Erläuterungen - Arbeitskreis Bedarfsorientierte Mindestsicherung

Erläuterungen
Allgemeiner Teil
1.
Anlass und Zweck der Neuregelung, Kompetenzlage:
Der vorliegende Entwurf dient der Umsetzung einer Vereinbarung gemäß Art. 15a Abs. 1 B-VG über eine bundesweite
Bedarfsorientierte Mindestsicherung. Das Bundeskanzleramt hat mit Schreiben vom 29. November 2010, GZ BKA603.982/0002-V/2/2010, mitgeteilt, dass nunmehr die nach den Verfassungen aller Vereinbarungspartner erforderlichen
Voraussetzungen für das Inkrafttreten erfüllt sind. Somit konnte die Vereinbarung am 1. Dezember 2010 in Kraft treten.
Im Februar 2007 wurde im Bundesministerium für Arbeit und Konsumentenschutz die Arbeitsgruppe
„Bedarfsorientierte Mindestsicherung“ eingerichtet, die unter Beteiligung aller relevanten Ressorts auf Bundesebene,
der Sozialpartner und der übrigen Gebietskörperschaften eine Grundlage für ein neues bundesweites
Mindestsicherungsmodell erarbeitet hat. Die Ergebnisse der Arbeitsgruppe führten zu einem Entwurf einer
Vereinbarung nach Artikel 15a B-VG, der am 17. März 2009 dem Landtag Steiermark zur Kenntnis gebracht wurde
(Beschluss Nr. 1425; Einl. Zahl 2746/4 aus der 47. Sitzung der XV. Gesetzgebungsperiode).
Die Gesetzgebungskompetenz des Landes zur Erlassung eines Steiermärkischen Mindestsicherungsgesetzes stützt sich
auf Art. 12 Abs. 1 Z. 1 B-VG („Armenwesen“) iVm Art. 15 Abs. 6 B-VG. Soweit die Grenzen des Armenwesens
überschritten sind, gründet sich die Zuständigkeit der Länder auf die subsidiäre Kompetenz gemäß Art. 15 Abs. 1 BVG.
2.
Inhalt:
Zentrale Zielsetzung für die Umsetzung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung sind die Stärkung des sozialen
Zusammenhalts und die Bekämpfung der Armut. Die Bedarfsorientierte Mindestsicherung stellt ein Konzept dar, das
von Grundeinkommensmodellen klar abzugrenzen ist und unter anderem die bisherige offene Sozialhilfe der Länder
harmonisiert und modernisiert. Es basiert auf dem Prinzip der Subsidiarität und kennt keine allgemeinen, erwerbs- und
bedarfsunabhängigen Leistungen. Für den Erhalt der Leistungen stellen daher der Einsatz der eigenen Mittel
(Einkommen und Vermögen) sowie der Einsatz der eigenen Arbeitskraft wesentliche Grundvoraussetzungen dar. Unter
Berücksichtigung der EU-Lissabon-Strategie, einer wechselseitigen Stärkung von Wirtschaft- und Sozialpolitik, wird
die Bedarfsorientierte Mindestsicherung Anreize zur Aufnahme und Ausweitung einer Erwerbsarbeit stärken und durch
entsprechende Ausgestaltung die verschiedenen bestehenden Beschäftigungsverhältnisse nicht gefährden.
