Kirchenklang mit fröhlichen Kinderstimmen Neue Männer braucht

Reformierte Presse
Badenerstrasse 69, 8004 Zürich
Tel. 044 299 33 21
Fax 044 299 33 93
E-Mail: [email protected], www.reformierte-presse.ch
Abonnemente: Tel. 033 828 81 12
Inserate: Tel. 044 299 33 20
E-Mail: [email protected]
29. Jahrgang
Preis: Fr. 3.70 (inkl. 2,5% MwSt.)
Auflage: 3313 (geprüft)
Wochenzeitung der reformierten Kirchen
AKTUALITÄT Für Profis:
Wie Pfarrpersonen sich
am besten kleiden 5
Nr. 12 I 20. März 2015
THEMA Für Laien:
Die evangelischen Passionsspiele
im deutschen Zschorlau 6
FEUILLETON Für Profis
und Laien: Die Paulusbriefe,
frisch erklärt 9
Neue Männer braucht die Frauenkonferenz
«Hoffnungsgeschichten gegen Krieg und Gewalt» – so das Thema der Frauenkonferenz des Kirchenbundes
Eine «andere Politik» ist möglich:
Die Frühlingstagung der SEK-Frauenkonferenz diskutierte am 16. März
über kirchliche Handlungsmöglichkeiten, gegen Gewalt und Gleichgültigkeit vorzugehen.
Susanne Leuenberger – Von Frauen organisierte Tagungen interessieren Frauen. Diese Erkenntnis
erschloss sich der Besucherin der
Frauenkonferenz des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbunds (SEK). Unter den 70 Anwesenden, die sich am Montag in
der Berner Heilsarmee-Zentrale
eingefunden hatten, konnte gerade eine Handvoll Besucher ausgemacht werden. Die fehlende
männliche Präsenz ist schade,
denn erstmals hatte die Konferenz ein breiteres Publikum eingeladen.
Die Konferenz hätte auch Männer ansprechen können, zumal
das Thema – «Hoffnungsgeschichten gegen Krieg und Gewalt» –
keine Geschlechtergrenzen kennt:
Unter der Leitung der Theologinnen Sabine Scheuter, Adelheid
Heeb und Carmen Jud diskutierten die Anwesenden über
Handlungsstrategien, mit denen
den humanitären Krisen im Nahen Osten und in Afrika begegnet
werden kann. Und was Frau und
Mann in der Schweiz tun können,
um Kriegsflüchtlingen zu helfen.
Zunächst aber sorgten die
Grussworte des SEK-Präsidenten
für Heiterkeit. Es entbehrte nicht
einer gewissen Komik, dass ausgerechnet Gottfried Locher, der
für seine Aussagen zu Genderthemen für Empörung sorgte, die
Frauentagung eröffnen sollte. Locher packte den Stier bei den
Hörnern und erinnerte sich an
das «böse Erwachen» an jenem Dezembermorgen, als er im
Radio von dem offenen Brief
gegen ihn erfuhr, den viele der
heute anwesenden Frauen mitunterzeichnet hätten. Seitdem sei
ein gutes Gespräch mit den Initiantinnen des Briefs entstanden,
er sei lernfähig und bereit, seine
Sicht auf Geschlechterfragen zu
überdenken.
Die Theologin Carmen Jud leitete mit ihrem Input in die Thematik von «Krieg und Gewalt» ein.
Mit der feministischen Theoretikerin Judith Butler plädierte
sie für eine «andere Politik»: Diese antworte auf erfahrene Gewalt
nicht mit Gegengewalt, sondern
lasse Schmerz zu, verwandle
Trauer über Verlust und Zerstörung in eine «Politik der Verletzlichkeit». So sei jedes Leben prekär. Und jedes Leben abhängig
vom Schutz der Gemeinschaft,
eine feministisch-theologische
Fortsetzung auf Seite 3
Kirchenklang mit fröhlichen Kinderstimmen
In Basel fand der gelungene Auftakt zum «cantars kirchenklangfest 2015» statt
Foto: Mark Wiedmer
Mit mehr als zwanzig Veranstaltungen in Kirchen der Basler Innenstadt
fand letztes Wochenende der Auftakt
zum «cantars kirchenklangfest 2015»
statt. Besonders eindrücklich war
der fröhliche Stimmenklang von vielen ganz jungen Kirchenstimmen.
Andrew Bond (rechts) mit dem Kinderchor ökiko in der Offenen Kirche Elisabethen.
Mark Wiedmer – «Es isch irgendwie, ds Härz goot uf» – «Bim Singe vergissisch anderi Sache» –
«Normalerwiis sing ich dihäime
jo eläi. Aber Zämesinge im Chor
find ich besser». Das erzählten
frisch von der Leber weg drei Buben der Knabenkantorei Basel zu
ihrem Konzert im Basler Münster
der «Tagesschau» im Schweizer
Fernsehen. Und illustrierten da-
mit ihren gelungenen Choreinsatz am «cantars-Auftakt-Festival» vergangenen Samstag in Basel mit dem Nachmittagskonzert
«Perlen geistlicher Chormusik»
von Bach bis Gounod.
Dass Kirchenkultur und -gesang
auch für junge und jüngste Mitwirkende attraktiv sein kann,
bewiesen verschiedene der rund
zwanzig Auftaktkonzerte, die in
Basel von mehreren Hundert Personen besucht wurden. Neben
den Buben der Knabenkantorei
gab auch die Mädchenkantorei
Basel ein Konzert mit der Pergolesi-«Stabat Mater». Und der BasFortsetzung auf Seite 4
Meinung
reformierte presse Nr. 12 I 20. März 2015
Reformierter «So-Blick»
Noten & Notizen von
Mark Wiedmer, Chefredaktor
Zu den spannendsten Tätigkeiten im
Rahmen der RP-Redaktionsaufgaben
gehört die Themenplanung und Themensetzung für unsere Wochenzeitung. Da
ja bekanntlich auch in den reformierten
Kirchen die spannenden Themen und
guten Geschichten – mit wenigen Ausnahmen – nicht einfach vom Himmel
fallen, gehört zum antizipierenden Themensetting unter anderem die Lektüre
verschiedenener Zeitungen der weltlichen Konkurrenz, so zum Beispiel am
letzten Wochenende mit dem Blick
in den «Sonntagsblick». Zur RP-Redaktionskonferenz am vergangenen Montag
habe ich den «So-Blick» des Vortags
mitgenommen und der Redaktion vorgelegt, mit der Leitfrage, was denn unter
dem Gesichtspunkt kirchlicher Publizistik für uns in der «Reformierten Presse»
im sonntäglichen Boulevardblatt von Interesse sein könnte. Erstaunlich viel,
wie sich beim Durchblättern gezeigt hat.
depräsidentin in Seedorf BE amtet, was
dort zu einem Kirchenaustritt geführt
habe. Für Bär bedeute ihr religiöses und
ihr politisches Engagement keinen Widerspruch – was eigentlich sehr zwinglianisch wäre. Aber wir notieren uns die
Frage, ob ein bestimmter politischer Stil
im Kontext kirchlich-reformierten Denkens und Handelns tatsächlich völlig
wertfrei dastehen und abgehen kann.
Die Frau als Dingsda
Kolumnist Frank A. Meyer rechnet mit
abverheiten «NZZ»-Aussagen zur Frauenquote ab: «So sieht sie aus, die neoliberale Rechtgläubigkeit: Gesetzliche
Förderung der Frau wird gleichgesetzt
mit Quoten für ‹was auch immer›. Die
Frau als ‹was auch immer›. Die Frau als
Dingsda. Ja, der Strenggläubige wird
rasch blind. Auch für den Anstand.» Das
gilt auch für reformierte Strenggläubigkeit und wird dankbar notiert, auch im
Hinblick auf unsere Diskussionen über
die Feminisierung der reformierten Männerkirche.
Reformierte Zürcher Banker
Die ersten drei Aktualitätsseiten widmet
der «So-Blick» der zunehmenden Agression und Gewalt gegen Polizeibeamte.
Wir fragen uns, ob wir dazu in der RP
nicht gelegentlich jemanden zu Wort
kommen lassen möchten, der als Seelsorger seinen Dienst in einem Polizeikorps leistet, zum Beispiel der reformierte Pfarrer Simon Gebs bei der Polizeiseelsorge Zürich. Wäre das für unsere Leserschaft von Interesse? Wir
meinen: Ja, und notieren das Thema.
Zur Neubesetzung des Chefpostens in
der Credit Suisse erinnert Chefautor
Peter Hossli daran, dass die Religion bei
der Gründung der CS als SKA in Zürich
wichtig und die Konfession lange entscheidend für die Mitgliedschaft in der
Generaldirektion gewesen sei. «Die Vorgabe bis Ende Sechzigerjahre: reformiert, freisinnig, zürcherisch, männlich».
Der Zuger Katholik Rainer Gut zum Beispiel habe als neuer Chef ab 1977 noch
jahrelang nur den Titel «Sprecher» der
Geschäftsleitung getragen, weil er katholisch war. Wir schauen uns im Redaktionsteam mit grossen Augen an:
Das hat von uns niemand gewusst. Wir
sind dankbar, wenn wir aus der Zeitung
etwas erfahren, was wir nicht schon
zum voraus wussten. Und wir notieren
uns, bei Gelegenheit unsere Kenntnisse
über die Positionen reformierter Kapitalismuskritik aufzufrischen.
Kirchenüberfall Erlenbach
Weisheit im SEK
Polizeiseelsorge
Auf Seite 6 gibt der Zürcher Kirchensprecher Nicolas Mori dem «So-Blick» in
einem SMS-Interview Auskunft über
seine Einschätzung betreffend allfällige
Massnahmen im Zusammenhang mit
einem Überfall auf die Sigristin in der
Kirche Erlenbach in der Vorwoche. Wir
notieren uns, dass wir die Aktualität des
Themas schon vor dem «So-Blick» erkannt und eine Meldung auf unserer
Onlineplattform ref.ch platziert haben.
SVP-Kirchgemeindepräsidentin
Einem Politik-Porträt über die SVP-Generalsekretärin Silvia Bär, die wegen der
SVP-Plakat-Parole «Kosovaren schlitzen
Schweizer auf» vor Gericht erscheinen musste, können wir entnehmen,
dass die SVP-Generalsekretärin seit
2008 auch als reformierte Kirchgemein-
Im «So-Blick»-Magazin ist erfreulich viel
Platz vorhanden für die Auseinandersetzung mit dem Thema Weisheit. Und unter den befragten Fachleuten treffen
wir einen alten Bekannten an, unseren
SEK-Präsidenten Gottfried Locher. Er
schreibt: «Weisheit ist der Mittelweg
zwischen Zaudern und Übertreiben. Ich
finde viel Weisheit in der Bibel, zum Beispiel im Buch der Sprüche. Darin heisst
es: ‹Der Reiche hält sich selbst für weise, ein Geringer aber, der einsichtig ist,
durchschaut ihn.› Wer Weisheit gewinnen will, dem empfehle ich zudem: Mach
Zeit frei fürs Gebet. Die Weisheit wächst
im regelmässigen Gespräch mit Gott.
Weisheit ist ein Geschenk, das über diese Welt hinausreicht.» Weise Worte vom
SEK-Chef. Wir hätten sie ohne Widerrede natürlich auch in der RP publiziert.
Briefe
Kirchgemeinde als KMU?
Zu: Leistung im Pfarramt und
dazu ein Bischof (RP 11)
Die «Reformierte Presse» macht
die Bühne frei für ein Schmierentheater. Beide Stücke
sind eigentlich lächerlich und
durchschaubar und haben
einen langen Bart. Doch dem
kritischen Publikum sollte
das Lachen im Halse stecken
bleiben. Denn Regisseure und
Akteure meinen es ernst,
und sie bekleiden verantwortliche Ämter. Stück Nummer
eins: Kirche als Wirtschaftsbetrieb. Wenn sich Peter Barrenstein vorstellen kann, Gemeinde und Kirche wie einen
Wirtschaftsbetrieb zu organisieren, dann überträgt er ein
Muster aus seiner ihm vertrauten Lebenswelt auf etwas,
dessen Verständnis sich ihm
augenscheinlich verschliesst.
Gemeinde als ein börsennotiertes Unternehmen mit Marktwert und der Pfarrer ein ausstempelnder Fliessbändler.
Beurteilt nach Stückzahlen.
Wie gesagt, es wäre zum Lachen. Doch es ist ernst. Aber
warum nicht ein Gegenvorschlag? Organisieren wir doch
Kirche wie Schule. Lassen wir
die Pfarrer wie Lehrer sein.
Sie tragen die Anwesenheit ins
Klassenbuch ein und geben
Noten für Leistung in Religion.
Modelle aus dem Militär oder
aus dem Rotlichtmilieu lies-
sen sich vielleicht auch durchspielen. Doch kehren wir
zurück zum Modell Wirtschaftsbetrieb und damit zu
Stück Nummer zwei.
Hier dürfen nach Herzenslust
alle mit Bischofslust auftreten,
denn: «Eine Person, die eine
Leitungsfunktion ausübt, ist in
allen klassischen Kirchen der
Bischof» (Interview P. Streiff,
S. 6). Und wer wollte nicht
klassisch und quasi qua Amt
klar erkennbar sein. Und so
verbinden wir das ökonomische
Auslaufmodell mit dem der
Klassik der Kirche. Aus alt mach
neu. Daraus muss einfach
Innovatives und Zukunftweisendes werden. Hört Ihr sie rotieren, unsere Vorfahren der
Reformation?
