RechtAktuell 05.2015 - Loschelder Rechtsanwälte

Mai 2015
recht
aktuell 1
Loschelder
rechtaktuell
2
K(Ein) Schrecken ohne Ende? – Zur Ersatzpflicht des Organs für
Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife
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Kündigung „zum nächstmöglichen Termin“ unbestimmt und unwirksam?
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Die Quote kommt
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BGH entlastet Mieter bei Wohnungsrenovierungen: Änderung der
Rechtsprechung zu Formularklauseln bei Schönheitsreparaturen
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Abmahnung unwirksamer AGB-Klauseln im unternehmerischen
Rechtsverkehr
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Arbeitnehmervideos im Internet – Widerrufsmöglichkeiten nach
Ausscheiden
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Das Diskriminierungsverbot nach der bpost-Entscheidung des EuGH:
Zulässigkeit unterschiedlicher Rabatte der Post für Grossversender
und Konsolidierer
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Vorsicht vor Open Source-Software
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Privatnutzung der Firmenkreditkarte grundsätzlich unzulässig
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LAG Düsseldorf zum Regress von Kartellbussgeldern
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Öffentliches WLAN als Wettbewerbsfaktor: Haftungsrisiken und
die Änderung des Telemediengesetzes
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Novellierung des anlagenbezogenen Gewässerschutzes – scheitert
die AwSV?
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Künftig neue Möglichkeiten zur Durchsetzung von Patenten in Europa –
das Einheitliche Patentgericht und Patente mit einheitlicher Wirkung
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Kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Installation einer Videokamera-Attrappe – Rechtsschutzmöglichkeiten der Arbeitnehmer
wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts
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In eigener Sache
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recht aktuell
Insolvenzrecht
(K)ein Schrecken ohne Ende? – Zur Ersatzpflicht
des Organs für Zahlungen nach Eintritt der
Insolvenzreife
Mit seinem Urteil vom 18.11.2014 (Az.: II ZR 231/13) erhöht der Bundesgerichtshof die Anforderungen an den Nachweis „verbotener Zahlungen“ nach Eintritt der Insolvenzreife. Ersatzansprüche gegen Geschäftsführer aus § 64 Satz 1 GmbHG werden für den Insolvenzverwalter dadurch schwerer durchsetzbar.
Ein prominenter Rechtswissenschaftler nannte sie einst ein „Schreckensregime“ – die Rede ist von der Geschäftsführerhaftung auf
Erstattung verbotener Zahlungen nach Eintritt von Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung gem. § 64 Satz 1 GmbHG.
Nach § 64 Satz 1 GmbHG muss ein GmbH-Geschäftsführer grundsätzlich alle ihm zurechenbaren, nach Eintritt der Insolvenzreife
geleisteten Zahlungen ersetzen, ohne dass es auf die Höhe der
späteren Insolvenzquote oder den Umfang des verursachten Masseschadens ankäme. Diese Haftungsnorm erfreut sich unter Insolvenzverwaltern besonders großer Beliebtheit, da ihnen hierdurch
der aufwendige Nachweis eines Schadens der Gläubigergesamtheit
(der sog. Quotenschaden) erspart bleibt, wie er bei der klassischen
Insolvenzverschleppungshaftung gemäß § 823 Abs. 2 BGB iVm.
§ 15a InsO erforderlich wäre.
Ausgenommen von der Haftung nach § 64 Satz 1 GmbHG sind nach
§ 64 Satz 2 GmbHG lediglich Zahlungen, welche mit der Sorgfalt
eines ordentlichen Geschäftsmannes vereinbar sind, was allerdings
der in Anspruch genommene Geschäftsführer selbst beweisen
muss. Hierunter fallen jedoch in der Regel nur solche Zahlungen,
zu welchen ein Geschäftsführer unter Strafandrohung – etwa bei
der Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen gem. § 266a StGB
– verpflichtet ist oder die im Rahmen erfolgversprechender Sanierungsversuche während der 3-wöchigen Insolvenzantragsfrist des
§ 15a InsO geleistet werden.
Mit seinem neuesten Urteil vom 18.11.2014 (Az.: II ZR 231/13) zum
Ersatz verbotener Zahlungen nach Insolvenzreife hat der BGH
dieses „Schreckensregime“ an einem entscheidenden Punkt entschärft. Auch bisher war von der Rechtsprechung anerkannt, dass
die Ersatzpflicht des Geschäftsführers entfällt, wenn der durch die
recht aktuell
Insolvenzrecht
Zahlung verursachte Vermögensabfluss im unmittelbaren Zusammenhang mit der Zahlung wieder ausgeglichen wurde. Das sollte insbesondere dann der Fall sein, wenn eine entsprechende Gegenleistung in das Gesellschaftsvermögen gelangte und bis zur Eröffnung
des Insolvenzverfahrens dort verblieb.
Für weitere Fragen zur Ersatzpflicht bei „verbotenen Zahlungen“
gem. § 64 Satz 1 GmbHG stehen Ihnen gerne zur Verfügung:
Dieses letztgenannte Erfordernis hat der BGH jetzt ausdrücklich
aufgegeben. Demnach liegt statt einer verbotenen Zahlung ein unschädlicher Aktivtausch bereits dann vor, wenn ein ausgleichender
Wert im unmittelbaren Zusammenhang mit der Zahlung endgültig
in das Gesellschaftsvermögen gelangt. Dieser Wert muss aber bei
Insolvenzeröffnung nicht mehr im Gesellschaftsvermögen vorhanden
sein. Wird der erlangte Gegenstand oder die Geldleistung später
wieder ausgegeben, führe das – so der BGH – höchstens zu einem
davon unabhängigen, neuen Ersatzanspruch gem. § 64 Satz 1
GmbHG.
Im Ergebnis nähert sich der BGH damit dem Ausnahmetatbestand
des sogenannten „Bargeschäfts“ aus dem Insolvenzanfechtungsrecht an. Nach § 142 InsO ist eine Leistung des Schuldners, für die
unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in dessen Vermögen
gelangt, später nur bei vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung anfechtbar. Offen bleibt allerdings, ob die umfangreiche Rechtsprechung zum Bargeschäft tatsächlich eins zu eins auf den Fall des § 64
Satz 1 GmbHG übertragen werden kann, da es letztlich um sehr unterschiedliche Regelungsgehalte geht.
Festzuhalten bleibt jedenfalls, dass zukünftig bei einer wirtschaftlichen Verknüpfung von Zahlungen mit Mittelzuflüssen die Ersatzpflicht des Geschäftsführers in der Regel ausscheiden dürfte. Das
setzt freilich voraus, dass der entsprechende Massezuwachs endgültig ist, was nur bei werthaltigen und durchsetzbaren Gegenleistungen der Fall sein dürfte. Unsicherheiten bestehen weiterhin. So
stellt sich die Frage, wonach sich der Wert der zugeflossenen Vermögensgegenstände bemisst und ob es hierbei nicht vorrangig auf die
Verwertbarkeit in der Insolvenz ankommt. Außerdem ist ungeklärt,
innerhalb welches Zeitrahmens von einem unmittelbaren Zusammenhang zwischen Zahlung und Gegenleistung gesprochen werden
kann.
Letztlich wird den Insolvenzverwaltern durch die Entscheidung
des BGH die Geltendmachung von Ersatzansprüchen aber deutlich
erschwert. Genügte bisher für eine schlüssige Klage die bloße
Addition aller im betroffenen Zeitraum geleisteter Zahlungen,
werden nunmehr auch Ausführungen zu (nicht) erfolgten Gegenleistungen erforderlich sein. Insoweit bietet sich für Betroffene ein
zusätzlicher Ansatzpunkt zur Vermeidung des „Schreckens“ der
persönlichen Haftung gem. § 64 Satz 1 GmbHG.
Dr. Martin Empt, LL.M.
Telefon: +49 (0) 221 650 65-339
[email protected]
Dr. Hans-Georg Schreier, LL.M.
Telefon: +49 (0) 221 650 65-180
[email protected]
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recht aktuell
Arbeitsrecht
Kündigung „zum nächstmöglichen Termin“
unbestimmt und unwirksam?
Das LAG Düsseldorf hat in einem Urteil vom 28. August 2014
(5 Sa 1251/13) eine ordentliche Kündigung „zum nächstmöglichen Termin“ als unbestimmt und damit unwirksam angesehen. Die Entscheidung gibt Anlass dazu, die aktuelle Rechtslage rund um die in der Praxis häufig verwandte Formulierung zu beleuchten.
Aktuelle Rechtsprechung des BAG
Nach der Rechtsprechung des BAG verlangen die an eine ordentliche Kündigung zu stellenden Bestimmtheitsanforderungen nicht,
den Kündigungstermin als konkretes kalendarisches Datum in
der Kündigungserklärung anzugeben. Es ist vielmehr ausreichend,
wenn der gewollte Beendigungstermin für den Kündigungsempfänger zweifelsfrei bestimmbar ist.
Auch eine Kündigung „zum nächstzulässigen Termin“ ist danach
hinreichend bestimmt, wenn dem Erklärungsempfänger die Dauer
der Kündigungsfrist entweder bekannt oder für ihn zumindest
bestimmbar ist. Eine so formulierte Kündigungserklärung sei
typischerweise dahingehend zu verstehen, dass der Kündigende
die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu dem Zeitpunkt erreichen
will, der sich bei Anwendung der einschlägigen gesetzlichen, tarifvertraglichen und/oder vertraglichen Regelungen als rechtlich
frühestmöglicher Beendigungstermin ergibt. Damit sei der von
dem Erklärenden gewollte Beendigungstermin objektiv eindeutig
bestimmbar. Dies sei jedenfalls dann ausreichend, wenn die rechtlich zutreffende Frist für den Kündigungsadressaten leicht feststellbar sei und nicht umfassende tatsächliche Ermittlungen oder die
Beantwortung schwieriger Rechtsfragen erfordere (so zuletzt BAG
v. 10.04.2014 – 2 AZR 647/13).
Entscheidung des LAG Düsseldorf
In seiner Entscheidung vom 28. August 2014 bezweifelt das LAG
Düsseldorf die Bestimmbarkeit der einschlägigen Kündigungsfrist.
Das Kündigungsschreiben enthalte keine weiteren Fakten oder
Begleitumstände, aus denen sich die Kündigungsfrist ermitteln
ließe. Auch die Angaben im Arbeitsvertrag seien mehrdeutig und
enthielten keine sichere Aussage über die einschlägige Kündigungsfrist. Der Arbeitsvertrag sah eine Kündigungsfrist von vier Wochen
zum Monatsende vor und enthielt darüber hinaus folgende Klausel:
„Verlängert sich die Kündigungsfrist für den Arbeitgeber aus
tariflichen oder gesetzlichen Gründen, gilt diese Verlängerung
auch für den Arbeitnehmer.“
Die vertragliche Regelung verlange von den betroffenen Arbeitnehmern zum einen, dass diese nicht nur das Bürgerliche Gesetzbuch
kennen, sondern auch die dort enthaltene Kündigungsfristenregelung in § 622 BGB. Zum anderen sei davon auszugehen, dass auf das
Arbeitsverhältnis der Parteien der für allgemeinverbindlich erklärte
Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe in der Bundesrepublik Deutschland Anwendung finde. Ob dies tatsächlich der Fall sei,
bedürfe allerdings einer differenzierten rechtlichen Prüfung. Für die
Arbeitnehmer sei daher gerade nicht bestimmbar, ob die gesetzliche Kündigungsfrist oder die des Tarifvertrags zur Anwendung
kommen soll.
Bewertung
Auch wenn dem Urteil des LAG Düsseldorf aufgrund der unklaren
tarifrechtlichen Situation eine besondere Konstellation zugrunde
liegt, belegen die Urteilsgründe doch, dass das LAG strengere Maßstäbe an die Voraussetzungen der Bestimmbarkeit der einschlägigen Kündigungsfrist anlegt. Das LAG fordert die Aufnahme weiterer Fakten oder Begleitumstände in das Kündigungsschreiben, aus
denen sich die Kündigungsfrist ermitteln lässt. Das BAG hingegen
lässt die Formulierung „zum nächstmöglichen Zeitpunkt“ in einem
aktuellen Urteil vom 10. April 2014 auch ohne nähere Erläuterung
recht aktuell
Arbeitsrecht
ausreichen und stellt damit höhere Anforderungen an das Rechtsverständnis der Arbeitnehmer. Der Arbeitsvertrag in dem von dem
BAG entschiedenen Fall enthielt sowohl eine individualvertraglich
vereinbarte vierwöchige Kündigungsfrist als auch eine Bezugnahmeklausel auf den einschlägigen Tarifvertrag. Zudem kam die
gesetzliche Kündigungsfrist in Betracht. Erst aus der Anwendung
des Günstigkeitsprinzips ergab sich, dass letztlich die tarifvertragliche Kündigungsfrist die maßgebliche war.
Für weitere Fragen im Zusammenhang mit der rechtssicheren Formulierung von Kündigungserklärungen stehen Ihnen gerne zur
Verfügung:
Dr. Detlef Grimm
Telefon: +49 (0) 221 650 65-129
[email protected]
Gegen die Entscheidung des LAG Düsseldorf ist Revision eingelegt
worden. Es bleibt abzuwarten, ob das BAG seine arbeitgeberfreundliche Linie weiterverfolgt.
Hinweise für die Praxis
Bis zur Klärung durch das BAG sollten Arbeitgeber vorsichtig
formulieren. Die Kündigungserklärung könnte lauten:
„Hiermit kündigen wir das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der geltenden Kündigungsfrist zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Dies ist nach unserer Bewertung
der 31.12.2015.“
Sollte der errechnete Kündigungstermin fehlerhaft sein, kann die
Kündigungserklärung nach der – nicht unumstrittenen – Rechtsprechung des 2. Senats des BAG als eine solche mit richtiger
Kündigungsfrist ausgelegt werden. Wird eine solche Auslegung
im konkreten Fall für unzulässig erachtet, bleibt der Weg einer Umdeutung der unwirksamen Kündigung in eine wirksame Kündigung
unter Einhaltung der richtigen Kündigungsfrist gemäß § 140 BGB.
Denn in der Regel entspricht es dem mutmaßlichen Willen des
Arbeitgebers, das Arbeitsverhältnis schnellstmöglich durch
Kündigung zu beenden.