Durch die Einführung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung soll einerseits der Zugang zum letzten Netz der
sozialen Sicherheit erleichtert, andererseits aber auch die Hemmschwelle für die Inanspruchnahme der Leistungen
abgebaut, sowie gleichzeitig der zur Gewährleistung einer Bedarfsdeckung erforderliche Verwaltungsaufwand
minimiert werden. Vor allem sollen die Bezieherinnen/Bezieher von Leistungen der Bedarfsorientierten
Mindestsicherung durch die angestrebte Verschränkung mit dem Arbeitsmarktservice rascher und nachhaltiger (wieder)
in das Erwerbsleben eingegliedert werden können. Damit sollen nicht nur kurzfristige Perspektiven für die
Leistungsbezieherinnen/Leistungsbezieher eröffnet, sondern auch mittel- und langfristige sozialökonomische Effekte
bewirkt werden. Mittelfristige Effekte können dadurch erzielt werden, dass die Verweildauer in der Bedarfsorientierten
Mindestsicherung deutlich verkürzt werden kann; längerfristige Effekte entstehen insbesondere durch den Erwerb von
Pensionsversicherungszeiten auf Grund einer Erwerbstätigkeit, die eine eigene Absicherung im Alter ermöglichen.
Die Novelle wird zum Anlass genommen, neben den gebotenen Anpassungen darüber hinausgehend auch einzelne
Bestimmungen des Steiermärkischen Sozialhilfegesetzes, LGBl. Nr. 29/1998 in der Fassung LGBl. Nr. 82/2009, zu
reformieren sowie das Steiermärkische Wohnbauförderungsgesetz, LGBl. Nr. 25/1993 in der Fassung LGBl.
Nr. 81/2010, auf das Steiermärkische Mindestsicherungsgesetz abzustimmen.
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II. Besonderer Teil
Zu Artikel 1 (Steiermärkisches Mindestsicherungsgesetz – StMSG):
Zu §§ 1 und 2 (Ziel; Grundsätze für die Leistung):
Zur verstärkten Bekämpfung und weitest möglichen Vermeidung von Armut und sozialer Ausgrenzung wird das
Steiermärkische Mindestsicherungsgesetz erlassen.
Die Mindestsicherung hat vor allem durch Geldleistungen (§ 9) zu erfolgen, die eine Deckung der in § 3 genannten
Grundbedürfnisse ermöglichen sollen. Dies muss aber Hand in Hand mit anderen Maßnahmen gehen, weil das
vorrangige Ziel nicht die bloße Alimentierung der betreffenden Personen sein kann. Mit dem vorliegenden Gesetz und
der Zielformulierung des § 1 kommt – im Gegensatz zur bisherigen Praxis in der Sozialhilfe – deutlich zum Ausdruck,
dass mit der Mindestsicherung und der damit verbundenen Maßnahmen das Ziel einer weitest möglichen (Wieder-)
Eingliederung in den Arbeitsmarkt verfolgt wird. Durch diese Maßnahmen soll das Ziel der verstärkten Bekämpfung
und Vermeidung von Armut und sozialer Ausgrenzung verfolgt werden.
Da es sich dabei zum Teil um relativ arbeitsmarktferne Menschen handelt, wird besonders behutsam auf die
individuelle Situation bei der Heranführung an den (nicht notwendigerweise ersten) Arbeitsmarkt vorgegangen werden.
Zu § 3 (Erfasste Bedarfsbereiche):
Diese Bestimmung führt grundsätzlich die durch die Mindestsicherung abzudeckenden Bedarfsbereiche an. Solange die
unmittelbare (Wieder-)Eingliederung in den Arbeitsmarkt nicht möglich oder noch nicht gelungen ist, muss es Ziel der
Mindestsicherung sein, durch die Deckung der in diesem Paragraphen aufgezählten Bedarfe Personen ein
menschenwürdiges Leben zu ermöglichen, die dazu der Hilfe der Gemeinschaft bedürfen. Die Deckung des
Lebensunterhaltes einschließlich des Wohnbedarfes sowie Hilfe bei Krankheit, Schwangerschaft und Entbindung
stellen klassische Leistungsbereiche der derzeitigen so genannten „offenen Sozialhilfe“ dar. Daher wird auch
klargestellt, dass die Bestimmungen hinsichtlich der stationären Sozialhilfe (im Rahmen von Pflegeheimen etc.) oder
der übrigen im Steiermärkischen Sozialhilfegesetz geregelten Bereiche durch die Mindestsicherung nicht berührt
werden.
