BÜRO UND VERWALTUNG Alle Fotos: Dräger Safety Brandschutz Bild 1: Das Feuerwehr-Service-Zentrum Braunschweig Mieten statt kaufen Die Feuerwehr Braunschweig und ihr Public-Private-Partnership Die angespannte Finanzsituation der Städte und Kommunen zwingt die öffentliche Hand zunehmend zu einer betriebswirtschaftlich orientierten Denkweise und eröffnet damit Chancen für neuartige Kooperationen mit privaten Unternehmen. Dass Public-Private-Partnership auch für einen sicherheitsrelevanten Bereich wie die Feuerwehr interessant sein kann, zeigt das Beispiel des Feuerwehr-Service-Zentrums Braunschweig. I n Braunschweig kam es zu einer bisher in Deutschland einmaligen Partnerschaft: Dräger Safety unterstützt die Feuerwehr bei der Wahrnehmung ihrer hoheitlichen Aufgaben. Das Unternehmen plante, baute und finanzierte das neue Feuerwehr-Service-Zentrum (FSZ, Bild 1) und betont so seine Stellung als Anbieter umfassender Problemlösungen. Die Stadt Braunschweig bekommt mit dieser Kooperation die Möglichkeit, das Investment zu refinanzieren. Am Anfang – im Jahr 2000 – stand die Erkenntnis, dass die Finanzmittel für die Ausstattung der neuen Braunschweiger Feuerwache Süd mit der notwendigen Infrastruktur nicht reichen würden. Diese sollte eine Schlauchpflegeanlage, eine Werkstatt für die Wartung, Pflege und Instandhaltung der Atemschutzund Gasmessgeräte (Bild 2) sowie eine W&S BÜRO/VERWALTUNG 6-7/2006 Ausbildungs- und Trainingsanlage umfassen. „Die Marschrichtung bei der Stadt lautete: Es gibt keine Neuverschuldung, es werden keine Kredite aufgenommen“, erläutert Carl-Heinz Beykuffer, der Verwaltungsleiter der Berufsfeuerwehr Braunschweig. Und Hans-Joachim Gressmann, der Leiter der Feuerwehr ergänzt: „Da die Infrastruktur auf der Hauptwache aus der Nachkriegszeit stammte, gab es aber eine große Notwendigkeit, etwas zu tun. Also stellten wir uns die Frage, wie wir das dringend benötigte Feuerwehr-Service-Zentrum anderweitig finanzieren könnten.“ Private Wirtschaft als Partner Daher streckten die beiden ihre Fühler in Richtung der privaten Wirtschaft aus: Sie führten informelle Gespräche mit verschiedenen potenziellen Partnern – unter anderem Dräger Safety – über ein generelles Interesse und vorhandene Lösungsansätze seitens der Industrie. Y AUTOREN Burkard Dillig ist Leiter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bei der Dräger Safety AG & Co. KGaA, Lübeck. Tel.: 0451/882-2185 E-Mail: [email protected] Morten Voß ist Leiter Focus Group, Training & Workshop Systems bei dem gleichen Unternehmen. Er leitete das beschriebene Projekt. E-Mail: [email protected] www.draeger-safety.com 27 BÜRO UND VERWALTUNG Brandschutz Sie erreichten, dass die Stadt die Errichtung und den Betrieb eines FeuerwehrService-Zentrums im Bieterverfahren national ausschrieb. Dräger Safety qualifizierte sich in dem Teilnahmewettbewerb und legte bei der anschließenden Ausschreibung ein Konzept vor, das eine gute Basis für weitere Gespräche bot. Die Stadt trat deshalb in Verhandlungen mit dem Lübecker Unternehmen ein, die letztendlich zu einem für beide Seiten Gewinn bringenden Geschäftsmodell führten: Dräger Safety bringt die erforderlichen finanziellen Mittel zur Errichtung des FSZ ein und hat die Generalverantwortung für die Errichtung der Anlage. Darüber hinaus ist das Unternehmen für die Wartung und Instandhaltung der Anlage über die Vertragslaufzeit von 15 Jahren sowie für die Ausbildung der Mitarbeiter im FSZ verantwortlich. Die Nutzung der Anlage erfolgt im Rahmen eines Mietkaufmodells durch die Feuerwehr der Stadt Braunschweig. Das FSZ bietet als zukünftige feuerwehrtechnische Zentrale für die Berufsfeuerwehr Braunschweig sowie der 30 Ortsfeuerwehren der Stadt Braunschweig eine Atemschutzwerkstatt sowie eine moderne Schlauchpflegeanlage. Weiterhin stehen eine Atemschutzübungsstrecke, ein Flashover-Container sowie Trainingsbereiche für die Ausbildung der Feuerwehrleute zur Verfügung. Bild 2: Test von Masken in der Atemschutzwerkstatt Bild 3: In der Atemschutzübungsstrecke Gemeinsame Entwicklung Die Form der Zusammenarbeit basiert auf einem PPP-Modell (Public-PrivatePartnership), bei dem die Kooperation auch die Vermarktung der umfangreichen feuerwehrtechnischen Dienstleistungen und Seminarangebote des FSZ durch Dräger Safety einschließt. Die Erlöse aus dieser Kooperation dienen zur Refinanzierung der Mietaufwendungen für die Stadt. PPP-Modelle werden vor allem dort erfolgreich praktiziert, wo die öffentliche Hand die Erbringung der hoheitlichen Aufgaben durch die Einbindung privater Unternehmen besser oder kostengünstiger