (LK Hildesheim):
-
Pachtpreisanstieg in Niedersachsen 2010 bis 2013: +21,72%
 551 €/ha (+98 €/ha)
-
 28.101 €/Jahr (+4.998 €/Jahr)
Unternehmergewinn:
 316 €/ha (-14,4%)
 30.020 €/Jahr (-4.998 €/Jahr)
 Deutlich negative Wirkung auf Rentabilität und Einkommen
Unternehmergewinn (€/ha)
€400
€350
€369
€300
€316
€250
€200
€150
€100
€50
€€453
€551
Prof. Dr. Ludwig Theuvsen
Pachtpreis
(€/ha)
4. Auswirkungen auf das Agribusiness
Milchviehbetrieb (LK Friesland):
-
77 ha, davon 29 ha Eigentums- und 48 ha Pachtfläche
-
34 ha Ackerland (überwiegend Silomais), 43 ha Grünland
-
70 Milchkühe; Milchleistung: 8.135 kg/Jahr/Kuh bzw. 569.450 kg/Jahr
-
Pachtentgelt 2010:
 562 €/ha Ackerland (+2% von 1999 bis 2010)
 271 €/ha Grünland
 19.071 €/Jahr
-
Unternehmergewinn (nach Entlohnung eigener Produktionsfaktoren):
 -31 €/ha
 -2.400 €/Jahr
Prof. Dr. Ludwig Theuvsen
4. Auswirkungen auf das Agribusiness
Milchviehbetrieb (LK Friesland):
-
Pachtpreisanstieg in Niedersachsen 2010 bis 2013: +21,72%
 684 €/ha Ackerland (+122 €/ha)
 330 €/ha Grünland (+59 €/ha)
 23.213 €/Jahr (+4.142 €/Jahr)
€562
€684
€2.000
€-
-
Unternehmergewinn:
€(2.000)
 -86,30 €/ha
€(4.000)
 -6.642 €/Jahr (-4.142 €/Jahr)
€(6.000)
€(2.550)
€(6.642)
€(8.000)
-
Wettbewerbsfähigkeit:
€(10.000)
 Erzeugungskosten: +0,7 Ct./kg Milch
Prof. Dr. Ludwig Theuvsen
Pachtpreis
(€/ha)
4. Auswirkungen auf das Agribusiness
b) Pachtpreise: Wirkungen auf Wettbewerbsfähigkeit
-
Wettbewerbsfähigkeit: Erzeugungskosten +0,7 Ct./kg Milch
-
Zum Vergleich: Veränderung bei … um …
Milch aus
0,0
0,5
Kraftfutterpreis (1 €/dt)
Kraftfuttereinsatz (10 g/kg Milch)
macht in der Milchviehhaltung etwa … Ct./kg
1,0
0,3
0,2
Verluste Grobfutter (5 %)
1,1
Produktionskosten Grobfutter (100 €/ha)
1,0
Kosten Grobfutterzukauf (1 €/t Silage)
Grobfutterleistung (100 kg Milch/Kuh)
0,3
0,2
Milchleistung (100 kg Milch/Kuh)
0,3
Erstkalbealter (1 Monat)
Arbeitszeitbedarf (1 Stunde/Kuh)
Verkaufspreis Schlachtkuh (100 €/Altkuh)
1,5
0,5
0,2
0,4
(Dorfner 2011; Kuh mit Nachzucht bei 7.500 kg/Kuh Milchleistung; Vollkostenrechnung nach BZS Bayern;
Lohnansatz 15 €/AKh)
Prof. Dr. Ludwig Theuvsen
4. Auswirkungen auf das Agribusiness
c) Pachtpreise: Wirkungen auf Betriebsentwicklung und Strukturwandel
Betriebsentwicklung und Strukturwandel durch viele Einflussgrößen bestimmt:
-
Agrarpolitik (GAP, DüV etc.)
-
Sonstige Politiken (z.B. EEG, BauGB)
-
Agrarpreisniveau
-
Inputpreise (u.a. Pachtpreise)
-
etc.