Gemäß Abs. 2 umfasst der Lebensunterhalt den regelmäßig wiederkehrenden Aufwand für Nahrung, Bekleidung,
Körperpflege, Hausrat, Heizung und Strom sowie persönliche Bedürfnisse, welche eine angemessene soziale und
kulturelle Teilnahme erlauben.
Der Wohnbedarf gemäß Abs. 3, an den in § 10 Abs. 5 und 6 angeknüpft wird, umfasst die Aufwendungen für Miete und
allgemeine Betriebskosten, die regelmäßig auch Abgaben (z. B. Kanal- oder Abfallgebühren) beinhalten, welche aber
zur Klarstellung gesondert angeführt werden. Zu den allgemeinen Betriebskosten gemäß § 21 MRG zählen
beispielsweise auch die Wasserversorgung oder die Kanalräumung. Die Kosten für Heizung und Strom werden, wie
bereits angeführt, durch die Leistungen zum Lebensunterhalt gedeckt.
Der in Abs. 4 definierte Schutz bei Krankheit, Schwangerschaft und Entbindung als Maßnahme im Rahmen der
Bedarfsorientierten Mindestsicherung wurde insbesondere durch Einbeziehung dort bisher nicht erfasster
Leistungsbezieherinnen/Leistungsbezieher
in
die
gesetzliche
Krankenversicherung
gewährleistet.
Die
Bezieherinnen/Bezieher der Mindestsicherung einschließlich der ihnen zugehörigen Angehörigen sollen somit einen
uneingeschränkten Zugang zur Gesundheitsversorgung erhalten. Das Land entrichtet in Entsprechung dieser
Zielsetzung für die Bezieherinnen/Bezieher der Mindestsicherung den Beitrag für die gesetzliche Krankenversicherung.
Zu § 4 (Persönliche Voraussetzungen):
Mit dieser Bestimmung werden die grundsätzlichen Anspruchsvoraussetzungen für Leistungen der Mindestsicherung
genannt.
Hilfebedürftig im Sinne dieses Gesetzes sind Personen, die ihren Lebensunterhalt und Wohnbedarf nicht im durch das
Gesetz festgelegten Ausmaß decken können.
Leistungen aus der Bedarfsorientierten Mindestsicherung sind nur jenen Personen zu gewähren, die ihren
Hauptwohnsitz, oder in Ermangelung eines solchen, ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Land Steiermark nachweisen
können. Mit dieser Anknüpfung soll unter anderem klargestellt werden, dass die Leistung aus der Mindestsicherung
nicht ins Ausland exportiert werden kann. Dies entspricht auch der Rechtslage nach der Verordnung (EWG)
Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer
und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (ABl. L 149,
S. 2). Nach deren Art. 4 Abs. 4 ist die Sozialhilfe explizit vom sachlichen Geltungsbereich ausgenommen. Gleiches gilt
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für die – in Ermangelung einer Durchführungsverordnung freilich noch nicht in Geltung stehende – Nachfolgeregelung
im Rahmen der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Rates und des Europäischen Parlamentes vom 29. April 2004 zur
Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (vgl. deren Art. 3 Abs. 5: „soziale und medizinische Fürsorge“).
An dieser Qualifikation ändert sich auch nichts, wenn Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung als Annex
zu anderen Leistungen ausbezahlt werden sollten: Die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 enthält in ihrem Art. 4 Abs. 2a
die Kategorie „besondere beitragsunabhängige Geldleistung“ (ebenso in Hinkunft: Art. 70 der Verordnung (EG)
Nr. 883/2004), die von der Exportpflicht ausgenommen ist. Dieser Sonderstatus ist im Hinblick auf die
Ausgleichszulage auch vom EuGH in der Rs. Skalka (EuGH-Slg. 2004, I-05613) bestätigt worden.