Pfr. Ralf Bethke
4528 Zuchwil
Bitte keine nackten Menschen
Zu: Schmerzzeichen am Leib
(RP 10)
Die grosse erotische Fotografie
einer nackten Frau gehört
nicht in die «Reformierte
Presse». Für solches gibt es
andere Zeitschriften.
Elisbeth Egger-Wackernagel
4500 Solothurn
Auch erschöpfte Pfarrer wissen oft nicht, wo sie mit ihrer Leistung eigentlich stehen.
Foto: epd/Jens Schulze
2
Aktualität
Nr. 12 I 20. März 2015 reformierte presse
Neue Männer braucht . . .
AG: Kirchenabriss sistiert
Begegnungen helfen
Doris Eckstein, Psychologin,
erzählte wiederum, wie die 500
Flüchtlinge, die seit Herbst 2014
in ihrer Gemeinde Riggisberg in
einem Durchgangszentrum untergebracht sind, das Zusammenleben des 2400-Seelen-Dorfes
verändert hätten. Mehr als 40
Freiwillige meldeten sich, um den
Flüchtlingen in ihrem schwierigen Alltag zu helfen, etwa beim
Foto: RP/Susanne Leuenberger
Fortsetzung von Seite 1
Friedenspolitik trage dieser Verletzlichkeit Rechnung. «Gottes
Macht ist in Beziehungen», zitierte Jud die Theologin Isabel Carter
Heyward.
Wie sehr Beziehungen in Hoffnungsgeschichten eine Rolle spielen, zeigte die Diskussion auf dem
Podium. Andreas Nufer, Pfarrer
der Stadtberner Heiliggeist-Gemeinde, sprach über die Kampagne «Syrien, was kann ich tun?»,
die er im Herbst 2014 ins Leben
gerufen hatte. Er betonte das Vernetzungspotenzial der Kirche: Ihr
gelinge es, heterogene Kreise für
humanitäres Engagement zu mobilisieren. Nufer fand klare Worte
für die offizielle Flüchtlingspolitik: «Zurzeit sind 12 Millionen
Syrer auf der Flucht. Die Schweiz
nimmt ein paar Tausend auf.
Unser Grenzregime ist Gewaltanwendung durch Gleichgültigkeit.»
Engagiertes Diskutieren über Gewalt an der SEK-Frauenkonferenz in Bern.
Deutschunterricht oder dem
Gang zum Arzt. Ein ganz anderes
Handeln sei möglich durch die
Begegnung, meinte Eckstein, die
die Freiwilligenarbeit koordiniert.
Kritisch betrachtete sie die Medienberichterstattung, die schlechten Meldungen mehr Raum gebe
als dem Positiven, denn Riggisberg sei eine «Erfolgsgeschichte».
Den Abschluss des Morgenprogramms bildete das Referat der
Swisspeace-Genderfachfrau Annemarie Sancar über Frauen(bilder)
im Krieg. Die eher theoretischen
Überlegungen zum Stereotyp der
Frau als Kriegsopfer und zu dem
Bild des wehrhaften, bewaffneten
Mannes als Beschützer mochten
wenig an die zuvor diskutierten, konkreten Handlungsmöglichkeiten anzuknüpfen. Ihre Ausführungen machten dennoch klar,
dass Krieg den sozialen Status
der Frauen schwächt und dass
eine künftige «Politik der Beziehung» ohne Geschlechtergerechtigkeit nicht auskommt.
Die diesjährige Frühlingstagung setzte mit Gewalt und Krieg
einen aktuellen Schwerpunkt,
und zeigte mögliche «Hoffnungsgeschichten» auf. Es bleibt zu
hoffen, dass an der nächsten öffentlichen Frauenkonferenz mehr
Männer mitdiskutieren.
Aargau: Reformierte mit Überschuss
Weniger Kosten bei der Pfarrpersonen-Ausbildung füllt die Kasse der Landeskirche
Die Reformierte Landeskirche Aargau kann das vergangene Jahr mit
einem Überschuss von rund 213 000
Franken abschliessen. Die Synode wird im Juni entscheiden, was
mit dem Geld geschehen soll.
ref.ch – Wie die Reformierte Landeskirche Aargau in einer Mitteilung schreibt, weist die Rechnung einen Aufwand von rund
11,16 Millionen Franken aus – bei
einem Ertrag von knapp 11,37
Millionen Franken. Dieser resultiert zu 89 Prozent aus den Zent-
ralkassenbeiträgen der Kirchgemeinden. Budgetiert war ein
Ertragsüberschuss von lediglich
7000 Franken.
Geringere Ausbildungskosten
Die Ausgaben blieben um gut
250 000 Franken unter den budgetierten Zahlen, da insbesondere geringere Ausgaben bei
der Ausbildung von Pfarrpersonen sowie Sozialdiakoninnen
und Sozialdiakonen anfielen (rund
110 000 Franken). Hinzu kommen Einsparungen beim Personal
und bei externen Auftragsvergaben.
Trotz diesen Einsparungen fiel
der Überschuss vom letzten Jahr
geringer aus als im 2013, als am
Ende des Jahres rund 380 000
Franken mehr Geld als budgetiert
in der Kasse lag. Über die Verwendung des Ertragsüberschusses entscheidet die Synode, die
am 3. Juni 2015 in Aarau tagt. Die
Reformierte Landeskirche Aargau
hat gemäss eigenen Angaben in
75 Kirchgemeinden rund 180 000
Mitglieder.
3
ref.ch – Die reformierte Kirche im aargauischen Turgi bei Baden wird vorerst nicht abgebrochen. Der Gemeinderat hat ein Abbruchgesuch der
Kirchgemeinde für die Dauer von zwei
Jahren sistiert. Damit will er sicherstellen, dass die Kirche allenfalls
unter Denkmalschutz gestellt werden kann. Ein Fachgutachten über
die Schutzwürdigkeit komme zum
Schluss, dass die reformierte Kirche
«Ausdruck und Zeuge einer besonderen historischen Situation von
überkommunaler Bedeutung» sei. Die
Kirche sei in architektonisch-baukünstlerischer Hinsicht als wichtiger
Zeuge zu deuten. Ein bautechnisches
Gutachten zeige, dass sich die Kirche
und das Pfarrhaus in einem Zustand
befänden, der eine Sanierung und
weitere Nutzung zulasse.
D: Kopftuchverbot gekippt
ref.ch – Ein pauschales Kopftuchverbot für Lehrerinnen in öffentlichen
Schulen ist in Deutschland nicht mit
der Verfassung vereinbar. Das hat das
Bundesverfassungsgericht entschieden. Die Richter kippten ausserdem
eine Vorschrift im nordrhein-westfälischen Schulgesetz, nach der christliche Werte und Traditionen bevorzugt
werden sollen. Dies benachteilige andere Religionen. Das Grundsatzurteil
hat Konsequenzen auch für andere deutsche Bundesländer, in denen
entsprechende Verbotsgesetze gelten. Ein Kopftuchverbot an Schulen ist
nach Ansicht der Richter nur dann gerechtfertigt, wenn durch das Tragen
eine «hinreichend konkrete Gefahr»
für den Schulfrieden oder die staatliche Neutralität ausgeht.
Diakoniekonferenz in Zug
RP – An der diesjährigen 5. Zentralschweizer Diakoniekonferenz haben sich am 14. März in Zug 55 kirchliche Mitarbeitende mit dem Thema
generationenfreundliche Kirche auseinandergesetzt. Es wurde der Frage
nachgegangen, wie Kirchgemeinden
den Reichtum ihres Know-hows, ihrer Angebote und Räume nutzen können, um Begegnungsorte für verschiedene Generationen und Kulturen zu schaffen, damit die Kirche zu
einem interessanten Sozialraum mit
vielen Anknüpfungspunkten für Gäste
und Gastgebende werden kann.
Informiert bleiben? Täglich News gibt’s
im ref.ch-Newsletter. Hier abonnieren:
ref.ch/newsletter
Aktualität
Fortsetzung von Seite 1
ler Cevi-Chor Ten Sing präsentierte das neue ökumenische Liederbuch «rise up+». Besonders
berührend war das Familienkonzert «Himmelwiit» des Liedermachers Andrew Bond mit dem
ökumenischen Kinderchor ökiko in der Elisabethenkirche. Die
kleinen Knöpfe sagen mit so viel
Fröhlichkeit, Einsatz und Lautstärke, dass es nur so eine Freude
war – und sie blieben den klassisch geschulten Buben der Knabenkantorei keinen Ton schuldig.
Die «Ökumene des Kirchengesangs», die mit dem Grossanlass «cantars 2015» bewirkt
und gefeiert werden soll, erwies sich beim Auftakt in Basel
nicht nur als konfessions-, sondern auch als generationenübergreifend. Wenn sich Kirchenkultur so farbig, fröhlich und lebendig darstellt, dann besteht die
Hoffnung, dass in unseren alten
Kirchenmauern und Kirchenformen von jungen Stimmen
«dem Herrn» tatsächlich «ein
neues Lied» gesungen wird, wie
es im Psalmwort heisst, auch
in Zukunft. Oder wie ein weiterer Bub der Knabenkantorei
sein Engagement zusammenfasste: «Äs macht mer äifach Spass.»
Die ökumenische Grossveranstaltung des «cantars kirchenklangfest 2015» bietet bis zum
7. Juni schweizweit rund 440
Anlässe zu Kirchenmusik und
Kirchenkultur mit mehr als
12 000 Mitwirkenden. Der nächste «cantars»-Schwerpunkt liegt
kommendes Wochenende in Bern
(siehe Kasten unten).
«cantars» in Bern am 20. März
«cantars» geht dieses Wochenende in
die zweite Runde. Der Schwerpunkt verlagert sich nach Bern unter dem Titel
«Kirchenmusik reformiert». Auch hier ist
eine prägnante Beteiligung von Kindern
und Jugendlichen vorgesehen: Unter anderem singt der Kinder- und Jugendchor
des Berner Münsters und der Kinderchor
Köniz. Viel Orgelmusik ist im übrigen im
Rahmen eines Orgelwettbewerbs in vier
Konzerten zu hören. Zudem stehen «Lieder und Gesänge der Reformation» auf
dem Programm sowie «Gregorianische
Gesänge». www.cantars.ch
reformierte presse Nr. 12 I 20. März 2015
Prominenz zu Kirche und Klang
Kirchliche «Who’s who»-Liste im «cantars»-Festivalführer
Fotos: SEK-Flügge/CC BY-NC 2.0
4
«cantars»-Prominenz (von links): Andreas Zeller (Bern-Jura-Solothurn), Wilfried Bührer
(Thurgau) und Michel Müller (Zürich).
«cantars» zählt auf breite Unterstützung, nicht nur der rund 12 000 Mitwirkenden, sondern auch von der
Prominenz. Rund 100 Persönlichkeiten aus Kirchen, Politik und Unterhaltung werden als VIP-Botschafter
geführt. Der «cantars»-Führer liest
sich wie ein kirchliches Who’s who
mit interessanten Einblicken.
Mark Wiedmer – Der Festakt
zur «cantars»-Eröffnung in Basel
fand unter dem Titel «cantars prominent begrüsst» statt, und gleich
anschliessend trafen sich die Gäste zum «VIP»-Apéro nebenan im
Hotel Merian Spitz. Neben unbestritten «Very Important Persons»
wie den Leitungsvertretern der
reformierten und katholischen
Kirchen fand sich auch die eine
oder andere «NIP» («Not Important Person») wie etwa der RPChefredaktor ein und konnte
auch zur Kenntnis nehmen, wer
kirchlich zwar nicht gerade als
Cervelat-Promi, aber doch als
Person mit Ausstrahlung gilt.
Die üblichen Verdächtigen
Aufschluss über kirchliche und
kirchennahe Prominenz gibt
ebenfalls die Liste der rund 100
VIP-Ambassadoren mit Unterstützungszitaten für «cantars».
Das liest sich wie ein Who’s
who auch von reformierten Kirchen-VIP. Neben den üblichen
Verdächtigen wie SEK-Ratspräsident Gottfried Locher («Musik
verbindet Menschen und Generationen, Religionen und Kulturen, Musik stiftet Frieden») und
den Kirchenverantwortlichen der
Kantone Zürich, Bern und Thurgau (Müller, Zeller und Bührer)
findet sich auch die Geschäftsführerin am Zentrum für Kirchenentwicklung der Uni Zürich, Christina Aus der Au, prominent aufgeführt. Man vernimmt hier übrigens, dass sie den Deutschen
Evangelischen Kirchentag 2017
präsidieren wird. Und ist erfreut
über die Prägnanz ihrer Aussage
und ihren Bezug auf den Philosophen Wittgenstein.
Unter den «Persönlichkeiten
mit nationaler Ausstrahlung»
kommen neben kirchlichen Würdenträgern wie dem Basler Bischof Felix Gmür, der gewitzten
Luzerner Theologin Jacqueline
Keune oder Urban Federer, dem
Abt von Einsiedeln, auch Prominente aus Politik, Medien und
Unterhaltung zu Wort. Die Sängerin Paola Felix äussert sich aus offensichtlich berufenem Mund zu
Kirchengesang, ebenso wie die
Schlagersängerin Beatrice Egli.
