Toxikologie I-4 apl. Prof. Dr. med. A. Lupp Institut für Pharmakologie und Toxikologie FSU Jena Drackendorfer Str. 1, 07747 Jena Tel.: (9)325678 e-Mail: [email protected] Tokikokinetik Eliminationskinetik Eliminationskinetik Verteilungsräume / Kompartimente • physiologische Verteilungsräume Skelettmuskulatur, Herz, Niere, Lunge, Gehirn ..... • fiktive = rechnerische Verteilungsräume für rechnerische Behandlung der Kinetik; keine anatomisch definierten Verteilungsräume • Kompartiment für ein Pharmakon rechnerisch homogener Verteilungsraum Eliminationskinetik Modelle für kinetische Berechnungen • Offenes Ein-Kompartiment-Modell gesamter Organismus = 1 Verteilungsraum rasche i.v.-Injektion Elimination Kompartiment • Offenes Zwei-Kompartiment-Modell rasche i.v.-Injektion Zentrales Kompartiment (Intravasalraum) peripheres Kompartiment (z.B. Gehirn) Elimination Eliminationskinetik Modelle für kinetische Berechnungen • Offenes Drei-Kompartiment-Modell tiefes peripheres Kompartiment (z.B. Muskulatur) rasche i.v.-Injektion zentrales Kompartiment (Intravasalraum) flaches peripheres Kompartiment (z.B. Gehirn) Elimination Eliminationskinetik Modelle für kinetische Berechnungen • Offenes Drei-Kompartiment-Modell - schnelles Anfluten in gut durchbluteten Geweben (Gehirn) - anschließende Umverteilung in weniger gut durchblutete Gewebe mit größerer Speicherkapazität (Muskulatur, Fettgewebe) - Rückverteilung Eliminationskinetik Zeitliche Anflutung des Injektionsnarkotikums Thiopental in verschiedenen Geweben aus: Schäfer-Korting, FU Berlin Eliminationskinetik Eliminationskinetik 0. Ordnung (Einkompartiment-Modell) • Abbau im Sättigungsbereich der Enzyme • Abbaugeschwindigkeit konstant, unabhängig von Substratkonzentration • Beispiel: Ethanol Blutkonzentrations-Zeit-Kurve: i.v.-Gabe 7 6 5 4 linearer Abfall 3 2 1 0 0 1 2 3 4 5 6 7 8 Zeit Eliminationskinetik Eliminationskinetik 1. Ordnung (Einkompartiment-Modell) • Nicht im Sättigungsbereich der Enzyme, bei den meisten Enzymen der Fall • pro Zeiteinheit eliminierte Substanzmenge proportional zu Substanzkonzentration im Plasma Blutkonzentrations-Zeit-Kurve (lineare Darstellung): Blutkonzentrations-Zeit-Kurve (halblogarithmische Darstellung): i.v.-Gabe i.v.-Gabe 7 6 100 5 4 3 Exponentialkurve 10 2 1 1 0 0 0 1 2 3 4 5 6 7 8 Zeit 0 1 2 3 4 5 6 7 8 Zeit Eliminationskinetik Eliminationskinetik 1. Ordnung (Einkompartiment-Modell) • Nicht im Sättigungsbereich der Enzyme, bei den meisten Enzymen der Fall • pro Zeiteinheit eliminierte Substanzmenge proportional zu Substanzkonzentration im Plasma Blutkonzentrations-Zeit-Kurve (lineare Darstellung): Blutkonzentrations-Zeit-Kurve (halblogarithmische Darstellung): i.v.-Gabe C0 = Ausgangskonzentration 7 6 100 5 4 3 Exponentialkurve 10 2 1 1 0 0 0 1 2 3 4 5 6 Steigung: Eliminationskonstante KE: Neigung = -KE/2,303 7 8 Zeit 0 1 2 3 4 t½ = Halbwertszeit 5 6 7 8 Zeit Eliminationskinetik Eliminationskinetik 1. Ordnung (Einkompartiment-Modell) • Nicht im Sättigungsbereich der Enzyme, bei den meisten Enzymen der Fall Halbwertszeit: • pro Zeiteinheit eliminierte Substanzmenge proportional zu Substanzkonzentration Plasma die Zeit, in der dieim Substanzkonzentration auf die Hälfte der Ausgangskonzentration abgesunken ist Blutkonzentrations-Zeit-Kurve (lineare Darstellung): Blutkonzentrations-Zeit-Kurve (halblogarithmische Darstellung): i.v.