EU-Vogelarten und die Grenzen der Eingriffsregelung Warum CEF-Maßnahmen für Schwarzstörche und Wespenbussarde in Lebensräumen mit optimaler Nahrungs- und Brutrevierausstattung nicht greifen können – aufgezeigt am Vorhaben „Windpark Markgrafenwald“ Von Michael Hahl In Bezug auf das Vorhaben „Windpark Markgrafenwald“ im südöstlichen Odenwald (Gemarkungen Waldbrunn u. Eberbach, Neckar-Odenwald-Kreis u. Rhein-Neckar-Kreis) wurde vereinzelt angeregt, über CEF-Maßnahmen im Bereich der Eingriffsregelung den Tatbestand gemäß § 44 BNatSchG auszugleichen und hierdurch eine artenschutzrechtliche Genehmigung zu erzielen. Diese Überlegungen werden nachfolgend auf der Grundlage umweltrechtlicher und naturschutzfachlicher Betrachtungen sowie gutachterlicher Empfehlungen von Artexperten kritisch hinterfragt. Es wird aufgezeigt, warum CEFMaßnahmen (auch als „vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen“ bezeichnet) für windkraftrelevante europäische Vogelarten wie Schwarzstorch und Wespenbussard in einem hervorragenden Brut- und Nahrungshabitat, dem Markgrafenwald-Höllbach-ReisenbachSystem, artenschutzrechtlich nicht vertretbar sind. Beurteilung von CEF-Maßnahmen auf Basis der Raumnutzungsanalyse eines deutschlandweit anerkannten Artexperten Zunächst ist auf das Gutachten zu verweisen, das unter dem Titel „Saisonales Raumnutzungsmuster von Schwarzstorch (Ciconia nigra) und Wespenbussard (Pernis apivorus) im Markgrafenwald (Odenwald). Untersuchungen im Windparkplanungsgebiet „Markgrafenwald“ (Odenwald)“ im Jahr 2014 von Carsten Rohde, Büro CINIGRA, vorgelegt wurde. Darin wird unmissverständlich auf die qualitativ hochwertig ausgestatteten Nahrungshabitate – insbesondere die naturnahen Bachläufe Höllbach und Reisenbach – hingewiesen. Nachfolgend einige Auszüge aus dem Gutachten: „Ausschlaggebend für den Aufbau und eine erfolgreiche Etablierung einer gesunden Schwarzstorchpopulation ist stets die Existenz ökologisch anspruchsvoller und ungehindert erreichbarer Fließgewässer.“ Hinzu kommt, dass die Bereiche des betreffenden Höhenrückens (gemäß Einträge in der TK50 als „Augstel“, „Winterhauch“ und „Markgrafenwald“ bezeichnet) „als essentielle Thermikareale für den Schwarzstorch einzustufen“ sind, was in Kombination mit den ringsum benachbarten hervorragenden Nahrungshabitaten zu regelmäßigen Überflügen führt. Der Top-Lebensraum des Höllbach-Reisenbach-Markgrafenwald-Ökosystems „gab in den letzten Jahren entscheidende Impulse für eine sich fast unbemerkt aufbauende lokale Schwarzstorchpopulation. Im Verbreitungszentrum befindet sich das WEA-Planungsgebiet.“ Windenergieanlagen würden im Falle einer Genehmigung inmitten dieses Habitats errichtet werden. Bei einer Errichtung der WEA werden daher die Verbotstatbestände nach § 44 BNatSchG umfassend erfüllt. „Spezielle CEF- und FCS-Maßnahmen (u.a. besondere Artenschutzmaßnahmen mit konkretem Individuenbezug) können aufgrund der umfangreichen Erschließung des WEA-Planungsgebietes der dargestellten Schwarzstorchpopulation eine Verschlechterung des Erhaltungszustandes nicht abwenden (eine funktional wirksame Wahrung oder Verbesserung des aktuellen Erhaltungszustandes kann nicht belastbar prognostiziert werden). 