Wohnen und Mieten in Mitte

MITTE
DIE ZUKUNFT DER
WEDDINGER KINDERFARM
Das Jugendamt sucht
einen neuen Träger für die
traditionsreiche
Jugendeinrichtung
Seite 2
WISSENSWERTES
AU S
BERLIN
UND
DEM
BEZIRK
MITTE
·
AU S G A B E
JUNI
2015
KOLUMNE
Liebe Leserinnen & Leser,
viele Menschen sind besorgt über die vielen Krisen
und Kriege weltweit. Millionen sind auf der Flucht,
versuchen sich und ihre
Familien in Sicherheit zu
bringen. Viele finden nach
langer Flucht in Deutschland und Berlin Sicherheit
vor Terror und Verfolgung.
Der Senat nimmt seine
Verpflichtung diesen Menschen gegenüber sehr ernst.
Wir wollen die Erstaufnahme überall verbessern und
langfristig Arbeit, Ausbildung und Wohnungen bieten.
Natürlich wissen wir,
dass dabei Rücksicht auf
die Nachbarschaften und
frühzeitige Informationen
wichtig sind. Sorgen kann
man nicht weg beschließen,
man muss zeigen, dass sie
unberechtigt sind.
Ich bin stolz auf die Berlinerinnen und Berliner.
Sie gehen Populisten mit
ihren einfachen und menschenverachtenden
Parolen nicht auf den Leim.
Überall, wo die Menschen in Not Unterkunft
finden, ist die Hilfs- und
Spendenbereitschaft groß.
Senat und Bezirke unterstützen die Initiativen, wo es
möglich ist und ich danke
Ihnen allen, dass Sie unsere
Berliner Willkommenskultur so engagiert mittragen.
Michael Müller, Regierender Bürgermeister Berlins
Milieuschutz bedeutet nicht, dass Mietsteigerungen verhindert werden können, aber sie sind ein gutes Instrument, um Mietsteigerungen zu dämpfen.
Foto links: SenStadtUm/Marco Urban, Foto oben: Schulze
Der Bezirk Mitte setzt sich damit für den Schutz seiner Kieze ein.
Wohnen und Mieten in Mitte
Milieuschutz in Moabit und Wedding
Die zurzeit vielleicht wichtigste politische Diskussion dreht sich um das Thema Wohnen und Mieten.
Die Frage, ob die Mietpreisbremse funktioniert
oder wo benötigte Wohnungen entstehen sollen,
treibt die Berliner enorm
um.
Hierzu gehört auch die
Frage, wie die Bestandsmieten gesichert werden können und welche Rolle der
sogenannte Milieuschutz
dabei spielen kann. Im letzten Jahr wurde nach längerem Zögern des zuständigen
CDU-Stadtrats der ganze
Bezirk Mitte einem GrobScreening unterzogen, um
herauszufinden,
welche
Gebiete als Milieuschutzgebiete in Frage kommen. Er-
gebnis dieser Analyse: Zwei
Gebiete im Bezirk gelten als
Verdachtsgebiete und weitere als Beobachtungsgebiete.
Aktuell werden die beiden Verdachtsgebiete, Wedding-Zentrum und weite
Teile Moabits, vertieft untersucht. Was genau macht
diese beiden Kieze zu Verdachtsgebieten? In beiden
genannten Gebieten ist es
die Bausubstanz, die ein
Sanierungspotenzial aufweisen muss, und auch tut.
Dazu gibt es eine heterogene
Eigentumsstruktur mit vergleichsweise wenig Beständen in öffentlicher Hand
oder im Besitz von Genossenschaften. Hier machen
sich im Gebiet westlich der
Müllerstraße die negativen
Spätfolgen des GSW-Ver-
kaufs bemerkbar. Ebenfalls
gibt es in beiden Gebieten
eine
Einkommensstruktur der Bevölkerung, die
den Schluss zulässt, dass es
durch Modernisierungen zu
Verdrängungseffekten kommen kann. Das Zusammenspiel dieser Faktoren führte
dazu, dass es jetzt zu einer
vertieften Untersuchung gekommen ist.
Was aber bedeutet Milieuschutz? Eines vorneweg: Es
bedeutet nicht, das Mietsteigerungen verhindert werden
können! Aber es bedeutet,
dass dem Bezirk ein Instrument an die Hand gegeben
wird, Mietsteigerungen zu
dämpfen.
So müssen innerhalb der
Milieuschutzgebiete Sanierungsmaßnahmen angemel-
det und genehmigt werden.
Der Bezirk kann erlassen,
dass der Aufwertung dienenden Maßnahmen, wie ein
zweiter Balkon oder zweites Bad nicht mehr zulässig
sind. Hierzu wird innerhalb
der SPD-Fraktion der BVV
und der SPD Mitte noch zu
klären sein, ob der nachträgliche Einbau von Fahrstühlen verboten werden soll.
Der Einbau eines Fahrstuhls
führt zwangsläufig zu einem
starken Anstieg der Betriebskosten, gleichzeitig hat
sich die SPD auf die Fahnen
geschrieben, größtmögliche
Barrierefreiheit zu fördern.
Diese beiden Aspekte müssen gegeneinander abgewogen werden.
IN DIESER AUSGABE
FAHRRADSTADT
BERLIN?
Ein Pladoyer für die
Förderung des Radverkehrs in der Hauptstadt
Seite 7
MEHR ALS EIN TROPFEN
AUF DEN HEISSEN STEIN
Interview mit Ralf
Wieland, Präsident des
Berliner Abgeordnetenhauses
Seite 7
SPIELHALLENGESETZ
konsequent durchsetzen
für unseren Kiez!
Seite 8
ZIRKUSFLAIR AM
SPARRPLATZ
Ein neuer Spielplatz für
den Weddinger Kiez
Seite 8
Fortsetzung auf Seite 7
Gewaltschutzambulanz an der Charité
Ein Modellprojekt für Deutschland
Vor kurzem feierte die Gewaltschutzambulanz
an
der Berliner Charité ihr
einjähriges Bestehen – eine
wichtige Anlaufstelle für
Opfer von Gewalt in unserer Stadt, deren Finanzierung dringend gesichert
werden muss.
Viele Menschen, insbesondere Frauen, haben mindestens einmal in ihrem
Leben körperliche oder sexuelle Gewalt durch Beziehungspartner oder Familienmitglieder erlebt. Es gibt
Schätzungen, nach denen
mehr als 200.000 Kinder
in Deutschland jedes Jahr
schwer misshandelt werden.
Die meisten Übergriffe finden im Verborgenen statt
und werden nie angezeigt.
Aber nur Taten, die zur Anzeige gebracht wurden, können juristisch verfolgt werden. Dazu ist es wichtig, dass
es niedrigschwellige Angebote für Opfer von häuslicher Gewalt gibt. Denn nur,
wenn Verletzungen auch
medizinisch dokumentiert
wurden, sind sie vor Gericht
verwertbar.
Der Bedarf solcher Angebote für Opfer von Gewalt
ist groß. Es fehlt ein integriertes Konzept, das neben
medizinischer Hilfe auch
Beratung in einem sensiblen Umfeld ermöglicht. Die
Gewaltschutzambulanz an
der Berliner Charité leistet
dieses Angebot für Frauen,
Männer und Kinder. Hier
können Opfer Verletzungen dokumentieren lassen –
auch wenn sie nicht oder erst
später zur Polizei gehen wollen. Die Anlaufstelle bietet
gleichzeitig umfangreiche
weitere Hilfen an und stellt
beispielsweise den Kontakt
zu Opferinitiativen her.
Dieses Projekt könnte Modellcharakter für Deutschland haben. Deshalb war es
Die Bundestagsabgeordnete Dr. Eva Högl zu Besuch in der
Gewaltschutzambulanz der Charité.
Foto: Högl
mir wichtig, gemeinsam mit
dem Bundesjustizminister
Heiko Maas und Berlins
Justizsenator Thomas Heilmann die Gewaltschutzambulanz zu besuchen und
über mögliche Formen der
Finanzierung zu diskutieren.
Ich begrüße, dass jetzt geprüft wird, ob und wie eine
Förderung durch den Bund
ermöglicht werden kann,
damit diese Einrichtung,
die bisher vom Land Berlin
finanziert wird, auch bundesweit
Modellcharakter
bekommen kann. Um wirksame Maßnahmen gegen
Gewalt zu entwickeln, ist
eine enge und abgestimmte
Zusammenarbeit aller Verantwortlichen in Bund und
Ländern besonders wichtig.
Dr. Eva Högl
2
MITTE
Berliner Stadtblatt
POLITIK VOR ORT
Neuer Träger für Weddinger Kinderfarm
Landesparteitag der Berliner SPD
Am 13. Juni lautet das
zentrale Thema „Flüchtlingspolitik“. Zu hören ist
eine Rede des Außenministers Frank-Walter Steinmeier, sowie die Beratung
der Resolution „Berlin –
die Stadt der Willkommenskultur“. Beraten werden außerdem der Antrag
„Strategien gegen Rechts
in einer Stadt der Vielfalt“
und der Leitantrag „Starke Finanzen im Bund und
den Bezirken“. Beginn:
9.30 Uhr (Einlass ab 8.30
Uhr), Ort: INTERCONTINENTAL BERLIN, Budapester Straße 2, 10787
Berlin
Rosenteppich-Gedenken
Am 17. Juni 1953 demonstrierten über 300.000
Menschen für freie Wahlen
in der DDR. Bei der gewaltsamen Niederschlagung
des Arbeiteraufstandes kamen 21 Demonstranten zu
Tode. Traditionell legt die
SPD Mitte zum Andenken
an die Opfer am Denkmal
von Wolfgang Rüppel auf
dem gleichnamigen Platz
vor dem Bundesfinanzministerium, 1000 rote Rosen
nieder. Die Gedenkrede
wird in diesem Jahr der
SPD Landesvorsitzende
Dr. Jan Stöß halten. Treffpunkt: Mittwoch, 17. Juni
2015 um 08:00 Uhr, am
Denkmal Wilhelmstraße/
Leipziger Straße, vor dem
Finanzministerium.
BÜRGERINNENSPRECHSTUNDEN
Bruni WildenheinLauterbach, MdA:
Telefonische Sprechstunde Dienstag, 16.06., 23.06.
und 30.06., 12:30–14:00,
Ort: Tel. 030 23 25 - 22 97.
BürgerInnensprechstunde: Freitag, 19.06., 16.00–
17.00, Ort: Kurt-Schumacher-Haus, Müllerstr. 163,
13353 Berlin
Ralf Wieland, MdA:
BürgerInnensprechstunde: Donnerstag, 25.06.,
12:00–13:00,
Dienstag,
Bürgerbüro am Gesundbrunnen, Bellermannstr.
19a, 13357 Berlin Tel.: 030
64 31 23 20 E-Mail buero@
ralf-wieland.de
Sylvia-Yvonne Kaufmann, MdEP:
Sprechstunde der Europaabgeordneten: Donnerstag, 18.06., 11:00–12:00,
Bürgerbüro am Gesundbrunnen, Bellermannstr.
19a, 13357 Berlin Tel.: 030
64 31 23
Haben Sie Interesse an
Bezirkspolitik?