Etwas weniger offensichtlich ist
diese Berufung bei Mario Slongo,
dem ehemaligen «Wetterfrosch»
von Radio SRF 1 («Ein Ton bleibt
eintönig. Viele Töne werden zu
Musik»), aber eines ist sicher: Der
sicherste Weg zur Prominenz
führt in der Schweiz über einen
Moderationsjob in den Medien,
was auch den Botschafterstatus
von Dani Fohrler, Moderator SRF
(«Ich schätze Kirchenmusik, weil
sie meine Seele berührt») erklärt.
Bei den kirchenprominenten
Politikern ragt «der höchste
Schweizer», Nationalratspräsident Ruedi Lustenberger, über
die anderen hinaus, vor allem mit
der Information, dass seine Frau
Marie-Theres seit über vierzig
Jahren im Kirchenchor singt. Diese hat es indessen nicht auf die
Promi-Liste geschafft. Dafür wird
eine beachtliche Reihe von Politikerinnen zitiert, von Ständerätin
Karin Keller-Sutter, SG, über Nationalrätin Bea Heim, SO, bis zu
Nationalrätin Barbara SchmidFederer, ZH, letztere mit dem
Hinweis: «Die musikalische Bildung junger Menschen ist von unschätzbarem Wert.»
Abgestufte Ausstrahlung
Übrigens: Dass der Thurgauer Kirchenpräsident Wilfried Bührer
und der Zürcher Kirchenpräsident Michel Müller die VIP-Weihe als «cantars»-Botschafter und
«Persönlichkeiten mit nationaler Ausstrahlung» erhalten haben, erklärt sich vielleicht mit
ihren Zusatzämtern als Präsident der Deutschschweizerischen
Kirchenkonferenz (Bührer) beziehungsweise als Präsident des
Deutschschweizer
Konkordats
zur Pfarrausbildung (Müller).
Dass hingegen Andreas Zeller
als Synodalratspräsident der Reformierten Kirchen Bern-JuraSolothurn nur als «Person mit
kantonaler oder regionaler Ausstrahlung» – also gleichsam halbprominent – auf einem hinteren
Listenplatz landet, ist ein harter
Schlag für alle (Heimweh-)Berner. Allerdings ist Bescheidenheit
auch eine reformierte Zier und
VIP-Prominenz oft so flüchtig wie
der Duft einer Cervelat auf dem
Grill. Zu guter Letzt sei als
«cantars»-Botschafter der Kabarettist Osy Zimmermann zitiert:
«Ich glaube an die Kraft der Musik, an die Kraft des Gesangs und
an die befreiende Kraft des Humors in der Kirche. Amen.»
Aktualität
Nr. 12 I 20. März 2015 reformierte presse
5
«Der sieht mal richtig flott aus!»
Modedesigner Dietrich Hildebrand über das passende Outfit im Pfarrberuf
Dietrich Hildebrand berät Pfarrpersonen in Imagefragen. Im Gespräch
mit Fabian Kramer erklärt er, wie
Kleidung Kompetenz vermitteln kann
– und was er als Katholik am evangelischen Talar mag.
Herr Hildebrand, wie muss man
sich Ihre Image-Workshops vorstellen? Geht es da um ein klassisches Vorher-Nachher?
Nein. Es ist nicht eine Modeberatung im herkömmlichen Sinn.
Das wäre für die Berufsgruppe
der Pfarrerinnen und Pfarrer sicher fehl am Platz. Es geht mehr
darum: Welche Signale sende ich
durch mein äusseres Erscheinungsbild? Wie mache ich nonverbal meine Kompetenz sichtbar?
Fotos: zvg (o.), Gion Pfander (u.)
Gehören Pfarrpersonen da nicht
eher zu den beratungsresistenten
Berufsgruppen?
Ich würde nicht von beratungsresistenten Berufsgruppen sprechen, nur von beratungsresistenten Personen. (lacht) Wer kein
Interesse an dem Thema hat, wird
auch kein solches Seminar besuchen. Eines kann man sicher
sagen: In den sozialen Berufen
wird das äussere Erscheinungsbild zum Thema. Das war vor
einigen Jahren noch nicht so.
Lassen Sie uns konkret werden.
In den reformierten Kirchen der
Schweiz wird manchmal Talar
getragen, manchmal nicht. Ihre
Meinung dazu?
Ich glaube, hier bin ich altmodisch. Ich begrüsse den Talar. Der
Talar ist eine Amtstracht. Es ist
wie bei einem Apotheker. Wenn
der den weissen Kittel trägt,
kommt mehr Kompetenz herüber, als wenn er in der Tageskleidung dasteht. Beim Banker wird
Anzug erwartet, nicht Pulli. Das
haben wir in allen Berufen.
Besitzen die Katholiken mit ihren vielen und bunten liturgischen Gewändern diesbezüglich
einen Vorteil?
Ich bin selbst katholisch. Aber ich
denke nicht, dass man farbige
Outfits haben muss für die Kirche. In der Kirche bin ich sogar
dafür, dass man sich eher zurücknimmt in der Kleidung. Die Amtsträger sollten immer darauf achten, dass sie in ihrem Auftreten
nicht eitel erscheinen. Deshalb
finde ich den schwarzen Talar
ganz gut. Dabei spielt aber mein
persönlicher Geschmack mit eine
Rolle.
Und ausserhalb der Kirche, wie
soll ein Pfarrer, eine Pfarrerin
auftreten?
Zuerst muss man sich fragen,
wofür ihre Tätigkeit steht: Sozialkompetenz, Fürsorge, Empathie, Vertrauenswürdigkeit,
natürlich auch Tatkraft, Engagement, Fachwissen, Vitalität. Da
kann ich ganz viel mit dem
Äusseren machen und auch
verkehrt machen. Bei
der Berufskleidung gilt
zum Beispiel: Kontraste stehen
für Kompetenz. Also eher ein
dunkelgrauer Anzug mit blütenweissem Hemd und blau-weiss
gestreifter Krawatte als ein beiger
Anzug mit crèmefarbenem Hemd
und heller Krawatte.
Abgesehen von der Kleidung,
was raten Sie Ihren Kursteilnehmern in Sachen Outfit?
Wichtig ist, dass man das Gesicht
frei und offen zeigt und nicht
mit einer Mähne verdeckt. Auch
das gehört zur Ausstrahlung von
Kompetenz. Wie heisst es so
schön: Frisur gibt Kontur. Das
sendet eine ganz andere Botschaft, als wenn ich die Haare
einfach so wachsen lasse.
Gelten für Pfarrerinnen noch andere Regeln als für Pfarrer?
Die Frauen haben natürlich viel
mehr Möglichkeiten als Männer.
Make-up ist ein hochinteressantes Thema, weil es ein eindeutiger Kompetenzbringer und Präsenzverstärker ist, genauso wie
der Haarschnitt. Ich plädiere
grundsätzlich dafür, dass Pfarrerinnen in der Kirche ein dezentes
Make-up tragen, so wie Politikerinnen oder Moderatorinnen.
Gibt es stilmässig irgendwelche
Tabus?
Ich würde als Pfarrerin keine roten Fingernägel wählen. Da kommen zu viele erotische Signale
herüber. Auswüchse in der Farbgebung der Haare sehe ich ebenfalls als Tabu. Viele neigen dazu,
sich die Haare zu rot zu tönen, zu
schwarz oder zu signalblond. Das
gehört für mich nicht zum Beruf
der Pfarrerin.
Liegt es nicht am Lauf der Zeit,
dass man sich heute lockerer
gibt? Die Kirchenbesucher kommen ja auch nicht mehr in der
Sonntagskleidung.
Ja, es ist der Lauf der Zeit. Aber
das bedauere ich. Die Kirche ist
ein Ort der Wertschätzung. Wir
Talar oder nicht Talar –
das ist hier die Frage.
«Ich würde als Pfarrerin keine roten
Fingernägel wählen», sagt Imageberater
Dietrich Hildebrand.
wollen nicht zurückgehen in die
ganz alten Zeiten, wo man nur im
Anzug zum Gottesdienst gehen
konnte und die Frau ihr bestes
Kleid herausgenommen hat. Doch
man sollte auf sich achten, auch
beim Kirchenbesuch.
In der Religion zählen mehr
die inneren Werte, während der
Mode etwas Oberflächliches anhaftet. Vielleicht liegt darin das
Problem?
Die Meinungen dazu sind ganz
unterschiedlich. Es gibt Menschen, die sagen: «Ach, unser
Pfarrer, was muss der schon gut
aussehen?! Der ist doch für ganz
andere Sachen zuständig.» Aber
dann gibt es viele Menschen, denen das gefällt und die sagen:
«Der sieht mal richtig flott aus!»
Ich finde, es strahlt eine gewisse
Freude im Leben aus, wenn ich
auf mein Äusseres Wert lege.
Zur Person
Dietrich Hildebrand war 13 Jahre lang
Chefdesigner beim deutschen Modeunternehmen Windsor und führt heute gemeinsam mit seiner Frau Anke
Schmidt-Hildebrand eine Agentur für
Imageconsulting in Frankfurt am Main.
Anfang März hielt er erstmals einen
Image-Workshop für Pfarrpersonen auf
Einladung der Evangelischen Kirche in
Berlin. Daneben berät er Pfarrerinnen
und Pfarrer in Einzelcoachings.
Thema
Fotos: storymacher/ Peter Beyer
6
Bei den Proben zur Abendmahlsszene.
Judas im roten Karo-Hemd
Im erzgebirgischen Zschorlau führen evangelische Laienspieler die Leidensgeschichte Christi auf
Die Idee zum Passionsspiel geht auf
Kreuzworträtsel in DDR-Zeiten zurück. Heute schauen sich bis zu 6000
Zuschauer die Aufführungen an.
Peter Beyer – «Lasst es euch
schmecken, Jungs!» Rechtsanwalt
Dr. Schürer steht auf einem Tisch
an der Wand und erteilt den
Aposteln, die gerade zum letzten
Abendmahl Platz genommen haben, Anweisungen. Derweil breitet Jesus die Arme aus und schreitet auf seine Jünger zu. Einer von
ihnen hebt sich von den anderen
ab: ausgerechnet Judas. Statt Kutte oder Gewand, wie alle anderen
im Saal, trägt der Mann mit der
Goldbrille ein rotes Karo-Hemd.
Der Verräter hat sein Kostüm vergessen.
Schauplatz des Geschehens ist
das Obergeschoss im CVJM-Haus
in Albernau bei Aue. Hier haben
sich an einem Samstagmittag im
Januar weit über hundert Menschen eingefunden. Sie stammen
Peter Beyer ist freier Journalist und
arbeitet für Storymacher, Bonn.
aus verschiedenen evangelischen
Gemeinden der Umgebung, sind
meist Männer und haben auffallend lange Haare. Gemeinsames
Anliegen der vielen Bartträger
und der wenigen Frauen: Probe für die Zschorlauer Passionsspiele, die vom 3. bis 12. April
aufgeführt werden.
In einer Weinlaune geboren
Entstanden ist das protestantische
Schauspiel im Erzgebirge eher
zufällig. «Zu DDR-Zeiten waren mir Passionsspiele vor allem
aus Kreuzworträtseln ein Begriff:
Österreichischer Passionsspielort
mit drei Buchstaben – ERL», berichtet Initiator Schürer, selbst
Mitglied des Gemeindevorstands
der evangelisch-lutherischen Gemeinde Zschorlau. 1990, während seines ersten Westurlaubs,
fuhr der heute 62-Jährige voller
Neugier nach Erl und schaute sich
die dortigen Spiele an.
«Aus einer Weinlaune heraus,
beim Alpenglühen, überlegte ich
1997 vor Ort mit Gleichgesinnten: Was bräuchten wir, um so etwas in unserem Zschorlau mit
seinen 3500 Einwohnern zu veranstalten?» Die Idee nahm Gestalt an: Als Regisseur verteilte
Schürer die Rollen und schrieb
das Textbuch – basierend auf den
Evangelien des Neuen Testaments
sowie dem Roman «Jesus von
Nazareth» des polnischen Schriftstellers Roman Brandtstaetter.
Das Szenario verfasste Schürer
dann während eines Türkeiurlaubs am Strand. Im April 2000
schliesslich war es so weit: Die
Zschorlauer Passionsspiele feierten Premiere.
Jesus ist Bauschlosser
Der Jesus von Zschorlau heisst
Matthias Gross. Im normalen Leben ist der 54-Jährige Bauschlosser. In der erzgebirgischen Passionsspielwelt hingegen schlüpft
er in einen weiss-beigen Kittel
und erklärt: «Meine Vorbereitung
beginnt damit, nicht mehr zum
Friseur zu gehen». Nach vier
Spielzeiten und vielen Dutzend
Proben kennt der Zschorlauer Jesus seinen Text auswendig. «Richtig aufgeregt bin ich mittlerweile
nicht mehr. Das ist gut, denn so
kann man sich besser auf das
eigentliche Spielen vorbereiten»,
sagt Gross. Am meisten aus sich
herausgehen könne er in der Tempelszene und auch beim Ausspruch: «Lass diesen Kelch an mir
vorübergehen!» Das sei, als habe
man eine Krankheit überwunden.