1 Eine wiederholt diskutierte und von den Planern erwünschte „Umsiedlung“ von den inzwischen etablierten Schwarzstorchbrutrevieren im Odenwald, um so über angedachte „Kompensationsmaßnahmen“ den Schwarzstorch aus der „Gefahrenzone“ des WEAPlanungsgebietes im Markgrafenwald zu „delegieren“, ist artenschutzfachlich unannehmbar, da von einer Top-Schwarzstorchbrutrevierausstattung im Ist-Zustand die Rede ist: o Geomorphologisch ist das Planungsgebiet von den für den Schwarzstorch bedeutungsvollen und ökologisch hochwertigen Nahrungsgewässern Reisen- und Höllbach eingeschlossen. In ein intaktes Fließgewässernetz inklusive seiner vorhandenen Auendynamik greift man mit „gewünschten Biotopmaßnahmen“ generell nicht ein (u.a. Verschlechterungsverbot eines FFH-Lebensraumtypes). o Das Anlegen zusätzlicher Nahrungsgewässer außerhalb des Gefahrenbereiches macht ferner im Odenwald aufgrund seiner Genese und sichtbaren Habitatausstattung natur- und artenschutzfachlich keinen Sinn. Die Störche werden zwar neue Stillgewässer saisonal nutzen – erschließen aber unverändert und vor allem bevorzugt die nahrungsreichen sowie störungsarmen Fließgewässer im Zentrum und Umfeld des Planungsgebietes. Eine „Umsiedlung“ wird nicht erzielt und das Tötungsrisiko behält somit unverändert seinen Fortbestand. o Die Neuanlage von Nistplattformen außerhalb des zu betrachtenden „Gefahrengebietes“ ist auch nicht zielführend, da die Schwarzstörche innerhalb ihrer Optimal-Lebensräume sehr reviertreu sind und unverändert die Nähe zu ihren angestammten und optimal ausgestatteten Brut- und Nahrungshabitaten suchen. Im Gegenteil, es könnten sich außerhalb des vermeintlichen Gefahrenbereiches weitere Schwarzstörche ansiedeln, die perspektivisch das Planungsgebiet mit Überflügen zusätzlich „belasten“ (hier bündelnde Wirkung im Zusammenhang mit der Anlage zusätzlicher Stillgewässer für neue Schwarzstorchansiedlungen). o Fazit: mit einem angedachten „Biotop-Management“ zur Umsiedlung von Schwarzstörchen im Markgrafenwald wird genau das Gegenteil erreicht – man lockt zusätzlich Schwarzstörche in die Region, wo ggf. die Ausstattung an Nahrungshabitaten für die Art und dessen erfolgreiche Ansiedlung und Reproduktion bislang unzureichend war.“ (Zitate aus Rohde, S. 21 ff.; besonders wichtige Stellen vom Verfasser markiert). Dies wird von U. Mammen bestätigt: „Natürlich können, wenn ein bisher suboptimaler Lebensraum in einen optimalen Lebensraum umgewandelt wird, sich dort Paare ansiedeln und brüten. Es bedarf vorher einer genauen einzelartspezifischen Analyse der limitierenden Faktoren (Brutplatz, Nahrung, Prädatoren). Aber es werden nicht die Paare sein, die ... in der Nähe der geplanten WKA gebrütet haben!“ (aaO., S.1). Mammen erscheint es „auch rechtlich äußerst bedenklich, sich die Zerstörung einer Brut bzw. das Töten (bzw. zumindest die Tötung billigend in Kauf zu nehmen) dadurch „zu erkaufen“, dass man ja an anderer Stelle für zusätzliche Paare die entsprechenden Bedingungen geschaffen hat“ (aaO.). Für den Wespenbussard mit bis zu sieben nachgewiesenen Revierpaaren im Planungsgebiet gilt nach Rohde (aaO.) eine vergleichbare gutachterliche Einschätzung: „Nach fachlicher Prüfung und umsichtiger Auswertung der Beobachtungsdaten werden daher bei einer Errichtung der WEA die Verbotstatbestände nach § 44 (1) ff BNatSchG umfassend erfüllt. Spezielle CEF- und FCS-Maßnahmen (u.a. besondere Artenschutzmaßnahmen mit konkretem Individuenbezug) können aufgrund der umfangreichen Erschließung des WEAPlanungsgebietes der dargestellten Wespenbussardpopulation eine Verschlechterung des Erhaltungszustandes nicht abwenden (eine funktional wirksame Wahrung oder Verbesserung des aktuellen Erhaltungszustandes kann nicht belastbar prognostiziert werden)“ (Zitate aus Rohde, S. 24 f.). 