Dr. Stefan Freh
Telefon: +49 (0) 221 650 65-129
[email protected]
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recht aktuell
Gesellschaftsrecht
Die Quote kommt
Der Bundestag hat am 06.03.2015 das Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern in Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen
Dienst (das sog. „Quotengesetz“) verabschiedet. Das Gesetz
hat erhebliche Auswirkungen für börsennotierte und mitbestimmungspflichtige Unternehmen.
Die in dem Gesetz geregelten Umsetzungsfristen sind kurz,
so dass für die betroffenen Unternehmen kurzfristig Handlungsbedarf besteht.
Feste Geschlechterquote in Aufsichtsräten von börsennotierten Unternehmen
In Aufsichtsräten von börsennotierten Unternehmen, die der
paritätischen Mitbestimmung unterliegen, müssen ab 2016
Männer und Frauen jeweils mit mindestens 30% vertreten sein.
Betroffen von dieser Regelung sind nur Aktiengesellschaften und
Kommanditgesellschaften auf Aktien, die sowohl börsennotiert
sind als auch der paritätischen Mitbestimmung unterliegen. Ebenfalls erfasst werden börsennotierte Unternehmen in der Rechtsform der Europäischen Aktiengesellschaft (SE), bei denen sich das
Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan aus derselben Zahl Anteilseigner- und Arbeitnehmervertreter zusammensetzt. Von diesen
Regelungen sind nur wenige Unternehmen betroffen (nach den
Berechnungen der Bundesregierung derzeit ca. 108 Unternehmen
in Deutschland).
De facto wird damit für die betroffenen Gesellschaften eine verpflichtende Frauenquote eingeführt, da Männer in den Aufsichtsräten der meisten Unternehmen heute überrepräsentiert sind. Ab
Inkrafttreten dieses Gesetzes wird jede quotenwidrige Wahl bzw.
quotenwidrige Entsendung von Aufsichtsratsmitgliedern nichtig
sein. Das quotenwidrig gewählte oder entsendete Aufsichtsratsmitglied ist also rechtlich nicht Mitglied des Aufsichtsrats, ohne
dass es einer gerichtlichen Anfechtung bedarf. Des Weiteren müssen
die betroffenen Gesellschaften im Lagebericht angeben, ob die
Mindestquote eingehalten wurde und, wenn dies nicht der Fall ist,
Gründe, warum die Mindestquote nicht erfüllt wurde.
Die neue Quotenregelung muss für alle Aufsichtsratswahlen ab
dem 01.01.2016 eingehalten werden. Wahlverfahren, die bis zum
01.12.2015 abgeschlossen sind, werden noch nach dem alten Recht
durchgeführt. Die Berichtspflicht im Lagebericht gilt für alle Jahresabschlüsse mit Stichtag nach dem 31.12.2015.
recht aktuell
Gesellschaftsrecht
Verpflichtung zur Festlegung von Zielgrössen bei börsennotierten oder mitbestimmungspflichtigen Unternehmen
Der zweite Teil der Regelungen gegenüber Unternehmen der Privatwirtschaft betrifft eine deutlich größere Zahl von Unternehmen.
Künftig müssen Vorstand bzw. Geschäftsführung und Aufsichtsrat
von börsennotierten oder mitbestimmungspflichtigen Unternehmen
Zielgrößen für Frauenquoten zur Erhöhung des Frauenanteils in Vorstand bzw. Geschäftsführung und Aufsichtsrat sowie in den beiden
Führungsebenen unterhalb des Vorstands bzw. der Geschäftsführung festlegen. Diese Regelungen sind anwendbar auf alle Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien, Gesellschaften
mit beschränkter Haftung, Genossenschaften und Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit, die entweder börsennotiert oder mitbestimmungspflichtig sind. Betroffen sind nicht nur paritätische,
sondern auch sämtliche drittelmitbestimmte Unternehmen.
Zuständig für die Festigung der Zielgrößen für den Vorstand bzw.
die Geschäftsführung und den Aufsichtsrat ist der Aufsichtsrat bzw.
bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung, die nach dem Drittelbeteiligungsgesetz mitbestimmungspflichtig sind, die Gesellschafterversammlung. Die Zielgrößen für die zwei Führungsebenen unterhalb der Geschäftsführung bzw. dem Vorstand werden vom Vorstand bzw. der Geschäftsführung festgelegt.
Die Zielgrößen selbst sind gesetzlich nicht festgelegt. Liegt der Frauenanteil allerdings unterhalb von 30%, dürfen die Zielgrößen nicht
hinter dem bestehenden Status Quo zurückbleiben. Zusätzlich müssen konkrete Fristen für die Erreichung der Zielgrößen festgelegt
werden.
Die erste Frist darf nicht länger als bis zum 30.06.2017 andauern,
nachfolgende Fristen nicht länger als fünf Jahre. Zielgrößen und
Fristen müssen ebenfalls im Lagebericht der Gesellschaft veröffentlicht werden. Zudem müssen die Gesellschaften im Lagebericht berichten, inwieweit die Zielgrößen erreicht oder nicht erreicht wurden
bzw. warum Zielgrößen nicht erreicht wurden. Auch Gesellschaften,
die nicht zur Offenlegung des Lageberichts verpflichtet sind, haben
eine entsprechende Erklärung zu erstellen und zu veröffentlichen.
Die Regelungen über die Festlegung von Zielgrößen und Fristen müssen
nach Inkrafttreten des Gesetzes, spätestens bis zum 30.09.2015 –
also sehr zeitnah – umgesetzt werden. Die Berichtspflichten für die
Festlegung von Zielgrößen gelten erstmals für alle Jahresabschlüsse
mit Stichtag nach dem 30.09.2015.
Bei Fragen zu dem Quotengesetz und den Auswirkungen für Ihr Unternehmen und anderen Fragen des Gesellschaftsrechts stehen Ihnen
gerne zur Verfügung:
Dr. Frank Heerstraßen
Telefon: +49 (0) 221 650 65-180
[email protected]
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Dr. Sandra Orlikowski-Wolf
Telefon: : +49 (0) 221 650 65-180
[email protected]
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recht aktuell
Mietrecht
BGH entlastet Mieter bei Wohnungsrenovierungen:
Änderung der Rechtsprechung zu Formularklauseln bei Schönheitsreparaturen
Mit drei weitreichenden Grundsatzurteilen (VIII ZR 185/14, VIII
ZR 242/13 und VIII ZR 21/13) ist der BGH am 18.3.2015 von seiner
bisherigen Rechtsprechung abgerückt und hat die Rechte von
Mietern erheblich gestärkt. So hat er Renovierungsklauseln
bei unrenoviert übergebener Wohnung und Quotenabgeltungsklauseln generell für unwirksam erklärt.
Ausgangssituation
In allen drei Verfahren hatten Vermieter ihre ehemaligen Mieter auf
Schadensersatz verklagt, weil diese beim Auszug die Wohnung nicht
instand gesetzt hatten.
Kehrtwende des BGH
Die Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung hat der BGH mit
der Verschärfung seiner Rechtsprechung zu den Maßstäben der
Inhaltskontrolle von AGB in den letzten Jahren, insbesondere dem
Erfordernis eines flexiblen Fristenplans (VIII ZR 361/03) und der
Anwendung der kundenfeindlichsten Auslegung auch im Individualprozess (VIII ZR 285/12), begründet.
Eine Tendenz dazu hatte sich bereits in einem Urteil des BGH vom
Januar letzten Jahres abgezeichnet, in dem dieser Bedenken gegen
die Wirksamkeit von Quotenabgeltungsklauseln geäußert hatte
(VIII ZR 352/12).
Renovierungsklauseln
Renovierungsklauseln wälzen die Pflicht zur Vornahme von Schönheitsreparaturen, die grundsätzlich dem Vermieter als Teil seiner
Instandhaltungspflicht nach § 535 BGB obliegt, auf den Mieter ab.
Der BGH hat nun seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben, wonach formularmäßige Renovierungsklauseln auch bei einer zu Beginn
des Mietverhältnisses dem Mieter unrenoviert überlassenen Wohnung als wirksam erachtet wurden (grundlegend BGHZ 101, 253, 264
ff.).
Das Gericht betont jetzt, dass der Mieter nur zu den auf seine eigene
Vertragszeit entfallenden Renovierungsleistungen verpflichtet werden dürfe.
Bei kundenfeindlichster Auslegung der Klausel werde der Mieter aber
zu vorzeitigen Renovierungsarbeiten oder gegebenenfalls dazu verpflichtet, die Wohnung in einem besseren Zustand zurückzugeben,
als er sie selbst vom Vermieter erhalten habe.
recht aktuell
Mietrecht
Ohne gleichzeitige Gewährung eines angemessenen Ausgleichs
wären solche Klauseln aufgrund unangemessener Benachteiligung
des Mieters gem. § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr.1 BGB unwirksam.
Der in einem der Fälle zu Mietbeginn gewährte Nachlass von einer
halben Monatsmiete stellte nach Ansicht des BGH keinen angemessenen Ausgleich dar.
Für die Qualifizierung einer Wohnung als renoviert bzw. unrenoviert
sei maßgeblich, ob etwa vorhandene Gebrauchsspuren so unerheblich seien, dass die Mieträume im Zeitpunkt der Übergabe den
Gesamteindruck einer renovierten Wohnung vermitteln. Dies sei
anhand der Umstände des Einzelfalls zu entscheiden.
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Folgen für die Praxis
Mit diesen Grundsatzentscheidungen hat der BGH der gerade in
Großstädten gängigen Praxis von Vermietern, die Kosten für Schönheitsreparaturen unrenovierter Wohnungen im Wege von Renovierungsklauseln auf die Mieter abzuwälzen, einen Riegel vorgeschoben.
Das Übergabeprotokoll sollte daher eindeutig Auskunft geben, ob die
Wohnung renoviert übergeben wurde. Quotenabgeltungsklauseln
sind hingegen künftig generell als unwirksam anzusehen.
Es bleibt abzuwarten, ob sich diese Kosten für Schönheitsreparaturen
künftig in der Höhe der Kaltmiete wiederfinden werden.
Quotenabgeltungsklauseln
Durch Quotenabgeltungsklauseln wird der Mieter zur anteiligen
Kostentragung bei Schönheitsreparaturen für den Fall verpflichtet,
dass die Wohnung bei Auszug zwar Abnutzungs- oder Gebrauchsspuren aufweist, die Schönheitsreparaturen aber nach dem in der
Renovierungsklausel statuierten Fristenplan noch nicht fällig sind.
In seiner früheren Rechtsprechung hatte der BGH eine Berechnung
der vom Mieter zu zahlenden Kosten anhand von „starren“ Fristen
als zulässig erachtet (grundlegend BGHZ 105, 71, 84 ff.) Im Jahr 2007
hatte der BGH die Anforderungen an die Zulässigkeit von Quotenabgeltungsklauseln dahingehend verschärft, dass er nur eine Bemessung anhand flexibler Fristen für zulässig erklärte (VIII ZR 143/06).
Hierbei bemisst sich der vom Mieter zu tragende Anteil „nach dem
Verhältnis zwischen der Mietdauer seit Durchführung der letzten
Schönheitsreparaturen und dem Zeitraum, nach dem bei einer hypothetischen Fortsetzung aufgrund des Wohnverhaltens des Mieters voraussichtlich Renovierungsbedarf bestünde“.
Derartige Klauseln hat der BGH nunmehr generell und unabhängig
davon, ob die Wohnung renoviert übergeben wurde, verworfen.
Die Klauseln benachteiligten den Mieter aufgrund von Intransparenz
unangemessen und seien daher gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, 2 BGB
unwirksam. Der vom Mieter zu tragende Kostenanteil könne nicht
verlässlich ermittelt werden und für den Mieter sei bei Vertragsschluss nicht klar und verständlich, welche Belastung gegebenenfalls
auf ihn zukomme.
Für weitere Fragen zu Renovierungs- und Quotenabgeltungsklauseln
steht Ihnen gerne zur Verfügung:
Dr. Stefan Stock, MScRE
Telefon: +49 (0) 221 650 65-286
[email protected]
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recht aktuell
Wettbewerbsrecht
Abmahnung unwirksamer AGB-Klauseln im
unternehmerischen Rechtsverkehr
Die Verwendung unwirksamer Klauseln in AGB stellt einen
Wettbewerbsverstoß dar. Dies galt schon länger für AGB,
die gegenüber Verbrauchern verwendet werden. Seit letztem Jahr wird von Gerichten die gleiche Rechtsauffassung
auch für AGB im unternehmerischen Verkehr vertreten. Wer
unzulässige Klauseln in AGB verwendet, muss daher mit der
Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen durch Abmahnungen und Gerichtsverfahren rechnen. Zu befürchten
ist daher, dass aufgrund der gerichtlichen Ausdehnung auf
den unternehmerischen Verkehr eine Abmahnwelle heranrollen könnte.
Wer ist abmahn- bzw. klageberechigt?
Gemäß § 8 UWG ist zunächst jeder Mitwettbewerber berechtigt,
gegen unzulässige Klauseln vorzugehen. Der Begriff des Mittwettbewerbers im Sinne des UWG ist weit zu verstehen und umfasst
jedes Unternehmen, dessen Waren und Dienstleistungen grundsätzlich mit jenen des Klauselverwenders austauschbar sind. Auf
die Handelsstufe kommt es dabei nicht an, so dass auch Hersteller
und Händler, die Produkte dieses Herstellers vertreiben, in einem
Wettbewerbsverhältnis stehen. Darüber hinaus sind auch Unternehmensvereinigungen und Verbände wie die Wettbewerbszentrale, der Verband Sozialer Wettbewerb und bestimmte
Verbraucherschutzverbände anspruchsberechtigt. Der Kreis der
Abmahnberechtigten ist daher sehr weit.