Wir-Gefühl
«Im Zschorlauer Spiel versuchen
wir, das Passionsgeschehen weniger von unserem heutigen christlichen Standpunkt aus zu zeigen,
sondern so, wie es damals die
jüdische Bevölkerung live erlebt
haben dürfte», erklärt Initiator
Schürer. Vor der ersten Aufführung erhielten die Laiendarsteller schauspielerische Unterstützung von einem Zirkuspfarrer aus
Dresden. Der Erfolg blieb nicht
aus, denn nach der ersten Spielzeit gab es so viele positive Reaktionen, dass alle Beteiligten für
eine Wiederholung plädierten
und sich vornahmen, eine Tradition daraus zu machen. So gründeten 73 Interessenten aus der
Lutherischen und Methodistischen Kirche sowie der Landes-
Thema
Nr. 12 I 20. März 2015 reformierte presse
kirchlichen Gemeinschaft im
Herbst 2000 den «Passionsspielverein Zschorlau e. V.». Schon zu
Ostern 2001 wurde das Gemeinschaftsschauspiel erneut aufgeführt. Dann aber einigte man sich
auf einen 5-Jahres-Turnus.
15 Jahre und vier Spielzeiten nach seiner Gründung hat
der Verein fast doppelt so viele
Mitglieder. Heute kommen bis
zu 6000 Besucher je Spielzeit zu
den Aufführungen in die Sporthalle. Auch ein Fernsehteam drehte vor Ort einen Film mit dem
Titel «Im Dorf der Bärtigen».
Ein richtiges Wir-Gefühl sei aufgekommen, erklärt Schürer. «Alle
freuen sich schon auf das nächste
Mal.»
Sprechpausen auf Null
«Mehr Dramatik!» fordert Schürer in der nächsten Szene von
den Teilnehmern des Hohen Gerichts. «Sprechpausen auf Null,
ruhig dem Vorgänger ins Wort
fallen», so seine Instruktionen.
Was folgt, ist voller Einsatz: «Er
hat Gott gelästert, dieser Sohn eines Zimmermanns!» brüllt Thomas Seifert in seiner Rolle als Hohepriester in die Runde.
Bis zur letzten Spielzeit 2010
mussten alle Darsteller sehr
laut sprechen, damit ihre Stimme
die Deckenmikrophone erreichen
konnte. Mittlerweile hat sich der
Verein Knopflochmikros geleistet,
auch Kulisse, Requisiten und Kostüme wurden aufgepeppt. Doch
über derlei äusserliche Verbesserungen hinaus wirke das gemeinschaftliche Spiel vor allem auf
den inneren Zusammenhalt der
Beteiligten und den der teilnehmenden Gemeinden. «Die Spiele
schweissen zusammen», bestätigt
Schürer. «Früher sagte man sich
nur flüchtig ‹Hallo› auf der Strasse, nun bleibt man stehen. Das ist
gut für den Ort und die Gemeinden. Proben und Aufführungen
schaffen Gemeinsamkeiten und
Verflechtungen. Aus den Berührungspunkten auf der Bühne entstehen Bindungen auch während
der Zeit zwischen den Spielen.»
Am Konzept und an den meisten Dialogen hat sich seit der Premiere 2000 bis heute kaum etwas
verändert. Altersbedingt ziehe
sich zwar der eine oder andere
Darsteller zurück, erklärt Schürer. Nachwuchssorgen aber kennen sie hier in Zschorlau nicht.
Im Gegenteil: Weil sich längst alle
etwas darunter vorstellen können, ist es für Schürer und seine
Mitstreiter viel einfacher geworden, Gemeindemitglieder zum
Mitmachen zu bewegen. Das Aufhören hingegen gehe fast von alleine, schaltet sich noch einmal
Hohepriester Thomas Seifert ein:
«Aus der Rolle wächst du heraus,
wenn deine Haare aufhören, aus
dem Kopf zu wachsen!»
7
Probenarbeit im «Dorf der Bärtigen».
«Da kommen mir die Tränen»
Andere hören beim Autofahren
Musik, Matthias Baumgartl hingegen
jene Texte, die er beim Passionsspiel sprechen muss.
Baumgartl ist Methodist und von
Anfang an dabei. «Als ich von der
Idee hörte und das Textmanuskript gelesen hatte, stellte sich
mir nicht die Frage, ob ich mitmachen wollte, sondern: Wen willst
du spielen? Judas ging nicht, den
gab es schon. Also Jesus!»
Als Pastorensohn durfte Baumgartl zu DDR-Zeiten nicht studieren. Nach mancherlei Umwegen
und Kompromissen ergatterte
er dann doch einen Studienplatz
für Tierproduktion in Rostock.
Heute leitet er die Fachschule
für Landwirtschaft in Zwickau
und ist zudem Laienprediger in
der kleinen Methodistengemeinde von Carlsfeld.
Als Laiendarsteller bei den Passionsspielen geht er in seiner Rolle auf und erklärt: «Man versetzt
sich in die Gestalt hinein. Da
kommen mir die Tränen, wenn sie
einen wie Jesus, der nur Gutes
getan hat, zum Bösewicht abstempeln und wie einen solchen
behandeln. Dieselben, die ‹Ho-
sianna!› riefen, sagen jetzt: ‹Kreuzigt ihn! Kreuzigt ihn!› Da ging
mir durch den Kopf, wie sich
Menschen in kurzer Zeit verwandeln können.»
An Ostern 2010 wechselte
Baumgartl die Fronten und
schlüpfte in die Rolle eines Sadduzäers und Jesusgegners. Am
Anfang fiel es ihm schwer zu rufen: «Kreuzigt ihn! Kreuzigt ihn!»
Hochmut und Macht, so findet
Baumgartl, seien ein sehr aktuelles Thema. Als Jesusgegner hat
Baumgartl nur noch 9 Texteinsätze, als Jesus waren es 66 gewesen. Einen Bart verlangt aber
auch die neue Rolle. «Wer mich
kennt und mit dem Bart herumlaufen sieht, weiss gleich Bescheid
und sagt: Ach, ihr habt wohl wieder eure Spiele?»
Zu Anfang seien die Passionsspiele für Protestanten sehr
exotisch gewesen. Bald aber sei
ein angenehmes Miteinander unter den verschiedenen Konfessionen entstanden. Auch der gemeinsame Gottesdienst am Ostermontag habe sich aus den Passionsspielen ergeben, sogar eine
jährliche Fahrt zu den Spielen
im österreichischen Erl.
IMPRESSUM – REFORMIERTE PRESSE
Badenerstrasse 69, 8004 Zürich, Telefon 044 299 33 21, Fax 044 299 33 93, E-Mail: [email protected], www.reformierte-presse.ch
REDAKTION E-Mail: [email protected], Hansjürg Mark Wiedmer, Chefredaktor; Matthias Böhni, lic. phil.;
Oliver Demont, Journalist; Fabian Kramer, Journalist; Susanne Leuenberger, Dr. des.; Herbert Pachmann, Pfr.; Raphael
Kummer, Praktikant PALETTE / BÜCHER Rita Schwitter, E-Mail: [email protected], [email protected] KORREKTORAT Ursula Klauser
HERAUSGEBER Reformierte Medien © Volksblatt / Kirchenblatt für die reformierte Schweiz (gegr. 1844); Der Protestant
(gegr. 1897); Evangelischer Pressedienst EPD (gegr. 1927); Reformiertes Forum / Refomierte Presse, 29. Jahrgang
ISSN 1420-9934 VERLAG Reformierte Presse GESCHÄFTSLEITUNG Thomas Gehrig VERLAGSMARKETING /ANZEIGENLEITUNG
Erik Senz, Dipl. Betriebswirt GESTALTUNG / LAYOUT R0ger ArIetti INSERATE / SEKRETARIAT Rosa-Mary Massaquoi,
[email protected] HER­STELLUNG Schlaefli & Maurer AG, Industriestrasse 12, 3661 Uetendorf-Thun, ABO-BESTELLUNGEN
Schlaefli & Maurer AG, Bettina Berroa, Seestrasse 42, 3700 Spiez, E-Mail: [email protected], Telefon: 033 828 81 12;
­Einzelnummer Fr. 3.70; Jahresabonnement Fr. 154.–; Halbjahresabonnement Fr. 84.–; Gruppenabonnement (ab 5 Exemplaren)
Fr. 124.–; Studentenabonnement Fr. 59.–; Schnupperabonnement (6 Ausgaben) Fr.20.–
8
Inserate
reformierte presse Nr. 12 I 20. März 2015
Evang.-reformierte Kirchgemeinde
Grüsch/Fanas
Kirchgemeinde Bürglen
Unsere Kirchgemeinde umfasst sieben politische Gemeinden
des Seelandes und liegt zwischen Biel und Lyss.
Zur Ergänzung unseres Teams suchen
wir ab August 2015
Wir suchen per sofort oder nach Vereinbarung
eine Sozialdiakonin/
einen Sozialdiakon (50–70% )
eine/einen
Aufgabenbereiche:
• Organisation und Leitung von Angeboten
für Erwachsene und ältere Menschen
• Begleitung und Gestaltung von bestehenden sowie Aufbau,
Entwicklung von neuen Angeboten
• Begleitung und Förderung von Freiwilligen
• Vernetzung lokal und regional
• Mitwirkung bei Gottesdiensten und Anlässen vor Ort
Ihre Aufgabenbereiche sind:
– Kinder- und Familienarbeit
– Konfirmandenunterricht
– evtl. Gottesdienstvertretungen
Sozialdiakonische Mitarbeiterin/
Sozialdiakonischen Mitarbeiter (20–35%)
Wir sind ein engagiertes Team bestehend aus Pfarrerin,
Vorstand und Sekretariat.
Voraussetzungen:
• Abschluss einer Fachhochschule / höheren Fachschule für
Soziale Arbeit oder gleichwertige sozialdiakonische Ausbildung
• Fähigkeit, selbständig und im Team tätig zu sein
• Bereitschaft zum Einsatz auch abends und an Wochenenden
• Interesse am Umgang mit Erwachsenen und älteren Menschen
sowie die Bereitschaft, auf ihre Lebenswelt einzugehen
• Identifikation mit der reformierten Landeskirche
Für die Beantwortung von Fragen wenden
Sie sich gerne an:
• Marianna Iberg, Pfarrerin, Tel. 081 325 12 20,
[email protected]
• Cornelia Zimmermann, Tel. 079 263 61 93,
[email protected]
Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung bis am 30. April 2015,
welche Sie bitte an folgende Adresse richten:
Frau Cornelia Zimmermann, Aerdimur 1, 7214 Grüsch
Bei uns finden Sie:
• interessante, abwechslungsreiche Tätigkeit
• Zusammenarbeit mit engagiertem Team
• gute Infrastruktur
• Besoldung gemäss kantonaler Besoldungsverordnung
Auskunft erteilen gerne:
–
Verwaltung der Kirchgemeinde, Irène Moret,
Tel. 032 373 41 40 (morgens)
–
Ressort Sozialdiakonie, Adrian Rennert,
Tel. 078 738 32 65
Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung.
Bitte senden Sie Ihre Bewerbung an:
Verwaltung der Kirchgemeinde Bürglen, Kirchstrasse 29, 2558 Aegerten,
E-Mail: [email protected]
Goodwill
Ihre Spende
speichert
Regenwasser.
Spenden Sie 25 Franken:
SMS an 488 mit Text
HEKS SPENDE 25, danke.
Ins_Wasser_103_90mm_sw_Ref_Presse.indd 1
18.09.14 16:01
Feuilleton
Nr. 12 I 20. März 2015 reformierte presse
Paulusbriefe frisch erklärt
Kommentare für das angeleitete Studium biblischer Texte
Dies geschieht zunächst damit,
dass mit dem Eingehen auf die
Einleitungsfragen der Raum abgesteckt wird, in dem die weitere Beschäftigung mit den beiden
Briefen erfolgen soll. Natürlich
liesse sich beispielsweise die Diskussion über Abfassungszeit und
Abfassungsort erschöpfend führen; wer diesbezüglich zu anderen Ergebnissen käme als der
Autor, müsste diese dann aber
aufgrund seiner Einzelexegese
ebenso gut belegen können, wie
dies im vorliegenden Kommentar
geschehen ist.
Bibelstudien in der Korrelation von
Exegese und Glauben in gut lesbarer
Form. Für Profis wie für Laien.
Hans Lanz – Ob es sie noch gibt,
die Gespräche über biblische Texte? Sie stellten, meist innerhalb
von Kirchgemeinden, ein Angebot
dar, welches dazu diente, die Bibel, ihre Texte, Geschichten und
ihre Geschichte besser zu verstehen. Im besseren Fall halfen sie
darüber hinaus den am Gespräch
Teilnehmenden auch, sich selbst
besser zu verstehen, denn die Bibel ist ein Buch, das zur Auseinandersetzung mit dem eigenen
Menschsein anleitet. Die meisten
Themen, welche sich in einem
Menschenleben ereignen, sind in
irgendeiner Form und an irgendeiner Stelle auch Themen des Alten oder Neuen Testaments.
Der hier besprochene Kommentar wird sowohl den theologisch geschulten Leserinnen und
Lesern als auch den an der biblischen Lektüre interessierten
Nichtfachfachleuten gerecht. Alle,
die sich mit diesen beiden Briefen des Paulus auseinandersetzen
wollen, werden in beiden Richtungen gut geführt: Hier findet
sich einerseits eine gute Grundlage, die auf exegetischer Arbeit basiert; andererseits wird die Bereitschaft unterstützt, sich angesichts
biblischer Texte mit dem eigenen
Menschsein auseinanderzusetzen.
Hans Lanz ist pensionierter Pfarrer
der EMK und hat zuletzt als Spitalseelsorger im Bethanien gearbeitet.
