Medizinische Grundlagen Pädiatrie II Astrid Blaschek Dr. von Haunersches Kinderspital [email protected] Übersicht • • • • • • Einführung Pädiatrie Physiologie Entwicklung Vorsorge Impfungen Vorstellung einzelner Pathologien Herausforderung Pädiatrie Herausforderung Pädiatrie • Gesamtes Spektrum der Medizin • Kinder sind keine „kleinen Erwachsene“ • Besonderheiten der einzelnen Altersstufen – Wachstum – Veränderungen der Funktion einzelner Organe – Reifung des Gehirns • Medikamentöse Therapie – Max. 90% der Medikamente zugelassen – Gewichtsadaptierte Dosierungen Herausforderung Pädiatrie • Interaktion mit den Patienten • Interaktion mit den Eltern • Anamnese – Fremdanamnese – Sozialanamnese – Familienanamnese • Untersuchungssituation – Körperliche Untersuchung – Technische Untersuchungen • Beratung Pädiatrie - Physiologie postnatale Adaptation Neugeborene - Adaptation • Lungenentfaltung (Surfactant) • Kreislaufumstellung • Absetzen von Mekonium innerhalb 12 Stunden • Stoffwechsel: Glykogenabbau, Fettabbau • Gewichtsverlust von 10% (extrazelluläres Wasser) • Einsetzen der Diurese innerhalb 48 Stunden • Schlechte Thermoregulation • Hormonumstellung Neugeborene - Adaptation Wachstum Ernährung Wachstum • Messung von Gewicht, Länge, Kopfumfang • Eintrag in Perzentilenkurve Wachstum Wachstum • Gewichtsverlauf: – 1. Geburtstag GG x 3 – 6. Geburtstag GG x 6 – 12. Geburtstag GG x 12 • Größenverlauf: – Geburt ca. 50 cm – 1. Geburtstag ca. 75 cm – 6. Geburtstag ca.115 cm – 12. Geburtstag ca. 150 cm Neugeborene - Ernährung • Muttermilch – – – – Relativ niedriger Proteingehalt (Enzymausstattung) Hoher Kohlenhydratgehalt (Laktose, saure Stühle) Essentielle Fettsäuren + Lipase Immunglobuline, Lysozym, Lactoferin • Cave – – – – Zu wenig Vitamin D + K Substitution wenig Mineralien Fluorprophylaxe gegen Karies Infektionsübertragung (HIV, Hepatitis, CMV) mütterliche vegane Ernährung (Vit. B12!) Kinder - Ernährung Kinder - Ernährung Optimierte Mischkost 5 Mahlzeiten am Tag vorgesehen: 2 kalte Hauptmahlzeiten (z. B. morgens und abends) 1 warme Hauptmahlzeit (z. B. mittags) 2 Zwischenmahlzeiten (z.B. vormittags und nachmittags) Psychomotorische Entwicklung Psychomotorische Entwicklung • Meilensteine der Entwicklung Neugeboren Spontanmotorik alternierend seitengleich mittellebhaft Kopf meist zu einer Seite Arme liegen seitlich, in den Schultern abduziert Ellbogen gebeugt, Finger locker Beine in der Hüfte etwas gebeugt leicht abduziert, in Außenrotation Knie und Sprunggelenk in Mittelstellung Reflexe Schreit-Reflex 1-2. LM Galant- Reflex 1-2. LM Glabella 1.-2.LM Reflexe Saugreflex 1.-4.2LM palmarer Greifreflex 1.-6.LM plantarer Greifreflex 1.-11.LM Reflexe Moro Reaktion 1.-5.LM Atonic neck Reflex (ATNR) 1.-6.LM 3 - 4. Monat Rückenlage • viel ,alt. Spontanmotorik, Kopfdrehen oft mit Blickfolge • Hände in Mittelinie betrachten • Spielzeug halten aber nicht loslassen Traktion Kopf recht gut mitgenommen 3 -4. Monat Bauchlage: • Kopfhalten bis 45 Grad • kurzer EB Stütz mit beg. Streckung der Wirbelsäule Reflexe: NG Reflexe verschwinden (Palmares greifen, ATNR…) 3 - 4. Monat Sprache spontanes Vokalisieren beginnt 6 Monate Motorik: •Bei Traktion gute Kopfkontrolle •Rückenlage wird nicht mehr bevorzugt •Umdrehen RL in BL 6 Monate Motorik: Bauchlage Handstütz mit Balance greift nach Objekt außerhalb Reichweite Stand gehalten zeitweise gute Gewichtübernahme „Hüpfen“ 6 Monate Sprache und Hören „Erzählen“ lacht und quietscht laut Vokalisieren auf Ansprache beg,. Silbenketten 9 Monate Motorik Greifen Kneifzangengriff Ißt vom Löffel Motorik RL und BL werden selten Bewegungsübergänge Kann frei sitzen Krabbeln Soziales Artikuliert Wünsche Fremdeln