2 Untersuchungen zeigen: in der Planungspraxis ist die Mehrheit der geplanten CEFMaßnahmen nicht einmal prinzipiell geeignet, ihre Funktion zu erfüllen – strenge Artenschutzvorgaben werden abgeschwächt – hinzu kommt eine mängelbehaftete Durchführung. Die Naturschutzverbände kritisieren seit Jahren, dass „vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen im Einzelfall nicht über eine ausreichende Wirksamkeit verfügen, um die hohen Anforderungen der EU-Kommission an die kontinuierliche ökologische Funktionalität zu erfüllen“ (vgl. Gerhard et al, S. 330). Gerhard, Fabian, Hövelmann und Kaubisch arbeiten die Schwachstellen bisher angewandter CEFMaßnahmen heraus. Für ein ausgewähltes Untersuchungsgebiet und auf der Basis von Befunden aus dem nordrhein-westfälischen Straßenbau kommen sie mit einer objektivierten Methodik zum Schluss, dass „nur 29,4 % aller Maßnahmentypen und 40,6 % aller konkreten Maßnahmen ... nach Auffassung der befragten Experten diese Bedingung“ erfüllen (aaO., 333). Als „Bedingung“ wird für die Einschätzung lediglich die Minimalforderung herangezogen, nämlich eine „wahrscheinliche Funktionserfüllung“. Das heißt mit anderen Worten: Weniger als 30 % aller Maßnahmentypen wird von ausgewählten Artexperten attestiert, es handle sich dabei um Maßnahmen, welche die ökologische Funktionalität wahrscheinlich erfüllen könnten. „Die Mehrzahl der untersuchten vorgezogenen Ausgleichsmaßnahmen scheint nicht einmal prinzipiell geeignet, ihre Funktion zu erfüllen.“ (aaO., 333). Zusätzliche erhebliche „Vollzugsdefizite und mängelbehaftete Durchführung der konkreten Maßnahmen sind dabei noch gar nicht berücksichtigt“, wie die Autoren betonen (aaO., S. 334). Dies ist als „erheblicher Missstand“ (aaO.) auch vor dem Hintergrund des EUArtenschutzrechts zu werten. Die Autoren gelangen zur Schlussfolgerung, dass aus „naturschutzfachlicher Sicht ... gegen das Instrument der vorgezogenen Ausgleichsmaßnahmen nach den untersuchten Befunden schwerwiegende Bedenken bestehen [müssen]. Anstatt besondere Vorsicht an den Tag zu legen und ausgesprochen hohe Ansprüche an die Wirksamkeit bei der Anwendung der CEF-Maßnahmen zu stellen, scheint die Planungspraxis zu einer erheblichen Abschwächung der vom Richtliniengeber beabsichtigten strengen Artenschutzvorgaben zu führen. ... Weitergehende Untersuchungen und Erhebungen erscheinen aus naturschutzfachlicher Sicht dringend geboten, besteht doch die begründete Befürchtung einer rechtlich unzulässigen Verschlechterung der Umweltsituation für bereits gefährdete Arten.“ (aaO.) CEF-Maßnahmen für manche Artengruppen grundsätzlich ungeeignet Aus dem im Jahr 2014 in der Fachzeitschrift „Naturschutz und Landschaftspflege“ publizierten Beitrag wird weiterhin deutlich, dass es „Arten und Artengruppen gibt, für die mit größerer Sicherheit Maßnahmen geplant werden können – und solche, für die vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen nicht oder nur schlecht geplant werden können.“ (Gerhard, S. 333). Auf diesen Aspekt muss auch in Bezug auf das Vorhaben „Windpark Markgrafenwald“ in aller Deutlichkeit hingewiesen werden: Es wäre fachlich und artenschutzrechtlich nicht realistisch, würde man CEF-Maßnahmen, die bspw. geschützte Eidechsenarten oder den Feldhamster betreffen, mit solchen vergleichen, die für EUVogelarten in Erwägung gezogen werden. Nicht zuletzt die Tatsache, dass sich Eidechsen abfangen und in einem neuen Habitat aussetzen lassen, zeigt grundsätzliche Grenzen der Realisierbarkeit von CEF-Maßnahmen für bestimmte Arten und Artengruppen auf, die in erheblichem Maße auch für Schwarzstörche und Wespenbussarde zutreffen und hier sicherlich nicht diskutiert werden müssen. 