-Gabe C0 = Ausgangskonzentration 7 6 100 5 4 3 Exponentialkurve 10 2 1 1 0 0 0 1 2 3 4 5 6 Steigung: Eliminationskonstante KE: Neigung = -KE/2,303 7 8 Zeit 0 1 2 3 4 t½ = Halbwertszeit 5 6 7 8 Zeit Eliminationskinetik Eliminationskinetik 1. Ordnung Eine Substanz ist zu • 90% eliminiert nach 3,3 Halbwertszeiten • 95% eliminiert nach 4,4 Halbwertszeiten Clearance Pro Zeiteinheit von einer Substanz befreite Plasmamenge Cl = Dosis (D) / AUC Eliminationskinetik Eliminationskinetik 1. Ordnung (Zweikompartiment-Modell) Blutkonzentrations-Zeit-Kurve (lineare Darstellung): Blutkonzentrations-Zeit-Kurve (halblogarithmische Darstellung): i.v.-Gabe i.v.-Gabe 7 6 rascher Abfall: α-slope 5 4 3 100 langsamer Abfall: β-slope 10 2 1 1 0 0 0 1 2 3 4 5 6 7 8 rascher Abfall: α-slope Zeit langsamer Abfall: β-slope 0 1 2 3 4 5 6 7 8 Zeit • α-slope: Substanzabnahme im Plasma durch Verteilung und Elimination • β-slope: Substanzabnahme im Plasma nur noch durch Elimination (nach Erreichen des Verteilungsgleichgewichts) Eliminationskinetik Kinetik nach oraler Gabe (Einkompartiment-Modell) = Bateman-Funktion Blutkonzentrations-Zeit-Kurve: 7 Resorption 6 5 resultierender Plasmaspiegel 4 3 2 1 Elimination 0 0 1 2 3 4 5 6 7 8 Zeit Eliminationskinetik Kinetik nach oraler Gabe (Einkompartiment-Modell) = Bateman-Funktion Zweikompartiment-Modell Blutkonzentrations-Zeit-Kurve: 7 Resorption 6 5 resultierender Plasmaspiegel 4 resultierender Plasmaspiegel 3 2 1 Elimination 0 0 1 2 3 4 5 6 7 8 Zeit Eliminationskinetik Kinetik nach oraler Gabe = Bateman-Funktion Blutkonzentrations-Zeit-Kurve: C max Tokikokinetik Akute und Chronische Intoxikation Toxikokinetik Akute Intoxikation • Abhängigkeit der Blutspiegel nach oraler Gabe von Dosis/Resorptionsgeschwindigkeit und Eliminationsgeschwindigkeit Blutkonzentrations-Zeit-Kurve in Abhängigkeit von Resorptionsgeschwindigkeit Blutkonzentrations-Zeit-Kurve in Abhängigkeit von Eliminationsgeschwindigkeit Toxikokinetik Chronische Intoxikation: Stoffkumulation • Zunahme der Substanzkonzentration bei wiederholter Gabe, wenn • Zufuhrgeschwindigkeit > Eliminationsgeschwindigkeit • je länger Halbwertszeit einer Substanz, desto größer Kumulationsrisiko langsame Elimination Toxischer Bereich mittlere Elimination Subtherapeutischer Bereich schnelle Elimination Toxikokinetik Chronische Intoxikation: Stoffkumulation • Zunahme der Substanzkonzentration bei wiederholter Gabe, wenn • Zufuhrgeschwindigkeit > Eliminationsgeschwindigkeit • je länger Halbwertszeit einer Substanz, desto größer Kumulationsrisiko kurzes Applikationsintervall langsame Elimination Toxischer Bereich mittlere Elimination Subtherapeutischer Bereich schnelle Elimination Toxikokinetik Chronische Intoxikation: Stoffkumulation • Zunahme der Substanzkonzentration bei wiederholter Gabe, wenn • Zufuhrgeschwindigkeit > Eliminationsgeschwindigkeit • je länger Halbwertszeit einer Substanz, desto größer Kumulationsrisiko Kumulationsgleichgewicht = steady state Toxischer Bereich Spitzenspiegel Talspiegel Subtherapeutischer Bereich Toxikokinetik Chronische Intoxikation: Stoffkumulation • Zunahme der Substanzkonzentration bei wiederholter Gabe, wenn • Zufuhrgeschwindigkeit > Eliminationsgeschwindigkeit • je länger Halbwertszeit einer Substanz, desto größer Kumulationsrisiko Kumulationsgleichgewicht = steady state Toxischer Bereich Subtherapeutischer Bereich Im Kumulationsgleichgewicht herrschender mittlerer Blutspiegel (Css) abhängig von: • Dosis (D) • Dosierungsintervall (τ) • Gesamtclearance (Cltot) D Css = Cltot x τ Toxikokinetik Chronische Intoxikation: Stoffkumulation • Zunahme der Substanzkonzentration bei wiederholter Gabe, wenn • Zufuhrgeschwindigkeit > Eliminationsgeschwindigkeit • je länger Halbwertszeit einer Substanz, desto größer