Die Ausschüsse und Sitzungen der Bezirksverordnetenversammlung Mitte
tagen in der Regel öffentlich.
Der nächste Termin der
BVV ist Donnerstag, der
18.06. Die Sitzung beginnt
um 17.30. Ort: Rathaus
Mitte, Karl-Marx-Allee 31,
10178 Berlin.
Das Jugendamt Mitte sucht einen neuen Träger für die traditionsreiche Weddinger Jugendeinrichtung
Die Weddinger Kinderfarm ist seit vielen Jahren
fester Bestandteil der Jugendarbeit im Wedding.
Sie ist für Kinder und Jugendliche, deren Familien
und für die umliegenden
Schulen unverzichtbar.
Bisher wurde das Angebot
der Weddinger Kinderfarm
von einem Verein, dem
Weddinger Kinderfarm e.V.,
als Träger organisiert. Die
Finanzierung erfolgte über
das Jugendamt des Bezirksamtes Mitte. Grundlage
für die Finanzierung ist ein
Vertrag, der die Rechte und
Pflichten der Vertragspartner verbindlich regelt.
Was ist passiert?
Leider ist es im vergangenen Jahr zu erheblichen
Störungen in der Zusammenarbeit mit dem Träger
Weddinger Kinderfarm e.V.
gekommen, die eine weitere Zusammenarbeit nicht
möglich machen. Vor allem
liegen vertraglich vereinbarte Sachberichte über die
Arbeit und der Nachweis
der Verwendung der vom
Jugendamt bezahlten öffentlichen Mittel nicht vor.
Die Weddinger Kinderfarm ist seit vielen Jahren fester Bestandteil der Jugendarbeit im Kiez,
die der Bezirk auch weiterhin erhalten will.
Foto: Fotolia/Lasevich
Im Laufe des letzten Jahres wurden sehr viele Versuche von verschiedenen
Seiten unternommen, die
Verantwortlichen der Kinderfarm dazu zu bewegen,
die erforderlichen Unterlagen einzureichen. Fristen
wurden mehrfach einge-
räumt, Gespräche und Unterstützung angeboten. Viele Akteure innerhalb und
außerhalb der SPD haben
im Hintergrund versucht,
eine gemeinsame Lösung zu
finden. Dies alles führte leider nicht zum Erfolg.
Das Bezirksamt Mitte von
Endlich wieder in Weddinger
Parks investieren!
Es gilt sie wiederzuentdecken, unsere Grünanlagen im Wedding: wie den
Schillerpark, den Goethepark oder den Volkspark
Rehberge. Der Schillerpark ist die erste öffentliche Grünanlage in Berlin,
die 1903 durch einen Beschluss des Berliner Magistrats nach den Idealen der
Volksparks angelegt wurde
und 1905 aus Anlass des
100. Todestages von Friedrich Schiller dessen Namen
erhielt.
Mitten in diesem Gartendenkmal befindet sich eine
dreistufige Terrassenanlage
mit Rosengarten, die Bastion. Auf deren zweitem Plateau steht ein Abguss des
vor dem Schauspielhaus am
Gendarmenmarkt stehenden Schillerdenkmals von
Reinhold Begas.
Bereits im Februar 2014
hat die SPD-Fraktion in
der
Bezirksverordnetenversammlung Mitte einen
Antrag eingebracht, um die
baulichen Mängel an der
Bastion zu beheben und zugleich für die Sanierung der
maroden Wege eine Zeitschiene vorzulegen.
Besonders die Bastion befindet sich in einem schlechten Gesamtzustand mit
Fugenlücken und zersprungenen Steinen, so dass die
Frage nach deren Standfestigkeit dringend beantwortet werden muss. Die zuständige Senatsverwaltung
für Stadtentwicklung und
Umwelt habe dem Bezirksamt Mitte Unterstützung
zugesagt, damit eine Pflegereform für die betagten
Grün- und Parkanlagen im
Norden den Pflegenotstand
beenden und die Sanierung
der Parks beginnen kann.
Eine Arbeitsgruppe aus vier
Stadträten und Vertretern
der Senatsverwaltung erarbeiten gegenwärtig konkrete Vorschläge.
In einer wachsenden Stadt
muss die soziale Infrastruktur mitwachsen, auch und
gerade für die Naherholung,
Beginn der Arbeiten: Noch
in diesem Jahr!
Bruni WildenheinLauterbach, MdA
Berlin muss vor diesem
Hintergrund die Förderung
dieses Trägers einstellen.
Schließlich geht es hier um
den Nachweis, wofür Steuergeldern verwendet wurden.
Wie geht es nun weiter?
Der Bezirk arbeitet derzeit daran, das bewährte
Angebot für die Kinder und
Familien des Bezirks aufrechtzuerhalten und dafür
einen neuen Träger zu finden. Die Veröffentlichung
eines entsprechenden Interessenbekundungsverfahrens
im Amtsblatt von Berlin ist
bereits erfolgt. Ende Mai ist
Abgabefrist.
Wir werden dann gemeinsam mit dem Jugendhilfeausschuss einen Träger
auswählen, der das von allen
geschätzte Angebot einer
innerstädtischen
Kinderfarm weiterführen wird. Allerdings – vorher muss der
bisherige Träger Grundstück
und Gebäude dem Bezirk
übergeben. Leider gibt es
hierzu bisher keine Bereitschaft. Nach wie vor hoffen
wir aber auf eine Verständigung für einen reibungslosen Übergang im Sinne
der Arbeit für und mit den
Kindern und Familien der
Umgebung. Daran arbeiten
weiterhin viele Menschen
innerhalb und außerhalb des
Jugendamtes.
Sabine Smentek,
Jugendstadträtin (SPD)
EIN ALTER, NEUER PLATZ IM ZENTRUM DES WEDDING
Gegenüber dem Leopoldplatz im Wedding entsteht
ein neuer alter Ort. Der
Neubau der Schiller-Bibliothek ist der Höhepunkt. Als
Altbau wird weiterhin das
Rathaus Wedding bleiben,
wohingegen der Neubau
saniert und vom JobCenter
bezogen wird.
Schließlich wird der ehemalige Rathausvorplatz so umgebaut, dass die Menschen
ihn wieder mit Freude zum
Verweilen nutzen werden.
Denn in den vergangenen
Jahren hat man ihm sein Alter angesehen. Er wird, insbesondere durch den geplanten „Lesegarten“, zu einem
Ort der Begegnung und der
Muße.
Der Platz am Rathaus, soll
in Zukunft nach Elise und
Otto Hampel benannt werden. Das Weddinger Ehepaar
leistete Widerstand gegen
den
Nationalsozialismus,
indem sie durch Postkarten
und Handzettel zur Behinderung des Krieges aufriefen.
Infolge Verrats wurden sie
vom Volksgerichtshof zum
Tod verurteilt und am 8. April
1943 in Plötzensee hingerichtet. Mit der Namensgebung
hat die BVV von Mitte ihnen
ein würdiges Zeichen gesetzt.
Der gesamte Gestaltung
erfolgte nicht vom „grünen
Tisch“ aus, sondern seit 2012
fand eine umfassende Bürgerbeteiligung mit den AnrainerInnen, der Stadtteilvertretung Müllerstraße und
anderen Beteiligten statt.
Die Ergebnisse können sich
sehen lassen. Wedding bekommt einen schönen alten,
neuen Ort.
Christian Hanke,
Bezirksbürgermeister Mitte
Mehr Personal in Krankenhäusern nötig
„Gute Gesundheit hat ihren Preis!“
„Die Leitplanken des Gesundheitswesens müssen
so justiert werden, dass
der Mensch wieder mehr
im Mittelpunkt steht als
bisher. Denn jede unterbesetzte Nachtschicht ist
genauso gefährlich wie
mangelnde
Hygiene!“,
so Thomas Isenberg,
gesundheitspolitischer
Sprecher der SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus anlässlich des
jüngsten Warnstreiks an
der Berliner Charité.
Der steigende Kostendruck, eine ungerechte
Ve r g ü t u n g s s y s t e m a t i k
sowie oftmals zu geringe Investitionszuschüsse
der Bundesländer nötigen
immer mehr Kliniken,
therapeutisches
Personal „outzusourcen“, das
Lohnniveau zu drücken
und den Personalschlüssel
zu verdichten – und zwar
auch auf Kosten der Versorgung der Patientinnen
und Patienten.
Dieser Weg gehört gestoppt! Im Berliner Abgeordnetenhaus hat der
Gesundheitsausschuss auf
Druck der SPD beschlossen, dass sich Berlin im
Bundesrat für verpflicht-
Thomas Isenberg, MdA, unterstützt Streikende in ihren Forderungen.
Foto: Horb
ende Personalquoten in
Krankenhäusern einsetzt.
Der neue Berliner Krankenhausplan macht in
ersten Bereichen landesrechtliche Vorgaben. Auch
die Investitionen werden
aufgestockt: Aus den Sonderinvestitionsmitteln des
Landes Berlin erhalten die
Kliniken weitere 110 Millionen Euro.
Thomas Isenberg: „Auf
Kosten der Beschäftigten
ist kein gutes Gesundheitswesen zu machen –
gute Gesundheit hat ihren
Preis!“
Thomas Isenberg, MdA
Berliner Stadtblatt
THEMA
3
STADTBLATT-THEMA: BERLIN WÄCHST. WIE FUNKTIONIERT DER INTERESSENAUSGLEICH?
Realismus
bewahren
Stadtblatt-Interview mit dem Berliner
Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen
Berliner Stadtblatt: Berlin ist
eine solidarische Stadt. Wäre
es nicht auch ausgesprochen
solidarisch, zum Beispiel die
Mieten in Sozialwohnungen
so zu subventionieren, wie es
die Initiatoren eines Volksbegehrens jetzt fordern?
Matthias Kollatz-Ahnen:
Was auf den ersten Blick solidarisch klingt, begünstigt
bei näherem Hinsehen tatsächlich nur eine vergleichsweise kleine Bevölkerungsgruppe. Und verursacht dabei so hohe Kosten, dass zentrale Bereiche der Stadt auf
Jahre unterfinanziert bleiben werden, nämlich Kitas
und Schulen genauso wie
Krankenhäuser, die Sanierung der Straßen oder die
Arbeit in den Bezirken –
alles Sektoren, die angesichts
des starken Bevölkerungswachstums in Berlin enorm
gefordert sind. Gerade deshalb kommt es aber darauf
an, im Rahmen des Möglichen in alle wichtigen Bereiche gleichermaßen zu
investieren.
Dr. Matthias Kollatz-Ahnen
Foto: Anno Dittmer/SenFin
Mit welchen Kosten muss
beim Mieten-Volksbegehren
insgesamt gerechnet werden,
wie vielen Menschen könnte
damit Ihrer Einschätzung
nach geholfen werden?
Die zuständige Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hat kürzlich die
amtliche Kostenschätzung
in Höhe von 3,3 Mrd. Euro
für den Zeitraum 2017 bis
2021 vorgelegt. Wir haben –
basierend auf dieser Rechnung – eine Nettobetrachtung angestellt und die
ohnehin schon in den Haushalt eingestellten Mittel für
den Wohnungsneubau abgezogen. Diese belaufen sich
über den Fünf-Jahres-Zeitraum auf rund 500 Mio.