Auswirkungen für Allgemeine Geschäftsbedingungen
im unternehmerischen Verkehr
Unternehmen sollten ihre AGB juristisch überprüfen lassen und
regelmäßig der aktuellen Rechtsprechung anpassen. Dabei ist zu
beachten, dass nicht nur die eigentlichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (insbesondere Verkaufs- und Lieferbedingungen und
Einkaufsbedingungen) der Unternehmen im juristischen Sinne AGB
darstellen, sondern auch die meisten von den Unternehmen eingesetzten Verträge, wie Liefer-, Kooperations-, und Projektverträge
sowie Verhandlungsprotokolle. Auch diese Verträge sind, soweit
nicht jede Klausel im Einzelnen von beiden Vertragsparteien ausgehandelt wurde, der AGB-Kontrolle unterworfen. Es sollten daher
nicht nur die AGB im klassischen Sinne, sondern auch die von den
Unternehmen eingesetzten Vertragsmuster überprüft werden.
recht aktuell
Wettbewerbsrecht
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Bei Rückfragen zur Abmahnung unzulässiger AGB-Klauseln sowie
allgemein zum AGB-Recht wenden Sie sich bitte an:
Dr. Nikolai Wolff
Telefon: +49 (0) 221 650 65-183
[email protected]
Zum Teil werden in Allgemeinen Geschäftsbedingungen im unternehmerischen Verkehr bisher bewusst Klauseln eingesetzt, die
zwar unwirksam sind, die aber aus taktischen Gründen in die AGB
aufgenommen werden. Diese Praxis sollte für die Zukunft genau
überdacht und gegen das damit verbundene Abmahnrisiko abgewogen werden.
Dr. Stefan Maaßen, LL.M.
Telefon: +49 (0) 221 650 65-231
[email protected]
Veröffentlichung von AGB im Internet
Typischerweise veröffentlichen Unternehmen ihre AGB – auch um
den Kunden entgegenzukommen – im Internet. Hier müssen ebenfalls die Vorteile einer solchen Veröffentlichung gegen das damit
verbundene Abmahnrisiko abgewogen werden. Eine Lösung kann
darin bestehen, die AGB nur noch in einem geschützten Bereich im
Internet zu veröffentlichen.
Sollten AGB nicht mehr im Internet frei zugänglich sein, ist dies
auch bei der Vertragsgestaltung zu berücksichtigen. Viele Unternehmen verweisen in den Bestellungen/Auftragsbestätigungen
pauschal darauf, dass die Verträge nur unter Einbeziehung ihrer
AGB zustande kommen, die im Internet abrufbar sind. Da dieser
Hinweis neben den genannte Risiken auch technische Risiken (z.B.
der Link ist im Einzelfall aus technischen Gründen nicht abrufbar)
begründet, sollte im deutschen Rechtsverkehr immer zusätzlich der
Hinweis aufgenommen werden, dass die AGB bei Bedarf übersandt
werden. Im internationalen Rechtsverkehr ist es demgegenüber
ohnehin erforderlich, die AGB der jeweiligen Bestellung/Auftragsbestätigung oder dem Vertrag in Kopie beizufügen.
Dr. Sandra Orlikowski-Wolf
Telefon: +49 (0) 221 650 65-180
[email protected]
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recht aktuell
Arbeitsrecht
Arbeitnehmervideos im Internet –
Widerrufsmöglichkeiten nach Ausscheiden
Zu Werbezwecken veröffentlichen viele Unternehmen Fotos und Videos von ihren Arbeitnehmer im Internet. Mit den
Möglichkeiten der Arbeitnehmer, nach ihrem Ausscheiden die Löschung solcher Fotos und Videos zu verlangen, hat sich
das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einer grundlegenden Entscheidung vom 19.02.2015 (8 AZR 1011/13) befasst.
recht aktuell
Arbeitsrecht
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Ausgangspunkt der Entscheidung ist § 22 Kunsturhebergesetz
(KUG): Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten
verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Neu und
überraschend an der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ist,
dass ausdrücklich eine schriftliche Einwilligung des Arbeitnehmers
verlangt wird. Eine solche schriftliche Einwilligung wird zu§ 22 KUG
sonst nicht gefordert, auch in den bisherigen Entscheidungen der
Landesarbeitsgerichte (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, 30.11.2012 –
6 Sa 271/12) wurde davon ausgegangen, dass ein Arbeitnehmer
schon mit seiner Teilnahme an der Anfertigung des Bildes konkludent
dessen Verwendung zustimmt. Eine solche konkludente Einwilligung
reicht dem BAG nun nicht mehr aus. Aus dem Recht des Arbeitnehmers
auf informationelle Selbstbestimmung leitet es das Erfordernis einer
ausdrücklichen schriftlichen Einwilligung ab.
Eine solche Einwilligung ist allerdings nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses nicht mehr frei widerruflich. Das BAG hält einen Widerruf zwar grundsätzlich für möglich, verlangt für diesen jedoch einen
„plausiblen Grund“. Dies entspricht der bisherigen Rechtsprechung
der Landesarbeitsgerichte, dass die vom Arbeitnehmer erteilte Einwilligung in die Verwendung von Beschäftigtenfotos, die allgemeinen Illustrationszwecken dienen, auch über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus reicht und nicht widerrufen werden kann.
Dass im Einzelfall allerdings auch plausible Gründe für einen Widerruf vorliegen können, zeigt eine Entscheidung des Hessischen LAG
(24.01.2012 – 19 SaGa 1480/11). Die Entscheidung betraf eine Rechtsanwältin, die nach einem (unfreiwilligen) Wechsel zu einer anderen
Kanzlei die Löschung ihres Bildes sowie sämtlicher auf sie hindeutender Hinweise von ihrem alten Arbeitgeber verlangte: Aus Sicht
des Hessischen LAG zu Recht, da es der Klägerin, die mittlerweile
für einen Wettbewerber tätig sei, nicht zumutbar sei, dass die alte
Kanzlei weiter mit ihrem Profil werbe. Das kann allerdings bei einem
nicht personalisierten Foto, das die Klägerin lediglich als Teil der
Gesamtbelegschaft gezeigt hätte, anders sein.
Die veröffentlichten Fälle deuten auch darauf hin, dass der Streit um
die Löschung von Bildern auf Homepages häufig dem Austragen persönlicher Animositäten dient, indem Arbeitnehmer versuchen, den
Arbeitgeber zur teuren Anfertigung neuer Fotos bzw. Videos
zu zwingen. Auf das wenig stilvolle Austragen nachwirkender Konflikte aus dem Arbeitsverhältnis deutet im vom Hessischen LAG entschiedenen Fall das Angebot der beklagten Kanzlei hin, die
Fotos der Klägerin mit dem Hinweis zu versehen, dass das Arbeitsverhältnis innerhalb der Probezeit von der Kanzlei beendet worden
sei.
Grundlegende Bedeutung hat das Urteil des BAG vom 19.02.2015
hinsichtlich des neu begründeten Schriftformerfordernisses für
eine Einwilligung in die Veröffentlichung von Fotos. Soweit solche
schriftliche Einwilligungen der Arbeitnehmer in zu Werbezwecken
verwandte Fotos noch nicht vorliegen, sollte dies umfassend nachgeholt werden und auch künftig vor der Anfertigung entsprechender Fotos die schriftliche Einwilligung der Arbeitnehmer eingeholt
werden.
Für weitere Fragen im Zusammenhang mit der Veröffentlichung
von Arbeitnehmervideos und -bildern im Internet steht Ihnen
gerne zur Verfügung:
Dr. Martin Brock
Telefon: +49 (0) 221 650 65-233
[email protected]
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recht aktuell
Regulierte Märkte
Das Diskriminierungsverbot nach der bpostEntscheidung des EuGH: Zulässigkeit unterschiedlicher Rabatte der Post für Grossversender und
Konsolidierer
Die Erbringung von Postdiensten, insbesondere der Briefversand, wird auch heute noch in überwiegendem Umfang von den
ehemaligen Monopolisten – z.B. der bpost in Belgien oder der Deutschen Post – erbracht. Unions- und nationaler Gesetzgeber sind indes bestrebt, dies zu ändern: Regulatorisch erwünscht ist ausweislich der EU-Postrichtlinie und des nationalen
Postgesetzes die Förderung von Wettbewerb auch im Briefsegment.
recht aktuell
Regulierte Märkte
Ein solcher Wettbewerb kann in zweierlei Hinsicht stattfinden:
Zum einen durch ein eigenes, paralleles Zustellnetz, bei dem ein
Wettbewerber selbst den Brief vom Absender bis zum Empfänger
transportiert. Zum anderen können Wettbewerber einzelne Abschnitte dieser Beförderungskette als eigene Leistung anbieten
und die Beförderung im Übrigen dem ehemaligen Monopolisten
überlassen. Konsolidierer bieten solche Teilleistungen – einzelne
Abschnitte der Beförderungskette vom Absender zum Empfänger –
als eigene Leistung an: Sie liefern Briefe verschiedener Absender
in den Briefverteilzentren der ehemaligen Monopolisten, z.B. der
Deutschen Post, ein, oftmals erbringen sie dabei zusätzliche Leistungen wie das Vorsortieren der Briefe.
Diesen von Konsolidierern angebotenen ersten Abschnitt der Beförderungskette (Absender bis Briefverteilzentrum) können auch
Großversender, beispielsweise große Unternehmen, in Eigenleistung erbringen. Sie geben dann die von ihnen versandten Briefe direkt in den Briefverteilzentren der Deutschen Post – u.U. vorsortiert
– ab, anstatt diese in den Briefkasten einzuwerfen oder in der Postfiliale aufzugeben.
Postrechtliches Diskriminierungsverbot
Aus dem Blickwinkel der ehemaligen Monopolisten sind die Vorleistungen von Konsolidierern und die Tätigkeiten der Großversender damit in wesentlichen Punkten identisch: Beide liefern große
Briefsendungsmengen in den Briefverteilzentren ein, u.U. bereits
vorsortiert. Ob angesichts dessen Konsolidierer und Großversender
durch die ehemaligen Monopolisten identisch zu behandeln sind,
ihnen also insbesondere exakt die gleichen Entgeltkonditionen eingeräumt werden müssen, oder aber unterschiedliche Entgeltkonditionen in Ansatz gebracht werden dürfen, war Gegenstand der
„bpost-Entscheidung“ des EuGH vom 11.02.2015 (Rs. C-340/13).
bpost gewährte u.a. Mengenrabatte für eine bestimmte Menge
an Postsendungen und operative Rabatte, mit denen bestimmte
Vorbereitungshandlungen abgegolten wurden. Ausgangspunkt
15
des EuGH-Verfahrens war eine Änderung des Nachlasssystems von
bpost: Mengenrabatte wurden nur noch je Absender gewährt, so
dass der Nachlass für Konsolidierer nicht mehr auf Grundlage der
Gesamtmenge der Sendungen aller Absender, denen sie ihre Dienste erbrachten, berechnet wurde, sondern auf der Grundlage der
Sendungsmenge, die individuell von jedem Einzelnen ihrer Kunden
erzeugt wurde (Rn. 15).
Ob diese Tarifgestaltung zulässig ist, hängt maßgeblich von der
Reichweite des postrechtlichen Diskriminierungsverbots ab. Art.
12 der Postrichtlinie 97/67/EG i.d.F. der Richtlinie 2008/6/EG bestimmt in Spiegelstrich 4, dass Tarife „transparent und nichtdiskriminierend“ sein müssen. Nach Spiegelstrich 5 gelten die Grundsätze der Transparenz und Nichtdiskriminierung auch für den Fall, dass
Anbieter von Universaldienstleistungen Sondertarife anwenden,
z.B. für Dienste für Massenversender oder Konsolidierer verschiedener Nutzer. Weiter heißt es dort: „Alle derartigen Tarife werden
auch allen anderen Nutzern gewährt, insbesondere Privatkunden
und kleinen und mittleren Unternehmen, die Sendungen unter vergleichbaren Bedingungen einliefern.“
Ob das Rabattsystem von bpost unter Spiegelstrich 4 – Tarife – oder
Spiegelstrich 5 – Sondertarife – zu subsumieren ist, war für den EuGH letztlich unerheblich: Für Tarife und Sondertarife gelte gleichermaßen das Diskriminierungsverbot (Rn. 24). Danach dürften vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche
Sachverhalte nicht gleich behandelt werden, es sei denn, dass eine
solche Behandlung objektiv gerechtfertigt ist (Rn. 27).
Operative Rabatte und Mengenrabatte
Im Fall „bpost“ stand zur Entscheidung, ob Mengenrabatte für eine
bestimmte Sendungsmenge je Absender zulässig sind. Diese Rabattgestaltung hatte zur Folge, dass ein 1.000 Briefe einliefernder
Großversender (= 1.000 Briefe eines Absenders) einen höheren Rabatt erhielt, als ein 1.000 Briefe verschiedener Absender einliefernder Konsolidierer.
16
recht aktuell
Regulierte Märkte
Dieses Rabattsystem von bpost verstößt nach Ansicht des EuGH
nicht gegen das Diskriminierungsverbot: Da die Mengenrabatte auf
Grundlage des von jedem einzelnen Absender individuell erzeugten
Umsatzes berechnet würden, könne es zwar zu einer Ungleichbehandlung zwischen Konsolidierern und Großversendern kommen
(Rn. 32 f.). Diese sei aber nur dann eine verbotene Diskriminierung,
wenn eine vergleichbare Situation vorläge und zudem die Ungleichbehandlung nicht durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt sei (Rn.
33).
Jedenfalls Letzteres lag bei bpost nach Ansicht des EuGH vor: Ziel
der Mengenrabatte sei die Stimulation der Nachfrage auf dem Gebiet der Postdienste, die sich einem wachsenden Angebot konkurrierender Versandwege, insbesondere der E-Mail, gegenübersähe
(Rn. 36). Konsolidierer aber steigerten nicht das Gesamtvolumen
der über bpost versandten Post, ein Mengenrabatt je eingelieferter
Menge könne sogar gegenteilige Anreize setzen und eine Steigerung des Gesamtvolumens verhindern (Rn. 38 ff.). Großversender
und Konsolidierer befänden sich in Bezug auf das von der Mengenrabattregelung je Absender verfolgte Ziel nicht in einer vergleichbaren Situation, so dass eine Ungleichbehandlung hier keine verbotene Diskriminierung darstelle (Rn. 48).
Anders soll dies nach wie vor bei operativen Rabatten sein, z.B. einer Vorsortierung der Briefsendungen (vgl. Rn. 45 ff. und EuGH, Urt.
v. 06.03.2008, verb. Rs. C-287/06 u.a.): Diese sind Großversendern
und Konsolidierern gleichermaßen zu gewähren. Gerade Konsolidierer können danach weiterhin auch in den Genuss von Rabatten
für den Umstand kommen, dass sie Postsendungen einer Vielzahl
verschiedener Absender zusammenfassen: Indem sie diese Sendungen einsammeln, ersparen sie dem ehemaligen Monopolisten entsprechende operative Aufwendungen, die sich dann in einem operativen Rabatt niederschlagen.