Kumulationsrisiko Kumulationsgleichgewicht = steady state Toxischer Bereich Aufsättigung zu • 90% nach 3,3 Halbwertszeiten • 95% nach 4,4 Halbwertszeiten Subtherapeutischer Bereich Toxikokinetik Chronische Intoxikation • Stoffkumulation (siehe oben) • Wirkungskumulation (Summationsgifte) - irreversible Wirkungen - bei fortgesetzter Zufuhr entspricht Wirkung des Stoffes der über den Belastungszeitraum aufgenommenen Gesamtdosis - keine Abhängigkeit von Dosierungsintervall - Substanzen werden auch „c x t-Gifte“ genannt (c = Konzentration, t = Zeit der Einwirkung) - Beispiel: genotoxische Kanzerogene Toxikokinetik Habersche Regel • Produkt aus Konzentration und Einwirkzeit nahezu konstant • c-t-Diagramm: Hyperbel, deren Scheitel mit zunehmender Wirkungs-Intensität weiter vom Ursprung entfernt liegt • Manche Substanzen haben unterhalb einer bestimmten Konzentration (Schwellenkonzentration CS) auch bei beliebig langer Einwirkzeit keinen Effekt. Im c-t-Diagramm zeigt sich hier eine Verschiebung der Hyperbelschar in y-Richtung DosisWirkungsbeziehungen 1. am Individuum oder isolierten Organ 2. am Kollektiv DosisWirkungsbeziehungen 1. am Individuum oder isolierten Organ 2. am Kollektiv Dosis-Wirkungsbeziehungen am Individuum/isolierten Organ Dosis-Wirkungsbeziehung an einem isolierten Organ (z.B. Aortenring) Konzentrations-Effekt-Kurven: aus: Lüllmann, Mohr, Hein: Taschenatlas Pharmakologie Dosis-Wirkungsbeziehungen am Individuum/isolierten Organ Dosis-Wirkungsbeziehung an einem isolierten Organ (z.B. Aortenring) A) Lineare Darstellung B) Halblogarithmische Darstellung ED50: Dosis, bei der die halbmaximale (50%-ige) Wirkung erreicht wird Dosis-Wirkungsbeziehungen am Individuum/isolierten Organ Die Wirkung von zwei Agonisten (A und B) an einem Rezeptor kann sich unterscheiden in: B) maximale Wirkstärke = Efficiacy Wirkung A B A Wirkung A) Affinität = Potency B log Dosis Substanz A hat höhere Affinität als Substanz B (Konzentrations-Wirkungskurve liegt über niedrigerem Dosisbereich) log Dosis Substanz A hat höhere maximale Wirkstärke als Substanz B Dosis-Wirkungsbeziehungen am Individuum/isolierten Organ Antagonisten • besitzen Affinität zum Rezeptor, lösen aber keine Wirkung aus • unterschiedliche Beeinflussung der Konzentrations-Wirkungskurve (KWK) eines Agonisten (A) durch Antagonisten (C) B) Nicht-Kompetitiver Antagonismus Wirkung A A+C A Wirkung A) Kompetitiver Antagonismus A+C log Dosis log Dosis • KWK des Agonisten wird nach rechts verschoben • max. Wirkstärke von A wird scheinbar gesenkt • häufig bei Konkurrenz um gleiche Bindungsstelle • häufig allosterisch DosisWirkungsbeziehungen 1. am Individuum oder isolierten Organ 2. am Kollektiv Dosis-Wirkungsbeziehungen am Kollektiv Dosis-Effekt-Beziehung aus: Lüllmann, Mohr, Hein: Taschenatlas Pharmakologie Dosis-Wirkungsbeziehungen am Kollektiv Dosis-Letalitäts-Beziehung Anzahl Tiere [%] Dosis-Wirkungsbeziehungen am Kollektiv E 100 T L E: Konzentrations-Wirkungskurve T: Konzentrations-Toxizitätskurve L: Konzentrations-Letalitätskurve 50 ED50 TD50 LD50 log Dosis • ED50: diejenige Dosis, bei der 50% der Individuen einen therapeutischen Effekt haben • TD50: diejenige Dosis, bei der 50% der Individuen einen toxischen Effekt haben • LD50: diejenige Dosis, bei der 50% der Versuchstiere sterben Anzahl Tiere [%] Dosis-Wirkungsbeziehungen am Kollektiv E 100 T L therapeutischer Bereich E: Konzentrations-Wirkungskurve T: Konzentrations-Toxizitätskurve L: Konzentrations-Letalitätskurve 50 ED50 LD50 TD50 log Dosis • Therapeutischer Bereich: log TD50-log ED50 