3 Funktionsfähigkeit von CEF-Maßnahmen ist vor Beginn einer Baumaßnahme zu gewährleisten und sicherzustellen Von den Autoren wird „mit Nachdruck auf die rechtlich notwendige Funktionsfähigkeit von CEF-Maßnahmen vor dem geplanten Eingriff ... hingewiesen, die durch ein Monitoring sichergestellt werden muss. ... An die Entwicklung und Bewertung von CEFMaßnahmen sollten daher besonders hohe fachliche Ansprüche gestellt und eine besondere Zurückhaltung im Sinne des Vorsorgeprinzips an den Tag gelegt werden“ (aaO., S. 334). Nicht akzeptabel ist, wenn „Planer vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen als bloße Weiterentwicklung der Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen der bundesrechtlichen Eingriffsregelung“ verstehen“ (aaO.). Hierauf verweisen bereits Gellermann u. Schreiber: „Mag die Versuchung ... auch groß sein, kann vor solchen Operationen doch nur nachdrücklich gewarnt werden ... Vor diesem Hintergrund ist festzuhalten, dass CEFMaßnahmen nur insoweit zum Tragen kommen können, als sie der Vermeidung verbotsrelevanter Wirkungen dienen. Dagegen können sie in ihrer auf vorgezogenen Ausgleich gerichteten Ausprägung nicht dazu beitragen, die Einschlägigkeit lebensstättenbezogener Verbote des § 42 (sic!) Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG auszuschließen. Wird dies nicht bedacht, werden rechtswidrige und angreifbare Entscheidungen vorprogrammiert“ (vgl. Gellermann u. Schreiber, S. 57 ff.; noch mit den Paragraphen des „alten“ BNatSchG). „An gleich mehreren Stellen weist die EUKommission darauf hin, dass die Wirksamkeit von CEF-Maßnahmen sichergestellt sein muss“ (aaO., S. 210). Bestätigt wird dies von U. Mammen in einer gutachterlichen Stellungnahme zum „Markgrafenwald“, in der er darauf hinweist, dass „die Wirksamkeit vorgezogener Ausgleichsmaßnahmen nachgewiesen sein muss, bevor das Infrastrukturprojekt (hier also der Bau der WKA) realisiert wird. Ein baubegleitendes Monitoring kommt also auf keinen Fall in Frage“ (vgl. Mammen, S. 2). Signifikant erhöhtes Tötungsrisiko bei Errichtung von Windenergieanlagen innerhalb der Flugkorridore bzw. inmitten der regelmäßig genutzten Nahrungshabitate Hinzu kommt, dass CEF-Maßnahmen aufgrund der Vorgaben der EU-Kommission nicht zum Einsatz kommen können, „wenn mit der Eingriffsregelung die Tötung von Individuen verbunden ist“, zusätzlich zur „erfolgenden Zerstörung von genutzten Lebensstätten“ (vgl. Gellermann u. Schreiber, S. 210). Mammen argumentiert konsequenterweise wie folgt: „Im konkreten Fall des hier projektierten Bauvorhabens würden ... nicht die Nahrungshabitate durch das Vorhaben verschlechtert werden, sondern es droht der Tod der Tiere durch Kollision mit den WKA, also ein unmittelbares Auslösen der Verbotstatbestände des § 44 Abs. 1 Nr.1. Auch ein Verweis auf den Zustand der Population kann hier aus mehreren Gründen nicht greifen: Erstens ist das Tötungsverbot bezogen auf das Einzelindividuum zu betrachten, zweitens ist der Erhaltungszustand der Populationen der zur Rede stehenden Arten nicht günstig (wobei nach Runge et al. 2009 sogar in Erwägung gezogen werden muss, dass bei Arten mit großen Raumansprüchen, wie dem Schwarzstorch, vorsorglich bereits ein einzelnes Brutpaar als „lokale Population“ zu betrachten sei) und schließlich drittens besteht eben grundsätzlich ein Verschlechterungsverbot, was nicht durch die vage Annahme einer Verbesserung an anderer Stelle aufgehoben werden kann“ (vgl. Mammen, S. 2). Die Ausführungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes machen deutlich: „Ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko ist ... anzunehmen, wenn die Untersuchung der Aufenthaltswahrscheinlichkeiten nicht ergibt, dass die Windkraftanlage gemieden oder nur selten überflogen