Die Umsetzung der bpost-Entscheidung dürfte in der Praxis indes
nicht derart einfach gelingen, wie die Entscheidungsgründe dies
suggerieren, da die vom EuGH vorausgesetzte klare und eindeutige
Differenzierung zwischen Mengen- und operativen Rabatten kaum
besteht: Worin beispielsweise liegt der Mengenrabatt, worin der
operative Rabatt, wenn für die Einlieferung von 10.000 vorsortierten Briefen je Absender ein Preisnachlass gewährt wird? Auf eine
derartige Kombination von Mengen- und operativen Rabatten ist
die bpost-Entscheidung des EuGH nicht ohne weiteres übertragbar.
recht aktuell
Regulierte Märkte
Differenzierungen zwischen Konsolidierern und
Grossversendern
Festzuhalten ist, dass nach der EuGH-Entscheidung eine identische
Behandlung von Konsolidierern und Großversender durch das postrechtliche Diskriminierungsverbot nicht zwingend vorgegeben ist:
Es gebietet die Gleichbehandlung von Gleichem, solange kein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung vorliegt, sowie die Ungleichbehandlung von Ungleichem, wenn eine Gleichbehandlung
nicht sachlich gerechtfertigt ist. Eine unbedingte Gleichbehandlung
gebietet das Diskriminierungsverbot nicht.
Der EuGH hat damit in einem bedeutenden Punkt Klarheit geschaffen: Eine Ungleichbehandlung, also eine Schlechter-, aber auch eine
Besserstellung von Konsolidierern (z.B. Großhandelsbedingungen
bei der Einlieferung und damit günstigere Preise), kann mit Blick
auf das postrechtliche Diskriminierungsverbot zulässig sein. Entscheidend ist eine Einzelfallprüfung. In der bisherigen Rechtsprechung fehlte es an einer solchen Aussage, beispielsweise in einer
Entscheidung aus dem Jahr 2008 (verb. Rs. C-287/06 u.a.) verlangte
der EuGH eine Gleichbehandlung der benachteiligten Konsolidierer
mit den Großversendern.
Vor dem Hintergrund der bpost-Entscheidung erscheint eine Besserstellung der Konsolidierer nun möglich: In ihren bpost-Schlussanträgen (C-340/13) hatte die Generalanwältin noch festgehalten,
eine positive Diskriminierung, also eine Besserstellung der Konsolidierer, könne gegen das Diskriminierungsverbot verstoßen (Rn.
88 der Schlussanträge). Ein entsprechender Passus findet sich in
der Entscheidung des EuGH allerdings nicht. In der Sache sprechen
denn auch gute Gründe für die Zulässigkeit einer Ungleichbehandlung, wenn diese der Wettbewerbsförderung dient und die Eigenschaft der Konsolidierer als Wettbewerber berücksichtigt: Konsolidierer und Großversender sind zwar aus dem Blickwinkel der die
Briefe entgegennehmenden Post womöglich „gleich“, da beide
Briefsendungen direkt im Briefverteilzentrum einliefern.
Bereits aus Sicht der Einliefernden fehlt es aber an der Vergleichbarkeit: Großversender liefern als absendende Endkunden ein, Konsolidierer als Vorleister, die gerade nicht selbst Endkunden und nicht
selbst Absender sind. Die Marktstellung von Konsolidierern ist denn
auch eine ganz andere als die eines Großversenders, Konsolidierer
treten als Wettbewerber der ehemaligen Monopolisten am Markt
auf und werben mit diesen um Absender – wie beispielsweise auch
die Großversender – als Kunden. Es fehlt dann bereits an der Vergleichbarkeit von Großversendern und Konsolidierern. Jedenfalls
aber dürfte eine Besserstellung von Konsolidierern vor dem Hintergrund des gesetzgeberisch festgelegten Ziels der Wettbewerbsförderung gerechtfertigt sein. All dies könnte schließlich eine differenzierende Behandlung nicht nur erlauben, sondern sogar gebieten.
Für weitere Fragen im Zusammenhang mit dem postrechtlichen Diskriminierungsverbot stehen Ihnen gerne zur Verfügung:
Dr. Raimund Schütz
Telefon: +49 (0) 221 650 65-240
[email protected]
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Dr. Kristina Schreiber
Telefon: : +49 (0) 221 650 65-222
[email protected]
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recht aktuell
Lizenzrecht
Vorsicht vor Open Source-Software
Der Einsatz sogenannter Open Source-Software erfreut sich wachsender Beliebtheit. Bei dem Vertrieb dieser Software werden jedoch praktisch immer die Lizenzbedingungen verletzt. Die wenigsten Unternehmen dürften ahnen, welche Verpflichtungen beim Vertrieb von Open Source-Software zu beachten sind und welche urheberrechtlichen Konsequenzen drohen.
I. Hintergrund
Die Lizenzbedingungen von sogenannter „Open Source“-Software
sollen im Wesentlichen die unbeschränkte Weiterverbreitung der
Software und deren freie Bearbeitung durch jedermann sicherstellen.
Zu diesem Zweck enthalten die Lizenzbedingungen in der Regel
Verpflichtungen zur Veröffentlichung des Quellcodes der Software,
zu Hinweisen auf die Haftungsbeschränkung und die Benennung
des Urhebers. Die bekanntesten Lizenzbedingungen dieser Art sind
„General Public License“ (GPL), die in insgesamt drei Versionen existiert. Am gebräuchlichsten ist derzeit die Version 2 (GPLv2). Weitere
verbreitete Lizenzbedingungen sind die „Apache Software License
2.0“, die „Berkeley Software Distribution“ (BSD)-Lizenz, die ebenfalls in mehreren Varianten existiert, sowie die MIT-Lizenz. Darüber
hinaus findet sich eine große Vielzahl weiterer Open Source-Lizenzmodelle, die teilweise nur für ein einziges Programm anwendbar
sind.
eingesetzt werden, die Beschränkungen enthalten, welche über die
Regelungen der GPL hinausgehen. Dieser letzte Punkt führt in der
Praxis häufig zu Kollisionen mit den AGB, welche die Nutzung der
Software im Übrigen regeln sollen.
Andere Lizenzbedingungen wie etwa die OSS-Lizenz verlangen
einen ausdrücklichen Hinweis auf die Software und ihre Programmierer, sofern in der Werbung für das Produkt auf bestimmte Funktionen der Software (insbesondere Verschlüsselung) hingewiesen
wird. Da zumeist zahlreiche Komponenten in einer Software oder
Firmware zusammengefügt sind, die unterschiedlichen Open SourceBedingungen unterliegen, sind eine große Vielzahl unterschiedlicher Verpflichtungen zu beachten. In der Firmware eines handelsüblichen Routers finden sich bis zu 100 unterschiedliche SoftwareKomponenten, die in der Praxis 30 oder 40 unterschiedlichen Lizenzbedingungen unterliegen.
Die Verbreitung von Software, die unter Open Source-Lizenzen verwendet wird, ist ausgesprochen groß. Praktisch jedes Smartphone
und alle Netzwerkgeräte wie Router und Modems funktionieren
mit Open Source-Software oder -Firmware. Dies gilt auch für viele weitere technische Geräte – Schätzungen gehen davon aus, dass
95% aller Mikroprozessoren eine Open Source-Firmware enthalten.
Noch gravierender sind die Auswirkungen, wenn die Open SourceSoftware in eine eigene, selbst entwickelte Software integriert
wird. In diesem Fall darf nach der GPL das gesamte neue Programm
ebenfalls nur nach den Bedingungen der GPL vertrieben werden.
Eine eigene Verwertung durch Vergabe kostenpflichtiger Lizenzen
ist damit ausgeschlossen, wobei allerdings die Erbringung von Beratungs- oder Supportleistungen gegen Entgelt möglich ist.
II. Problematische Klauseln
III. Ausweg Erschöpfung?
Auch wenn Open Source-Lizenzbedingungen im Ausgangspunkt die
freie Nutzung der Software sicherstellen sollen, enthalten die Regelungen einige Beschränkungen, die im betrieblichen Alltag äußerst
belastend sind. Problematisch ist vor allem die Weitergabe bzw. der
Vertrieb der Software. Eine rechtlich relevante Vertriebshandlung
liegt dabei schon dann vor, wenn ein Produkt angeboten wird, welches Open Source-Software enthält (etwa ein Modem). Auch das
Bereitstellen von Updates über die Internetseite eines Unternehmens ist ein Vertrieb der Software.
Die aus den Open Source-Lizenzbedingungen resultierenden Verpflichtungen sind grundsätzlich bei jeder Vertriebshandlung zu
berücksichtigen. Eine Ausnahme besteht allerdings, wenn das
jeweilige Produkt bereits im europäischen Wirtschaftsraum mit
der Zustimmung des Rechteinhabers in Verkehr gebracht wurde.
In diesem Fall tritt Erschöpfung ein (§ 69c Nr. 3 UrhG) und der weitere
Vertrieb des Produktes kann nicht mehr unterbunden werden. Voraussetzung ist jedoch, dass beim erstmaligen Inverkehrbringen
sämtliche Lizenzbedingungen eingehalten wurden. Andernfalls tritt
eine Erschöpfung nicht ein und jeder weitere Verkäufer verletzt auf
seiner Handelsstufe die Lizenzbedingungen.
Nach den Bestimmungen der weit verbreiteten GPLv2 muss bei
jeder dieser Vertriebshandlungen ein schriftliches Angebot zum
Bezug des Quelltextes beigefügt werden, das ausdrücklich an jedermann gerichtet ist und eine Gültigkeit von drei Jahren ab Auslieferung des Geräts oder ab Zeitpunkt des Downloads besitzt. Darüber
hinaus muss der vollständige Text der Lizenzbedingungen sowie ein
deutlicher Hinweis auf die Haftungsbeschränkung der Programmierer beigefügt sein. Schließlich dürfen auch keine anderen Klauseln
Da die Lizenzbedingungen in der Praxis nur selten vollständig eingehalten sind, verbleibt hier ein erhebliches Risiko. Sofern Software
auf einer Internetseite zum Download angeboten wird, sind die Bedingungen ohnehin einzuhalten.
recht aktuell
Lizenzrecht
IV. Mögliche Anspruchsteller
V. Fazit
Das besondere Risiko bei der Nutzung der Open Source-Software
ergibt sich daraus, dass – wie bereits mehrere deutsche Gerichte
entschieden haben – jeder einzelne Programmierer, der an einer
Open Source-Software mitgewirkt hat, zur Geltendmachung von
Unterlassungsansprüchen berechtigt ist. Da bei größeren Open
Source-Programmen (z.B. dem Linux Kernel) die Zahl der beteiligten
Programmierer mehrere Dutzend Personen umfasst, ist das Risiko
einer Inanspruchnahme ausgesprochen groß.
Der Einsatz von Open Source-Software birgt sehr erhebliche Risiken, die von den meisten Unternehmen weitgehend unterschätzt
werden. Der Vertrieb dieser Software muss durch eine umfassende
Compliance-Struktur sichergestellt werden, da andernfalls eine
Inanspruchnahme durch eine kaum überschaubare Zahl von Anspruchsstellern droht. Für jedes Unternehmen, das den damit
verbundenen Aufwand nicht treiben kann oder möchte, gibt es
im Hinblick auf diese Risiken nur eine Empfehlung: Finger weg
von Open Source-Software.
Bislang sind zwar nur wenige Programmierer bekannt, die eine Verletzung insbesondere der Bedingungen der GPLv2 geltend machen.
Es besteht aber die Gefahr, dass sich die Zahl dieser Programmierer
in den nächsten Jahren deutlich erhöht, da die Open Source-Gemeinde ein zunehmendes Bewusstsein für die Einhaltung ihrer
Regeln entwickelt – und sich zunehmend Anwälte finden werden,
die eine Verletzung von Open Source-Klauseln zum Anlass für eine
kostenpflichtige Abmahnung nehmen.
19
Für weitere Fragen zum Thema Open Source-Compliance steht
Ihnen gern zur Verfügung:
Dr. Stefan Maaßen, LL.M.
Telefon: +49 (0) 221 650 65-231
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recht aktuell
Arbeitsrecht
Privatnutzung der Firmenkreditkarte
grundsätzlich unzulässig
Fragen rund um die Privatnutzung zu Dienstzwecken zur Verfügung gestellter Arbeitsmittel (Auto, Telefon, Laptop)
beschäftigen die Gerichte seit langem. Mit den (kündigungsrechtlichen) Folgen der Privatnutzung einer Firmenkreditkarte
hat sich das LAG Nürnberg in einem Urteil vom 3. Februar 2015 (7 Sa 394/14) beschäftigt.
Dem Kläger, Vertriebsingenieur der Beklagten, stand eine Firmenkreditkarte zur Verfügung, deren monatliche Belastungen entsprechend dem Kreditkartenvertrag vom Konto der Beklagten eingezogen wurden. Im Zusammenhang mit Dienstreisen nahm der Kläger
mit der Firmenkreditkarte Barabhebungen vor und nutzte diese für
Beherbergung und Bewirtung. Dienstlich veranlasste Aufwendungen auf den Reisen verrechnete der Kläger mit den von ihm mit der
Kreditkarte getätigten Barabhebungen. Teilweise verbrauchte er
die Barabhebungen auch privat.
Im Hinblick auf die durch die unklare Abrechnungsweise eingetretene Verwirrung um die Frage betrieblich veranlasster Aufwendungen einerseits und des nicht durch betriebliche Aufwendungen
abgedeckten Privatgebrauchs der Firmenkreditkarte andererseits
gab es Gespräche zwischen den Parteien und E-Mail-Korrespondenz. Nach Ablauf von sechs Wochen war immer noch ein Betrag
von 3.673,25 Euro ungeklärt. Die Beklagte kündigte daraufhin das
Arbeitsverhältnis ordentlich, ohne vorher eine Abmahnung auszusprechen.
recht aktuell
Arbeitsrecht
Keine Privatnutzung ohne ausdrückliche Vereinbarung
Das LAG Nürnberg hat entschieden, dass es dem Arbeitnehmer
ohne eine ausdrückliche Vereinbarung nicht gestattet ist, eine
vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellte Firmenkreditkarte, mit
der er im Ausland anfallende Kosten und sonstigen Dienstreiseaufwand begleichen kann, für private Zwecke einzusetzen. Nutze
der Arbeitnehmer die Karte für private Zwecke, stelle dies einen
schwerwiegenden Verstoß gegen die Rücksichtnahmepflichten
nach § 241 Abs. 2 BGB dar, der – nach vorheriger Abmahnung – eine
verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen könne. Entbehrlich
sei die Abmahnung, wenn der Arbeitnehmer weder anzeige, die
Firmenkreditkarte benutzt zu haben, noch dem Arbeitgeber die
von diesem durch Nutzung der Firmenkreditkarte unfreiwillig
verauslagten Gelder erstatte.