Euro, so dass wir insgesamt
mit Mehrkosten von 2,8 Mrd.
Euro rechnen, sollte die Initiative erfolgreich sein. Begünstigt würden damit etwa
80.000 Haushalte, denn die
gewünschte Subvention betrifft nur die öffentlich geförderten Sozialwohnungen.
Das sind rund 120.000 Wohnungen oder 6,4 Prozent
des gesamten Bestandes. Die
Bewohner von zwei Drittel
dieser Wohnungen hätten
nach den Plänen der Initiatoren Anspruch auf Mietensubventionen.
Im Bildungsbereich kündigt
sich ein neues Volksbegehren
an, das mehr Geld fordert.
Gleichzeitig gilt ab 2020 die
Schuldenbremse. Wie kann
damit umgegangen werden?
Das ist genau der Punkt.
Berlin ist nicht nur Konsolidierungsland, sondern unterliegt ab 2020 auch den
im Grundgesetz aufgenommenen Regelungen zur Begrenzung der Nettokreditaufnahme. Und die liegt für
Berlin bei null. Die Finanzplanung geht davon aus, dass
es gerade möglich ist, 2020
ohne Neuverschuldung auszukommen, wobei gegenüber heute noch 1 Mrd. Euro
pro Jahr an Soli wegfallen.
Ausgaben in einem Bereich
haben also automatisch Konsequenzen für die Ausstattung anderer Bereiche. Wir
müssen uns darüber im Klaren sein, dass die überproportionale Berücksichtigung
eines Anliegens zwangläufig
auf Kosten anderer, ebenso
wichtiger Themen geht.
Jan Stöß über die „Solidarische Stadt“:
Den Zusammenhalt stärken
Foto: fotolia.com/Katja Xenikis
Berlin ist eine schnell
wachsende Stadt. Immer
mehr Menschen ziehen neu
nach Berlin, die Stadt wird
voller, lauter und schneller. Dies sozial gerecht zu
gestalten ist die große Aufgabe, vor der wir heute in
Berlin stehen.
Wir brauchen mehr Wohnungen, mehr Kinderbetreuungseinrichtungen, Schulen,
Sportanlagen und soziale
Einrichtungen. Die Bürgerämter haben mehr zu tun,
wir brauchen mehr Erzieherinnen und Erzieher, mehr
Lehrerinnen und Lehrer.
Unsere Verkehrsinfrastruktur muss immer mehr Verkehr bewältigen – die BVG,
die S-Bahn, aber auch un-
sere Straßen und Radwege.
Das bedeutet: Wir müssen
jetzt massiv in Berlins
Zukunft investieren. Doch
gleichzeitig muss Berlin
nach wie vor seinen Landeshaushalt konsolidieren und
die Altschulden abtragen.
Ja, wir brauchen mehr zusätzlichen Wohnraum, damit
die Mieten leistbar bleiben.
Das bedeutet Wohnungsneubau an vielen Stellen in
der Stadt. Und obwohl wir
sehr viel Geld – allein mit
dem Sondervermögen Infrastruktur der Wachsenden
Stadt (SIWA) eine halbe
Milliarde Euro – zusätzlich
für Investitionen zur Verfügung stellen, können wir
nicht alle erforderlichen
Maßnahmen gleichzeitig angehen. Und wir brauchen an
vielen Stellen mehr Personal
in der Verwaltung, in Schulen und in der Kinderbetreuung – auch hier können
wir nicht alle berechtigten
Wünsche sofort erfüllen.
Trotzdem: Ich bin davon
überzeugt, dass wir in Berlin diese Herausforderung
meistern werden. Das erfordert allerdings auch Solidarität und Rücksichtnahme
innerhalb der Stadt. In einer gerechten Stadtgesellschaft darf nicht immer der
Stärkste oder Lauteste seine
eigenen Interessen gegen
alle anderen durchsetzen. Es
geht darum, einen fairen Interessenausgleich zu finden.
Die Berliner SPD tritt dafür
ein, den gesellschaftlichen
Zusammenhalt in der Stadt
zu stärken und dabei das gesamtstädtische Interesse im
Blick zu behalten. Wir sind
die Berlin-Partei.
Jan Stöß ist Vorsitzender der
SPD Berlin . Foto: D. Bleicker/SPD Berlin
Suche nach einem Kompromiss
Andreas Geisel: „Wohnungsbau nicht an Einzelinteressen scheitern lassen“
Ohne Neubau sind die
steigenden Mieten nicht in
den Griff zu bekommen.
Darin sind sich die Experten einig. Der Berliner
Senat will folgerichtig die
Neubauzahlen mehr als
verdoppeln – auf jährlich
10.000 bis 15.000. Doch
bei vielen Bauprojekten
regt sich Widerstand in der
Nachbarschaft.
„Wir haben zahlreiche
Maßnahmen auf den Weg
gebracht, um die Mieten in
Berlin zu dämpfen. Diese
Instrumente sind ausgeschöpft. Jetzt geht es darum,
zügig und in großem Stil
das Angebot an Wohnungen
zu erweitern“, sagt Berlins
Stadtentwicklungssenator
Andreas Geisel (SPD). Von
2011 bis 2014 sind rund
175.000 Menschen nach
Berlin gezogen. Aber auch
Berlinerinnen und Berliner
sind auf Wohnungssuche,
wenn sich Nachwuchs einstellt oder sich die Lebenssituation ändert. Nachfrage,
die mietsteigernd wirkt.
Größere Bauprojekte wie
am Mauerpark zwischen
Mitte und Pankow hat der
Senat deshalb jetzt an sich
gezogen. Seit zehn Jahren
wird dort gestritten. „Wenn
an einer Stelle 700 Wohnungen gebaut werden können,
ist das nicht mehr eine Frage der direkten Nachbar-
schaften. Hier betrifft es das
Gemeinwohl und liegt im
Interesse der ganzen Stadt“,
so Andreas Geisel.
Noch größer ist das Vorhaben im Pankower Norden.
„Die Elisabeth-Aue“, so der
Stadtentwicklungssenator,
„ist ein vollständig landeseigenes Grundstück und hat
deshalb bei der Schaffung
von bezahlbarem Wohnraum eine herausragende
Bedeutung. Nur auf landeseigenen Grundstücken hat
der Senat direkten Einfluss
auf die Mietpreisgestaltung.“
Auf 73 Hektar ist hier Platz
für 5.000 Wohnungen und
rund 10.000 Einwohnerinnen und Einwohner. Nach
Anwohnerprotesten stimmten Grüne, Linke, Piraten
und CDU in der Bezirksverordnetenversammlung Pankow gegen das Projekt.
„Berlin lebt davon, dass
Bürgerinnen und Bürgern
sich engagieren und einmischen“, sagt Andreas Geisel.
„Wir haben viele kreative
Menschen in dieser Stadt.
Deren Ideen und Vorstellungen sind wichtig für
die Stadtentwicklung. Beteiligung heißt für mich
aber nicht: Durchdrücken
meiner Partikulararinteressen. Bürgerbeteiligung ist
immer ein Prozess, ein Dialog – und das Finden von
Kompromissen. “
U.H.
„Wer Freude gibt, bekommt Freude zurück.“
Viele Berlinerinnen und Berliner engagieren sich in Nachbarschaftprojekten für Flüchtlinge
Es fehlt an Wohnraum,
Kita- und Schulplätzen und
nicht zuletzt an Personal
in den zuständigen Behörden. In Berlin ist das Landesamt für Gesundheit und
Soziales (LaGeSo) Erstaufnahmestelle für die hier ankommenden Flüchtlinge.
Die Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter sind mit der
großen Zahl – 2014 waren
es 12.000 Menschen – überfordert. Sie versuchen ihr
Bestes, um den Bedürfnissen der oft traumatisierten
Frauen, Männer und Kinder
gerecht zu werden. Wo die
Behörden an ihre Grenzen
stoßen, füllen immer öfter
Sozialverbände und Ehrenamtliche die Lücken. Arbeiterwohlfahrt, Diakonie,
Volkssolidarität und Caritas
betreiben Flüchtlingsunterkünfte, an mittlerweile sechs
Standorten. Doch auch sie
sind längst überfüllt, und so
kommen zahlreiche Familien und Einzelpersonen in
Hostels oder Durchgangswohnungen unter.
Fernab eines vernünftigen
Betreuungsnetzwerkes ist
der Alltag für die Menschen,
die in Deutschland fremd
sind und die Sprache nicht
sprechen, schwierig. Da hilft
oft der Zufall weiter – und
Mundpropaganda. Zusammenschlüsse wie „Moabit
hilft!“, „Wedding hilft!“
oder ähnliche Netzwerke in
Marzahn-Hellersdorf, Lichtenberg, Treptow-Köpenick,
und in Steglitz-Zehlendorf
nutzen die Fähigkeiten und
Kenntnisse aus der Nachbarschaft – ehrenamtlich,
nach der Schule, Uni oder
Arbeit. Sie eint, dass sie mit
Menschen auf der Flucht in
Kontakt gekommen sind.
„Wer einmal erlebt hat, wie
fragend und allein gelassen diese Menschen hier
ankommen, der kann gar
nicht anders als helfen. Es
fehlt bei allem am nötigsten. Vor allem aber an dem
Gefühl hier anzukommen,
eine Perspektive zu haben“,
beschreibt Joana Latorre, Mitglied bei „Wedding
hilft!“ ihre Motivation. „Diese Menschen, egal aus welchem Land sie kommen,
haben Unfassbares erlebt.
Wer einmal ihre Geschichten hört, dem wird bewusst,
wie gut es einem geht und
dass man ihr Schicksal nicht
einfach ignorieren kann.“
Manfred Nowack von der
Arbeiterwohlfahrt, die u.a.
die Unterkunft in Berlin-
Buch leitet, musste sich in
den vergangenen Monaten mit vielen Sorgen und
Vorbehalten der Anwohnerinnen und Anwohner
auseinandersetzen. Es gab
tätliche Angriffe auf das
Wachpersonal, Flüchtlinge wurden eingeschüchtert
und immer wieder wurde vor dem Heim gegen
die dort lebenden Menschen demonstriert. Dennoch beobachtet Nowak,
wie auch Joana Latorre, eine
große Hilfsbereitschaft unter den Berlinerinnen und
Berlinern. „Wir bekommen
immer wieder Besuch von
Leuten aus der Umgebung,
die gute Kleidung, Möbel
oder Geschirr vorbeibringen. Einige bieten Hilfe beim
Deutschlernen an oder unterstützen die Eltern bei der
Betreuung der Kinder.“ „Die
Hürde, sich für Flüchtlinge
zu engagieren, ist gewiss für
einige groß, aber immer geben sie den Menschen etwas,
dass viel mehr wert ist: das
Gefühl gemocht und unterstützt zu werden. An viele
dieser kleinen Begegnungen
erinnern sich die Menschen
noch Jahre später. Wer Freude gibt, bekommt Freude
zurück“, so Latorre.
J.S.