Flüssige Übersetzung
Sowohl als Grundlage für das dialogische Arbeiten an den Texten wie auch fürs Einzelstudium
könnte mit der Lektüre der beiden, den jeweiligen Kommentar
abschliessenden Zusammenfassungen begonnen werden. Namentlich, wenn das Interesse an
der Lektüre beider Briefe geweckt werden soll, könnte als
Einstieg der Vergleich der beiden
Zusammenfassungen vorgeschlagen werden. Dem Autor gelingt
es, die Notwendigkeit der christlichen Glaubensgrundlagen als
unabdingbare Voraussetzung für
eine gelingende Ethik darzustellen. Gerade diese Tendenz wird in
den Zusammenfassungen augenfällig.
Der Aufbau der jeweiligen Kapitel ist einheitlich. Begonnen
wird jeweils mit dem paulinischen
Text, der sich in der sorgfältigen
und flüssigen Übersetzung des
Autors präsentiert. Die Fortsetzung ist eine Versexegese. Die exegetischen Schritte können von
interessierten Nichttheologinnen
und Nichttheologen gut mitgegangen werden; aber auch den
theologisch Geschulten wird es
angenehm sein, wenn die eigentliche Arbeit am Text nicht erschwert wird durch eine gestelzte
Sprache oder gedankliche Wendungen, welche letztlich das eigentliche Verständnis kaum zu
fördern in der Lage sind. Dass
Christoph Schluep ein profunder
Kenner der Arbeiten des Paulus
ist, hat er bereits mit seiner Dissertation (Der Ort des Christus,
Soteriologische Metaphern bei
Paulus als Lebensregeln, TVZ
2005) bewiesen. In den beiden
vorliegenden Kommentaren ist
dieses Wissen als Grundlage vorhanden und wird in einer eingängigen und gut lesbaren Form präsentiert.
Gesprächsgrundlagen
Der Schluss jedes Kapitels ist eine
jeweils kurze Zusammenfassung
der exegetischen Arbeit. Diese
grau hinterlegten Stellen können
einfach als Zusammenfassung
gelesen werden; sie bieten sich
aber auch als gute Vorgabe für ein
allfälliges Gespräch an. Übrigens
kommt der Kommentar damit
aus, das griechische oder das hebräische Alphabet nicht bemühen
zu müssen. Das Lesen im Text
muss auch nicht unterbrochen
werden, weil in Fussnoten nachgeschaut werden müsste. Dafür
steht ein ausführliches Register
zur Verfügung, das beim Suchen
nach Parallelstellen hilft.
Ob es sie noch gibt, die Gespräche über biblische Texte? In der
Gemeinde, deren Pfarrer Christoph Schluep ist, gibt es sie noch.
Die an den Bibelgesprächen Teilnehmenden sind interessiert am
angeleiteten Studium biblischer
Texte. Aber vor allem sind sie
auch interessiert an den Fragen,
welche das Leben jeweils an die
Menschen stellt.
So ist davon auszugehen, dass
das Buch mit den beiden Kommentaren zu den Briefen an die
Gemeinde in Philippi und an
Philemon in dieser Gemeinde
hilfreiche Gesprächsgrundlagen
bietet. Und es wäre dem Buch zu
wünschen, dass es auch andernorts beim Gespräch über biblische Texte und zur Klärung der
Fragen nach dem Menschsein hilfreich zur Seite steht.
Christoph Schluep-Meier:
Der Philipperbrief / Der Philemonbrief.
Neukirchener Verlagsgesellschaft,
Neukirchen-Vluyn 2014.
224 Seiten, Fr. 21.90.
9
Bach-Sause
mit Konzerten
im City-Tunnel
epd – Eine dreitägige Sause zu
Ehren von Johann Sebastian Bach:
Vom 21. März an feiert Leipzig
den 330. Geburtstag Bachs mit zahlreichen Konzerten, Führungen,
Mitmachaktionen und Gottesdiensten. Wie das Bach-Archiv mitteilte,
findet zudem der erste «Bach in
the Subways Day» mit kostenlosen
Konzerten im Leipziger City-Tunnel
statt. Eine Initiative um den Cellisten Dale Henderson ruft seit Jahren weltweit zum Musizieren
in Bahnhöfen am Bach-Geburtstag
auf. Leipzig ist eine von mehr als
120 Städten weltweit, die sich der
Aktion in diesem Jahr anschliesst.
Schweizer Städte
zu «Reformationsstädten» ernannt
RP – Fünf weitere Schweizer Städte
erhalten, laut Mitteilung des SEK
vom Dienstag, das Label «Reformationsstadt Europas»: Basel, Genf,
Ilanz, Neuenburg und St. Gallen.
Zürich hatte das Label bereits im
vergangenen Jahr erhalten. In jeder
dieser Städte lebte mindestens ein
Reformator. Nun müssen die Städte
zur Jubiläumsfeier 2017 ein attraktives touristisches Rahmenprogramm
präsentieren.
Gesamtwerk von
Hans Küng wird
in 24 Bänden ediert
epd – Das Werk des katholischen
Theologen Hans Küng wird in
einer Gesamtausgabe von 24 Bänden
erscheinen, wie der Herder-Verlag
am Dienstag mitteilte. Band I widmet sich dem Schwerpunkt Rechtfertigung. Küng zählt weltweit zu den
profiliertesten christlichen Theologen
der Gegenwart und feierte am
19. März seinen 87. Geburtstag. Bis zu
seiner Emeritierung 1996 lehrte der
Schweizer ökumenische Theologie in
Tübingen. Seine Stiftung «Weltethos»
sucht Modelle für eine friedliche
Zusammenarbeit mit allen Weltreligionen. Im vergangenen Jahr erschien
das Buch «glücklich sterben», in
dem sich der an Parkinson erkrankte
Theologe für ein selbstbestimmtes
Sterben ausspricht.
10
Inserate
reformierte presse Nr. 12 I 20. März 2015
Die Reformierten Medien sind das Kommunikationsunternehmen
der evangelisch-reformierten Kirchen der deutschen Schweiz.
Mit unserer Wochenzeitung «Reformierte Presse» und unserer Onlineplattform «ref.ch» wenden wir uns sowohl an ein kirchliches Fachpublikum (Mitarbeitende, Behördenmitglieder, Pfarrerinnen und Pfarrer,
engagierte Freiwillige) als auch an ein breites Publikum, das an
kirchlich-theologischen Fragen sowie weltanschaulichen, philosophischen
und sozialen Themen interessiert ist.
Die Reformierten Medien sind das Kommunikationsunternehmen
der evangelisch-reformierten Kirchen der deutschen Schweiz.
Mit unserer Wochenzeitung «Reformierte Presse» und unserer Onlineplattform «ref.ch» wenden wir uns sowohl an ein kirchliches Fachpublikum (Mitarbeitende, Behördenmitglieder, Pfarrerinnen und Pfarrer,
engagierte Freiwillige) als auch an ein breites Publikum, das an
kirchlich-theologischen Fragen sowie weltanschaulichen, philosophischen
und sozialen Themen interessiert ist.
Möchten Sie als journalistischer Profi oder als Quereinsteiger mit
Erfahrung in pfarramtlicher Arbeit die Zukunft unserer kirchlichen
Publizistik mitgestalten? Zur Nachfolge des bisherigen Stelleninhabers,
der vollzeitlich ins Pfarramt zurückkehrt, suchen wir per 1. Mai 2015
oder nach Vereinbarung eine/-n
Zur administrativen Unterstützung der Print- und Onlineredaktion
suchen wir per 15. April 2015 oder nach Vereinbarung eine/-n
Redaktorin
oder Redaktor (50–60%)
Sie schreiben, recherchieren und redigieren, formulieren mühelos
prägnante Texte und freuen sich, an der öffentlichen Meinungsbildung
vor allem zu aktuellen kirchlich-theologischen Themen mitzuwirken.
Die journalistischen Gestaltungsmöglichkeiten und Formate sowohl im
Print- als auch im Onlinebereich sind Ihnen nicht fremd, sondern
fordern Sie heraus, sich in beiden Bereichen mit Ihren Ideen und Ihrer
flotten Schreibe einzubringen.
Was Sie mitbringen:
–Ausgewiesener journalistischer Leistungsausweis (Print und Online)
und/oder Erfahrung in einem reformierten Pfarramt
– Lust an aufgeweckter Behandlung kirchlich-theologischer Themen
–Stilsicherheit und Sorgfalt im schriftlichen Formulieren auch
unter Zeitdruck
–Breiter Horizont, weltoffen, vielseitig interessiert
–Selbständigkeit, Teamfähigkeit, Einsatzfreude und Flexibilität
Was wir bieten:
–Menschlich angenehmes und kirchlich-kreatives Arbeitsumfeld
–Kollegiale Teamzusammenarbeit in der Print- und Onlineredaktion
–Freiraum zur kreativen Themenentwicklung und -behandlung
–Zeitgemässe Anstellungsbedingungen
–Moderner, zentral gelegener Arbeitsplatz in Zürich
(heute Stauffacher, ab Juli Nähe Hardbrücke)
Dank teilweise flexibler Einsatzgestaltung eignet sich diese Stelle
besonders zur Ergänzung einer Teilzeit-Pfarrstelle.
Haben wir Ihr Interesse geweckt?
Dann möchten wir Sie gerne kennenlernen! Auf Ihre (gerne elektronische)
Bewerbung bis 31. März freut sich Mark Wiedmer, Chefredaktor
«Reformierte Presse». E-Mail an: [email protected].
Fragen beantwortet Mark Wiedmer unter Tel. 044 299 33 25 (vormittags).
Redaktionsassistentin/
Redaktionsassistenten (50–60%)
Sie verfügen über eine solide Ausbildung und Berufserfahrung im Administrativ- und Verwaltungsbereich, sind mit gängigen Informatikprogrammen (MS Office mit Word und Excel, allenfalls Adobe InCopy) und
CMS (Word Press) gut vertraut, und Sie sind bereit, im bisweilen hektischen Arbeitsalltag des Redaktionsteams an vorderster Front moderner
Medienarbeit engagiert mitzuwirken.
Selbständig betreuen und aktualisieren Sie die regelmässig erscheinenden Veranstaltungs- und Medienhinweise im Print- und Onlinebereich
und koordinieren die Rezensionen theologischer Fachliteratur unserer
freien Autorinnen und Autoren. Daneben betreuen Sie Korrespondenz und
Mailverkehr der Redaktionsverantwortlichen im Print- und Onlinebereich und erledigen allgemeine Sekretariatsarbeiten.
Was Sie mitbringen:
–Interesse am Medienbereich
und redaktionellen Aufgaben
–Selbständigkeit, Organisationstalent
und Einsatzfreude
–Fähigkeit zu schneller und sorgfältiger Arbeit
auch unter Zeitdruck
Was wir bieten:
–Menschlich angenehmes Arbeitsumfeld,
kollegiale Teamzusammenarbeit
–Zeitgemässe Anstellungsbedingungen
–Moderner, zentral gelegener Arbeitsplatz in Zürich
(heute Stauffacher, ab Juli Nähe Hardbrücke)
Haben wir Ihr Interesse geweckt?
Dann möchten wir Sie gerne kennenlernen! Auf Ihre (gerne elektronische)
Bewerbung bis 31. März freut sich Mark Wiedmer, Chefredaktor
«Reformierte Presse». E-Mail an: [email protected].
Fragen beantwortet Mark Wiedmer unter Tel. 044 299 33 25 (vormittags).
Feuilleton
Nr. 12 I 20. März 2015 reformierte presse
Bibel und Glaube
Gespräche zum protestantischen Schriftprinzip
Ein seltenes Format verbindet theologische Gelehrtheit mit kirchlicher
Praxis.
Matthias Zeindler – Dieses Format sollte man sich merken: Regelmässig treffen sich der Evangelische Pfarrverein in Württemberg
und die Evangelisch-theologische
Fakultät der Universität Tübingen
zu gemeinsamen Studientagen.
Die vorliegende Publikation dokumentiert die Beiträge des Studientages 2012: Vorträge aus der
Fakultät und Erwiderungen von
Pfarrerinnen und Pfarrern. Über
500 akademisch und kirchlich Tätige haben sich an diesem Studientag beteiligt.
Als Thema hatten sich die Teilnehmenden die Frage nach der
Rolle der Bibel in theologischer
Theorie und kirchlicher Praxis
vorgenommen. Dessen Aktualität
liegt in einer Kirche, die sich dem
reformatorischen sola scriptura
verpflichtet weiss, auf der Hand.
Bereits vor Jahrzehnten wurde
eine «Krise des Schriftprinzips»
diagnostiziert, die mittlerweile
zur täglich erfahrenen Wirklichkeit aller in der Kirche Tätigen geworden ist. Damit sind Theologie
und Kirche umso mehr genötigt,
sich mit der Bibel als Grundlage
des protestantischen Kircheseins
zu befassen.
Die Beiträge von Seiten
der theologischen Fakultät sind
durchgängig auf Fragen der kirch-
Matthias Zeindler ist Titularprofessor für
Systematische Theologie an der Theologischen Fakultät Bern und Leiter Bereich
Theologie der Reformierten Kirchen
Bern-Jura-Solothurn.
lichen Praxis ausgerichtet. So
wird die innere Pluralität im Neuen Testament sowie die Vielfalt
hermeneutischer Ansätze reflektiert und die Kirchengeschichte
auf hilfreiche Beispiele des Bibelgebrauchs befragt. Dabei wird betont darauf hingewiesen, dass das
Pfarramt sich auch als «verantwortlich für das Schriftprinzip»
zu verstehen hätte.