Dass es einem Arbeitnehmer, dem eine Firmenkreditkarte überlassen ist, grundsätzlich nicht gestattet sei, diese für private Ausgaben
zu benutzen, ergebe sich bereits aus dem Zweck der Überlassung.
Der Überlassung der Firmenkreditkarte komme die Funktion von
Spesenvorschüssen zu, um Aufwendungen, die der Arbeitnehmer
im Rahmen seiner arbeitsvertraglichen Aufgaben habe und die vom
Arbeitgeber zu tragen seien, unmittelbar zu Lasten des Arbeitgebers begleichen zu können, ohne sie zunächst aus eigenen Mitteln
vorfinanzieren zu müssen. Einer ausdrücklichen Anordnung der
Beklagten, die Firmenkreditkarte nicht privat zu nutzen, bedürfe
es – entgegen der Ansicht des Klägers – nicht.
Das nachträgliche Verhalten des Klägers stellte nach Ansicht des
LAG einen (weiteren) schweren Vertrauensbruch dar. Eine Abmahnung des Inhalts, den Kläger unter Androhung einer Kündigung
aufzufordern, bis zu einem bestimmten Termin das Geld zurückzuzahlen, sei deshalb nicht erforderlich gewesen. Insbesondere habe
die Beklagte aufgrund des Verhaltens des Klägers nicht davon ausgehen können, der Kläger werde zukünftig ihre Vermögensinteressen respektieren. Dieser hatte zwar im Rahmen des Gesprächs mit
seinem Vorgesetzten geäußert, „es werde nicht mehr vorkommen“.
Sein Verhalten im Anschluss an das Gespräch, insbesondere dass er
auch eine weitere Übersendung der offenen Posten durch die Buchhaltung unbeachtet ließ, war jedoch geeignet, Zweifel an der Ernsthaftigkeit dieser Absicht zu wecken.
Für weitere Fragen im Zusammenhang mit der privaten Nutzung
zu Dienstzwecken zur Verfügung gestellter Arbeitsmittel und daraus resultierenden kündigungsrechtlichen Problemen stehen Ihnen
gerne zur Verfügung:
Dr. Detlef Grimm
Telefon: +49 (0) 221 650 65-129
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Abmahnung ausnahmsweise entbehrlich
Interessant sind auch die Ausführungen des LAG zur Entbehrlichkeit
der Abmahnung. Für sich genommen sei die Benutzung der Firmenkreditkarte zu privaten Zwecken nicht so schwerwiegend, dass ein
Arbeitnehmer davon ausgehen müsse, bereits die einmalige Verfehlung werde den Arbeitgeber veranlassen, das Arbeitsverhältnis
zu beenden. Die unerlaubte private Nutzung einer Firmenkreditkarte sei mit dem Fall vergleichbar, dass ein Arbeitnehmer Geld aus der
Kasse des Arbeitgebers entnehme, um es alsbald wieder zurückzulegen, und sich so quasi unerlaubt ein „Darlehen“ gewähre. Auch
ein solches Vorgehen sei zwar nicht erlaubt. Da dem Arbeitgeber
jedoch zunächst kein Schaden entstehe, bedürfe ein derartiger Vertragsverstoß grundsätzlich einer vorherigen Abmahnung.
Das LAG sah eine Abmahnung im konkreten Fall als entbehrlich an,
weil der Kläger trotz mehrerer Aufforderungen der Buchhaltung
und eines Gesprächs mit seinem Vorgesetzten bezüglich der mit
der Firmenkreditkarte getätigten Vermögensverfügungen weder
die Beklagte informiert hatte, dass und welche Zahlungen einen
privaten Hintergrund hatten, noch entsprechende Rückzahlungen
vorgenommen hatte. Er hatte lediglich die Beträge zurückgezahlt,
auf die er von der Beklagten ausdrücklich angesprochen worden war.
21
Dr. Stefan Freh
Telefon: +49 (0) 221 650 65-129
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recht aktuell
Kartellrecht
LAG Düsseldorf
zum Regress
von Kartellbussgeldern
Im Jahr 2012 belegte das Bundeskartellamt (BKartA) in
einem medienwirksamen Verfahren die sog. „Schienenfreunde“, zu denen auch ThyssenKrupp zählte, mit Bussgeldern in Millionenhöhe. Die Wettbewerbshüter warfen den
Unternehmen und handelnden Personen vor, sich jahrelang
an wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen betreffend
die Produktion und den Vertrieb von Bahnschienen beteiligt
zu haben. Die juristische Aufarbeitung des Schienenkartells
beschäftigt seither die Kartell-, Straf- und Zivilgerichte und
zuletzt sogar die Arbeitsgerichte. In einem viel beachteten
Urteil vom Januar 2015 hat das Landesarbeitsgericht (LAG)
Düsseldorf nun entschieden, dass ThyssenKrupp Unternehmensbußgelder nicht bei einem verantwortlichen (Ex-)
Manager regressieren kann.
Kartellbussgeld und zivilrechtliche Konsequenzen
Der Verstoß gegen das deutsche und europäische Kartellverbot
stellt in Deutschland eine bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeit
dar. Im Gegensatz zur europäischen Kartellrechtsordnung, adressiert das deutsche Recht Bußgelder sowohl an juristische als auch
natürliche Personen. Unter die letztgenannte Gruppe fallen das Leitungspersonal (Vorstand einer AG, Geschäftsführung einer GmbH
etc.), Aufsichtsgremien und je nach Organisationsstruktur auch
Abteilungsleiter sowie sonstige leitende Mitarbeiter. Das Bußgeld
kann bei Unternehmen bis zu 10% des Umsatzes der Unternehmensgruppe betragen und bei natürlichen Personen bis zu 1 Mio.
EUR ausmachen (§ 81 Abs. 4 Satz 1, 2 GWB).
Daneben sind Unternehmen zunehmend mit Schadensersatzklagen
von Kunden oder (öffentlichen) Auftraggebern konfrontiert, die
überhöhte Preise bzw. entgangene Einnahmen geltend machen. Bei
solchen Verfahren muss das Zivilgericht den von den Kartellbehörden ermittelten Sachverhalt zugrunde legen. Derzeit arbeitet die
EU-Kommission daran, die private Verfolgung von Kartellschäden
EU-weit zu harmonisieren und ihre Durchsetzung zu vereinfachen;
das wird das Schadensersatzrisiko von Kartellanten weiter erhöhen.
recht aktuell
Kartellrecht
Unternehmen, die wegen kartellrechtswidrigen Verhaltens eine
Geldbuße und Schadensersatz zu zahlen haben, werden sich fragen,
ob sie ihre handelnden und verantwortlichen (Ex-) Mitarbeiter
dafür in Regress nehmen können. Insbesondere bei Aktiengesellschaften kann der amtierende Vorstand verpflichtet sein, mögliche
Ansprüche der Gesellschaft gegen das eigene Personal zu verfolgen.
Sind dabei die Gerichte anzurufen, sind je nach Position des Mitarbeiters die Landgerichte oder die Arbeitsgerichte zuständig.
Entscheidung des LAG Düsseldorf
Das LAG Düsseldorf hatte darüber zu entscheiden, ob ThyssenKrupp Kartellbußgelder (ca. 191 Mio. EUR) und im Rahmen von Schadensersatzklagen gezahlte Vergleichssummen (ca. 100 Mio. EUR)
von dem verantwortlichen Mitarbeiter ersetzt verlangen könne
(Entscheidungen vom 20.01.2015, Az. 16 Sa 458-460/14). Das LAG
entschied, dass die Kartellbuße wegen der Funktion als Unternehmensgeldbuße nicht erstattungsfähig wäre. Es handele sich um
eine Strafe mit generalpräventiver und erzieherischer Wirkung, die
gegen das Unternehmen gerichtet sei und die auch den durch den
Kartellverstoß erzielten Vorteil abschöpfen könne. Diese Sanktionswirkung werde unterlaufen, wenn das Unternehmen die finanziellen Folgen unternehmensintern abwälzen dürfe - das LAG spricht
hier von einer finalen Bußgeldbelastung des Unternehmens. Gerade weil das Kartellrecht natürliche Personen mit einem Bußgeldrahmen von bis zu 1 Mio. EUR gegenüber den Unternehmen privilegiere, dürfe dies nicht durch eine Regressmöglichkeit unterlaufen
werden. Das LAG hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung die Revision zum BAG zugelassen. Beim Regress wegen des an Kunden gezahlten Schadensersatzes hält das LAG dem Grunde nach eine Haftung für nicht ausgeschlossen, will aber erst durch Beweisaufnahme klären, ob der verklagte Mitarbeiter an den Kartellabsprachen
aktiv oder zumindest fahrlässig pflichtwidrig beteiligt war.
Praxisfolgen
Die Entscheidung des LAG Düsseldorf hat breite Aufmerksamkeit
gefunden, weil sie die Handlungsmöglichkeiten von Unternehmen
in Kartellverfahren einschränkt. Mitarbeiter mussten bisher damit
rechnen, vom Unternehmen wegen eines von ihnen (mit-)verursachten Bußgeldes finanziell zur Verantwortung gezogen zu werden. Das
machte sie nicht nur vorsichtiger, sondern verschaffte dem Unternehmen die Möglichkeit, sich in kartellbehördlichen Untersuchungsverfahren die uneingeschränkte Kooperation des Mitarbeiters bei
der Aufklärung dadurch zu sichern, dass ihm ein Regressverzicht zugesagt wurde. Will ein Unternehmen ein etwaiges Kartell zunächst
unternehmensintern aufklären, um dann zu versuchen, durch Selbstanzeige bei den Kartellbehörden das Bußgeld ganz oder teilweise erlassen zu bekommen, wird es den Mitarbeiter jedenfalls nicht mehr
durch einen Anspruchsverzicht beim Regress zur Kooperation motivieren können. Unberührt bleibt die Möglichkeit des Unternehmens,
von dem Mitarbeiter Ersatz für anderweitige Schäden zu verlangen.
Hier ergeben sich indes erhebliche Schwierigkeiten dabei, dem Mitarbeiter nachzuweisen, dass sein Verhalten ursächlich für den konkreten Schaden und schuldhaft war.
Die Entscheidung verhält sich nicht zu der Frage, ob Kartellbußgelder nach europäischem Kartellrecht ersetzt verlangt werden können.
Hier ist die Lage zumindest insofern etwas anders, als dass das europäische Recht keine Bußen für natürliche Personen kennt. Hat man
das als generelle Privilegierung zu verstehen, wäre ein Regress gegen
Mitarbeiter erst recht nicht möglich.
Für weitere Fragen zu kartellrechtlichen Sachverhalten stehen Ihnen gerne zur Verfügung:
Dr. Thilo Klingbeil
Telefon: +49 (0) 221 650 65-200
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Simon Kohm
Telefon: +49 (0) 221 650 65-200
[email protected]
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recht aktuell
Telekommunikationsrecht
Öffentliches WLAN als Wettbewerbsfaktor:
Haftungsrisiken und die Änderung des Telemediengesetzes
Für Unternehmen ist das Anbieten von öffentlichem, kostenlosem WLAN ein wichtiger Faktor im Wettbewerb um Kunden.
Insbesondere Geschäftsreisende und Touristen erwarten in Hotels und Cafés, aber auch im Flughafen oder am Bahnhof die
Nutzbarkeit von WLAN, um E-Mails abzurufen oder sich über lokale Sehenswürdigkeiten zu informieren. Kostenloses WLAN
kann deshalb bei der Auswahl eines Anbieters von Dienstleistungen schnell zum ausschlaggebenden Punkt werden. Hierdurch kann eine größere Kundenbindung erreicht oder die Attraktivität des Hauptangebots gesteigert werden.
Trotz dieser wirtschaftlichen Vorteile und trotz eines Durchschnitts
von rund drei WLAN-fähigen Endgeräten pro Kopf hinkt Deutschland bei der Verfügbarkeit von WLAN-Hotspots im internationalen
Vergleich weit hinterher. Ein maßgeblicher Grund hierfür ist die
Angst vor der Haftung für das Verhalten der – zumeist nicht bekannten – Nutzer des WLANs: Diese können über den Internet-Zugang über das WLAN Urheberrechtsverletzungen oder Straftaten
begehen, ohne dass der Anbieter es bemerkt. Dennoch haftet er
unter Umständen für dieses Verhalten.
Diese Problematik hat auch die Regierung erkannt und bereits im
Koalitionsvertrag beschlossen, Rechtssicherheit für WLAN-Betreiber durch Klarstellung der Haftungsregelungen zu schaffen. Vor
Kurzem wurde nun ein erster Referentenentwurf für eine Überarbeitung der für die Haftung von WLAN-Anbietern maßgeblichen
Normen im Telemediengesetz (TMG) veröffentlicht.
Arten der Haftung
Ausgangspunkt für die Zurückhaltung beim Anbieten offener Netze
in Cafés und ähnlichen Einrichtungen ist häufig die Frage, ob und
wie ein Betreiber haftet, wenn ein Nutzer des WLANs unter Verstoß
gegen das Urheberrecht geschützte Werke zum Download anbietet. Ist der Nutzer selber – wie so häufig – nicht identifizierbar, liegt
es nahe, dass der Inhaber des verletzten Rechts sich an den Betreiber des WLANs wendet, mithilfe dessen es zu der Rechtsverletzung
gekommen ist. Für viel Aufsehen haben in diesem Zusammenhang
die Gerichtsentscheidungen zur Haftung von Betreibern privater,
unzureichend gesicherter WLANs für die Verletzung von Urheberrechten gesorgt, deren Übertragbarkeit auf gewerbliche WLANAnbieter bislang nicht abschließend geklärt ist.
recht aktuell
Telekommunikationssrecht
Für die Bewertung der Risiken ist grundsätzlich zwischen zwei
Arten der Haftung beim Betrieb des WLANs zu unterscheiden:
•
Zum einen die Haftung auf Schadensersatz, also im hier
gewählten Beispiel der Urheberrechtsverletzung etwa der
entgangene Gewinn, weil das Werk kostenlos herunterge-
laden wurde, anstatt es käuflich zu erwerben. Analog hierzu
wird auch die strafrechtliche Verantwortlichkeit behandelt.