Bei der Beurteilung, ob ein Aufenthalt als gewöhnlicher Aufenthalt anzusehen ist, sind im Sinne von § 66 JN seine
Dauer und seine Beständigkeit sowie andere Umstände persönlicher oder beruflicher Art zu berücksichtigen, die
dauerhafte Beziehungen zwischen einer Person und ihrem Aufenthalt anzeigen.
Die Anführung der Aufenthaltstitel, die grundsätzlich einen Anspruch auf Mindestsicherung begründen, erfolgt in
Umsetzung europarechtlicher Vorgaben.
Zur Vermeidung eines „Sozialtourismus“ sind Leistungen der Mindestsicherung an die Berechtigung zum „dauernden
Aufenthalt“ im Land Steiermark gebunden. Damit sollen nicht nur jene Aufenthaltstitel angesprochen werden, die
„unbefristet“ im engeren Sinn sind, aber durch die Dauer der Befristungen zu einem nicht bloß vorübergehenden
Aufenthalt in Österreich berechtigen.
Die damit angesprochenen Tatbestände werden in Abs. 2 in demonstrativer Weise genannt und bleiben dadurch im
Hinblick auf die weiterhin zu erwartende Dynamik des Fremdenrechts grundsätzlich für weitere Tatbestände offen. So
ist derzeit eine Richtlinie des Rates zu Einreise und Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zur Ausübung einer
hochqualifizierten Beschäftigung in Ausarbeitung („Blue Card-Richtlinie“). Wesentlich ist in an allen Fällen, welche
nicht in Abs. 2 angeführt sind, die Prüfung, ob die Berechtigung zu einem dauernden Aufenthalt im obgenannten Sinn
vorliegt.
Unter Berücksichtigung aufrechter Aufenthaltstitel nach alten Rechtsgrundlagen, insbesondere der unbefristeten
Niederlassungsbewilligung, und auf Grund europarechtlicher Erwägungen sind Personen von Abs. 2 erfasst, die einen
aufrechten Aufenthaltstitel gemäß §§ 45, 48, 49 bzw. § 81 NAG oder gleichzuhaltende Aufenthaltsberechtigungen
besitzen.
Zum Aufenthaltstiteln gemäß § 49 NAG ist klarstellend auszuführen, dass es sich dabei nicht um „dauernde“ im Sinne
von unbefristeten Aufenthaltsberechtigungen handelt, sondern um für ein Jahr gültige Niederlassungsbewilligungen, die
gemäß § 8 Abs. 1 Z. 1 NAG zu einer nicht bloß vorübergehenden befristeten Niederlassung berechtigen. Gemäß Art. 21
der Richtlinie 2003/109/EG („Daueraufenthaltsrichtlinie“) verfügen jedoch Drittstaatsangehörige, die in einem anderen
EU-Staat zum Daueraufenthalt berechtigt sind, über die gleichen Rechte wie Drittstaatsangehörige mit
Daueraufenthaltsrecht in Österreich, sofern sie über einen österreichischen Aufenthaltstitel verfügen, wobei auch ein
befristeter Aufenthaltstitel ausreichend ist. Die in Umsetzung der Richtlinie ergangenen Regelungen über die Erteilung
eines – quotenpflichtigen – Aufenthaltstitels an langfristig Aufenthaltsberechtigte eines anderen EU-Staates in § 49
NAG sind daher auch unter Abs. 2 zu subsumieren.
Weiters ist klarzustellen, dass die umfassende Gleichbehandlungspflicht nur denjenigen EWR-Bürgerinnen/-Bürgern
und Schweizer Staatsangehörigen zukommt, die ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen haben
(Unionsbürgerrichtlinie 2004/38/EG). Für ihre Familienangehörigen ist das Vorhandensein eines abgeleiteten
Freizügigkeitsrechts erforderlich.