wird“ (VGH, Urteil vom 18.05.2014, vgl. auch Faller u. Stein). Wenn die Nahrungshabitate eine „räumlich gut abgrenzbare kleinere Teilmenge innerhalb der Prüfkulisse“ (Schwarzstorch: 10.000 m; Wespenbussard: 4000 m) darstellen, die „regelmäßig über die Anlage angeflogen“ werden, ist von „erhöhten Aufenthaltswahrscheinlichkeiten im Nahbereich einer Anlage“ auszugehen (aaO.). – 4 Bestätigt wird dies beispielsweise durch ein Urteil des Oberlandesgerichts von SachsenAnhalt, in dem wichtige und dauerhaft genutzte Nahrungshabitate im Prüfbereich der betreffenden Art, insbesondere wenn Windenergieanlagen innerhalb der Flugkorridore zu diesen Nahrungshabitaten liegen, zu einem signifikant erhöhten Tötungsrisiko führen (vgl OLG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 21.03.2013, vgl. auch Faller u. Stein). Genau diese Situation eines dergestalt signifikant erhöhten Tötungsrisikos belegt die Raumnutzungsanalyse Rohdes (aaO.) für das Schwarzstorch-Vorkommen im Wald-BachÖkosystem mit dem kompletten „Markgrafenwald“-Planungsgebiet durch die ermittelten Überflüge und Flugkorridore. Für den Wespenbussard ist zudem – neben Flugkorridoren zwischen Brut- und Nahrungshabitaten – die Brutreviernutzung inmitten des Planungsgebiets nachgewiesen. Eine Scheuchwirkung durch errichtete Windenergieanlagen ist zudem auszuschließen, wie Rohde unmissverständlich schildert: „Ein immer wieder aufgeführtes (erhofftes) Meideverhalten von Schwarzstörchen zu WEA wird insbesondere im Odenwald durch wiederholte Nebeltage und den einhergehend unkalkulierbaren Nebelbänken im Planungsgebiet regelmäßig ausgehebelt.“ (aaO., S. 22). Bestätigt wird dies bspw. von Hormann und Gröbel (2015, S. 49). Auch Richarz (2014, S. 40 f.) führt erhebliche Konflikte an, „besonders dann, wenn die Anlagen im Bereich der regelmäßig vom Schwarzstorch frequentierten Flugkorridore gebaut würden“ (aaO., S. 41). Ein Großteil der Flugbewegungen in die Nahrungshabitate seien „Direktflüge, wobei die Flughöhen von den Witterungsverhältnissen abhängig sind. In der Regel nutzt der Schwarzstorch den kürzesten Weg ins Nahungshabitat“ (aaO.). Ein weiterhin explizit erhöhtes Risiko besteht zudem für Jungvögel. Im Übrigen fallen auch Balzflüge unter den Begriff der Fortpflanzungsstätte (vgl. Faller u. Stein, S. 16) und sind somit unter dem Aspekt von Verbotstatbeständen nach § 44 BNatSchG zu beurteilen. Eng begrenzter Anwendungsbereich für die Erteilung einer Ausnahme – Unionsrecht sieht keine Befreiungen für EU-Vogelarten vor Die Realisierung von CEF-Maßnahmen im Rahmen der Eingriffsregelung setzt prinzipiell einen Ausnahmegrund bzw. eine Befreiung voraus. Erst wenn es an „zumutbaren Alternativen“ tatsächlich fehlen sollte, „darf eine Ausnahme nur erteilt werden, wenn der Erhaltungszustand der Populationen der hiervon betroffenen Art nicht leidet. ... Entscheidend ist, dass sich die Erhaltungssituation ... nicht nachteilig verändert. ... Dies führt dazu, dass etwa dann, wenn eine negative Entwicklung absehbar ist, stets von der Erteilung einer Ausnahme abgesehen werden muss“ (Faller u. Stein, S. 19). In einem Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 07. März 2013 heißt es: „Mit Blick auf die Gewichtigkeit der in § 45 Abs. 7 Satz 1 BNatSchG genannten Ausnahmegründe ist das mit der Errichtung von Windenergieanlagen verbundene Interesse an der Energiegewinnung nicht als zwingender Grund des überwiegenden öffentlichen Interesses anzusehen“ (VG Cottbus, Urteil vom 07.03.2013, vgl. auch Faller u. Stein). Dass Ausnahmen und Befreiungen im Rahmen der Eingriffsregelung bei EU-Vogelarten grundsätzlich aufgrund der weitergehenden Anforderungen der Vogelschutzrichtlinie äußerst bedenklich sind, stellen Faller und Stein darüber hinaus klar: „Abgesehen davon, dass es sich auch hier ohnehin um eine nur eng auszulegende Ausnahmeregelung handelt, ist zu beachten, dass es sich dabei um abschließend formulierte Gründe handelt und somit nach den unionsrechtlichen Vorgaben gar kein Rechtfertigungsgrund in Fällen der Betroffenheit geschützter Vögel vorgesehen ist ...