beginnt 12 Monate Motorik Viel Bewegung Bärengang Aufstehen aus Krabbelposition Beginnendes freies Gehen „Physiologsiche Ataxie“ Feinmotorik Pinzettengriff Sprache Doppelsilben Erste Worte 18 Monate Feinmotorik Motorik Laufen Turm mit 2-4 Klötzchen Treppensteigen Kritzeln Rückwärtslaufen Kleidungstücke ausziehen Ball über Kopf werfen Löffel benutzen Soziales: Hilft im Haushalt 2 Jahre Sprache 2 Wort Sätze und mehr Spiel Imaginär 30 Monate Motorik: Soziales: trennt sich von Bezugspersonen Fangen spielen Ball schießen Hüpfen Anziehen Sprache: 2 Wortsätze Mehrzahl Namen Interesse für Farben beginnt Psychomotorische Entwicklung • • • • Anamnese Beobachtung Spielerische Testung Körperliche Untersuchung Wichtige Meilensteine • • • • • • Soziales Lächeln im 2. Lebensmonat Pinzettengriff um 10. Lebensmonat Sitzen frei 9 Monate Laufen 18 Monate Erste Worte um 1. Geburtstag 2 Wortsätze 2. Geburtstag Pädiatrie – Vorsorge Vorsorgeuntersuchungen - Übersicht U1 • 10-15 min nach der Geburt • Beurteilung Vitalzustand (APGAR-Score) • Nabelschnur-pH • Beurteilung Reifegrad • Ausschluss von Geburtsverletzungen • Vitamin K 2 mg p.o. U2 • • • • • • 3.-10. Lebenstag ausführliche klinische Untersuchung Erweitertes Neugeborenen-Screening Hör-Screening Vitamin K-Gabe D-Fluorette U2 Neugeborenen-Screening • Rationale • Informed consent der Eltern • Empfohlener Zeitpunkt 36. – 72. Lebensstunde Erweitertes bayerisches Screening Ausblick • • • • Tyrosinämie I LCHAD-Mangel VLCAD-Mangel CPT I-Mangel • CPT II-Mangel U3 4. -6.LW • klinische Untersuchung • Lautieren, Lächeln, Fixieren, Verfolgen • Vitamin K-Gabe 2mg • Rachitis-, Fluorprophylaxe • Hüft-Screening • Primitivreflexe + motorische Entwicklung • Beginn Grundimmunisierung Hüftscreening • Im Rahmen der U3 • Ziel: Vermeidung von Spätschäden durch Hüftgelenkluxationen • Vermeidung operativer Korrekturen • Morphologische Beschreibung • Messung von Winkeln Besonderheiten der weiteren U´s U4 (3-4LM) Sozialer Kontakt, neurologische Meilensteine (Kopfhebung., UA Stütz) Verschwinden der Primitivreflexe U5 (6.-7.LM) Koordination Hände´/ räumliches Sehen Greifen Silbenketten U6 (10-12.LM) Motorik fremdeln Aktiv Impfungen besprechen U7 (21.24.LM) Sprache ( ?Zweiwortsätze) Motorik Abschluss Grundimmunisierung U8 (43-48.LM) Hören und Sehen U9 (60-64.LM) Vorschulreife, Verhalten, Impfstatus, 1. Auffrischung dTP J1(12-13 Jahre) Pubertätsstatus, Impfstatus, 44 • Rationale Impfungen – Schutz des Kindes – Schutz der Umgebung – Ökonomische Überlegungen • Kontraindikationen – Allergien gegen Impfstoffbestandteil – Immundefekt (Lebendimpfstoff) – Schwangerschaft (Lebendimpfstoff) • Nebenwirkungen – „harmlose“ Impfreaktion – Impfschäden SEHR selten Impfungen Pädiatrie - Pathologie Wachstum • Wachstumsstörungen – – – – – – Def.: <3 oder > 97. Perzentile Verlauf Proportionen Skelettalter Familie Hormoneller Status (Routinelabor, Schilddrüse, IGFBP3, 17OH Progesteron, Kortisol im Urin, Chromosomen) 48 Perzentilenkurven Kleinwuchs < 3. Perzentile Familiärer Kleinwuchs familiär EA Konstitutionelle Entwicklungsverzögerung Plazentainsuffizienz, Infekte, Hypoxie Alkohol Mangel Alimentär, chronische Krankheiten hormonell Schilddrüse Wachstumshormon Hyperkortisolismus Genetik Skelett Turner Syndrom, Trisomie 21, Genetische Syndrom.