Anhand der Ansätze von Luther und Bultmann erinnert die
Systematikerin Elisabeth GräbSchmidt daran, dass der Bezug
auf die Schrift nicht bloss formal, sondern inhaltlich, nämlich
als Ermöglichung «einer Neuwerdung des Selbst», begriffen
werden muss. In einem ebenfalls
bedenkenswerten Beitrag zeigt
der Religionspädagoge Friedrich
Schweitzer, wie der Religionsunterricht mittlerweile zum wichtigsten Ort geworden ist, an dem
Vertrautheit mit der Bibel entstehen kann.
Die Responses von Pfarrerinnen und Pfarrern sind in sich sehr
vielfältig. Man begegnet Berichten vom eigenen Umgang mit der
Bibel, welche die Voten der Professoren teils bestätigen, teils ergänzen und korrigieren. Ebenso
liest man theoretische Ausführungen, die an Komplexität denen
aus der Fakultät in nichts nachstehen. Eine Kollegin bezieht sich
klar kritisch auf ihren Vorredner,
wobei einmal mehr unkritisch das
bewährte Klischee von der Bibel
als einem «Buch von Geschichten» bemüht wird. Und nicht zuletzt melden die Pfarrerinnen und
Pfarrer konkrete Desiderate an
die Adresse der Kolleginnen und
Kollegen aus der Forschung.
Wie gesagt: Diese Art produktiven gemeinsamen Nachdenkens
sollte man sich auch für unsere
Kirchen merken.
Christof Landmesser, Hartmut Zweigle
(Hg.): Allein die Schrift!?
Die Bedeutung der Bibel für Theologie
und Pfarramt. Neukirchener Verlagsgesellschaft, Neukirchen-Vluyn 2013.
116 Seiten, Fr. 28.90.
«Conducta» – eine
Hommage an die
Kinder von Havanna
Charles Martig – Im Schulsystem von
Kuba machen sich Krisenzeichen
breit. Pensionierte Lehrkräfte werden
zurück an die Schulen geholt, um
Kindern eine Ausbildung zu geben.
Dass es sich hier nicht nur um Schulwissen handelt, beweist Carmela,
die mit viel Herzblut ihre Primarklasse
führt. Chala, ein aufgeweckter Junge,
der für seine alkohol- und drogensüchtige Mutter sorgt und das
notwendige Geld mit der Aufzucht von
Kampfhunden verdient, ist für Carmela
eine harte Nuss. Ihn hat sie ins Herz
geschlossen. Nachdem ihre eigene Familie nach Miami auswandert,
kümmert sich Carmela um das
Wohlergehen von Chala, dem eine
Abschiebung ins Erziehungsheim
droht. Die mutige Carmela scheut
nicht davor zurück, mit dem Schulsystem und dem Regime auf Konfrontationskurs zu gehen.
In Kuba war «Conducta» der am
heissesten geliebte und am heftigsten
diskutierte Spielfilm im Jahr 2014.
In Zusammenarbeit mit Filmstudierenden hat Regisseur Ernesto Daranas
ein sozialkritisches Drama inszeniert,
das gleichzeitig eine Hommage an
die Stadt Havanna und ihre Kinder ist.
In warmen Farben erzählt der Film
von Missständen und Lebensmut, vom
harten Überlebenskampf eines Jungen. Dabei stellt sich immer wieder
die Frage, wie der Traum von einem
guten Leben heute in Kuba aussehen soll? «Conducta» ist ein Film
gegen die Perspektivlosigkeit sowie
ein Plädoyer für eine Öffnung des
Landes.
«Conducta», Kuba 2014. Regie:
Ernesto Daranas. Besetzung: Alina
Rodríguez, Armando Valdés Freire,
Silvia Águila. Verleih: trigon-film,
5408 Ennetbaden. www.trigon-film.org.
Charles Martig ist Filmjournalist
Katholisches Medienzentrum.
11
Lisbeth Zogg Hohn,
Theologin und
Beraterin
Tagebuch
Vor kurzem sandten uns Freunde
eine Einladung zu cantars, dem kirchenklangfest 2015. Der reformierte
Kirchenchor, in dem sie singen,
wird nach Ostern in Bern zusammen
mit einem katholischen Partner
auftreten. Sie üben Bruckner: Messe
Nr. 2 in e-Moll. «Sauschwer, aber
es fägt», meint mein Bekannter.
Sie bestreiten eine von insgesamt
12 Aufführungen. Alle in der gleichen
Kirche, an einem Tag, mit verschiedenen Werken und Musikstilen.
Von Mozart über Gregorianik bis Jazz,
mit Orgel, Alphorn und Schlagzeug.
Und cantars findet ja auch noch
anderswo statt.
Ich werde hingehen. Denn Kultur
in Verbindung mit Kirche öffnet
mir neue Welten.
Es erinnert mich an eine Reise nach
St. Gallen, zusammen mit Bekannten.
Wir spazierten durch die Altstadt
und entdeckten: Just an diesem Tag
wird in der Kathedrale ein Orgelkonzert angeboten, mit Bearbeitungen
berühmter Orchesterwerke von
Mussorgsky und Smetana. «Da gehen
wir hin.» Als wir ankommen, sind
wir fast die Einzigen. Plötzlich beginnt
es zu strömen, Leute in Wanderschuhen oder Sneakers, mit Fotoapparat
oder Einkaufstasche. Man hört Appenzellisch, Französisch, Japanisch.
Im Nu ist die Kathedrale voll. Ich
blicke auf viele ergraute Köpfe. Dazwischen eine Glatze, ein roter Lockenschopf. Dann beginnt die Orgel:
filigran, düster, leichtfüssig, brüchig,
wuchtig, hell. Vor uns öffnet sich ein
reiches Lebenspanorama in Klängen – in diesem heiligen Raum. Ich
bin berührt und versöhnt, fühle mich
verbunden und ganz. Danach: So
schnell, wie die Kathedrale sich füllte, ist sie wieder leer. Es wird still.
Im Restaurant debattieren wir heftig.
«Für mich war das ein Gotteserlebnis», stellt mein Gegenüber fest. «Das
war einfach ein tolles Konzert, nicht
mehr. Mit Glaube hat das nichts
zu tun, sicher nicht», entgegnet mein
Sitznachbar engagiert. Da mischen
sich die Leute vom Nebentisch ein . . .
Wir blieben bei unseren Sichtweisen.
Aber die Musik war der Auslöser,
dass wir, Bekannte und Fremde,
zusammen über Leben und Glauben
redeten, einfach so.
12
Inserate
reformierte presse Nr. 12 I 20. März 2015
STUDENTEN
FUTTER
STUDIABO
NEU FR. 59.– Tel. 033 828 81 12
[email protected]
Feuilleton
Nr. 12 I 20. März 2015 reformierte presse
13
Eine Frau, die ihrer Zeit voraus war
Als «geliebte Schwester in Christus» im Netzwerk der deutschen Reformatoren
wechsel mit Luther erhalten, jedoch haben sich die beiden auf
der Veste Coburg getroffen, und
er hat ihr sein 1522 gedrucktes
«bet buchlin» gewidmet. Osiander wiederum zeigt sich verwundert, dass eine Frau in der Bibel
so gelehrt und erfahren ist.
Ein Neuseeländer erklärt die bayerische Hofdame Argula von Grumbach:
ihr Leben und Wirken mit viel differenzierter Zeitgeschichte.
Roswitha Golder – Im Vorfeld
des Reformationsjubiläums 2017
wird auch den «Wybsbildern
der Reformationszeit» (facultativ
2/2014) vermehrtes Interesse zuteil. Nur wenige von ihnen hinterliessen jedoch ein schriftliches
Zeugnis ihres Engagements. Argula von Grumbach war in dieser
Hinsicht durch ihre Herkunft aus
dem Hochadel privilegiert: Ihre
Eltern konnten ihr eine für ihre Zeit fortschrittliche, standesgemässe Erziehung bieten. Zu ihrem zehnten Geburtstag schenkten sie ihr eine Bibel in deutscher
Sprache, mit 15 Jahren wurde sie
Hofdame bei der Herzogin Kunigunde in München. Kurz nach
dem Tod ihrer Eltern, die 1509 an
der Pest starben, heiratete sie den
fränkischen Adeligen Friedrich
von Grumbach. Neben der Verfolgung ihres eigenen Bildungsdrangs erzieht Argula ihre vier
Kinder und erledigt für ihren
Mann Schreib- und Verwaltungsarbeiten. Sie ist am Puls ihrer Zeit
und pflegt Kontakte zur Universität in Ingolstadt, der ersten in
Bayern, wo ihre Brüder studieren.
Nach dem Motto «ad fontes» des
Humanismus werden dort die alten Sprachen Hebräisch und Griechisch unterrichtet.
Argula liest Bücher der Reformatoren und nimmt Kontakt mit
ihnen auf: als «geliebte Schwester in Christus» wird sie Teil dieses Netzwerks. Es ist kein BriefRoswitha Golder, Pfarrerin i.R. der Eglise
protestante de Genève.
Protest gegen Obrigkeit
Anlässlich der Affäre Seehofer
greift Argula zudem aktiv ins
Zeitgeschehen ein: Sie schreibt
einen Protest gegen den «Schauprozess», bei dem Arsacius Seehofer, der an der Universität Ingolstadt unterrichtet, im September
1523 gezwungen wird, seine reformatorischen Ansichten zu widerrufen und zur Strafe ins
Kloster zu gehen. Zudem belegt
das Gericht zwölf seiner Schüler
mit Gefängnisstrafen. Georg Hauer, Professor für Kirchenrecht
und Pfarrer am Liebfrauenmünster in Ingolstadt, spricht am Tag
nach Seehofers Verhaftung von
seiner Abscheu gegen die weiblichen Anhänger Luthers, die
die Ehre der Jungfrau Maria verhöhnten und sie den gewöhnlichen Frauen gleichstellten!
Argulas handschriftliches Dokument wurde nicht nur mehrmals kopiert, sondern nach kurzer
Zeit auch als Flugblatt gedruckt
und öffentlich feilgeboten. Dieses
erlebte fünfzehn Auflagen innerhalb eines Jahres. Biblische Gestalten wie Judit, Esther und
Susanna haben Argula den Weg
bereitet; sie zitiert Bibelstellen
aus Jesaja, Jeremia, Joel und dem
Johannesevangelium, um die Gabe des Heiligen Geistes für sich
zu beanspruchen. Dem ersten
Schreiben folgten weitere Briefe an die Obrigkeit sowie ihre
Antwort auf ein verleumderisches
Schmähgedicht, die alle ebenfalls gedruckt und verbreitet wurden. Ihre Schriften spiegeln die
Unruhe der bewegten Zeit vor
den Bauernkriegen. Andere, nicht
nur Luther, folgten ihrem Beispiel
und lancierten Attacken gegen
die Ingolstädter Theologen.
Argulas literarische Aktivität
bricht jedoch nach einem später
noch zitierten Gedicht und einem
Brief an die Stadträte von Regensburg plötzlich ab. Die Ära
der Religionsdisputationen war
zu Ende, Dialog nicht mehr gefragt. Es folgt die Verwüstung der
Bauernkriege; ihre Ursachen und
Auswirkungen auf Argula und
ihre Familie bilden den zweiten
Teil der beiden Biographien. Sie
dienen der Schweizer Leserin
zum besseren Verständnis dafür,
warum Bayern damals beim alten
Glauben blieb und bis auf die
heutige Zeit mehrheitlich römisch-katholisch ist.
Der neuseeländische Kirchenhistoriker Matheson veröffentlichte seine Studie 2013 in englischer Sprache, der vorliegende
Band ist eine überarbeitete und
erweiterte Übersetzung des Originals von 2013, das den Untertitel trägt: «A Woman Before Her
Time»; er beschreibt sie somit als
eine Frau, die ihrer Zeit voraus
war.
Familiäre Tragödien
Der zweite Teil seiner Biographie erlaubt nicht nur eine differenzierte Sicht auf Ursachen
und Wirkungen der Bauernkriege,
sondern ergänzt auch aufgrund
ihrer privaten Aufzeichnungen
Argulas zweite Lebenshälfte, die
von Geldnot und familiären Tragödien geprägt ist.
1530 wird sie Witwe, nach
einem Besuch bei Luther zieht sie
weiter zum Reichstag in Augsburg. Dies ist ihr letzter Auftritt
auf der politischen Bühne. 1533
heiratet sie zum zweiten Mal und
wird dadurch Gräfin Schlickin
von Passaun. Danach lebt sie eine
Zeitlang in Prag, der Heimat dieser böhmischen Familie, die mit
dieser Heirat jedoch nicht einverstanden ist. Ihre Tochter Apollonia
starb im Alter von etwa 17 Jahren, im selben Jahr wie ihr Sohn
Georg, der ungefähr 26 wurde.
Uwe Birnsteins «Leben der
bayerischen Reformatorin», das
in grossen Zügen Mathesons Biographie folgt, schliesst mit einem
Epilog, der die Situation der Frauen in der christlichen Kirche im
allgemeinen und derjenigen in
Bayern im speziellen beleuchtet:
Er spricht von den Ängsten der
Männer gegenüber der «Sopranisierung», was bedeutet, dass die
Stimmen der Frauen in der Kirche
immer lauter werden.
Er erwähnt jedoch auch Fakten: 1958 wurde innerhalb der
evangelischen Landeskirchen in
Deutschland zum ersten Mal eine
Pfarrerin ordiniert, in Bayern jedoch erst 1975. 1991 erst zog als
letzte die Lippische Kirche bei
Detmold nach. Als absolut gleichberechtigt wurden die Pfarrerinnen in der bayerischen Kirche erst
1998 akzeptiert.