“ (aaO., S. 20). – Für die Befreiung nach § 67 BNatSchG sei nur ein äußerst geringer Anwendungsbereich vorgesehen, so Faller und Stein weiter, „nämlich dann, wenn es zu einer unzumutbaren Belastung führen würde ... Dies dürfte jedoch – insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Unionsrecht, namentlich die FFH-Richtlinie und die Vogelschutzrichtlinie, keine Befreiungen aus 5 den in § 67 BNatSchG genannten Gründen vorsieht – nur äußerst selten in Betracht kommen“ (aaO.). Literatur: Faller, R. u. Stein, J. (2014): Artenschutzrechtliches Gutachten im Auftrag des Landesverbandes badenwürttembergischer Bürgerinitiativen gegen Windkraftanlagen in Natur- und Kulturlandschaften e.V. 24. S. (unveröffentlicht) Gellermann, M. u. Schreiber, M. (2007): Schutz wildlebender Tiere und Pflanzen in staatlichen Planungs- und Zulassungsverfahren. Schr.-R. Natur und Recht 7, Springer, XIX + 503S. Gerhard, M., Fabian, M., Hövelmann, Th., Kaubisch, S. (2014): Europäischer Artenschutz im Blindflug. In: Naturschutz und Landschaftspflege 46 (11), 2014, 329-335 Hormann M. u. Gröbel, B.-Th. (2015): Geheimnisvoller Schwarzstorch. Faszinierende Einblicke in das Leben eiens scheuen Waldvogels. 136 S. Mammen, U. (2014): Stellungnahme „Windpark Markgrafenwald“, September 2014, i.A. der Initiative Hoher Odenwald e.V. 2 S. (unveröffentlicht) OLG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 21.03.2013 . 2 M 154/12 – juris Rn 31 Richarz, K. (2014): Energiewende und Naturschutz. Windenergie im Lebensraum Wald. Statusbericht und Empfehlungen. Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie – FFH-RL) (ABl.EG L 206 vom 22.7.1992, S.7), zuletzt geändert durch Richtlinie 2006/105/EG des Rates vom 20. November 2006 (ABl. L 363 v. 20.12.2006) Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (kodifizierte Fassung) (Vogelschutzrichtlinie – VRL) (ABl. L 20 v. 26.01.2010) Rohde C. (2014): Saisonales Raumnutzungsmuster von Schwarzstorch (Ciconia nigra) und Wespenbussard (Pernis apivorus) im Markgrafenwald (Odenwald). Untersuchungen im Windparkplanungsgebiet „Markgrafenwald“ (Odenwald). Gutachten der CINIGRA, August 2014, i.A. der Initiative Hoher Odenwald e.V. 26 S. (unveröffentlicht) Runge, H., Simon, M., Widdig, T. (2009): Rahmenbedingungen für die Wirksamkeit von Maßnahmen des Artenschutzes bei Infrastrukturvorhaben, FuE-Vorhaben im Rahmen des Umweltforschungsplanes des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit im Auftrag des Bundesamtes für Naturschutz – FKZ 3507 82 080. 383 S. VG Cottbus, Urteil vom 07.03.2013 – 4 K 6/10 – juris Rn 85 VGH, Urteil vom 18.05.2014, - 22 B 13. 1358 – juris Rn 50 Kontaktdaten des Verfassers: Michael Hahl M.A., Geograph | proreg 2020 projektbüro für landschafts- und naturverträgliche regionalentwicklung Unterhöllgrund 3 | D-69429 Waldbrunn | Fon: 06274-927855 Web: www.proreg.de | Mail: [email protected] Beratung - Planung - Umweltbildung - Wissenschaftsjournalismus Landschaftsmarketing | Geotourismus Kulturlandschaft | Umweltgeschichte Biodiversität | Artenschutzrecht Humanökologie | Transformation Regionalwirtschaft | Transition Region 6
© Copyright 2024 ExpyDoc