•
Zum anderen die sog. Störerhaftung, die auf einen Unterlassungsanspruch gerichtet ist. Hierdurch kann der WLANBetreiber dazu verpflichtet werden, den Zugang seiner
Kunden zu rechtsverletzenden Angeboten im Internet zu
unterbinden, etwa durch Verschlüsselung des Netzwerks,
gegebenenfalls aber auch durch Sperren bestimmter Webseiten (DNS-Sperre, IP-Sperre, URL-Sperre). Das Risiko für
den Betreiber liegt hierbei nicht nur in der Pflicht zu einer solchen zukünftigen Sperrmaßnahme, sondern auch darin, dass dem Rechteinhaber aufgrund vergangener Rechtsverletzungen Abmahnkosten entstanden sein können,
die der Betreiber ihm zu ersetzen hat.
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Schadensersatz und strafrechtliche Verantwortung
Die Risiken einer Schadensersatzpflicht und einer strafrechtlichen
Verantwortung sind für den Betreiber von öffentlichen WLAN-Hotspots gering. Bietet einer der Nutzer urheberrechtlich geschützte
Werke zum Download an, so ist der Betreiber selber weder Täter
noch Teilnehmer der Urheberrechtsverletzung; anders als bei
einem geschlossenen, privaten WLAN spricht auch nicht die
Erfahrung dafür, dass gerade der Inhaber des Anschlusses selber
die Rechtsverletzung begangen hat.
Im Übrigen ist der Betreiber durch die Regelungen des Telemediengesetzes (TMG) privilegiert: Eine allgemeine Überwachungspflicht
gibt es gem. § 7 Abs. 2 Satz 1 TMG nicht. Zudem gehen schon heute
einige – allerdings nur untergerichtliche – Entscheidungen davon
aus, dass WLAN-Betreiber als sog. Access-Provider – also Anbieter
eines Zugangs zum Internet – anzusehen sind (AG Hamburg-Mitte,
Urt. v. 10.06.2014, Az. 25b C 431/13; LG München, Beschl. v.
18.09.2014, Az. 7 O 14719/12; AG Charlottenburg, Beschl. v. 17.12.2014,
Az. 217 C 121/14). Diese sind gem. § 8 TMG für fremde Informationen,
zu denen sie lediglich den Zugang zur Nutzung vermitteln, nicht
verantwortlich, wenn sie nicht ausnahmsweise konkret in die Übermittlung involviert waren, was typischerweise bei WLAN-Anbietern
in Cafés oder Hotels nicht der Fall sein wird.
26
recht aktuell
Telekommunikationsrecht
Die aufgrund des Fehlens obergerichtlicher Rechtsprechung noch
verbleibende Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Anwendbarkeit
der Privilegierung soll durch die Novellierung des TMG beseitigt
werden. Der zukünftige § 8 Abs. 3 TMG wird nach derzeitigem Entwurfsstand klarstellen, dass die eben beschriebene Privilegierung
auch für Diensteanbieter gilt, die Nutzern einen Internetzugang
über ein drahtloses lokales Netzwerk zur Verfügung stellen, also für
WLAN-Betreiber.
Störerhaftung
Bedeutend größer ist das Risiko einer Inanspruchnahme als Störer;
der Anspruch ist hierbei auf ein Unterlassen der Ermöglichung von
Rechtsverletzungen durch die Nutzer gerichtet, bei Zahlung der
Abmahnkosten. Der Kreis der möglichen Störer ist groß: Hierzu
gehört, wer in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal
zur Verletzung des geschützten Rechts beiträgt. Dies ist auch der
WLAN-Anbieter: Wird eine Urheberrechtsverletzung durch einen
Nutzer des WLANs begangen, ist die Bereitstellung des Internetzugangs über den Hotspot kausal für deren Ermöglichung.
Allerdings setzt die Störerhaftung über den kausalen Beitrag hinaus
die Verletzung von Prüfpflichten voraus, da sie nicht über Gebühr
auf Dritte erstreckt werden soll, die nicht selbst die rechtswidrige
Beeinträchtigung vorgenommen haben. Der Ausschluss allgemeiner Überwachungspflichten gem. § 7 Abs. 2 Satz 1 TMG steht solchen Prüfpflichten nicht entgegen, da § 7 TMG zum einen auf die
Störerhaftung nicht anwendbar ist, zum anderen die Prüfpflichten
ohnehin erst mit Kenntnis der Information entstehen. Der Umfang
dieser Prüfpflichten bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem
als Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine
Prüfung zuzumuten ist.
Die Rechtsunsicherheit, die bisher die Einrichtung von WLAN-Hotspots so nachhaltig gehemmt hat, rührt gerade aus dieser Frage:
Für den einzelnen Anbieter ist kaum vorhersehbar, welche Prüfpflichten im konkreten Fall zumutbar sind. Die Gerichte treffen
Einzelfallentscheidungen, die nicht ohne Weiteres auf andere Fälle
übertragbar sind, da sich jeder Fall im Detail vom vorhergehenden
unterscheidet. Unklar ist zudem schon dem Grunde nach, ob Sperrungen rechtswidriger Seiten überhaupt eine zumutbare Siche-
recht aktuell
Telekommunikationssrecht
rungsmaßnahme sein können. Während dies in anderen europäischen Ländern zum Teil angenommen wird, haben zwei deutsche
Oberlandesgerichte dies zuletzt mit unterschiedlichen Begründungen abgelehnt (OLG Hamburg, Urt. v. 21.11.2013, Az. 5 U 68/10 – 3dl.
am; OLG Köln, Urt. v. 18.07.2014, Az.6 U 192/11 – goldesel.to); rechtskräftig sind diese Entscheidungen allerdings noch nicht. Somit laufen WLAN-Betreiber stets Gefahr, ihren Prüfpflichten nicht genügt
zu haben und deshalb als Störer zu haften.
Auch dieser Unsicherheit soll durch die Novellierung der Haftungsregelungen des TMG abgeholfen werden. Der aktuelle Gesetzesentwurf knüpft an die bestehende Rechtsprechung an und versucht,
die Anforderungen an zumutbare Maßnahmen zur Verhinderung
von Rechtsverletzungen durch Nutzer zu präzisieren. Unterschieden
wird dabei zwischen Diensteanbietern, die den Internetzugang geschäftsmäßig oder als öffentliche Einrichtung zur Verfügung stellen, und sonstigen Diensteanbietern. Da es für die Geschäftsmäßigkeit genügt, dem Gast oder Kunden das WLAN als unentgeltliche,
untergeordnete Nebenleistung zum eigentlichen Geschäftszweck
zu überlassen, sind die hier betrachteten Anbieter offener WLANs
in Cafés, Hotels und ähnlichen Einrichtungen geschäftsmäßige
Anbieter. Diese haben gemäß § 8 Abs. 4 TMG-Entwurf zwei Voraussetzungen zu erfüllen, um nicht als Störer auf Unterlassung in
Anspruch genommen werden zu können.
Sie müssen
1. den unberechtigten Zugriff auf das Netz durch
Verschlüsselung verhindern und
2. Zugang zum Internet nur unter der Bedingung gewähren,
dass der Nutzer erklärt hat, im Rahmen der Nutzung
keine Rechtsverletzungen zu begehen.
Praktisch bedeutet die Umsetzung dieser Vorgaben, dass den Nutzern ein Passwort zugehen muss, um in das verschlüsselte Netz zu
gelangen. Die Anfrage eines solchen Passworts kann praktischerweise damit verbunden werden, dass der Nutzer zuerst den Nutzungsbedingungen zustimmen muss, nach denen er erklärt, keine
Rechtsverletzungen zu begehen. Dies kann dadurch realisiert werden, dass ein potentieller Nutzer bei dem Versuch der Einwahl in
das WLAN zunächst auf eine sog. Splash Page gelangt, also eine
Startseite mit Informationen zum WLAN-Hotspot. Dort kann er
ein Häkchen bei den Nutzungsbedingungen setzen und hierdurch
bestätigen, dass er keine Rechtsverletzungen begehen wird.
Anschließend erhält er das Passwort und kann sich einwählen.
Zusammenfassend besteht ein Haftungsrisiko beim Betrieb von
Hostspots nur in Form der Störerhaftung. Sollte der Entwurf des
TMG Gesetz werden, kann dieses Risiko jedoch bei entsprechender Umsetzung der folgenden beiden Maßnahmen ausgeschlossen
werden:
• Verschlüsselung des Netzes
• Erklärung des Nutzers, keine Rechtsverletzungen zu begehen.
Ob der Entwurf in seiner jetzigen Form Gesetz werden wird, bleibt
allerdings abzuwarten. Er ist zum Teil auf harsche Kritik getroffen,
insbesondere da das Erfordernis einer Verschlüsselung nur schwer
mit der Eigenschaft als öffentliches oder offenes Netz in Einklang
zu bringen ist. Derzeit befindet sich der Entwurf in der Länder- und
Verbändeanhörung; anschließend wird er bei der Europäischen
Kommission notifiziert. Erst nach Abschluss dieses Verfahrens kann
das Kabinett den Entwurf beschließen und damit das eigentliche
Gesetzgebungsverfahren im Bundestag beginnen.
Für weitere Fragen im Zusammenhang mit den Haftungsrisiken gewerblicher WLAN-Anbieter stehen Ihnen gerne zur Verfügung:
Dr. Raimund Schütz
Telefon: +49 (0) 221 650 65-240
[email protected]
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Dr. Maike Friedrich, LL.M.
Telefon: +49 (0) 221 650 65-334
[email protected]
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recht aktuell
Umweltrecht
Novellierung des anlagenbezogenen Gewässerschutzes – scheitert die AwSV?
Die AwSV soll endlich bundeseinheitliche Regelungen für
Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen
(z.B. Tankanlagen für Brennstoffe oder Produktionsanlagen
für Chemikalien) schaffen und die bislang in den jeweiligen
VAwS der Bundesländer festgelegten Anforderungen vereinheitlichen. Mit der Novellierung sind nicht unerhebliche
Verschärfungen der Anforderungen und Erhöhungen des
bürokratischen Aufwandes bei dem Umgang mit wassergefährdenden Stoffen verbunden.
Das langwierige Gesetzgebungsverfahren ist jedoch ins Stocken geraten. Nachdem das Bundeskabinett im Februar 2014
einen viel diskutierten Entwurf beschlossen und der Bundesrat dem Entwurf im Mai 2014 mit Änderungen zugestimmt
hatte, konnte sich das Bundeskabinett im Januar 2015 nicht
dazu durchringen, den geänderten Entwurf auf die Tagesordnung zu nehmen und zu beschließen. Vor allem von Seiten
der Landwirtschaft war massive Kritik an den geplanten Verschärfungen für JGS-Anlagen vorgebracht worden, die von
einigen landwirtschaftlich geprägten Bundesländern aufgegriffen wurde.
Derzeit ist die Zukunft des Entwurfes ungewiss. Hinter den
Kulissen wird weiterhin um eine poltische Einigung gerungen. Das Thema ist weiterhin aktuell.
recht aktuell
Umweltrecht
Wassergefährdende Stoffe und Gemische (einschliesslich
Abfälle) sind erfasst
Zentrale Neuregelungen betreffen den Anwendungsbereich der
Verordnung. Zu den durch die Verordnung geregelten Stoffen, Gemischen und Zubereitungen zählen nach der Begründung des Verordnungsentwurfs ausdrücklich auch Abfälle. Diese Regelung sorgt
für Aufsehen, wobei allerdings darauf hingewiesen werden muss,
dass entsprechende Stoffe auch nach bisheriger Rechtslage von
dem Anwendungsbereich umfasst waren, soweit sie ein entsprechendes Potential zur Wassergefährdung aufwiesen. Die geplante
Änderung rückt jedoch die entsprechenden Stoffe in den ausdrücklichen überwachungsbehördlichen Fokus, was zumindest dazu führen wird, dass bisherige Lücken im Gesetzesvollzug geschlossen
werden. Abfälle gelten als allgemein wassergefährdende feste Gemische, es sei denn, sie sind aufgrund ihrer Herkunft oder Zusammensetzung unschädlich. Sie unterliegen damit bestimmten Erleichterungen gegenüber anderen wassergefährdenden Stoffen.
Neu ist ferner, dass oberirdische Anlagen mit einem Volumen von
bis zu 0,22 m3 flüssiger wassergefährdende Stoffe oder einer Masse
von 0,2 t gasförmiger oder fester wassergefährdender Stoffe außerhalb von Schutzgebieten und Überschwemmungsgebieten aus
dem Anwendungsbereich der Regelungen ausgeschlossen sind und
damit keinen besonderen Anforderungen unterliegen.
Pflicht zur Selbsteinstufung wassergefährdender Stoffe
Als eine zentrale Neuerung sieht der Entwurf die Pflicht der Betreiber von Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen
vor, nicht bereits in Wassergefährdungsklassen eingestufte Stoffe
und Gemische selbst einzustufen sowie die damit einhergehende
Prüfung und Bewertung der Stoffe zu dokumentieren. Die Stoffe
sind entweder als nicht wassergefährdend oder in eine Wassergefährdungsklasse einzustufen. Diese Verpflichtung zur Selbsteinstufung gilt nicht für als allgemein wassergefährdend geltende Stoffe.
Eine entsprechende Verpflichtung ist in den bisherigen landesrechtlichen Regelungen nicht enthalten. Solange ein Stoff noch nicht
eingestuft ist, gilt er nach dem Entwurf als stark wassergefährdend
(WGK 3). Feste wassergefährdende Stoffe können in eine Wassergefährdungsklasse oder als nicht wassergefährdend eingestuft
werden. Ansonsten gelten sie weiterhin als allgemein wassergefährdend. Die Einstufung ist zu dokumentieren.
Änderungen der Eignungsfeststellung
Wesentlich ist auch die bereits 2010 durch §§ 62, 63 WHG vorgegebene Umgestaltung der Eignungsfeststellung. Die Eignungsfeststellung ist als klassische Form der wasserbehördlichen Präventivkontrolle nach § 62 WHG für LAU-Anlagen (Anlagen zum Lagern,
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Abfüllen und Umschlagen wassergefährdender Stoffe) vorgesehen.