realisieren kann. Bereits in der Vertragsgestaltungsphase entwickelten die Partner gemeinsam neue Wege und Konzepte, um die Aufgabenfelder unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten neu zu betrachten und zu gestalten. Gerd Zeisler, Regionsleiter der Dräger Safety für Europa, unter28 Bild 4: Vorbereitung für den Einsatz im Flashover-Container streicht dies, wenn er sagt: „Wir hatten es hier mit einer Pionierleistung zu tun, die erstmalig die Interessen und Bedürfnisse der Öffentlichen Hand mit den Interessen eines privatwirtschaftlichen Unternehmens im Feuerwehrwesen verbindet und somit für beide Partner eine Gewinn bringende Situation schafft. Die Konstellation war absolutes Neuland für uns. Es gab bisher in Deutschland kein Beispiel für eine ähnliche Problemlösung, auf die man sich hätte berufen können.“ Zu der Infrastruktur des FSZ gehören unter anderem: Y Atemschutzwerkstatt mit Atemschutzgerätelager für die Pflege und Wartung der Atemschutz- und Gasmessgeräte der Feuerwehren sowie Industrieunternehmen und Rettungsorganisationen Y Betrieb einer modernen Atemschutzübungsstrecke mit einem angegliederten Übungs- und Fitnessbereich Y Betrieb eines Flashover-Containers, in dem die Feuerwehreinsatzkräfte unter Atemschutz das Feuerverhalten unter W&S BÜRO/VERWALTUNG 6-7/2006 Brandschutz Bild 5: Einsatz im Flashover-Container BÜRO UND VERWALTUNG dichtem Brandrauch erleben die Feuerwehrleute im Container die Entwicklung einer Rauchgasdurchzündung und erlernen unter kontrollierten Bedingungen das richtige Verhalten in diesen Situationen (Bilder 4 und 5). Im Übungs- und Fitnessbereich trainieren die Feuerwehrleute ihre Kondition auf dem Ergometer, dem Laufband, der Endlosleiter und am Schlaghammer. Die sportwissenschaftliche Betreuung hilft den Feuerwehrleuten, beim nächsten Einsatz auf den Punkt fit zu sein, um Menschen zu retten und Sachwerte zu schützen (Bild 6). Vorteile für alle Bild 6: Fitnesstraining mit voller Ausrüstung unter sportwissenschaftlicher Betreuung Bild 7: Die Schlauchpflegeanlage spart wertvolle Zeit. realistischen Bedingungen trainieren Y moderne Schlauchpflegeeinrichtung mit Schlauchlager Training für den Ernstfall Die neue Atemschutzübungsstrecke hat weit mehr zu bieten als die alte auf der Hauptwache. Hier werden die Feuerwehrleute unter Stress gesetzt, körperlich und psychisch an ihre Grenzen geführt, um für den Ernstfall trainiert zu sein. Sie müssen sich unter Atemschutz durch ein Labyrinth aus Tunneln, RöhW&S BÜRO/VERWALTUNG 6-7/2006 ren und schiefen Ebenen bewegen, um zum Beispiel die Orientierung in Dunkelheit, Hitze, Rauch und lärmerfüllter Umgebung zu trainieren (Bild 3). Die Überwachung erfolgt vom Regiepult aus per Kontaktsensoren und Infrarotkamera. Richtig heiß wird es im FlashoverContainer: An die Stelle der Simulation tritt die realistische Darstellung der verschiedenen Stadien eines Brandes in geschlossenen Räumen. Bei Temperaturen von über 300 Grad Celsius sowie Die moderne Schlauchpflegeanlage ersetzt den bisher notwendigen 30 Meter hohen Schlauchtrockenturm und das 30 Meter lange Reinigungsbecken. Der Reinigungs- und Trocknungsprozess für einen Schlauch dauert nicht mehr – wie bisher – mehrere Tage, sondern nur noch Minuten (Bild 7). Bei rund 1 000 Schlauchwäschen, die die Braunschweiger Feuerwehr pro Jahr durchführt, spart das sehr viel Zeit und personellen Aufwand. Zeit, in der nun Schläuche von anderen Feuerwehren sowie Katastrophenschutzorganisationen aus der Region gereinigt werden können. Für Dräger Safety bietet die Kooperation mit dem FSZ die Möglichkeit, das Dienstleistungsangebot zu erweitern. So kann das Unternehmen jetzt beispielsweise für eine Werkfeuerwehr die gesamte Pflege von Feuerwehrschläuchen übernehmen. Die Kunden haben den Vorteil, nicht selbst die kapitalbindende Infrastruktur am Laufen halten zu müssen. Verwaltungsleiter Beykuffer beschreibt die vier Jahre dauernde, projektbezogene Zusammenarbeit als vertrauensvoll und partnerschaftlich: „Die Chemie zwischen den Partnern hat gestimmt, sodass sich am Ende des Projekts bestätigt hat: Wir haben eine Win-Win-Situation für beide Partner erreicht.“ Feuerwehrchef Gressmann ergänzt: „Und außerdem haben wir jetzt eine Infrastruktur und Gerätschaften, die das Modernste sind, was man heute kaufen kann.“ Mittlerweile läuft der Betrieb des FSZ 18 Monate lang erfolgreich. Die partnerschaftliche Zusammenarbeit setzt sich nahtlos in der Betriebsphase fort, sodass die Interessen beider Parteien ausgewogen berücksichtigt werden können. 29
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