4
Berliner Stadtblatt
BERLIN
MELDUNGEN
„Dem Berliner Vorbild folgen“
NEUER MIETSPIEGEL
Dragonerareal: Bund soll Vergabepraxis von Grundstücken ändern
Der neue Berliner Mietspiegel weist bei den Bestandsmieten eine Steigerung um 2,7 Prozent
gegenüber 2013 aus. Das
sind 15 Cent pro Quadratmeter Wohnfläche
und Monat.
Die gewichtete Durchschnittsmiete nettokalt
liegt 2015 bei 5,84 €/qm
monatlich, 2013 waren es
5,54 €/qm. „Wir spüren
die Attraktivität der
wachsenden Stadt Berlin
an steigenden Mieten
und einem angespannten
Wohnungsmarkt. Dennoch fielen die Mieterhöhungen im Bestand
gegenüber dem Mietspiegel 2013 geringer aus
als befürchtet“, sagte
Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel. „Das
ist ein deutliches Zeichen
dafür, dass wir mit unseren mietenpolitischen
Instrumenten auf dem
richtigen Weg sind.“
Der Mietspiegel ist auch
online abrufbar: www.
stadtentwicklung.berlin.
de/wohnen/mietspiegel
RASCHE INTEGRATION
Flüchtlinge sollen in
Berlin schneller Arbeit
und Ausbildung finden
– und damit Steuerzahler werden. Das ist das
Ziel von Arbeits- und
Integrationssenatorin
Dilek Kolat.
Für 2015 werden in
Berlin rund 20.000 AsylErstanträge
erwartet.
Zwei Drittel davon werden Menschen in erwerbsfähigem Alter sein.
„Diese Menschen in
Ausbildung und Arbeit
zu integrieren, bedeutet
ihnen Chancen auf gesellschaftliche Teilhabe
und eigenständige Existenzsicherung zu geben“,
so Dilek Kolat. Dazu werden mehr IntegrationslotsInnen eingestellt, zusätzliche Deutschsprachkurse bei den Berliner
Volkshochschulen eingerichtet, eine Beratungsstelle bei der Senatsverwaltung geschaffen sowie das Ausbildungsprogramm ausgeweitet.
BERLINER MITTE
Gut 1800 Bürgerinnen
und Bürger haben ihre
Ideen und Vorschläge
für die Gestaltung der
Berliner Mitte rund am
das Rote Rathaus und
den Fernsehturm bei einer Online-Befragung
eingebracht.
Vom 27. Juni an wird
die Stadtdebatte mit einer Bürgerwerkstatt, einer Ausstellung, Spaziergängen und Aktionen
fortgesetzt. Die Ausstellung verteilt sich über
das Areal der Berliner
Mitte und ist für alle Interessierten bis zum 10.
September zugänglich.
Dem Kreuzberger Finanzamt am Mehringdamm
sieht man die einstige
Funktion als Kaserne noch
deutlich an. Dahinter liegt
das 47.000 Quadratmeter
große Dragonerareal, ein
ehemaliger Exerzierplatz,
heute von Gewerbebetrieben genutzt. Das Grundstück ist im Bundesbesitz.
Den geplanten Verkauf
konnte Berlins Finanzsenator Matthias KollatzAhnen im Bundesrat im
Mai vorerst verhindern.
Das Dragonerareal ist
eines der wenigen großen
und attraktiven Grundstücke, die es noch in der Stadt
gibt. Umso wichtiger ist
dem Berliner Senat und den
Anwohnern eine sozialverträgliche Planung. Die aber
kann es nur geben, wenn
auch die bundeseigene Immobiliengesellschaft (BImA)
nicht mehr zum Höchstpreis verkaufen muss, sagt
der Pankower SPD-Bundestagsabgeordnete Klaus
Mindrup. Er verweist auf
das Berliner Vorbild.
Hier werden Grundstücke
im Landesbesitz inzwischen
nicht mehr automatisch an
Der Verkauf des Dragonerareals zum Höchstpreis ist zunächst gestoppt.
den Höchstbietenden verkauft. Es geht um die besten Konzepte, um günstigen
Wohnungsbau, um Räume
für soziale und kulturelle Projekte. Auslöser dafür
war 2012 der geplante Verkauf eines Grundstücks am
Spreeufer. Die SPD-Fraktion
hielt das Konzept eines
Clubbetreibers, heute „Kater
Blau“, für das Beste, um das
Gebiet zu beleben. Das Beispiel machte Schule: Auch
städtische Wohnungsbaugesellschaften erhalten landeseigene Grundstücke, um
günstiger bauen zu können.
Das bringt der Stadt mehr
Nutzen als kurzfristig eine
höhere Verkaufseinnahme.
Für das Dragonerareal
sollte die BImA 36 Millionen Euro von einem Käufer
Foto: Horb
erhalten, der auch Kunst
und Kultur auf dem Gelände
versprach. Doch als der Vertrag unterschriftsreif war,
war der Verhandlungspartner plötzlich nur noch Minderheitsgesellschafter, und
die bisherigen Planungen
wurden über den Haufen geworfen. Kunst und Kultur
spielten keine Rolle mehr.
Ein „Beispiel für eine ge-
sellschaftliche
Fehlsteuerung“ nennt Finanzsenator
Kollatz-Ahnen den Verkauf
an den Meistbietenden. So
werde die Schaffung preiswerten Wohnraums „erschwert oder unmöglich“.
Und der Bundestagsabgeordnete Klaus Mindrup
sieht eine Glaubwürdigkeitslücke: „Zur Mietpreisbremse und dem Bündnis
für bezahlbares Wohnen
steht die Vergabepraxis der
BImA in diametralem Widerspruch.“
Das Land Berlin würde
das Dragonerareal ebenso wie die anderen BImALiegenschaften gerne zum
Verkehrswert übernehmen.
Im Bundestag haben die
Berliner SPD-Abgeordneten
bereits einige Unterstützung
organisiert. Mitte Juni kann
der Bundesrat nun beim
Dragonerareal endgültig für
eine Wende sorgen. Klaus
Mindrup fordert eine Liegenschaftspolitik des Bundes, „die im besten Sinne
sozial, ökologisch und wirtschaftlich nachhaltig“ ist.
Spekulative Geschäfte mit
Wohnraum seien diesem
Ziel abträglich.
U.H.
Ein neuer Blick
auf die Welt
Nicht durchs
Raster fallen
Die Fragen der Menschheit im Humboldt-Forum
Start der Jugendberufsagenturen
Noch lagern im Schlüterhof, in dem Besucherinnen und Besucher irgendwann Kaffee trinken werden, große Sandsteine für
die Fassade – aber der Rohbau des Humboldt-Forums
ist fristgerecht fertig. Und
nach dem Richtfest am 12.
Juni geht es nun vor allem
um die innere Gestaltung.
„Es muss eine intellektuelle Baustelle werden, die
nie fertig werden darf “, so
der Anspruch von Neil Mac
Gregor, langjähriger Leiter
des British Museum in London. Hier könne man Geschichte immer wieder neu
schreiben.
MacGregor ist Anfang
April 2015 berufen worden,
das Haus mit der Schlossfassade mit Leben zu erfüllen. Gemeinsam mit Hermann Parzinger, Präsident
Die ersten vier Berliner
Jugendberufsagenturen
starten im Spätsommer
in den Bezirken Spandau,
Tempelhof-Schöneberg,
Friedrichshain-Kreuzberg
und Marzahn-Hellersdorf.
Bis Ende 2016 soll jeder
Bezirk eine solche Anlaufstelle haben, gut erreichbar
und zentral gelegen. „Jeder
Jugendliche soll ein Angebot für den Weg in den Beruf erhalten“, so Arbeitssenatorin Dilek Kolat (SPD).
Die Jugendberufsagenturen Berlin sind ein Bündnis
zwischen den Senatsverwaltungen für Bildung und
für Arbeit, den Regionaldirektionen Berlin-Brandenburg der Bundesagentur
für Arbeit, den Bezirken
und den Wirtschafts- und
Sozialpartnern. „Die Übergänge von der Schule in
die Ausbildung, die Arbeit
oder das Studium sollen
besser ermöglicht werden“,
erklärt die Charlottenburger SPD-Abgeordnete Franziska Becker. Es gelte das
Motto „Kein Abschluss ohne Anschluss“. Mit den in
Hamburg bereits erprobten
Einrichtungen will Berlin
die immer noch zu hohe
Jugendarbeitslosigkeit von
10,3 Prozent reduzieren.
Drei Viertel der arbeitslosen Jugendlichen haben
keine Ausbildung. Bildungssenatorin Sandra Scheeres
(SPD) will deshalb in der
Schule ansetzen: Jugendliche, die noch kein Ausbil-
der Stiftung Preußischer
Kulturbesitz und dem
Kunsthistoriker Horst Bredekamp von der Humboldt-Universität bildet er
die Gründungsintendanz.
Vom kommenden Oktober
an werden sie zwei Jahre
lang die Arbeit im Humboldt-Forum planen. Auf
drei Etagen und 20.000
Quadratmetern soll ein neuer, einzigartiger Blick auf
die Welt entstehen. Für Filme, Konzerte, Diskussionen
oder Theateraufführungen
stehen ein vielseitig nutzbarer Veranstaltungsraum im
Erdgeschoss, aber auch der
Eingangsbereich und der
Schlüterhof zur Verfügung.
Während die benachbarte Museumsinsel die Sammlungen zur Kulturentwicklung Europas und des Nahen Ostens zeigt, ziehen
Im Eingangsbereich des Humboldt-Forums wird die historische Kuppel des Stadtschlosses rekonstruiert.
Foto: Horb
im Humboldt-Forum die
Sammlungen außereuropäischer Kulturen der Stiftung
Preußischer
Kulturbesitz
ein. Damit entsteht in der
Mitte Berlins ein Ort, an
dem sich die Kulturen begegnen und von dem aus
ein international beachteter Dialog ausgehen kann.
Es geht um nicht mehr und
nicht weniger als die großen
Fragen der Menschheit, um
Krieg und Flucht, um Glaube, Macht und Tod.
4.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche stehen Berlin im künftigen HumboldtForum zu. Berlins Regierender Bürgermeister Michael
Müller hat dazu eine neue
Debatte angestoßen. Unter
dem Titel „Welt. Stadt. Berlin“ soll eine Ausstellung
erzählen, wie in den letzten 200 Jahren „Berlin die
Welt und die Welt Berlin
veränderte“, so das Konzept. Kunst, Wissenschaft,
Migration, Krieg und Teilung, Diktatur und Freiheit
sind dabei Themen. „Unsere
Stadt kann zeigen, dass sie
immer noch in dem libertären Takt schlägt, den die
Humboldt-Brüder vorgegeben haben“, so der Regierende Bürgermeister.
2019 wird das HumboldtForum eröffnet. Es soll ein
offenes, einladendes Haus
werden, so wie es sich schon
an den Tagen der Offenen
Baustelle am 13. und 14.
Juni zeigt.
Ulrich Horb
Berlins Bildungssenatorin
Sandra Scheeres setzt auf
„passgenaue Beratung in den
Jugendberufsagenturen“.