(u.a. Prader Willi, Noonan, Williams Beuren Speicherkrankheiten (z.B. Mukopolysaccharidosen) Rachitis 50 Genet. (Osteogenesis imperfecta, Achondroplasie) Kleinwuchs : Alkoholembryopathie Vor-/nachgeburtliche Wachstumsstörungen • in KL, Gewicht und Kopfumfang • Störungen des ZNS • Sprache, Hören, Schlafen • Entwicklungsverzögerung • Hyperaktivität • Gesichtsveränderungen •geschrägte Lidachsen, enge Lidspalten •schmales Lippenrot • hypoplastisches Philtrum • niedrige Stirn •kurzer Nasenrücken •Fehlbildungen •Gaumenspalte, Herzfehler, Augenfehlbildungen, Leistenbruch 51 Kleinwuchs: Genetik Turner (X0): Kleinwuchs, kurzer Hals (Pterygium colli),kurze Finger, hoher Gaumen, Hufeisennieren, Aortenisthmusstenose Trisomie 21 Prader Willi (Chr 15): Kleinwuchs, Muskelhypotonie, geist Behinderung, Freßattacken, Hypogonadismus Noonan Turner Noonan: ähnelt Turner, Herzfehler, Hypertelorismus, Ptosis, große Ohren Williams Beuren: Chr 7, u.a. Elastin Gen Gesichtdysmorphien, Mikrozephalie, langer Thorax, Herzfehler, geist Retardierung Williams Beuren 52 Prader Willi Syndrom Kleinwuchs Knochen • Rachitis • Osteogenesis imperfecta – Störung der Kollagensynthese (95% Kollagen1) – Symptome sehr variabel: Knochenbrüchigkeit, Minderwuchs, Blaue Skleren • Achondroplasie – Skelettdysplasie, disproportionierter Kleinwuchs, kurze Extremitäten größer Schädel – einfallende Nasenwurzel – Genu valga, plumpe Hände und Füße – Kyphosen, Lordosen 53 Kleinwuchs: Familiärer Ursachen Familiärer Kleinwuchs ! Keine Erkrankung! • häufigste Ursache für Kleinwuchs. Hierbei handelt es sich nicht um eine • die Eltern des Betroffenen sind klein - Nachkommen klein • Endgröße liegt im genetischen familiären Zielbereich Konstitutionelle Entwicklungsverzögerung (KEV) • 27% die zweithäufigste Ursache für Kleinwuchs • vor allem bei Jungen , oft familiär • Wachstumsgeschwindigkeit vermindert / Eintritt Pubertät verzögert • Normale Endgröße wird später erreicht • Knochenalter entspricht dem Längenalter 54 „Fall: Speichererkrankung plus Muskelverdickung“ „Speichererkrankung plus Muskelverdickung“ • Schwangerschaft sonographisch hypotrophes Kind • Geburt 41. SSW GG2890g KL 47cm KU 33,5cm • Entwicklung bis zum Alter von 7 Monaten normal 56 „Speichererkrankung plus Muskelverdickung“ Ab 6. Monat • Entwicklungsregression • Wachstumsstillstand • Inaktiv • Kein Appetit • Mehrere Bronchitiden/ Pneumonien 57 „Speichererkrankung plus Muskelverdickung“ • 9 Monate: – Muskuläre Hypotonie – Muskelverdickung – Kardiomyopathie hypertroph • Überweisung Kardiologie Heidelberg mit V. a. Speicherkrankung 58 „Speichererkrankung plus Muskelverdickung“ • Konsultation zwischen Tür und Angel mit den „Neurologen“ Fazit: V. a. degenerative Speichererkankung Kind soll stationär zur Diagnostik aufgenommen werden….. 59 „Speichererkrankung plus Muskelverdickung“ Stat. Aufnahme im Alter von 11 Monate Diagnostikprogramm Speichererkankungen läuft an Tag 1 Anamnese/ körperliche Untersuchung – – – – – – – – 60 Grimmig dreinschauender Patient Hautkolorit gelblich ohne Sklerenikterus Raue feste dicke Haut Stark ausgeprägte Muskulatur Dicke Zunge Nabelhernie Fontanelle weit offen, weite Schädelnähte Fixiert, kein Greifen, wenig Bewegung, kein Drehen, MER schwach, „Speichererkrankung plus Muskelverdickung“ Tag 2 Blutentnahme und LP – – – – – CK 1249U/l GOT 106U/l GPT 76U/l Bilirubin normal Laktat/ Liquor normal MRT-Demo: Verzögerte Myelinisierung, inhomogener Raumforderung in der Hyophyse DD Teratom/Germinom 61 „Speichererkrankung plus Muskelverdickung“ Tag 3 Röntgen morgens – Hand: Knochenalter retardiert – Schädel: keine Aufweitung der Sella, weite Schädelnähte – Becken/OS/US: ohne Hinweis auf Dysplasie Laborbefund vom Vortag: TSH <150 mU/l massiv erhöht fT3 und fT4 nicht messbar!! Anti TPO 7830U/ml, anti TG 16000U/ml 62 „Speichererkrankung plus Muskelverdickung“ Massive Hypothyreose bei Hashimoto Thyreoditis 63 Übersicht • • • • • • Einführung Pädiatrie Physiologie Entwicklung Vorsorge Impfungen Vorstellung einzelner Pathologien
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