Argula-Touren für Tourismus
Dem Epilog folgt ein Gedicht, das
Louise Otto-Peters Argula von
Grumbach widmet, sowie der Reiseführer «Auf den Spuren Argula
von Grumbachs.» Darin werden
vier Touren eingehend beschrieben. Buchtipps, Fotos und Karten
geben hilfreiche Hinweise, etwa
auf eine Statue von Argula in ihrem Geburtsort sowie auf eine
Dietfurter Strasse, die nach ihr
benannt ist. Argula, die fromme
Kirchenfrau «von unten», hat mit
ihrem Wirken gleich zwei Grenzen durchbrochen: Als Frau drang
sie in die Männerwelt, als Nichtstudierte in die Akademikerwelt!
Beide Bücher sind für ein breites Publikum geschrieben und
lesen sich leicht. Matheson hat
die wissenschaftliche Vorarbeit
geleistet, seine Quellen sind ausführlich zitiert. Birnstein basiert
auf ihm; sein Buch bietet aber zusätzliche nützliche Informationen
zur Gegenwart. Eventuell liesse
sich damit sogar eine Gemeindereise oder eine Konfirmandenfreizeit auf Argulas Spuren organisieren?
Uwe Birnstein: Argula von Grumbach.
Das Leben der bayerischen Reformatorin. Neufeld-Verlag, Schwarzenfeld 2014. 128 Seiten, Fr. 21.90.
Peter Matheson: Argula von Grumbach. Eine Biografie. Vandenhoeck &
Ruprecht, Göttingen 2014.
263 Seiten, Fr. 53.90.
Palette
RADIO
RELIGION
Zwischenhalt
Unterwegs zum Sonntag mit Gedanken, Musik und den Glocken
der ev.-ref. Kirche Kilchberg BL.
Samstag, 21. März
Radio SRF 1, 18.30 Uhr
«Neujahr im Frühling» – Über
das Weltkulturerbefest Nouruz
[Bild] Nouruz bedeutet wörtlich
«Neuer Tag»: Es ist jener Tag
zu Frühlingsbeginn, an dem Tagundnachtgleiche herrscht. Das
Fest geht auf das erste vorchristliche Jahrhundert zurück und
markiert im iranischen Kulturraum
den Jahresbeginn. Seit fast 3000
Jahren wird das Fest begangen,
weltweit feiern es mehr als 300
Millionen Menschen.
Samstag, 21. März
Ö1, 19.05 Uhr
Blickpunkt Religion
Aktuelle Informationen
zu religiösen Themen.
Sonntag, 22. März
Radio SRF 2 Kultur, 8.05 Uhr
Perspektiven: Teresa von Avila –
Mystikerin und Klostermanagerin
Die heilige Teresa von Avila
(1515 –1582) wird als grösste
Mystikerin aller Zeiten verehrt.
Mit ihrem Herrgott pflegte sie
einen unkomplizierten Umgang.
Als Beraterin reformierte sie den
Orden der Karmeliter und gründete zahlreiche neue Klöster.
Eine Erinnerung anlässlich des
500. Geburtstags.
Sonntag, 22. März
Radio SRF 2 Kultur, 8.30 Uhr
Ev.-ref. Gottesdienst
aus der Kirche Zollikon
Die Novelle von Joseph aus dem
Ersten Testament ist ein äusserst
spannendes Familiendrama.
Joseph und seine Brüder legen
einen langen und schwierigen
Weg zurück, bis es zur Versöhnung kommt. Diesen Weg der Versöhnung zeichnet Pfarrerin AnneKäthi Rüegg-Schweizer in ihrer
Predigt nach. Musikalisch umrahmt wird der Gottesdienst vom
Ensemble des Zolliker Projektchores Singlust, begleitet von
Streichern des Orchesters
Collegium Cantorum.
Sonntag, 22. März
Radio SRF 2 Kultur, 9.30 Uhr
RADIO
GESELLSCHAFT
Musik für einen Gast:
Nada Boskovska, Professorin
für Osteuropäische Geschichte
«Die russische Frau im 17. Jahrhundert» war der Titel ihrer Doktorarbeit, und habilitiert hat sie
sich mit dem Thema «Jugoslawisch Makedonien 1918–1948».
Im Osten Europas kennt sich Nada
Boskovska aus. Sie ist gebürtige
Makedonierin, lebt aber seit ihrem
6. Lebensjahr in der Schweiz und
ist längst Schweizerin. Nach mehreren Studienaufenthalten in Moskau und St. Petersburg hat sie ihre
Dissertation an der Universität
Zürich abgelegt, wo sie seit 2011
Professorin für die Geschichte
Osteuropas ist. Nada Boskovska
ist zu Gast bei Hansjörg Schultz.
Sonntag, 22. März
Radio SRF 2 Kultur, 12.40 Uhr
Essay:
Das helle Rechteck auf der Wand
[Bild] Das Verschwinden geschieht dauernd um uns herum,
alltäglich oder katastrophisch.
Unsere Biographie ist wesentlich
eine Geschichte des Verschwindens – des Verschwindens von
Dingen, von Lebenswirklichkeiten
und Menschen, mit denen wir diese Erfahrung geteilt haben. Wir suchen dem entgegenzuwirken, indem wir sammeln, Traditionen des
Erinnerns und Bewahrens errichten, um der «Furie des Verschwindens» (Hegel) mit Bleibendem zu
trotzen. So bleibt auch das helle
Rechteck auf der Wand, wenn das
Bild, das dort immer hing, verschwunden ist.
Dienstag, 24. März
SWR2, 22.05 Uhr
Feature:
Kinder am Ende des Lebens
Die Legalisierung der aktiven Sterbehilfe auch für Minderjährige
hat nicht nur die belgische Gesellschaft aufgewühlt. Dabei sind
Eltern unheilbar erkrankter Kinder
immer wieder vor existentielle
Entscheidungen über das Leben
ihrer Kinder gestellt. Im Kinderhospiz Sonnenhof unterstützt ein Palliativteam von Ärzten, Pflegern und
Therapeuten betroffene Familien –
weit über die medizinische Betreuung hinaus.
Mittwoch, 25. März
SWR2, 22.05 Uhr
FERNSEHEN
RELIGION
Wort zum Sonntag
Martin Kuse, reformierter Pfarrer.
Samstag, 21. März
SRF 1, 20 Uhr
Ev.-ref. Gottesdienst
Aus der Fraumünster-Kirche in
Zürich mit Pfarrer Niklaus Peter.
Sonntag, 22. März
ZDF, 9.30 Uhr
Sternstunde Religion:
Buddhistische Neujahrszeremonie aus Rikon
Rikon ist das spirituelle Zentrum
der Tibeter und Tibeterinnen, die
im Schweizer Exil leben. Derzeit
leben und lehren dort acht buddhistische Mönche. Ihre grösste
öffentliche Zeremonie ist Losar,
das tibetische Neujahrsfest. Dieses Jahr wurde es am 19. Februar
gefeiert. Die Sendung vermittelt
Einblicke in die über zweistündige
Zeremonie. Der Buddhismuskenner und Religionswissenschaftler
Martin Kalff kommentiert die Feier.
Sonntag, 22. März
SRF 1, 10 Uhr
Nachgefragt mit Christine Stark
Im religionskritischen Westen
erfreut sich der Buddhismus anhaltender Beliebtheit. Das geistliche Oberhaupt Tibets, der Dalai
Lama, füllt auch mit bald 80 Jahren
grosse Hallen. Im Anschluss an
das tibetische Neujahrsfest
spricht Christine Stark mit Martin
Kalff, einem intimen Kenner des tibetischen Buddhismus, der auch
den Dalai Lama persönlich kennt.
Sonntag, 22. März
SRF 1, 10.45 Uhr
Jesus liebt mich
[Bild] Komödie (D 2012). Es war ja
klar, dass sich Marie wieder in den
Falschen verliebt. Jeshua ist zwar
ein guter Zuhörer, kein Egoist und
er sieht gut aus. Aber er ist auch
etwas seltsam. Er kommt aus Palästina, weiss nicht, was eine Tomate ist, und wäscht wildfremden
Menschen die Füsse. Aber egal,
wo die Liebe hinfällt. Happy End?
Nicht ganz. Denn Jeshua hat eine
Mission. Er soll den Weltuntergang vorbereiten. Zwar nicht sofort. Aber nächsten Dienstag. So
langsam geht Marie ein Licht auf.
Dienstag, 24. März
3sat, 20.15 Uhr
public domain
arte france
public domain
zdf/Gordon Muehle
reformierte presse Nr. 12 I 20. März 2015
public domain
14
FERNSEHEN
BILDUNG
GESELLSCHAFT
Terrorgefahr!
Überwachung total?
[Bild] Die Attentate in Frankreich
haben die Debatte über die Überwachung der Bürger neu entfacht.
Der Dokumentarfilm (F 2015) stellt
sich den aktuellen Fragen. Reicht
die bisherige Datenkontrolle aus?
Wie kann sich der Bürger gegen
komplette Durchleuchtung schützen? Wie profitieren Konzerne von
den Daten der Verbraucher? Und:
Kann ein Überwachungsstaat
Terror verhindern? Geheimdienstverantwortliche stehen ebenso
Rede und Antwort wie Whistleblower und Datenschutzaktivisten.
Dienstag, 24. März
Arte, 20.15 Uhr
Besuchsdienstmodul:
Palliative Care
Ziel des Kurses ist: Einen Einblick
in die körperlichen, psychischen,
sozialen und spirituellen Bedürfnisse von Sterbenden und ihren
Angehörigen geben. Möglichkeiten aufzeigen, wie Freiwillige
Schwerkranke und Sterbende und
ihre Angehörigen unterstützen
können.
Dienstag, 28. April, 9 Uhr
Haus der Kirche
Altenbergstrasse 66, 3013 Bern
Auskunft/Anmeldung:
www.refbejuso.ch
RELIGION
Wunder –
das Unerklärliche erklären
Mit Wundern tut sich die Wissenschaft schwer. Steckt doch im
Begriff schon der Anspruch, dass
Naturgesetze ausser Kraft gesetzt
werden können. Wunder darf es
also streng genommen gar nicht
geben. Und doch berichten immer
wieder Menschen von unerklärlichen Heilungen, Erscheinungen
und Ereignissen. Die Dokumentation besucht Wissenschaftler in
ganz Europa, die sich mit wunderhaften Phänomenen auseinandersetzen, und begleitet die katholische «Kongregation für die Seligund Heiligsprechungen» bei der
Untersuchung von Wundern.
Donnerstag, 26. März
3sat, 20.15 Uhr
makro: Glaube und Profit
Wirtschaft scheint ein rationales
Geschäft. Zahlen, Verträge, Börsenkurse bestimmen die Entscheidungen in Unternehmen. Aber
Wirtschaft wird von Menschen
gemacht. Ihre Überzeugungen
schlagen sich nieder in unserem
Wirtschaftssystem. Auch unser
Geld funktioniert nur deshalb als
Währung, weil wir an den Wert
der bedruckten Scheine glauben.
Und mit dem Glauben von Menschen lässt sich nicht zuletzt Geld
verdienen. Das Wirtschaftsmagazin blickt auf die spannende
Wechselbeziehung von Glaube
und Profit.
Freitag, 27. März
3sat, 21 Uhr
KURS
Vom Mohrenkopf und von
anderen Alltagsgeschichten
[Bild] Perspektivenwechsel zur
Sensibilisierung gegen Diskriminierung dunkelhäutiger Menschen. Der praxisorientierte Workshop regt durch aktiven
Perspektivenwechsel zur Selbstsensibilisierung an. Er bietet die
Möglichkeit, den persönlichen Einstieg in eine empathische und
gleichberechtigte Beziehung mit
dem Gegenüber neu zu definieren.
Die Selbsterfahrung steht dabei
im Vordergrund.
Freitag, 10. April, 8. Mai, 9 Uhr
Paulus-Akademie Zürich
Carl-Spitteler-Str. 38, 8053 Zürich
Auskunft/Anmeldung: sofort
Tel. 043 336 70 41
www.paulus-akademie.ch
Texte – Thesen – Auslegungen
zum Thema «Gender»
Koran-Lektüre. Kaum ein Thema
dominiert die Debatte um den «Islam» derzeit so sehr wie die Geschlechterfrage, also die Frage,
wie es im Islam und im Koran um
das Verhältnis Mann - Frau bestellt ist. Ausgewählte Texte werden (in deutscher Übersetzung)
gelesen und ihre Wirkungsgeschichte anhand von Kommentaren und unterschiedlichen, teils
kontroversen Interpretationen aufgezeigt werden. Zur Sprache kommen soll auch die Frage: Was bedeuten die Texte für Muslime von
heute und wie gehen sie damit um?
Mittwoch, 13., 20., 27. Mai, 14.15 Uhr
Zürcher Lehrhaus
Limmattalstrasse 73, 8049 Zürich
Auskunft/Anmeldung: 24. April
Tel. 044 341 18 20
www.zuercher-lehrhaus.ch
Medienkritik
TREFFPUNKT
GEMEINDESONNTAG
Gemeindesonntag über Paul Vogt
Mit Gottesdienst, Vortrag von Dr.