Foto: SPD Berlin
dungsangebot haben oder
nach der zehnten Klasse
einen Qualifizierungsplatz
nicht antreten, sollen systematisch kontaktiert werden, sagt sie. „Niemand soll
durch das Raster fallen.“
Derzeit ist für etwa 3.000
Schülerinnen und Schüler
der 10. Klasse noch unklar,
wie es weitergeht. Sie müssen nun nicht mehr viele
unterschiedliche Ämter aufsuchen, sondern erhalten
Beratung aus einer Hand.
Für die Einrichtung der
Jugendberufsagenturen werden die Bezirke aus dem
Landeshaushalt mit 300.000
Euro und weiteren personellen Hilfen unterstützt. Die
Regionaldirektion BerlinBrandenburg setzt rund 500
Mitarbeitende ein.
Ulrich Horb
Berliner Stadtblatt
BERLINER LEBEN
5
Berlins ältere Schwester macht sich hübsch
Warum sich gerade dieses Jahr ein Ausflug nach Brandenburg an der Havel lohnt
Gerade einmal 70.000 Einwohner zählt das Städtchen,
und doch kann es sich mit
dem 50mal größeren Berlin messen: Brandenburg
an der Havel darf sich stolz
die „Wiege der Mark Brandenburg“ nennen.
Als der Dom, der dieses
Jahr 850 Jahre alt wird, entstand, gab es weder Berlin
noch Cölln, Spandau oder
Köpenick – die ältesten Orte
des heutigen Berlin. Dieses
Jahr ist Bundesgartenschau
(Buga) im Havelland – und
einer der Standorte ist Brandenburg: Ein willkommener
Anlass, das Havelstädtchen
zu besuchen, das sich nach
der Wende bemerkenswert
herausgeputzt hat.
Wer sich auf den Weg
macht, staunt zunächst einmal, wie schnell man mit
dem Zug von der Hauptstadt aus dort ankommt.
Zweimal in der Stunde verkehrt der Regionalexpress.
Das Bahnhofsviertel ist
nicht gerade anheimelnd,
aber von dort verkehrt ein
dichtes Netz von Straßenbahnen und Bussen. Oder
man geht zu Fuß die paar
hundert Meter zum 700
Jahre alten Paulikloster, heute Sitz des Archäologischen
Landesmuseums, um sich
Von der 32,5 Meter hohen „Friedenswarte“ ist ein Blick über das BUGA-Gelände aus luftiger Höhe möglich (links). Die Blumenhallenschau in der St. Johanniskirche zeigt auf 1.000 Quadratmetern die volle Blütenpracht (rechts).
Fotos: BUGA-Zweckverband
dort erst einmal historisch
zu orientieren. 50.000 Jahre Kulturgeschichte der Region mit 10.000 Exponaten,
dafür sollte man anderthalb
Stunden einplanen.
Nicht zufällig passiert
man vorher einen Wassergraben: Es ist ein Havelarm,
denn wir sind auf einer Insel, der Neustadt. Zunächst
einmal sollte man weiter
zur nächsten Insel wandern,
der Dominsel mit dem imposanten Backstein-Dom
von 1165, der im 19. Jahrhundert von Schinkel restauriert wurde. Dazu gehört
das Dommuseum mit zahlreichen liturgischen Exponaten. Im Jubeljahr kommt
die Ausstellung „Beständig
neu – 850 Jahre Dom zu
Brandenburg“ hinzu, für die
auch die Staatsbibliothek
Berlin 32 Handschriften aus
der früheren Bibliothek des
Domstifts Brandenburg zur
Verfügung gestellt hat.
Weiter geht es über die
Mühlentorstraße zur Altstadt. Hier strahlen die St.
Gotthard-Kirche und vor
allem der Altstädtische
Markt mit dem historischen
Rathaus
mittelalterliches
Flair aus. Ein ganz besonderer Ort ist die Gedenkstätte der Opfer der Euthana-
sie-Morde, mit der ebenso
wie im Psychiatrie-Museum an eine düstere Zeit erinnert wird. Brandenburg
war auch berüchtigt für sein
Zuchthaus (heute zu besichtigen), die Stadt war aber
vor allem auch Standort von
Schwerindustrie. Das Industriemuseum im Ortsteil
Kirchmöser erinnert daran mit dem Industrie-Lehrpfad und dem Technischen
Denkmal „Siemens-MartinOfen“ sowie der Ausstellung in der Kunsthalle Brennabor. Das Fischerei-Museum verweist auf einen noch
älteren Wirtschaftszweig der
Stadt, und an den Fischerbuden am Mühlendamm
gibt es auch Fischgerichte
zu essen. Wer aber besonders gut speisen will, geht
zum „Humboldthain“ in der
Altstadt.
Im Sommer ist die Stadt
am Wasser schon schön genug. 2015 aber, im Jahr der
„Buga“ erblüht sie an allen
Ecken und Enden, zum Beispiel in den Gartenanlagen
am Packhof und auf dem
Marienberg, der höchsten
Erhebung der Havelstadt,
auf der einst eine mächtige Kathedrale stand. Auf
dem Weg liegt die ehemalige Klosterkirche St. Johannis. Hier zeigen Floristen in
wechselnden Ausstellungen
ihre Kunst, und das gotische
Gemäuer ist vom Duft der
herrlichen Blüten erfüllt.
Also nichts wie hin!
Ulrich Rosenbaum
Informationen im Internet:
www.stadt-brandenburg.de
buga-2015-havelregion.de
www.dom-brandenburg.de
www.am-humboldthain.de
Fernab der Zivilisation
Leben in Trümmern
Fotografien von Sebastião Salgado bei C/O Berlin
Kriegsende und Befreiung: Berliner Alltag im Jahr 1945
Tiefhängende Wolken treiben über die Landschaft, an
einer Stelle reißt die Wolkendecke auf, und Sonnenstrahlen leuchten Teile dieser Szenerie aus, lassen die
Wolkenbänke im schmalen Fluss hell reflektieren.
Ein fein nuanciertes Spiel
von Licht und Schatten
lässt Konturen mal weich
und mal scharf erscheinen.
Willkommen in der Welt
von Sebastião Salgado.
Unter dem Titel „Genesis“
gastiert ein beeindruckender
Teil seines fotografischen
Wirkens in Berlin. C/O Berlin präsentiert als erster
Ausstellungsort in Deutschland Sebastião Salgados Genesis mit 245 Fotografien.
„Genesis ist eine Suche
nach der Welt, wie sie einmal war, wie sie sich formte und entwickelte, wie sie
über Jahrtausende existierte, bevor die Beschleunigung des modernen Lebens
uns zunehmend vom Wesentlichen unserer Existenz
distanzierte“, so definiert er
seine Motivwelt. In seinen
Schwarzweiß-Fotos porträtiert er Landschaften, Wasserwelten, Menschen und
Tiere, die bislang von der
Zivilisation verschont geblieben sind.
Der 1944 in Brasilien geborene und seit Jahren in
Paris lebende Fotograf Sebastião Salgado hat mit seinen Reisen in die entlegensten Winkel unseres Planeten
Es gibt nicht die eine Erinnerung an das Kriegsende 1945, an das Ende der
Nazi-Diktatur und die Befreiung. Das macht das
Buch „Leben in Trümmern“ deutlich. Es vermittelt Einblicke in das Berlin
des Jahres 1945.
Traudl Kupfer reiht in ihrem Buch kurze Momentaufnahmen
aneinander,
nach Monaten geordnet,
nicht immer ganz chronologisch. Mal ist es der Blick
einer jungen Frau, mal der
eines Zwangsarbeiters oder
eines
Untergetauchten,
mal die Sicht eines Widerstandskämpfers, mal die eines nazitreuen Staatsbediensteten oder Soldaten.
Berichtet wird auch aus den
biographischen Erinnerungen des Schauspielers Günter Lamprecht, aus Margret
Boveris
Augenzeugenbericht „Tage des Überlebens“
oder den Tagebüchern von
Hans-Georg von Studnitz,
der zuletzt in der Presseabteilung des NS-Außenministeriums gearbeitet hatte. Lange hat es gedauert, bis
sich Zeitzeugen mit ihren
Erlebnissen zu Wort meldeten oder auch nur bereit
waren, darüber zu sprechen
- zu groß waren Scham, Verdrängung oder politische
Rücksichtnahme.
Vertreibung und Vernichtung hatten in den Jahren
vor 1945 andere Völker getroffen, SS und auch die
Motiv aus der Salgado-Ausstellung bei C/O Berlin: In Sambia
flüchten Elefanten aus Angst vor Wilderern. Foto: Sebastião Salgado
bei oft extremem Klima der
Schöpfung nachgespürt. Sie
zu bewahren, ist seine Botschaft, sein persönliches Anliegen. Gerade der Verzicht
auf Farbe, die Reduktion auf
Licht und Schatten, macht
sie besonders eindringlich.
Die Fotografien rufen Erinnerungen an einen amerikanischen Fotografen wach,
der mit seinen Bildern vor
Jahrzehnten die Naturschönheiten seiner Heimat
porträtierte: Anselm Adams.
Salgados Fotografien zeigen Welten fernab jeglicher
Zivilisation. Da sind die
Pinguin-Kolonien in der
Antarktis und auf Inseln im
Südatlantik, die artenreiche
Tierwelt Amazoniens im
Herzen Südamerikas und
auf Madagaskar, die Lebenswelt von Urwaldeinwohnern
auf Papua-Neuguinea und
in Brasilien und das Leben
im Einklang mit der Natur
im sibirischen Kamtschatka.
Um unberührtes Land
und Meer zu erhalten und
die natürlichen Lebensräume uralter Völker und Tiere zu schützen, müsse die
Menschheit jetzt handeln.
„Genesis“ zeigt uns die
Schönheit der Natur und
ist zugleich ein Aufruf zum
Kampf für den Erhalt dieser
Schöpfung. Das ist Salgados
Botschaft. Und er lebt sie,
engagiert sich in brasilianischen Umwelt- und Ausbildungsprojekten.
Gunter Lange
„Genesis“ · Bis 17.08.2015
C/O Berlin im Amerika Haus
Hardenbergstraße 22-24
Täglich 11 bis 20 Uhr
Eintritt 10 Euro, erm. 5 Euro
Wehrmacht waren an der
Ermordung von unzähligen Zivilisten beteiligt. 1945
zog der Krieg nun in Berlin
ein, einer Stadt voller Ruinen. Es herrschen Willkür
und Gewalt. Noch in den
Stunden des Einmarschs der
russischen Armee werden
von den Nazis mutmaßliche
Deserteure erhängt. Es ist
ein Kampf um das Überleben, um Wasser, Brot, ein
wenig Suppe. Für die wenigen Lebensmittelmarken
ist kaum noch etwas zu
bekommen. Dann sind die
russischen Soldaten in der
Stadt, es kommt zu Vergewaltigungen, Plünderungen,
Traudl Kupfer,
Leben in Trümmern:
Alltag in Berlin 1945
gebundene Ausgabe
März 2015, 256 Seiten
Elsengold Verlag
ISBN-13: 978-3944594279R
Ausquartierungen.
Auch
die, die unter der Nazi-Verfolgung litten, sind vor neuer Willkür nicht verschont.
Aber es gibt auch andere
Begegnungen, etwa die mit
musikliebenden russischen
Offizieren, mit den Soldaten,
die Mitleid zeigen. Tagelang
gibt es kein Wasser, keinen
Strom, zigtausende Flüchtlinge kommen in die Stadt.