Die bisherige Kategorie der „Anlagen einfacher und herkömmlicher Art“ und die Ausnahme dieser Anlagen von der Pflicht zur Eignungsfeststellung entfällt. Zukünftig ist eine Eignungsfeststellung
nicht erforderlich für Anlagen der Gefährdungsstufe A und bei Vorlage bestimmter sachverständiger Nachweise. Eine Eignungsfeststellung ist u.a. auch bei Anlagen mit einem Volumen von bis zu
einem Kubikmeter nicht erforderlich, die doppelwandig sind oder
über ein Rückhaltevolumen verfügen, welches das gesamte in der
Anlage vorhandene Volumen zurückhalten kann. Ausnahmen gelten ebenfalls bei bestimmten Typenzulassungen.
Gefährdungsstufen sind für konkrete Anforderungen
an Anlagen massgeblich
Die Anforderungen an die Gestaltung und Überwachung der Anlagen sind von Gefährdungsstufen (A bis D) abhängig, die nach
der Menge und der Wassergefährdungsklasse der Stoffe ermittelt
werden, mit denen in der Anlage umgegangen wird. Dies betrifft
insbesondere die Pflicht zur Anzeige bei Inbetriebnahme (ab Gefährdungsstufe B bei oberirdischen Anlagen mit flüssigen wassergefährdenden Stoffen) sowie die neue Anzeigepflicht bei Betreiberwechsel (ebenfalls ab Gefährdungsstufe B).
Ferner nimmt die Verordnung verschiedene Anforderungen an die
Löschwasserrückhaltung auf und betritt auch insofern Neuland,
war die Löschwasserrückhaltung doch bislang in entsprechenden
baurechtlichen Vorschriften der Bundesländer vorgesehen. Ferner
sind Prüfpflichten vor Inbetriebnahme und bei einer wesentlichen
Änderung ab der Gefährdungsstufe B erforderlich sowie eine Prüfpflicht alle fünf Jahre ab Gefährdungsstufe C. Bei flüssigen wassergefährdenden Stoffen der WGK 2 mit mehr als 10 t und weniger
als 100 t wird die Anlage der Gefährdungsstufe C zugeordnet. Die
Grundsatzanforderungen sind ähnlich dem bisherigen Recht ausgestaltet. Die Anforderungen können für Anlagen in Überschwemmungsgebieten und Hochwasserschutzgebieten verschärft werden. In den Detailanforderungen wird nicht mehr zwischen der
Anlagenkategorie „HBV“ (Herstellen, Behandeln, Verwenden) und
„LAU-Anlagen“ (Lagern, Abfüllen, Umschlagen) unterschieden, sondern die jeweils betroffenen Anlagentypen werden bei den relevanten Pflichten aufgelistet. Auch für Fass- und Gebindelager werden
Anforderungen definiert. Die Gebinde z.B. müssen gefahrgutrechtlich zugelassen sein und das Lager muss über eine ausreichende
Rückhaltung verfügen.
Organisatorische Anforderungen
Den Betreiber treffen ferner eine Reihe organisatorischer Anforderungen. Er hat zu dokumentieren, welche Anlagenteile zu einer Anlage gehören und wo die Schnittstellen zu anderen Anlagen liegen.
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recht aktuell
Umweltrecht
recht aktuell
Umweltrecht
Ferner hat er eine Anlagendokumentation zu führen. Er muss Betriebsanweisungen mit einem Überwachungs-, Instandhaltungsund Notfallplan vorhalten und Sofortmaßnahmen zur Abwehr von
Gewässerschäden festlegen. Das Betriebspersonal ist mindestens
einmal jährlich zu unterweisen. Wesentliche Änderungen der Anlagen, die z.B. zu einer Änderung der Gefahreinstufung führen, sind
der Behörde sechs Wochen vorher anzuzeigen.
Ausdrückliche Abweichungsmöglichkeit
Der Entwurf sieht ferner die Möglichkeit der Behörde vor, von der
Verordnung im Einzelfall durch weniger strenge Anforderungen
abzuweichen, sofern die Anforderungen an den anlagenbezogenen
Gewässerschutz dennoch erfüllt werden. Diese Regelung ist ausdrücklich zu begrüßen, stellen die derzeitigen VAwS der Bundesländer, die eine solche Abweichungsmöglichkeit nicht vorsehen, den
Gesetzesvollzug häufig vor das Problem, dass zu strenge Anforderungen an Anlagen gestellt werden müssen, die dem im Einzelfall
geringen Gefährdungspotential nicht entsprechen. Umgekehrt
können die zuständigen Behörden auch strengere Anforderungen
anordnen, wenn aufgrund der Besonderheiten im Einzelfall ein
ausreichender Schutz nicht gewährleistet ist.
Komplizierter Bestandsschutz
Der Entwurf sieht derzeit komplizierte Regelungen zum Bestandsschutz vor. Der Entwurf orientiert sich nur teilweise an der früher
in den landesrechtlichen VAwS häufig anzutreffenden Regelung,
nach der Verschärfungen für bestehende Anlagen erst im Falle
einer behördlichen Anordnung gelten. Eine solche Regelung sieht
der Entwurf für den Fall vor, dass die Änderung der Einstufung
eines Stoffes zu neuen Anforderungen führt. Diese sind erst zu
erfüllen, wenn die Behörde dies anordnet. Die organisatorischen
Anforderungen gelten grundsätzlich sofort, ebenso die materiellen
Anforderungen, soweit sie denjenigen Anforderungen aus dem
bisherigen Landesrecht entsprechen.
Wiederkehrend prüfpflichtige Anlagen sind durch einen Sachverständigen zu überprüfen. Er hat festzustellen, inwieweit für die
Anlage neue Anforderungen greifen und hat dies der Behörde mit
dem Prüfbericht mitzuteilen. Die Behörde kann dann die technischen oder organisatorischen Maßnahmen zur Mängelbehebung
anordnen. Beseitigungs- oder Stilllegungsanordnungen können
grundsätzlich nicht getroffen werden. Bei wesentlicher Änderung
der Anlage gelten die Anforderungen jedoch sofort. Die Fristen für
die Pflichten zur erstmaligen wiederkehrenden Prüfung bestehender Anlagen laufen ab dem Zeitpunkt der letzten nach landesrechtlicher VAwS erfolgten Prüfung. Wenn die Anlagen nach bisherigem
Landesrecht keiner Pflicht zur regelmäßigen Prüfung unterlagen,
laufen in Abhängigkeit vom Alter der Anlagen bestimmte Fristen.
Diese reichen von einer sofortigen Prüfung bei Inbetriebnahme vor
1971 bis hin zu einer Frist von 10 Jahren bei einer Inbetriebnahme ab
1994.
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Das Schicksal des Entwurfs ist ungewiss. Das noch laufende Gesetzgebungsverfahren kann nur dadurch zu einem positiven Abschluss
gebracht werden, dass die Bundesregierung dem vom Bundesrat
geänderten Vorschlag ohne weitere Änderungen zustimmt. Die
Chancen dafür stehen derzeit nicht gut.
Alternativ könnte das Umweltministerium einen neuen Entwurf
ausarbeiten. Dann würde allerdings die politische Diskussion von
vorne beginnen. Ebenfalls wird derzeit erwogen, dass der Bundesrat einen eigenen, dem von ihm beschlossenen sehr ähnlichen Entwurf in ein Gesetzgebungsverfahren einbringt. Dies dürfte allerdings nur erfolgen, wenn die ausreichenden politischen Mehrheiten
gesichert sind. Teilweise ist auch zu hören, dass einige Bundesländer eigene Regelungen erlassen wollen. Dies würde jedoch dem
bundeseinheitlichen Ansatz widersprechen. Eine bundeseinheitliche Regelung wird jedenfalls nicht vor Ende des Jahres in Kraft treten können, auch wegen der erforderlichen erneuten Notifizierung
der Vorschriften nach Brüssel.
Inhaltlich wäre zu hoffen, dass der Verordnungsgeber von den
detaillierten Regelungen Abstand nimmt und sich verstärkt insbesondere an den bisherigen, schlankeren Vorgaben der VAwS
NRW orientiert. Ansonsten wäre insbesondere durch die Pflicht zur
Selbsteinstufung mit einer erheblichen Erhöhung des bürokratischen Aufwandes zu rechnen.
Für weitere Fragen zur Novellierung des anlagenbezogenen
Gewässerschutzes steht Ihnen gerne zur Verfügung:
Dr. Cedric C. Meyer
Telefon: +49 (0) 221 65065-222
[email protected]
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recht aktuell
Patentrecht
Künftig neue Möglichkeiten zur Durchsetzung
von Patenten in Europa – das Einheitliche Patentgericht und Patente mit einheitlicher Wirkung
Wenn ein Patent in mehreren Ländern verletzt wird, kann
der Patentinhaber bislang gezwungen sein, seinen Patentschutz in mehreren Verletzungsprozessen vor den jeweiligen
nationalen Gerichten durchzusetzen – auch wenn es nur um
Verletzungen in Europa und um denselben Verletzer geht.
Diese aufwändige Rechtsdurchsetzung könnte schon bald
entbehrlich werden. Die fortgeschrittenen Bemühungen um
den Aufbau eines Einheitlichen Patentgerichts in Europa und
um die Einführung eines europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung werden hier interessante taktische Alternativen bieten.
Allerdings wird es nach wie vor auch die Möglichkeit geben,
nationalen Patentschutz zu erlangen. Auch hierfür kann es
gute Gründe geben. Insgesamt gibt es also vor allem neuen
Spielraum für Schutzstrategien, die auf die Bedürfnisse des
Patentinhabers maßgeschneidert sind.
Was gibt es Neues beim Patentschutz in Europa?
Die meisten Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben ein
völkerrechtliches Übereinkommen geschlossen, durch das ein
Einheitliches Patentgericht errichtet werden soll. Parallel wurde
innerhalb der Europäischen Union eine verstärkte Zusammenarbeit
beschlossen, um ein europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung
ins Leben zu rufen.
Welche Länder nehmen teil?
Deutschland nimmt sowohl beim Einheitlichen Patentgericht als
auch beim europäischen Patent mit einheitlicher Wirkung teil.
Von den übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union nehmen
beim Einheitlichen Patentgericht lediglich Polen, Spanien und Kroatien nicht teil, während beim europäischen Patent mit einheitlicher
Wirkung Polen, Spanien, Kroatien und Italien nicht teilnehmen.
Nicht teilnehmen können ferner z.B. die Schweiz und die Türkei,
weil diese Länder keine Mitglieder der Europäischen Union sind.
Was ist das Einheitliche Patentgericht?
Das Einheitliche Patentgericht wird ein internationales Gericht sein,
das es ermöglicht, Patentschutz europaweit in einem einzigen Gerichtsverfahren durchzusetzen. In diesem Gerichtsverfahren sollen
sowohl Fragen der Verletzung als auch Fragen der Bestandskraft
eines europäischen Patents für alle am Einheitlichen Patentgericht
teilnehmenden Länder entschieden werden.
Was sind die Hauptmerkmale
des Einheitlichen Patentgerichts?
Das Einheitliche Patentgericht wird ausschließlich zuständig sein
für Verletzungs- und Nichtigkeitsklagen in Bezug auf europäische
Patente mit einheitlicher Wirkung und – zumindest mit Ablauf
einer siebenjährigen Übergangszeit – die klassischen europäischen
„Bündel“-Patente. Das Gericht umfasst eine dezentrale erste Instanz
sowie ein zentrales Berufungsgericht. Das Gericht erster Instanz
besteht aus einer Zentralkammer (mit Sitz in Paris, München und
London) sowie mehreren Lokalkammern in jeweils einem Land
sowie Regionalkammern für jeweils mehrere Länder. In Deutschland
wird es Lokalkammern in Düsseldorf, Mannheim, München und
Hamburg geben. Die Berufungsinstanz des Einheitlichen Patentgerichts wird ihren Sitz in Luxemburg haben.
recht aktuell
Patentrecht
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34
recht aktuell
Patentrecht
Welche Richter werden
am Einheitlichen Patentgericht tätig sein?
Was ist das Besondere am europäischen Patent
mit einheitlicher Wirkung?
Die Spruchkörper des Einheitlichen Patentgerichts werden international besetzt. An den deutschen Lokalkammern werden jeweils
zwei deutsche Richter gemeinsam mit einem ausländischen Richter
tätig sein. Dem Vernehmen nach haben die deutschen Patentrichter
großes Interesse daran, im künftigen Gerichtssystem mitzuwirken.
Über Teilzeittätigkeiten wird es möglich sein, dass die deutschen
Richter einerseits ihre besondere Kompetenz in das künftige System
einbringen, aber auch der deutschen Justiz nicht völlig verloren
gehen.
Das europäische Patent mit einheitlicher Wirkung wird Patentinhabern neben den klassischen nationalen Patenten und europäischen „Bündel“-Patenten eine weitere Option bieten. Es wird
ein vom Europäischen Patentamt in München erteiltes europäisches
Patent sein, das nach seiner einheitlichen Erteilung anders als das
derzeitige europäische „Bündel“-Patent nicht in nationale Teile zerfällt. Wenn der Patentinhaber die einheitliche Wirkung beantragt
hat und diese im Register eingetragen ist, hat das europäische
Patent mit einheitlicher Wirkung in allen Schutzländern dieselbe
Schutzwirkung. Fragen der Verletzung entscheiden sich dann nicht
mehr nach national fragmentiertem Recht, sondern nach einheitlichem Recht. Zudem wird das europäische Patent mit einheitlicher
Wirkung bis zum Ende seiner Laufzeit nur mit Wirkung für alle
Schutzländer einheitlich aufrechterhalten oder für nichtig erklärt.
Wie wird das Verfahren
vor dem Einheitlichen Patentgericht aussehen?
Für das Einheitliche Patentgericht wird eine neue Verfahrensordnung geschaffen. Verschiedene Entwurfsfassungen der Verfahrensordnung wurden bereits veröffentlicht und mit den interessierten
Kreisen diskutiert. Die vorab diskutierten Entwürfe ermöglichen es,
sich frühzeitig mit dem künftigen Verfahren vertraut zu machen.