Eberhard Busch, Buchpräsentation und Lesung von Pfarrer Heinrich Rusterholz zum Buch «… als
ob unseres Nachbars Haus nicht
in Flammen stünde». Anschliessend Diskussion.
Sonntag, 22. März, 10 Uhr
Ev.-ref. Markuskirche
Am Höhenring 56, 8052 Zürich
Auskunft: www.tvz-verlag.ch
KONZERT + VORTRAG
Das Lied der Liebe
Miguel Guldimann spielt auf der
10-saitigen Gitarre und erzählt davon, wie sein spiritueller und musikalischer Weg gegenseitig verknüpft und inspiriert ist. Er ist
Musiklehrer, Gitarrist, Lehrer der
Zenlinie Willigis Jäger.
Sonntag, 22. März, 18 Uhr
Bildungszentrum 21
Missionsstrasse 21, 4003 Basel
Auskunft: www.arsvitae.eu
PODIUM
Karikatur und Religion:
Humor im Grenzbereich?
Öffentliche Podiumsdiskussion mit
Prof. Dr. Pierre Bühler, Prof. Dr. Albert de Pury und Dr. Monika Glavac. Moderation: Dr. Anna-K.
Höpflinger und Prof. Dr. Daria
Pezzoli-Olgiati.
Dienstag, 24. März, 18.30 Uhr
Universität Zürich
Theologische Fakultät
Kirchgasse 1, 8001 Zürich
Auskunft: www.zrwp.ch
GESPRÄCH
Vom Entwurf des Guten –
Globales Chaos –
machtlose Uno
[Bild] Eine Veranstaltung im Rahmen des Zyklus: Vom Guten und
vom Bösen. Täglich dringen Meldungen zu uns, die von Gewalt und
schweren Menschenrechtsverletzungen auf der ganzen Welt berichten. Was setzen Staaten – und
wir – dem entgegen? Gespräch
mit Andreas Zumach, Journalist
und Uno-Experte, moderiert von
Hanspeter Uster, Jurist und Politiker.
Dienstag, 24. März, 19 Uhr
Kulturhaus Helferei
Kirchgasse 13, 8001 Zürich
Auskunft:
www.kulturhaus-helferei.ch
TREFFPUNKT
GESPRÄCH
«Kreuz – Schutz, Schmuck,
Provokation?»
Suche nach der Bedeutung eines
religiösen Symbols. Im Rahmen
der Ausstellung «Mein Kreuz –
mitten am Rand». Moderation: Andreas Nufer. Gast: Prof. Dr. Magdalene L. Frettlöh, Theologische
Fakultät, Universität Bern.
Mittwoch, 25. März, 19 Uhr
Heiliggeistkirche Bern
Spitalgasse 44, 3011 Bern
Auskunft: www.offene-kirche.ch
VORTRAG + PODIUM
Stoff für Konflikte? Religiöse
Kleidung im öffentlichen Raum
[Bild] Religionszugehörigkeit und
Glaube werden durch das Tragen
bestimmter Kleidung im öffentlichen Raum sichtbar. Welche Bedeutung hat diese Kleidung für
Personen, die sie tragen? Welche
Reaktionen gibt es aus der Öffentlichkeit, und was sind die Gründe
dafür? Wie kann man mit solchen
Reaktionen umgehen, und wie beeinflussen sie Personen, die religiöse Kleidung tragen?
Mittwoch, 25. März, 19.30 Uhr
Haus der Religionen
Europaplatz, 3008 Bern
Auskunft: www.refbejuso.ch
«Wir reformieren unser Tierbild!»
Tiere sind Geschöpfe wie Menschen. Aber dann beginnen die
Fragen, die schwer wiegen und
aufwühlen. Befragt werden verschiedene religiöse Traditionen
nach dem Stellenwert der Tiere.
Mit Anton Rozetter (Kapuziner,
Freiburg) zum Thema: Tier, Pflanze,
Stein, Mensch – wie Franz von Assisi die Geschöpfe sieht.
Mittwoch, 25. März, 19.30 Uhr
Farelhaus
Oberer Quai 12, 2503 Biel
Auskunft: www.ref-biel.ch
SOLIDARITÄTSVERANSTALTUNG
«Dinner for all»
Film – Gespräch – Apéro: «Vom
Fluch der Soja», Regie, Josef und
Lotti Stöckli, 2014. Kulinarisch –
Politisch – Klimaverträglich: Zwischen den Gängen, Wort und Musikbeiträge.
Donnerstag, 26. März, 18 Uhr
Ev.-ref. Kirchgemeindehaus
Paulus, Freiestrasse 20, 3012 Bern
Auskunft/Anmeldung: sofort
www.pauluskirche.ch
TREFFPUNKT
VORTRAG
Glaubensvorstellungen
und Klimawandel
Im Rahmen der Ringvorlesung
«Die Krise der Zukunft». Zum Thema Glaubensvorstellungen und
Klimawandel: Konflikt- oder Lösungspotential? Mit Dr. Regina
Betz (Zürich).
Donnerstag, 26. März, 18.15 Uhr
Universität Basel, Kollegienhaus
Petersplatz 1, 4001 Basel
Auskunft: https://vorlesungsverzeichnis.unibas.ch
Gott im Bild – Notwendigkeit
oder Provokation?
[Bild] Die sogenannt abrahamitischen Religionen (Judentum,
Christentum, Islam) kennen als gemeinsame Basis ein Kultbildverbot. Dennoch haben sie ganz unterschiedliche Kulturen religiöser
Bilder hervorgebracht. Wie ist es
dazu gekommen? Warum gehen
neufundamentalistische Muslime
heute gar mit brutaler Gewalt gegen religiöse Bilder und Symbole
innerhalb und ausserhalb des Islams vor? Warum tun sich säkulare Gesellschaften schwer mit religiösen Symbolen? Der Vortrag
zeigt Wege auf für eine gegenseitige Wertschätzung unterschiedlicher Bildkulturen hin zu kulturübergreifenden Symbolen, die
Sinn stiften. Vortrag von Thomas
Staubli, Dozent für Altes Testament an der Universität Freiburg
und Mitbegründer des dortigen
BIBEL+ORIENT Museums.
Donnerstag, 26. März, 19 Uhr
Forum für Zeitfragen, Leonhardskirchplatz 11, 4051 Basel
Auskunft: www.forumbasel.ch
Die «Palette»-Redaktion nimmt
gern Hinweise zu Veranstaltungen
entgegen (knapp formuliert,
wenn möglich mit Link).
Termin: spätestens drei Wochen
vor Veranstaltung respektive
vor Anmeldefrist.
Weitere Veranstaltungen
finden Sie unter:
www.ref.ch/agenda
Reformierte Presse, «Palette»
Rita Schwitter
Badenerstrasse 69, 8004 Zürich
Telefon 044 299 33 21
Fax
044 299 33 93
E-Mail [email protected]
15
Foto: srf
Tinette/CC BY-SA 3.0
Dominik Bartsch/CC BY 2.0
Tomoaki INABA/CC BY-SA 2.0
Nr. 12 I 20. März 2015 reformierte presse
Merfen für die Seele
Raphael Kummer – Das Magazin von «Fenster zum
Sonntag» folgt 14- täglich dem bekannten Muster: In
einer knappen halben Stunde wird ein Thema aus drei
Perspektiven beleuchtet. Aline Baumann hält die drei
Einspieler mit der Moderation zusammen. Jährlich
werden so rund 25 Magazinsendungen produziert und
ausgestrahlt. Der Titel der Ausgabe vom letzten
Sonntag war «Lernen zu trauern».
Die individuellen Formen des Trauerns zeigen sich bei
der Familie von Jana, die vor neun Monaten tot zur
Welt kam, beim Abschiednehmen: Der Vater schrieb
einen Brief, der Grossvater zimmerte das «Särgli», die
kleine Schwester bemalte es. Auch Rahel Schranz
verarbeitet durchs Malen: 23 Jahre nach dem Tod ist
der Schmerz über den Verlust der damals 3-jährigen
Salome noch präsent. Für sie sei das wie ein Herzinfarkt gewesen. Sie lebe zwar noch, aber es sei etwas
kaputt, etwas sei abgestorben. «Ich hätte mehr trauern
sollen», sagt sie heute. Sie werde nicht immer
verstanden, dass sie nach so langer Zeit noch Trauer
verspüre. «Ich will nicht, dass die Trauer mich
innerlich auffrisst. Egal was die Leute sagen, aber das
muss einfach raus.» Bei Portners ist es sechseinhalb
Jahre, dass sie den 31-jährigen Ehemann und «Päpu»
von heute auf morgen verloren haben. Auch Andrea
Portner beschönigt ihre Gefühle nicht: «Hässig sein
und nicht verstehen, das darf ich zulassen.»
Laut eigenen Angaben spricht die Sendung Menschen
an, die sich für die Diskussion aktueller, gesellschaftlicher und sozialer Themen aus einer christlich-ethischen Perspektive interessieren. Das Format knüpfe
inhaltlich an die Erfahrungs- und Problemwelten der
Zuschauer an; das Altersspektrum liege zwischen
25 und 49 Jahren. In den Beiträgen kämen persönliche
Lebens- und Glaubenserfahrungen zur Sprache und
böten somit unaufdringlich Lebenshilfe an. Diesem
Anspruch hält die Sendung stand. Die verschiedenen Aspekte des Trauerns kommen in 28 Minuten zur
Sprache, ohne oberflächlich zu bleiben. Die Auswahl der Hinterbliebenen, gemessen an ihrer unterschiedlich langen Trauerzeit, ist geschickt. Wünschenswert wäre aber gewesen, statt eines zweiten
Kindstodes auch die Trauer um einen älteren Menschen zu thematisieren. Die zuweilen sehr emotionale Musikuntermalung der Beiträge ist unnötig. Die
Tränen der Trauernden wirken auch so.
SRF 2, FENSTER
ZUM SONNTAG
vom 15. März 2015
http://bit.ly/1FvgqFY
16
Wendepunkt
«Heute bin ich dankbar
und denke: Das war
wohl Gottes Plan»
Wochenzeitung der reformierten Kirchen
Nr. 12 I 20. März 2015 I Freitag vor Judika
Anna Grob-Sarkisyan (55) hat
den Weg vom Asylheim in den
Kirchenvorstand gemacht.
Aufgewachsen bin in Armenien,
in einem Dorf am Fusse des biblischen Berges Ararat. Nach
den Schulen hatte ich Sprachen
(Deutsch und Russisch) studiert
und als Lehrerin gearbeitet. Ich
war verheiratet mit einem Architekten und wir haben zwei
Töchter. Dann kamen politisch
schwierige Zeiten. Mein Mann
war auch Aktivist, wurde mit der
politischen Gegenseite konfrontiert und von einem «Kollegen»
umgebracht. Ich wollte die Wahrheit darüber ans Licht bringen,
habe mich an Journalisten und
das TV gewandt, doch ohne Erfolg. Im Gegenteil, ich wurde bedroht und eingeschüchtert.
So bin ich 2006 über Moskau
ausgereist. Eigentlich wollte ich
zu Bekannten nach Frankreich,
doch dann bin ich in Kreuzlingen gelandet und habe in der
Aufgezeichnet von Herbert Pachmann.
Schweiz Asyl beantragt. Rasch
habe ich Arbeit gesucht, in der
Gastronomie gejobbt und mich
mit Putzarbeiten über Wasser gehalten. Dann konnte ich über das
Rote Kreuz eine Ausbildung machen und arbeite heute als Pflegeassistentin in einem Altersheim.
Nicht nur das Land und die
Kultur haben sich für mich geändert, auch die Religion. Ich gehörte zur armenisch-apostolischen
Kirche, die viel Ähnlichkeit mit
der griechisch-orthodoxen Kirche
hat. Heute sehe ich diese Kirche
sehr kritisch. Da geht es viel um
Macht, Prunk und Geld.
Dafür schätze ich das Reformierte: die schlichten Gottesdienste, die Predigt und vor allem
den Einsatz für die Menschen. Sie
machen etwas für das Volk, ohne
Glanz, und zünden nicht einfach
Kerzen an. Das gefällt mir. Und
die Menschen haben mir geholfen, hier eine Heimat zu finden.
Ich engagiere mich in der Freiwilligenarbeit und gehöre seit zwei
Foto: RP/Pachmann
Jahren auch zum Kirchenvorstand. Einmal im Jahr aber, an
Weihnachten, gehe ich in die orthodoxe Kirche.
Kampf und Geduld
Der Anfang in der Schweiz war
schwierig. Ich musste bei Null
anfangen, spürte Misstrauen und
fühlte mich gar nicht willkommen. Manchmal musste ich kämpfen, manchmal viel Geduld haben. Da war es vor allem eine
reformierte Pfarrerin, die mir geholfen hat zu verstehen, die mir
Mut gemacht und mich immer
wieder beraten hat. Dadurch habe
ich zur Kirche gefunden und dort
auch meinen zweiten Mann kennengelernt. Heute bin ich dankbar und denke: Das war wohl
Gottes Plan.
Ich bin hier integriert und engagiere mich mit meinen Erfahrungen auch für multikulturelle Begegnungen. Einmal im Jahr fahre
ich zu Besuchen nach Armenien
und sehe, dass das Leben dort mit
dem politischen Wandel sehr aggressiv geworden ist. Aber wenn
ich pensioniert bin, möchte ich
in Armenien ein Altersheim gründen. So etwas gibt es dort nicht.
Zunächst aber organisiere ich mit
meinem Mann Hilfsgüter, die wir
nach Armenien schicken.