Wer das Chaos überlebt, ist
dankbar. Wohnungen, die
nicht durch Bomben zerstört wurden, werden von
Angehörigen der alliierten
Streitkräfte beschlagnahmt.
60 Mark kostet auf dem
Schwarzmarkt eine Dose
Fleisch, die sich dann als
Hundefutter entpuppt.
Die persönlichen Erlebnisse und Schilderungen –
zusätzlich mit einer kurzen
Zusammenfassung der Ereignisse des jeweiligen Monats versehen, bieten einen bewegenden Zugang
zu den Ereignissen. Dennoch bleiben Fragen offen.
Viele Erinnerungen sind
zum Teil Jahre später aufgeschrieben worden. Wie
haben die Erfahrungen der
Nachkriegszeit die Erinnerungen beeinflusst? Was hat
sich eingeprägt, was ist verdrängt worden? Und angesichts der Auswahl derer,
die im Buch zu Wort kommen, bleibt auch die Frage:
Wo sind 1945 eigentlich die
ganzen Nazis geblieben?
Ulrich Horb
6
Berliner Stadtblatt
S E RV I C E · R ÄT S E L
Gut zu wissen
Stadtblatt-Service: Tipps für Mieter, Schüler und Studierende, Veganer, Vegetarier und Inkasso-Opfer
SCHOKO-EIS
Der Sommer kann kommen: 20 Sorten Schoko-Eis
aus der Tiefkühltruhe hat
die Stiftung Warentest getestet. Kritische Keimgehalte gab es nirgends, Schadstoffe wurden nicht festgestellt. Die Hälfte der Sorten
schnitt befriedigend ab, weil
sie geschmacklich nicht
ganz überzeugten oder das
Etikett zu viel verspricht.
Testsieger wurde das mit
11 Euro pro Liter teuerste
Classics Belgian Chocolate
von Häagen-Dazs. Zu den
sechs weiteren gut bewerteten Sorten gehört aber auch
das billigste Rios Premium
Schokolade von Penny. Das
gesamte Testergebnis gibt es
für 2 Euro auf www.test.de
„VERSTECKTE TIERE“
Verbraucher sollen mehr
Klarheit bekommen, wenn
Lebensmittel tierische Bestandteile enthalten, die
auf den ersten Blick nicht
zu erkennen sind. Dazu
fordert die Verbraucherorganisation foodwatch eine
Kennzeichnungspflicht für
Zutaten oder Zusatzstoffe
tierischen Ursprungs oder
zum Einsatz tierischer Bestandteile in der Produktion. So wird nach Angaben
von foodwatch zum Beispiel
Läuse-Extrakt in Orangina
Rouge-Limonade oder Bum
Bum-Eis von Schöller eingesetzt, bei Albi-Säften kann
Schweinegelatine zum Klären von Trübstoffen verwen-
ne Menge um mehr als das
Hundertfache. Ökotest rät,
eher auf Vitamin-B12-Monopräparate oder angereicherte Lebensmittel zu setzen, die es jedoch nur in konventioneller Qualität gibt.
Ob Lebensmittel tierische
Bestandteile beinhalten soll
besser erkennbar werden.
Foto: fotolia.com/Omar Kulos
det werden – auf der Verpackung ist das für Verbraucher jedoch kaum oder
gar nicht erkennbar. Aldi
Süd will jetzt freiwillig darauf hinweisen, dass bei der
Crackets Knabberbox und
den Kartoffel Rings Paprika
Schweinebouillon zum Einsatz kommt.
VEGANE ERGÄNZUNG
Vegane Ernährung kann zu
einem Mangel an Vitamin
B12 führen. Einige Hersteller bieten deshalb spezielle
Ergänzungspräparate
für
Veganer an. Das Verbrauchermagazin Öko-Test hält
sie für wenig sinnvoll. Häufig sind es Kombinationen
mit anderen Wirkstoffen, an
denen auch Veganer keinen
Mangel leiden. Ein untersuchtes Produkt überschritt
mit einer Tagesdosis von
1.000 Mikrogramm die vom
Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) empfohle-
SCHÜLERAUSTAUSCH
Auslandsaufenthalte sind
inzwischen für viele fester
Bestandteil der Schul- oder
Studienzeit, um Sprachkenntnisse zu vertiefen oder
andere Kulturen kennen zu
lernen. Angebote gibt es viele, auch für entferntere Länder wie Neuseeland. Praxistipps, Erfahrungsberichte,
einen Überblick über das
Schulsystem sowie viele Informationen zum Lernen
„downunder“ hat jetzt die
Deutsche Stiftung Völkerverständigung in einem kostenlosen E-Book „Schüleraustausch Traumziel Neuseeland“ zusammengestellt,
das es kostenfrei zum
Schüleraustausch in Neuseeland: Lernen vor spektakulärer Naturkulisse.
Foto: Dt. Stiftung Völkerverständigung
Berliner Preisrätsel
WAAGERECHT
UMLAUTE = 1 BUCHSTABE
1
6
größter Berliner See
obergärig, englisch,
kaum Schaum
11 Gegenteil von nirgendwo
12 Entzündung des Auges
13 ungarisches Hackbrett
16 verbindet am Fahrrad
Lenker mit Gabel
17 faszinierender
Sommersport
Download gibt unter: www.
schueleraustausch-portal.de
Grundlegende Informationen und einen Überblick
über Stipendien sowie die
diversen SchüleraustauschOrganisationen gibt die
privat betriebene Webseite
www.austauschjahr.de
MIETPREISBREMSE
Die Mietpreisbremse für
Neuvermietungen ist in
Berlin seit 1. Juni in Kraft.
Unmittelbar nach Veröffentlichung des entsprechenden
Bundesgesetzes hat der Berner Senat die von Stadtentwicklungssenator Andreas
Geisel (SPD) vorgelegte
„Mietenbegrenzungsverordnung“ beschlossen. Mit
ihr wurde Berlin zu einem
Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt
erklärt. Damit gilt die Regel, dass die Miete bei Wiedervermietung einer nicht
preisgebundenen Wohnung
die ortsübliche Vergleichsmiete um höchstens 10 Prozent übersteigen darf. Während im Internet Ende 2014
im Schnitt bereits 8,59 Euro
pro Quadratmeter gefordert
wurden, wies der Berliner
Mietspiegel eine ortsübliche
Vergleichsmiete von durchschnittlich 5,54 Euro pro
Quadratmeter im Monat
aus. Nicht selten wurden daher bei der Neuvermietung
50 Prozent mehr Miete verlangt als vom Vormieter.
Die Mietpreisbremse gilt
vorerst bis Ende Mai 2020.
Im gesamten Berliner Stadtgebiet gilt seit 1. Juni bei NeuverFoto: Horb
mietungen die Mietpreisbremse.
Ausgenommen sind nur
Neubauwohnungen, die ab
1. Oktober 2014 erstmalig
bezugsfertig werden, sowie
die erste Wiedervermietung
nach umfassender Modernisierung. Vom Vormieter gezahlte höhere Mieten dürfen jedoch auch mit neuen
Mietern vereinbart werden.
SCHÖNHEITSREPARATUREN
Mieter, die eine unrenovierte Wohnung bezogen
haben, können im Mietvertrag nicht dazu verpflichtet werden, die Wohnung
beim Auszug renoviert zu
übergeben. Entsprechende Vertragsklauseln hat der
Bundesgerichtshof jetzt für
unwirksam erklärt. Keinen
Bestand haben vor den
Richtern auch die Quotenklauseln gefunden, die den
Mieter zu einer anteiligen
Beteiligung an den Renovierungskosten verpflichteten , wenn er vor Ablauf der
üblichen Renovierungsintervalle auszog.
INKASSO-ABZOCKE
Die Verbraucherzentralen
sammeln derzeit Beschwerden zu zweifelhaften Inkassoforderungen. Immer
wieder erhalten Verbraucherinnen und Verbraucher
Schreiben, in denen mit
Zwangsvollstreckung, Schufa-Einträgen und Hausbesuchen gedroht wird. Oft
lassen sich Betroffene einschüchtern und zahlen,
selbst wenn sie es nicht
müssten. Inkasso-Unternehmen sind gesetzlich verpflichtet, bereits mit der ersten Zahlungsaufforderung
detaillierte Informationen
wie zum Beispiel Name oder
Firma des Auftraggebers
und den genauen Forderungsgrund zu nennen. In
einer gemeinsamen Aktion
wollen die Verbraucherzentralen unseriöse Inkassopraktiken ermitteln.
ZU GEWINNEN: BÜCHER ZUR BERLINER GESCHICHTE
18 beschäftigt Gläubige
wie Ungläubige
19 geographischer Fleck
20 das Unwissen der
Philosophie
22 sie mündet in den Busen
24 Schwellung des
Gewebes durch
Flüssigkeit
26 sorgt für Wärme
28 Insel in der
Berliner Badewanne
29 psst!
33 entzündlich bedingte
Absonderung (med.)
34 tranceähnlicher
Wachschlaf
35 mal Gegenrede,
mal Nachbildung
36 wo der (West-)Berliner
die Badehose auspackt
SENKRECHT
UMLAUTE = 1 BUCHSTABE
2
3
4
5
7
8
9
10
14
15
16
21
22
... tut selten gut
das Gestein erinnert
an des Apfels Kern
violett
manchmal quakt sie
durch die Zeitung
kann man unterrichten
schmeckt kräftig
und deftig
österreichischer
Briefzustellbezirk
nordfriesische
Ferieninsel
ein Fremdwort
in Berlin
Gerät zur Messung
von Wassertiefen
Fahrzeug, das
nichts hermacht
Großmutter, liebevoll
österreichische
Zwischenmahlzeiten
23 Leistungen für Andere
25 Reizwäsche
26 venezianisches
Transportmittel
27 übers Ohr hauen
30 Schifferknoten
31 ... must go on
32 wo der Fuß
zu Ende geht
Die Verbraucherzentralen
schauen Inkassobüros jetzt
verstärkt auf die Finger.
Foto: fotolia.com/Gina Anders
In die richtige Reihenfolge
gebracht ergeben die rot
umkreisten Buchstaben
eine Konstruktion, die im
Sommer zu den Lieblingsbehausungen gehört –
an Nord- und Ostsee, am
Müggel- ebenso wie am
Wannsee.
Bitte schicken Sie dieses
Lösungswort auf einer Postkarte bis zum 11. Juli 2015
per Post an das
Berliner Stadtblatt
Müllerstraße 163
13353 Berlin
oder per E-Mail an raetsel@
berliner-stadtblatt.de
DIE GEWINNE
Unter allen richtigen Einsendungen verlosen wir
zehn Buchpreise zur
Berliner Geschichte.
DAS LÖSUNGSWORT
aus der letzten Ausgabe
des Stadtblatts war:
WELTFRAUENTAG
Bis zum 31. August erfassen sie Beschwerden und
werten diese aus. Betroffene
werden gebeten, den Beratern ihren Fall zu schildern
oder die Unterlagen an die
Verbraucherzentrale Berlin,
Stichwort Inkasso, Hardenbergplatz 2, 10623 Berlin zu
senden. Auch ein Onlineformular gibt es: https://www.
verbraucherzentrale-berlin.
de/formular-inkasso
U.H.