 Prognose betriebs- und agrarstruktureller Wirkungen schwierig
Prof. Dr. Ludwig Theuvsen
4. Auswirkungen auf das Agribusiness
Steigende Pachtpreise
„Verpachten statt Weiterwirtschaften“
 Vermehrte Aufgabe z.B. von
Nebenerwerbsbetrieben
 Mehr Zupachtchancen für
Wachstumsbetriebe
 Beschleunigung des
Strukturwandels
Steigende Wettbewerbsfähigkeit
(Größendegression; technischer
Fortschritt)
„Keine Zupachtmöglichkeiten“
 Behinderung der Betriebsentwicklung
 Verlangsamung des Strukturwandels
Sinkende Wettbewerbsfähigkeit
Prof. Dr. Ludwig Theuvsen(insb.
4. Auswirkungen auf das Agribusiness
Steigende Pachtpreise
Wirkungen auf die Landwirtschaft
Mittel-/längerfristige Wirkungen
Sofortwirkungen
Rentabilität /
Einkommen
Liquidität
Wettbewerbs
-fähigkeit
Intensität
steigende
proportional
insb. für tierzum Pacht- haltende Betriebe Stückkosten
anstieg
ein Problem
Prof. Dr. Ludwig Theuvsen
Betriebsentwicklung
Strukturwandel
Wirkungen hängen von
weiteren Rahmenbedingungen ab
4. Auswirkungen auf das Agribusiness
Steigende Pachtpreise
Indirekte Wirkungen auf die
Ernährungswirtschaft
Sofortwirkungen
Mittel-/längerfristige Wirkungen
Verminderte Wettbewerbsfähigkeit durch
höhere Kosten der landwirtschaftlichen
Produktion
Wirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit
abhängig von den strukturellen Entwicklungen in der Landwirtschaft
Prof. Dr. Ludwig Theuvsen
5. Fazit
• Deutlich gestiegene Kaufpreise für landwirtschaftliche Flächen in Niedersachsen
 Keine sinnvolle Option der Betriebsentwicklung
• Steigende Pachtpreise deutlich relevanter für landwirtschaftliche Betriebe
 Kurzfristig: Auswirkungen auf Einkommen, Liquidität und Wettbewerbsfähigkeit
 Mittel- und längerfristig Auswirkungen auf Wirtschaftsweise (Intensität),
Betriebsentwicklung und Strukturwandel
Aber: Strukturelle Effekte deutlich unklarer als die Sofortwirkungen des Pachtpreisanstiegs
•
Ernährungswirtschaft und andere Teile des Agribusiness „nur“ indirekt betroffen:
 Kurzfristig negative Wirkungen
 Langfristig weniger eindeutige Wirkungen
 Effekt sollte insgesamt nicht überschätzt werden
Prof. Dr. Ludwig Theuvsen
5. Fazit
• Wird sich der Anstieg der Pachtpreise im selben Tempo fortsetzen?
NEIN:  Grenze der Zahlungsfähigkeit ist erreicht
 Relativ wenige Investitionen in die Tierproduktion
 Biogas-Boom vorbei; bald Ausscheiden erster Anlagen
ABER: novellierte Düngeverordnung; weiteres Greening der GAP u.ä.
• Werden die Kauf- und Pachtpreise wieder sinken?
 Kaufpreise vielleicht ja, aber weder schnell noch kurzfristig.
 Pachtpreise eher nicht (Ausnahme: Spitzenpachten): u.a. weil viele Verpächter
um die Volatilität der Agrarmärkte wissen
Prof. Dr. Ludwig Theuvsen
Vielen Dank für Ihre
Aufmerksamkeit!
Prof. Dr. Ludwig Theuvsen
Georg-August-Universität Göttingen
Department für Agrarökonomie und Rurale Entwicklung
Platz der Göttinger Sieben 5
37073 Göttingen
Telefon: 0551/39-4851
[email protected]