Hervorgehoben sei, dass das erstinstanzliche Verfahren innerhalb
rund eines Jahres abgeschlossen sein soll. Dies ist schon für deutsche
Verhältnisse bemerkenswert, gerade jedoch für die Durchsetzung
in einigen anderen europäischen Ländern eine deutliche Verbesserung.
Wird es noch die Möglichkeit nationalen Schutzes
und nationaler Patentdurchsetzung geben?
Das künftige System mit Einheitlichem Patentgericht und europäischem Patent mit einheitlicher Wirkung wird das nationale Recht
nicht abschaffen, sondern ergänzen. Das heißt, es wird auch künftig
möglich sein, ein nationales deutsches Patent oder Gebrauchsmuster zu erlangen und dieses wie bisher vor den deutschen Gerichten
durchzusetzen.
recht aktuell
Patentrecht
Während einer (unter Umständen zu verlängernden) siebenjährigen Übergangszeit wird es zudem für die Inhaber europäischer
„Bündel“-Patente die Möglichkeit geben, die Zuständigkeit des
einheitlichen Patentgerichts gegen Zahlung einer Gebühr auszuschließen (Opt-out). Statt des Einheitlichen Patentgerichts
sind dann weiterhin die nationalen Gerichte auch für Streitigkeiten
über die Verletzung europäischer „Bündel“-Patente zuständig.
Welche Kosten wird das neue System mit sich bringen?
Über die Höhe der Gebühren wird derzeit noch beraten. Für das
Verfahren vor dem Einheitlichen Patentgericht wird es eine
Mischung aus Festgebühren und streitwertabhängigen Gebühren
geben. Die Kosten eines europäischen Patents mit einheitlicher
Wirkung dürften nach Einschätzung vieler Beobachter in einer
Größenordnung liegen, die der Validierung eines europäischen
„Bündel“-Patents in vier bis fünf Ländern entspricht.
Wann wird das neue System in Kraft treten?
Die Regelungen zum Einheitlichen Patentgericht und zum europäischen Patent mit einheitlicher Wirkung können nur gemeinsam in
Kraft treten, und zwar bei Ratifikation des Übereinkommens zur
Errichtung des Einheitlichen Patentgerichts durch Deutschland
und mindestens zwölf andere Länder.
Außerdem muss die praktische Arbeitsfähigkeit des Einheitlichen
Patentgerichts hergestellt sein. Die ersten Richterschulungen haben
bereits stattgefunden, vor allem aber muss die gerichtliche IT
noch konzipiert werden. Alles in allem wird das neue System wohl
nicht vor Herbst 2016 in Kraft treten können. Hierbei darf nach den
Schlussanträgen des Generalanwalts wohl unterstellt werden, dass
der Gerichtshof der Europäischen Union die Klagen abweisen wird,
die Spanien gegen die verstärkte Zusammenarbeit zur Einführung
des europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung erhoben hat.
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Welche Schutzstrategie empfiehlt sich?
Wie sollte das neue System genutzt werden?
Welche Schutzstrategie sich empfiehlt, um die besonderen Vorteile
des alten oder neuen Systems auszunutzen, kann im Einzelfall
flexibel bestimmt werden. Auch wenn die Kosten des neuen
Systems noch nicht genau festgelegt sind, dürfte das europäische
Patent mit einheitlicher Wirkung vor allem dann kosteneffizient
sein, wenn Patentschutz in mindestens fünf bis sieben Ländern
gewünscht wird.
Dabei ist allerdings auch zu bedenken, dass beim europäischen
Patent mit einheitlicher Wirkung – anders als beim europäischen
„Bündel“-Patent – während der Patentlaufzeit kein kostensparender
Verzicht auf einzelne Schutzländer („Abschmelzen“) mehr möglich
sein wird. Außerdem droht beim europäischen Patent mit einheitlicher
Wirkung der vollständige Verlust des Schutzes für alle Länder durch
eine einzige erfolgreiche Nichtigkeitsklage. Man setzt gewissermaßen
alles auf eine Karte.
Bezüglich des Einheitlichen Patentgerichts ist es am flexibelsten,
bei europäischen „Bündel“-Patenten zunächst den Opt-out zu
erklären. Der vorsorgliche Opt-out verhindert, dass Wettbewerber
eine zentrale Nichtigkeitsklage gegen das Patent erheben. Wenn
dann während der Patentlaufzeit eine Verletzung in mehreren
europäischen Ländern festgestellt wird und eine kompakte Durchsetzung nach einer einheitlichen Verfahrensordnung und vor einem
spezialisierten Gericht attraktiv ist, kann der Patentinhaber den
Opt-out wieder zurücknehmen und die Verletzungsklage vor dem
Einheitlichen Patentgericht erheben.
Für weitere Fragen im Zusammenhang mit dem derzeitigen und
künftigen Patentschutz in Europa steht Ihnen gerne zur Verfügung:
Dr. Henrik Holzapfel
Telefon: +49 (0) 221 650 65-320
[email protected]
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recht aktuell
Arbeitsrecht
Kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei
Installation einer Videokamera-Attrappe –
Rechtsschutzmöglichkeiten der Arbeitnehmer
wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts
Das LAG Mecklenburg-Vorpommern hat mit Beschluss vom 12.11.2014 (3 TaBV 5/14) zu Recht entschieden, dass das Anbringen
der Attrappe einer Videokamera kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG auslöst. Die Entscheidung gibt Anlass, die sonst geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen darzustellen.
Entscheidung des LAG Mecklenburg-Vorpommern
Das LAG begründet seine Entscheidung damit, eine bloße Attrappe
sei schon objektiv nicht geeignet, das Verhalten oder die Leistung
der Arbeitnehmer zu überwachen. Auch eine analoge Anwendung
des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG scheide aus, da deren Sinn und Zweck
der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Arbeitnehmer
vor anonymen technischen Kontrolleinrichtungen sei. Schließlich
sei der Geltungsbereich des § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG nicht eröffnet,
weil die Anbringung der Attrappe einer Videokamera im Außenbereich auf den ersten Blick keine Auswirkungen auf das innerbetriebliche Zusammenleben der Arbeitnehmer entfalten könne. Die Arbeitnehmer könnten den betroffenen Eingang weiterhin betreten
und verlassen, ohne neuen zusätzlichen Regelungen unterworfen
zu sein, die der Betriebsrat (mit-)gestalten könnte. Durch die Attrappe finde gerade keine Kontrolle statt, wer das Gebäude durch
den Zugang betrete oder verlasse.
Die Entscheidung ist absolut richtig. Auch wenn in der Literatur
vereinzelt eine weite Auslegung des Anwendungsbereichs des § 87
Abs. 1 Nr. 1 BetrVG vertreten wird, so wird doch stets eine objektiv
tatsächlich vorgenommene Kontrolle der Arbeitnehmer gefordert,
die auf ihr Verhalten einwirkt. Dies ist hier gerade nicht der Fall.
Weitergehende Überlegungen zum Schutz des Arbeitnehmerpersönlichkeitsrechts
Nach der Rechtsprechung können den Arbeitnehmern nach
§§ 1004, 823 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche zustehen, wenn aufgrund der
Videoüberwachung ein rechtswidriger Eingriff in das allgemeine
Persönlichkeitsrecht vorliegt. Entsprechende Ansprüche können
darüber hinaus aus der damit einhergehenden Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten (§ 241 Abs. 2 BGB) folgen. Im Fall einer länger andauernden Videoüberwachung, die rechtswidrig ist
und schwerwiegend in das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer
eingreift, haben verschiedene Arbeitsgerichte den Arbeitnehmern
auch Schadensersatz gewährt. Das LAG Hessen etwa hat in einem
solchen Fall ein Schmerzensgeld in Höhe von 7.000,00 Euro zugesprochen (Urteil v. 25.10.2010 – 7 Sa 1586/09), das LAG RheinlandPfalz deutlich geringere Beträge in Höhe von 650,00 bzw. 850,00
Euro (Urteile v. 23.05.2013 – 2 Sa 540/12, 2 Sa 12/13).
Aber nicht nur die tatsächlich durchgeführte Videoüberwachung
mit funktionsfähigen Videokameras (dazu BGH v. 25.04.1995 – VI ZR
272/94), sondern auch die vermeintliche Überwachung durch Attrappen kann zu zivilrechtlichen Unterlassungsansprüchen führen.
Hierzu liegt eine Vielzahl instanzgerichtlicher Entscheidungen, vornehmlich zum Miet- bzw. WEG-Recht, vor. So ist nach Auffassung
des LG Darmstadt (Urteil v. 17.03.1999 – 8 O 42/99) in dem Aufstellen einer funktionsfähig aussehenden Videokamera-Attrappe
mit Ausrichtung des Objektivs auf den Hauseingangsbereich eines
recht aktuell
Arbeitsrecht
Mehrparteienhauses wegen der darin liegenden konkludenten Androhung einer dauernden Videoüberwachung eine Verletzung des
allgemeinen Persönlichkeitsrechts sowohl der Mieter als auch ihrer
jeweiligen Besucher zu sehen. Bereits der Eindruck des Anfertigens
einer Filmaufnahme reiche aus, einen Eingriff in das allgemeine
Persönlichkeitsrecht zu begründen (so auch AG Aachen v. 11.11.2003
– 10 C 386/03; andere Ansicht AG Schöneberg v. 30.07.2014 – 103 C
160/14).
Auch der BGH hat in einem Urteil vom 16. März 2010 (VI ZR 176/09)
entschieden, dass bei der Installation von Überwachungskameras
auf einem privaten Grundstück das Persönlichkeitsrecht eines vermeintlich überwachten Nachbars schon aufgrund einer Verdachtssituation beeinträchtigt sein kann. Ein Unterlassungsanspruch könne dementsprechend auch dann bestehen, wenn Dritte eine Überwachung durch Überwachungskameras objektiv ernsthaft befürchten müssten („Überwachungsdruck“). Die allein hypothetische
Möglichkeit einer Überwachung durch Videokameras und ähnliche
Überwachungsgeräte beeinträchtige das allgemeine Persönlichkeitsrecht derjenigen, die dadurch betroffen sein könnten, hingegen nicht. Deshalb sei die Installation einer Überwachungsanlage
auf einem privaten Grundstück nicht rechtswidrig, wenn objektiv
feststehe, dass dadurch öffentliche und fremde private Flächen
nicht erfasst würden, wenn eine solche Erfassung nur durch eine
äußerlich wahrnehmbare technische Veränderung der Anlage (z. B.
manuelles Drehen der Videokamera) möglich sei und wenn auch
sonst Rechte Dritter (etwa von Mietern oder Grundstücksnachbarn)
nicht beeinträchtigt würden.
Übertragung auf das Urteil des LAG Mecklenburg-Vorpommern
Bezogen auf den vom LAG Mecklenburg-Vorpommern entschiedenen Sachverhalt steht den betroffenen Arbeitnehmern ein Unterlassungsanspruch wegen der Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts
zu. Die Videokamera-Attrappen waren auf die Arbeitnehmer gerichtet, so dass ein tatsächlicher (und nicht bloß hypothetischer)
Überwachungsdruck bestand, der wohl vom Arbeitgeber auch so
gewollt war.
Hinweis
Die Unterlassungsansprüche können auch im Weg der einstweiligen Verfügung geltend gemacht werden, wenn ein entsprechender Verfügungsgrund vorliegt, die Attrappen also
angebracht werden sollen oder bereits angebracht worden sind.
Im letzteren Fall ist allerdings die Selbstwiderlegung durch zu
langes Zuwarten (bzw. Hinnahme einer schon seit langem
angebrachten Attrappe) zu vermeiden. Es gilt dazu – wie auch
sonst – die Monatsfrist.
Für weitere Fragen im Zusammenhang mit den Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats und Unterlassungsansprüchen der
Arbeitnehmer stehen Ihnen gerne zur Verfügung:
Dr. Detlef Grimm
Telefon: +49 (0) 221 650 65-129
[email protected]
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Dr. Stefan Freh
Telefon: +49 (0) 221 650 65-129
[email protected]
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recht aktuell
In eigener Sache
Vorträge unserer Anwälte
Dr. Cedric C. Meyer
Betriebsbeauftragte für Gewässerschutz
16.06.-18.06.2015 in Lindau am Bodensee / Haus der Technik
Dr. Cedric C. Meyer
Basiswissen Europäisches Umweltrecht
26.10.-27.10.2015 in Duisburg / BEW
(Das Bildungszentrum für die Ver- und Entsorgungswirtschaft
GmbH)
Dr. Cedric C. Meyer
Aktuelles Wasserrecht: Das WHG und die neue AwSV
30.06.2015 in Nürnberg / TÜV-Rheinland
Dr. Cedric C. Meyer
Betriebsbeauftragte für Gewässerschutz
26.10.-29.10.2015 in Essen / Haus der Technik
Dr. Volker Schoene / Dr. Stefan Maassen, LL.M.
Sommerlehrgang Gewerblicher Rechtsschutz
(mit Christian Musiol)
18.08.-19.08.2015 in Köln / BeckAkademie
Dr. Cedric C. Meyer
Aktuelles Wasserrecht: Das WHG und die neue AwSV
03.09.2015 in Berlin / TÜV-Rheinland
Dr. Stefan Maassen, LL.M.
Kompaktkurs Wettbewerbsrecht (mit Dr. Reiner Münker)
10.09.-12.09.2015 in Bad Homburg / DeutscheAnwaltAkademie
Dr. Cedric C. Meyer
Aktuelles Wasserrecht: Das WHG und die neue AwSV
03.11.2015 in Köln / TÜV-Rheinland
Dr. Henrik Holzapfel
Patentverletzungsverfahren
05.11.2015 in Wuppertal / TAW
(Technische Akademie Wuppertal e.V.)
recht aktuell
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Die Publikation „Recht Aktuell“
ist eine unregelmäßig erscheinende Veröffentlichung von Loschelder und beinhaltet keinen
konkreten Rechtsrat zu einem speziellen Sachverhalt.
Die veröffentlichten Artikel sind allgemeine Zusammenfassungen zu aktuellen rechtlichen Fragen,
gesetzgeberischen Entwicklungen und Veränderungen aufgrund neuer Entscheidungen.
Wir empfehlen deshalb dringend, bei konkreten Fragen einen Rechtsanwalt unserer Sozietät zu
konsultieren. Dieser wird Ihre speziellen Fragen unter Berücksichtigung des Sachverhaltes und Ihrer
Bedürfnisse gerne beantworten.
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