bzw. log LD50-log ED50 sollte möglichst groß sein • Therapeutischer Quotient: TD50 ED50 bzw. LD50 ED50 Akute und Chronische Toxizität Akute und chronische Toxizität Akute Toxizität • unmittelbar nach Verabreichung einer Substanz (meist Einzeldosis) LD50 oral, dermal, inhalativ, i.v. / i.p. Chronische Toxizität • nach Verabreichung multipler nicht letaler Dosen Toxizität einer Substanz abhängig von Dosis und Einwirkzeit, von der Art der Anwendung und von der exponierten Spezies Latenzzeit - Beispiel: Hautkrebsentstehung nach Arsenexposition nach Jahren bis Jahrzehnten - Lebenserwartung eines Individuums limitiert hier Beobachtungszeit Akute und chronische Toxizität Toxizitätsuntersuchungen Prüfung auf Applikation Dauer Beispiel akute Toxizität einmalig 24 h - 14 d LD50-Test subakute Toxizität mehrfach ~ 1 Monat subchronische Toxizität mehrfach < 10% LE* chronische Toxizität > 10% LE* mehrfach *LE: Lebenserwartung • Mutagenität; Genotoxizität • spezifische Organtoxizität • Reproduktionstoxizität • Fertilitätstoxizität im Mehrgenerationentest • Teratogenität; peri- und postnatale Toxizität Kanzerogenität Akute Toxizität Einstufung von Stoffen und Zubereitungen nach akuter Toxizität Kategorie LD50-Wert oral Ratte [mg / kg] sehr giftig < 25 < 50 < 0,5 25 - 200 50 - 400 0,5 - 2 200 - 2000 400 - 2000 2 - 20 giftig mindergiftig 14 Tage Beobachtung LD50-Wert dermal Ratte/Kaninchen [mg / kg] LD50-Wert inhalativ Ratte [mg / l / 24h] Akute Toxizität LD50-Werte von TCDD bei verschiedenen Tierspezies Tierspezies LD50 [g / kg Körpergewicht] Meerschweinchen 0,6 - 2,0 Ratte 20 - 45 Küken 25 - 50 Affe 70 Kaninchen 115 Maus 110 - 280 Hund 200 - 300 Goldhamster 1000 - 3000 Akute Toxizität Tödliche Dosis verschiedener natürlicher Gifte beim Menschen Gift Herkunft min. tödl. Dosis [µg / kg] Botulinustoxin A Clostridien 0,00003 Tetanustoxin Clostridien 0,0001 Ricin Ricinusstaude 0,02 Tetrodotoxin Kugelfisch (Fugu) 10 Aflatoxin B1 Schimmelpilze 10 Strychnin Brechnussbaum Nikotin Tabakpflanze 500 1000 Akute Toxizität Chemieunfälle mit Freisetzung größerer Mengen an toxischen Stoffen Ort / Jahr Stoff Folgen Hamburg 1928 Phosgen (Lager) 10 Tote, 7200 Verletzte Seveso, Italien 1976 TCDD (Chlorphenol-Produktion) 10 000 Evakuierte Chicago 1978 H2S (Tanker-Leck) 8 Tote, 29 Verletzte London 1980 Cyanid (Produktion) 4000 Evakuierte Fitchburg, USA 1982 Vinylchlorid (Produktion) 3000 Evakuierte Bhopal, Indien 1984 Methylisocyanat über 2500 Tote, über 3000 Erkrankte Chronische Toxizität Beispiele für chronische toxische Wirkungen Stoff Folge Schwefeldioxid Bronchitis Benzol Leukämie Benzin Blutbildungsstörungen, Gedächtnisstörungen, Persönlichkeitsstörungen Vinylchlorid Hämangiosarkome in der Leber Trichlorethen Nierenkarzinome Arsen Hautkrebs, Bronchialkrebs, Nierenkrebs, Blasenkrebs Cadmium Bronchialkrebs Tabakrauch Bronchialkrebs, Nierenkarzinome, Blasenkrebs, chronische Bronchitis, Herz-Kreislauf-Erkrankungen Teratogenität Teratogenität • Blastopathien (1. – 14. Tag nach Befruchtung) - Alles- oder Nichts-Reaktion: Fruchttod - Doppelmißbildung (siamesische Zwillinge) - totale Kompensation • Embryopathien (ab 15. – 16. Tag nach Befruchtung bis 9. Woche) - Zeitpunkt der Organanlage; Mißbildungsrisiko am größten - abhängig vom Zeitpunkt der Verabreichung, welche Organe betroffen werden: - früh: Spaltbildungen (Spina bifida) - später: Herz-Gefäßanomalien • Fetopathien (ab 9. Woche) - Organogenese abgeschlossen - nur noch funktionelle Störungen, Wachstumsstörungen Teratogenität
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