IMPRESSUM
Berliner Stadtblatt
Wissenswertes aus Berlin und den Bezirken
und Berlin-Beilage (Seiten 3 bis 6) zu den
Bezirksausgaben in Charlottenburg-Wilmersdorf, Friedrichshain-Kreuzberg, Mitte,
Tempelhof-Schöneberg, Treptow-Köpenick
Herausgeber:
SPD-Landesverband Berlin
Landesgeschäftsführer Dennis Buchner
(V.i.S.d.P.), Müllerstr. 163, 13353 Berlin
Redaktion der Landesseiten:
Ulrich Horb (CvD), Gunter Lange,
Ulrich Rosenbaum, Josephine Steffen
Rätselerstellung: Ulrich Schulte Döinghaus
Grafik: Hans Kegel
Druck: Henke Pressedruck, Berlin
MITTE
Berliner Stadtblatt
„Mehr als nur ein Tropfen“
WOHNEN UND MIETEN
IN MITTE
Interview mit Ralf Wieland, Präsident des Berliner Abgeordnetenhauses
Im vergangen Jahr hat Berlin
einen Haushaltsüberschuss erwirtschaftet. Das Abgeordnetenhaus hat im April entschieden, was mit den zusätzlichen
Mitteln geschehen soll: Die eine
Hälfte fließt in die Schuldentilgung. Die andere wird genutzt,
um zusätzliche Investitionen in
die Infrastruktur zu finanzieren. Was genau dahinter steckt,
verriet uns Ralf Wieland, Abgeordneter für den Gesundbrunnen und das Brunnenviertel
und zugleich Präsident des Abgeordnetenhauses.
Stadtblatt: Herr Wieland,
von den 826 Mio. Euro
Überschuss soll etwas über
die Hälfte in die Infrastruktur der Stadt investiert werden. Die Rede ist u.a. von
Schulgebäuden und neuen
U-Bahn-Zügen. In den vergangenen Jahren ist an allen
Ecken und Enden gespart
worden. Reicht das Geld
überhaupt, um das wieder
aufzuholen?
Ralf Wieland: Ich denke
schon, dass die insgesamt 496
Mio. Euro, die das Landesparlament jetzt bewilligt hat,
mehr sind, als der Tropfen
auf den heißen Stein. Sicher,
in Berlin ist noch viel zu tun,
aber es ist ein Anfang. Zumal
die Gelder zusätzlich zu den
schon zuvor geplanten Maßnahmen zur Verfügung stehen.
Inwiefern profitiert der
Bezirk Mitte davon?
Ein Großteil des Geldes
fließt in Mitte in die Sanierung
von Schulen, nämlich der Wilhelm-Hauff-Grundschule, der
Ernst-Reuter-Oberschule und
dem Französischen Gymnasium. Zudem werden für die
St. Hedwig Kliniken ebenfalls
Sanierungsmittel zur Verfügung gestellt. Überhaupt die
Krankenhäuser und die Schulen sind mit jeweils über 100
Mio. Euro die Schwerpunkte
des Programms.
Wäre es vor dem Hintergrund der steigenden Zahl
von Flüchtlingen nicht auch
ratsam gewesen, für die Unterbringung und Versorgung
solcher Menschen zusätzliche Mittel vorzusehen?
Genau das ist geschehen.
Das Parlament hat 40 Mio.
Euro für die Beschaffung und
Errichtung so genannter Modularbauten zur Verfügung
gestellt. Der Vorteil hierbei
KOMISCHE OPER, KOMISCHE LESUNG
Der Abgeordnete Ralf
Wieland lädt herzlich zu
Veranstaltungen im Rahmen der Stadtteiltage am
Alexanderplatz (12.06.)
und am Gesundbrunnen
(18.06.) ein.
Am Freitag, 12.06. besteht
um 13:00 Uhr die Gelegenheit, einen Blick hinter die
Kulissen der Komischen
Oper Berlin zu werfen. Im
Anschluss ist ein Gespräch
mit der Leitung des Hauses geplant. Dabei sein wird
auch Brigitte Lange, die kulturpolitische Sprecherin der
SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus. Die Teilnahme
ist unentgeltlich, um Anmeldung wird gebeten. Treffpunkt: Behrenstraße 55.
Am Donnerstag, 18.06.
liest die Schauspielerin und
Autorin Constanze Behrends im Bürgerbüro am
Gesundbrunnen (Bellermannstr 19a, Ecke Heidebrinker Str.) um 19:00 Uhr
aus ihrem Buch „KifferBarbie – das Beste aus meinem Leben“. Dieses Leben
droht jedoch stets im Chaos zu versinken, was ihr
den Kosenamen „Miss Geschicklichkeit“ einbrachte.
Daneben ist die Autorin
Mitgründerin des „Prime
Time Theaters“ im Wedding und einem breiteren
Publikum durch verschiedene TV-Auftritte bekannt
geworden. Der Eintritt ist
frei, eine Anmeldung wird
gern gesehen.
Anmeldungen telefonisch unter 030 64 31 23 20
oder per EMail an buero@
ralf-wieland.de.
Weitere Informationen
zu den Stadtteiltagen unter
www.wieland.berlin.
Fortsetzung von Seite 1
Krankenhäuser und Schulen sind mit jeweils über 100 Mio. Euro Schwerpunkte bei der Mittelvergabe aus dem Haushaltsüberschuss des vergangenen Jahres, der zur Hälfte in die Berliner
Infrastruktur fließt.
Foto: Fotolia/Matze
liegt darin, dass diese zu einem späteren Zeitpunkt auch
anderweitig noch genutzt
werden können, z.B. als Studentenwohnheim.
Ist eigentlich davon auszugehen, dass auch in Zukunft
Einnahmeüberschüsse erzielt und dementsprechend
verteilt werden können?
Nun, das bleibt abzuwarten. Fest steht aber, dass wir
die gesetzliche Grundlage
dafür geschaffen haben, dass
es auch weiterhin bei einem
Zweiklang aus Schuldenabbau
und Investitionen bleibt, wenn
die Einnahmen es hergeben.
Vielen Dank für das Gespräch.
Was ist eigentlich Inklusion?
Über gleichberechtigte Teilhabe an unserer Gesellschaft
Ein einfach erscheinende Frage, auf die es keine
einfache Antwort gibt.
Wortgetreu übersetzt bedeutet Inklusion „Zugehörigkeit“ – meint also
das Gegenteil von Ausgrenzung. Inklusion stellt
nichts Geringeres als ein
Menschenrecht dar, welches durch die UN-Behindertenrechtskonvention
festgeschrieben wurde.
Es geht dabei nicht um
die Integration von “Ausgegrenzten”. Es geht darum,
von vornherein allen Menschen die uneingeschränkte
und gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft
zu ermöglichen. Gemeint
ist somit eher ein Zustand,
denn eine Handlung. Wenn
alle Menschen – ob mit
oder ohne Behinderung –
an jedweden Orten oder
Anlässen dabei sein, teilnehmen und auch teilhaben können, dann bezeichnen wir dies als „gelebte
Inklusion“. Eine inklusive
Gesellschaft zeichnet sich
dadurch aus, dass es einfach
normal ist, verschieden zu
sein. Jeder Mensch wird als
eigene Persönlichkeit wahrgenommen – ohne dabei
die verschiedenen Bedarfe
unberücksichtigt zu lassen.
Damit verknüpft sich für
uns die Debatte um gesellschaftliche Normen bzw.
um das, was häufig als sog.
„gesellschaftlichen Normalität“ bezeichnet wird. Sehr
oft werden oder bleiben
Menschen ausgeschlossen,
die von dieser Norm ab-
weichen. Genau hier setzt
Politik an. Wir müssen uns
darauf einigen, wie wir als
Gesellschaft unseren Umgang mit den Menschen
verändern, die bisher durch
eine zugeschriebene „Abweichung von der Norm“
ausgeschlossen sind.
Die Jusos Berlin Mitte
finden: Nicht der Mensch
mit Behinderung hat sich
zur Wahrung der eigenen
Rechte anzupassen. Vielmehr muss das gesellschaftliche Leben von vorherein
derart (barrierefrei) gestaltet sein, dass es für alle
Menschen gleichermaßen
offen ist. Nicht nur politisch, auch im eigen Verband legen wir darauf einen
Schwerpunkt.
Mathias Schulz
Fahrradstadt Berlin?
von 39 bewerteten Städten
verschlechtert.
Von der 2013 erneuerten
Radverkehrsstrategie der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung mit 80 geplanten
Maßnahmen, ist bis heute
nichts umgesetzt worden.
Auch die im letzten Jahr
durchgeführte Bürgerbefragung zur Fahrradsicherheit
in Berlin, die ebenfalls eine
Liste mit 30 schnell zu behebenden
Konfliktstellen
hervorbrachte, hat keinerlei
Verbesserungen für Fahrradfahrer gebracht. Dass für die
Förderung des Radverkehrs
in Berlin so gut wie nichts
Berlin liegt beim Fahrradklimaindex des ADAC nur auf dem
30. Platz.
Fotos: Schulze
Ein anderes wichtiges
Element, mit dem innerhalb der Milieuschutzgebiete gearbeitet werden
kann, ist die gerade vom
Abgeordnetenhaus erlassene Umwandlungsverbotsverordnung, die
nur innerhalb der sozialen Erhaltungsgebiete zulässig ist. So kann
die Umwandlung von
Mietwohnungen in Eig e nt u m s w o h nu n g e n
untersagt werden. Hier
wurde ein schon lange
gefordertes Instrument
endlich
eingeführt,
nachdem die CDU ihre
Blockadehaltung
hier
endlich aufgegeben hat.
Auch hiermit wird ein
Ansteigen von Mieten
natürlich nicht verhindert, aber gerade im
Zusammenspiel mit der
Mietpreisbremse kann
der Anstieg so gedämpft
und Vertreibungseffekte
verringert werden.
Die Ergebnisse der
vertieften Untersuchungen sollen im letzten
Quartal 2015 vorliegen,
so dass es gute Chancen
gibt, Anfang 2016 im
Bezirk Mitte zwei neue
Milieuschutzgebiete zu
haben. Damit ist die Arbeit aber nicht zu Ende.
Weitere Gebiete, wie z.B.
der Soldiner Kiez und
Tiergarten Süd müssen
in ihrer Entwicklung genau beobachtet werden.
Langfristiges Ziel ist und
bleibt es, auch in Mitte
neuen günstigen Wohnraum schaffen.
Sascha Schug,
Sprecher für Stadtentwicklung, SPD Fraktion
in der BVV Mitte
IMPRESSUM
Mehr Wunschvorstellung als Wirklichkeit
Fahrradfahren macht in
Berlin nur wenig Spaß und
ist meistens sogar gefährlich. Zugeparkte Radwege,
unachtsame Rechtsabbieger, fehlende Radspuren
und Baustellenumleitungen
und fahrradunfreundliche
Ampelschaltungen machen
den täglichen Arbeitsweg
zum Kampfeinsatz im Straßenverkehr.
