„Alles hängt weiter an Sandton“

18. April 2015 | Presseartikel erschienen in den Schaumburger Nachrichten
Autor: Raimund Cremers
„Alles hängt weiter an Sandton“
Neschen AG stellt Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens und will
Bilanz in Eigenregie sanieren
Bückeburg. Der Vorstand der Neschen AG hat beim zuständigen Amtsgericht Bückeburg
einen Antrag auf die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung gemäß
Paragraf 270a Insolvenzordnung (InsO) gestellt, um den Restrukturierungsprozess in
Eigenregie fortsetzen zu können. Das operative Geschäft der Neschen AG bleibt davon
unberührt. Die europäischen Vertriebsgesellschaften sind von der Insolvenz nicht betroffen,
wie das Unternehmen am Freitag in einer Ad-hoc-Mitteilung mitteilte.
Der Neschen AG sei keine positive Fortbestehensprognose ausgestellt worden. Ebenfalls
gebe es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Verhandlungen mit den Kreditgebern
erfolgreich abgeschlossen werden können. Daher müsse das Unternehmen wegen
Überschuldung Insolvenzantrag stellen, schreibt das Unternehmen in der Mitteilung. Mit dem
Hauptkreditgeber (Sandton Financing III) hätte nach zahlreichen Verhandlungsversuchen
keine Einigung über eine Refinanzierung von 24,3 Millionen Euro plus Besserungsschein
über 20 Millionen erzielt werden können. Die Insolvenz soll nun zu einer Entschuldung des
Unternehmens genutzt werden. Vorstandssprecher Henrik Felbier: „Obwohl wir das
Unternehmen operativ erfolgreich saniert haben, hätten wie die Kredite aus den Erträgen
nicht ordnungsgemäß bedienen können. Wir bedauern, dass Sandton nicht bereit war,
konstruktiv an einer Refinanzierung mitzuwirken. Wir können nur schlussfolgern, dass
Sandton von Anfang an kein Interesse an einer zukunftsfähigen Lösung für Neschen
außerhalb der Insolvenz hatte.“
Das Insolvenzgericht des Amtsgerichts Bückeburg hat am Freitag bereits dem Antrag
stattgegeben und das Eröffnungsverfahren in Eigenverwaltung mit dem Ziel der Sanierung
des Unternehmens zugelassen. Zum vorläufigen Sachwalter wurde Arndt Geiwitz von der
Kanzlei Schneider Geiwitz & Partner Augsburg bestellt, einer renommierten Anwaltspraxis
für Insolvenzverfahren, so wie es die Neschen AG beantragt hatte. Ob ein vorläufiger
Gläubigerausschuss eingesetzt wird, ist nach Auskunft des Insolvenzgerichts noch nicht
entschieden.
Die unternehmerische Verantwortung bleibt in den Händen des Vorstands, in den außer
Vorstandssprecher Henrik Felbier als Insolvenzexpertin Bettina Breitenbücher berufen
wurde, so die Neschen AG in der Mitteilung weiter. Sie wird als CRO, also Chief
Restructuring Officer, die Restrukturierung in der Insolvenz begleiten. Vorstand Michael
Aupke hatte zuvor dem Aufsichtsrat seinen Rücktritt angeboten. Der Aufsichtsrat hat diesem
mit sofortiger Wirkung angenommen und dankt ihm ausdrücklich für die geleistete Arbeit.
In den kommenden Wochen wird der Vorstand gemeinsam mit den Gläubigern und dem
Betriebsrat einen Sanierungsplan abstimmen. Da dem Unternehmen die operative Sanierung
bereits gelungen sei, ist der Vorstand zuversichtlich, dass die Neschen AG insbesondere
durch die bilanzielle Sanierung im Rahmen des Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung
gestärkt aus der Insolvenz hervorgehen wird.
Auf der außerordentlichen Hauptversammlung Mitte März in Hannover hatten die Aktionäre
mit großer Mehrheit die Schaffung eines sogenannten genehmigten Kapitals abgelehnt, dass
es der Neschen AG ermöglicht hätte, gesamte oder Teile des von Sandton III gehaltenen
Kreditpaketes in Eigenkapital umzuwandeln, so wie es die Gläubiger gewollt und es der
Vorstand befürwortet hatte. Mit ebenso großer Mehrheit lehnten die Aktionäre im März einen
Kapitalschnitt im Verhältnis 10:1 ab.
Schon damals war am Rande der Versammlung spekuliert worden, wie es bei der Neschen
AG ohne die dringend erforderliche Korrektur der bilanziellen Seite weitergehen könnte, wie
sicher die insgesamt 235 ohnehin schon wackeligen Arbeitsplätze noch sind. Auch wie der
US-Fonds weiter reagieren könnte, war Gegenstand der Spekulation.
Ein Schritt seitens der Neschen AG erfolgte am 8. April, als die Firma beim Landgericht eine
Feststellungsklage einreichte, mit der festgestellt werden soll, dass der Erwerb der
Kreditforderung und der Sicherheiten durch Sandton III nicht rechtmäßig ist und Sandton III
als Grundpfandgläubiger aus dem Grundbuch zu löschen ist (wir berichteten). Die II.
Zivilkammer hat inzwischen mit dem Erlass einer einstweiligen Verfügung reagiert und einen
Widerspruch im Grundbuch eingetragen, der eine Weiterveräußerung der Kredite verhindert.
Der Streitwert der Klage: 1,7 Milionen Euro.
rc