Im Februar erst hat der
ADFC (Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club) den
Fahrradklimaindex 2014 vorgestellt, bei dem sich Berlin
im Vergleich zu 2012 auf einen beschämenden 30. Platz
7
passiert, verwundert nicht
weiter, schließlich gibt es
beim Senat seit 2011 keinen
eigenen Fahrradbeauftragten
und auch von den zwölf Berliner Bezirken hat nur Reinickendorf einen Mitarbeiter
für den Radverkehr eingesetzt.
Auch in Mitte wäre einiges
zu tun. Die Leipziger Straße
hat vom Alexanderplatz bis
zum Potsdamer Platz keinen
durchgehenden
Radweg,
die Großbaustelle Unter den
Linden ist für Fahrradfahrer
ohne eigene Umleitung sehr
gefährlich.
Fortsetzung auf Seite 8
Herausgeber:
SPD Kreisverband Mitte
Müllerstraße 163
13353 Berlin
V.i.S.d.P.:
Frank Boermann
Redaktion:
Frank Boermann,
Susanne Fischer,
Jenny-A. Schulz,
Bettina Schulze
Satz:
Nike Marquardt
Druck:
Henke Pressedruck
GmbH & Co. KG
8
MITTE
Berliner Stadtblatt
Ein roter Rosenteppich
Zum Gedenken an den Volksaufstand vom 17. Juni 1953
Allein im März 1953 flüchteten etwa 31.000 Menschen
aus der DDR. Anfang Juni
1953 zwang die Führung
der KPdSU die SED unter
Walter Ulbricht zu einem
„Neuen Kurs“, der am 11.
Juni vom Ministerrat der
DDR übernommen wurde.
Unter anderem sollten der
Ausbau der Schwerindustrie zugunsten der Konsumgüterindustrie
gedrosselt
werden, die Kollektivierung
in der Landwirtschaft verlangsamt und Enteignungen
rückgängig gemacht werden.
Doch diese Zugeständnisse kamen zu spät. Inzwischen hoffte die Bevölkerung auf politische
Veränderungen, freie Wahlen, Rechtssicherheit, demokratische Verhältnisse,
bessere Lebensbedingungen
und nicht zuletzt die Wiedervereinigung Deutschlands. In der DDR rumorte
es an vielen Stellen. Staatssicherheit und Regierung
unterschätzten alle diese Signale. Sie versäumten vor allem, rechtzeitig einen Punkt
zurückzunehmen, der zum
FAHRRADSTADT BERLIN?
Fortsetzung von Seite 7
Die Umfahrung des Alexanderplatz ist durch die
unzähligen Reise-, Sightseeing und Fernbusse und
eine unübersichtliche Verkehrsführung abenteuerlich.
Auch die Müllerstraße
bietet keinen durchgängig
befahrbaren Radweg, ähnlich sieht es in der Turmstraße aus, um nur die größten
Verkehrsadern im Bezirk
zu nennen. Sein Rad abzustellen, gestaltet sich dazu
oft schwierig, denn Fahrradständer sind an fast allen Bahnhöfen, öffentlichen
Einrichtungen, Plätzen und
Shoppingcentern knapp bemessen.
Die aktuelle Radverkehrsstrategie des Senats bietet
(trotz des wenig ambitionierten Ziels von 18-20 %
Verkehrsanteil) einen guten
Ansatz zur Weiterentwicklung des Radverkehrs in Berlin. Allerdings muss bei der
Berliner Verkehrsplanung
endlich das Fahrrad neben
dem ÖPNV als umweltfreundliches und schnelles
Verkehrsmittel für Großstädte im Mittelpunkt stehen.
Der motorisierte Individualverkehr sollte keine Priorität
haben. Bei Bedarf müssen
hier zusätzliche Mittel zur
schnelleren Umsetzung zur
Verfügung gestellt werden.
Julie Rothe, Mathias Schulz
Die Rosen vor dem Bundesfinanzministerium erinnern an den Volksaufstand am 17. Juni 1953
in der DDR. Der Wunsch nach politischen Veränderungen und wirtschaftlichen Veränderungen trieb erst die ArbeiterInnen und dann auch viele BürgerInnen in der ganzen DDR auf die
Straßen, bevor der Aufstand blutig niedergeschlagen wurde.
Foto: SPD Mitte
Stein des Anstoßes für den
Volksaufstand werden sollte: die im Mai beschlossenen Normenerhöhungen in
der Industrie. Sie waren der
Anlass für die Streikbewegung der Bauarbeiter an der
Stalinallee oder der Stahlarbeiter aus Hennigsdorf. Von
hier nahm der Aufstand des
17. Juni seinen Lauf.
Das geteilte Berlin war
1953 eines der bekanntesten
Symbole des Kalten Krieges.
Entsprechend haben die Juni-Ereignisse im Ostsektor
der Stadt maßgeblich die
Sicht auf den Volksaufstand
geprägt. Vor allem die Bilder von großen Demonstrationen in Ost-Berlin und
die dagegen in Stellung
gebrachten
sowjetischen
Panzer gingen um die Welt.
Dabei war Berlin nur der
Ausgangspunkt eines Aufstandes, der fast alle Regionen und Städte der DDR
erfasst hatte. In 167 von 217
Stadt- und Landkreisen war
der Ausnahmezustand verhängt worden. Schätzungen
sprechen von bis zu 1,5 Millionen Demonstranten und
streikende Arbeiter.
Schon in der Nacht zum
18. Juni 1953 begann die
Staatssicherheit unter Leitung von Erich Mielke mit
einer massiven Verhaftungswelle. Allein in Berlin wurden innerhalb von
zwei Tagen 1.744 Menschen
verhaftet, darunter sieben
Streikleitungen und Streikkomitees. Mindestens 35
Aufständische fanden den
Tod und insgesamt erfolgten in der gesamten DDR
bis 1955 etwa 15.000 Festnahmen. Der Volksaufstand
vom 17. Juni 1953 blieb bis
zum Fall der Mauer 1989
das Trauma der SED Führung vom Machtverlust.
Heiner Wörmann
Spielhallengesetz
Konsequente Durchsetzung für unseren Kiez!
Mit dem Berliner Spielhallengesetz von 2011 wurden
die Voraussetzungen dafür
geschaffen, das Problem
der Spielcasinos aus unseren Kiezen zu verbannen.
Es war das bundesweit erste Gesetz, welches so konsequent die existierenden
Probleme rund um Spielhallen angeht.
Damit wurde entschlossen eine rote Linie für unsere Stadt, für die Kiezkultur und für die Menschen
gezogen. Im Gesetz wurden
Mindestabstandsregelungen
von 500m zwischen zwei
Casinos und schärfere Anforderungen für das Aufstellen von Automaten beschlossen, so dass sich nur
noch maximal acht Geräte
pro Raum befinden dürfen.
Der Jugendschutz wurde gestärkt, Steuern auf Automaten erhöht und damit Präventionsprogramme gegen
Spielsucht finanziert.
Das Gesetz ist da – doch
warum wirkt es nicht?
Schaut man sich heute in
den Berliner Kiezen um, hat
sich bereits viel positiv verändert. Doch besonders in
Moabit und Wedding sind
weiterhin Probleme rund
um die Casinos sichtbar. Daher wollte der Abgeordnete
İlkin Özışık die Situation erkunden und nahm die Spielhallen in seinem Wahlkreis
(Moabit/Wedding) unter die
Lupe. Das Ergebnis war für
ihn niederschmetternd.
Über 95% aller besuchten
Spielkasinos verstoßen gegen das Spielhallengesetz.
Foto: Fotolia/Hero
Auch in diesem Jahr wird
die SPD Berlin Mitte zum
Andenken an die Opfer
des Volksaufstandes in der
DDR vom 17. Juni 1953 am
Denkmal von Wolfgang
Rüppel auf dem gleichnamigen Platz vor dem Bundesfinanzministerium,
Leipziger-/Wilhelmstraße,
tausend rote Rosen niederlegen. Neben der zentralen
Gedenkveranstaltung auf
dem Friedhof an der Seestraße gehört unser Rosenteppich zum Erinnern und
Gedenken an die damaligen Ereignisse.
Als Stalin Anfang März
1953 in Moskau starb, war
der neuen sowjetischen
Führung offenbar bewusst,
dass die innere Stabilität
der DDR in Gefahr und das
System ohne die Anwesenheit sowjetischer Truppen
nicht zu halten war. Die
wirtschaftlichen Möglichkeiten und die Geduld der
Bevölkerung der DDR waren erschöpft. Im Frühjahr
1953 sank dazu der Lebensstandard. Das rapide
Ansteigen der Fluchtbewegung alarmierte Moskau.
Konkret stehen in mehr
als der Hälfte aller Spielhallen mehr Automaten als
gesetzlich erlaubt. In rund
zwei von drei Casinos wurde geraucht und kostenlos Getränke verteilt. Besonders bestürzend ist die
mangelnde Beachtung des
Jugendschutzes. In fast allen Casinos wurde das Alter von Jugendlichen nicht
überprüft.
Özışık dazu: „So darf es
nicht weitergehen! Wenn
Vorgaben in diesem sensiblen Bereich nicht eingehalten werden, müssen
folgerichtig Lizenzen für
den Betrieb von Spielhallen
entzogen werden! Besonders der Jugendschutz muss
oberste Prirität haben.“
Ilkin Özisik, MdA
Zirkusflair am Sparrplatz
Der Spielplatz am Sparrplatz wurde nach einer mehrmonatigen Sanierung wiedereröffnet
Am 30. April war es endlich
so weit: Der Spielplatz am
Sparrplatz wurde nach seiner Sanierung eröffnet und
von den Kindern im Kiez
freudig in Besitz genommen. Vorausgegangen war
eine mehrmonatige Absperrung, gefolgt von Baumaßnahmen – und anfangs auch
einigen Irritationen.
Es war nicht sofort ersichtlich gewesen, warum der
Spielplatz plötzlich nicht mehr
zugänglich war und später die
hölzernen Spielgeräte abgerissen wurden. Auch war teilweise fraglich, ob die Absperrungen sicher genug waren,
um Kinder und Jugendliche
vom Betreten des unsicheren
Geländes mit den Resten alter
Spielgeräte abzuhalten. Diese
Irritationen konnten glücklicherweise ausgeräumt werden und mit der Zeit wurde
allen BeobachterInnen klar,
dass der inzwischen marode
Spielplatz neu gestaltet wurde. Möglich wurde dies durch
das Kita- und Spielplatzsanierungsprogramm des Senats.
Es ist dem Bezirksamt Mitte
hoch anzurechnen, dass unser Bezirk alle zur Verfügung
stehenden Mittel auch abrufen konnte. Insgesamt konnte
der Bezirk so für 14 Spielplät-
Der Spielplatz am Sparrplatz steht den Kindern im Kiez wieder zur Verfügung
ze rund 700.000€ ausgeben,
70.000€ davon flossen in die
Erneuerung der Spielgeräte
des Sparrplatzes. Entstanden
ist jetzt eine bunte Zirkuswelt,
die schnell Zuspruch bei den
Kindern des Kiezes fand und
sicherlich ihre Fantasie und
Abenteuerlust in den nächs-
Foto: Schulze
ten Jahren beflügeln wird.
Sascha Schug,
SPD-Fraktion BVV-Mitte