Die ausdrückliche Anführung der österreichischen Staatsangehörigen in Abs. 2 Z. 1 dient nur der Klarstellung; deren
Familienangehörige aus Drittstaaten sind schon zur Vermeidung einer Inländerdiskriminierung (Art. 7 B-VG)
gleichzustellen. Allerdings soll sich diese Gleichstellung nur auf den in § 47 Abs. 2 NAG (Aufenthaltstitel
„Familienangehöriger“) genannten Personenkreis beschränken.
Zu Abs. 2 Z. 2 ist festzuhalten, dass das gemeinschaftsrechtliche Aufenthaltsrecht bei Inanspruchnahme von Leistungen
der Mindestsicherung nicht automatisch untergeht. Vielmehr ist eine Verhältnismäßigkeitsprüfung im Einzelfall
vorzunehmen. So ist etwa die Einreise zur bloßen Inanspruchnahme von Leistungen der Mindestsicherung von jenen
Fällen zu unterscheiden, in denen eine Hilfsbedürftigkeit nach diesem Gesetz erst später eintritt.
Das Vorliegen einer entsprechenden aufenthaltsrechtlichen Dokumentation aufgrund des NAG ist jedenfalls
Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Leistungen der Mindestsicherung.
Die Aufnahme der in Abs. 2 Z. 3 genannten Personen (Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte gemäß § 3 bzw.
§ 8 Asylgesetz 2005) leitet sich aus europa- bzw. völkerrechtlichen Vorgaben ab, insbesondere im Hinblick auf die
Gleichstellung der subsidiär Schutzberechtigten (vgl. Art. 2 lit. e iVm Art. 28 der RL 2004/83/EG).
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Gemäß Art. 4 Abs. 4 der Art. 15a B-VG-Vereinbarung über die Mindestsicherung bleiben allerdings die
Verpflichtungen aus der Grundversorgungsvereinbarung unberührt. Der dort erfasste Personenkreis gehört damit nur
dann zu den Adressaten der Mindestsicherung, wenn keine Ansprüche auf Leistungen der Grundversorgung geltend
gemacht werden können.
Die Anführung der Personenkreise in Abs. 3 leitet sich aus der diesem Gesetz zugrunde liegenden Vereinbarung gemäß
Art. 15a B-VG ab und dient insbesondere der Abgrenzung zur Anspruchsberechtigung gemäß Abs. 2. Damit wird
klargestellt, dass Asylwerberinnen/Asylwerber (Personen, die ein Aufenthaltsrecht nur gemäß § 13 Asylgesetz 2005
haben) und Personen, die Leistungen nach betreuungsrechtlichen Bestimmungen geltend machen können, durch das
vorliegende Gesetz nicht berührt werden.
Durch die, in Umsetzung der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG, vorgenommene Abgrenzung des grundsätzlich
anspruchsberechtigten Personenkreises ergibt sich die Möglichkeit, dass Personen mit einem befristeten
Aufenthaltsrecht, die einen laufenden Anspruch auf offene Sozialhilfe nach dem Steiermärkischen Sozialhilfegesetz
haben, nicht in den Anwendungsbereich des § 4 fallen. In diesen Fällen ist durch die in § 4 Abs. 1a Steiermärkisches
Sozialhilfegesetz vorgenommene Abgrenzung (Art. 2 Z. 1 der Gesetzesvorlage) gewährleistet, dass weiterhin ein
grundsätzlicher Anspruch auf Sicherung des Lebensbedarfs nach dem Steiermärkischen Sozialhilfegesetz besteht.
Zu § 5 (Subsidiarität):
Die Bedarfsorientierte Mindestsicherung basiert – wie bisher die Sozialhilfe – auf dem Prinzip der Subsidiarität und
unterscheidet sich damit elementar von einem bedingungslosen Grundeinkommen.
Zur grundsätzlichen Subsidiarität der Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung kommt noch die
Subsidiarität von landesrechtlichen Leistungen gegenüber solchen, die auf Bundesrecht beruhen. Nur wenn die
angestrebte Mindestsicherung daher nicht bereits über die Ausgleichszulage oder sich nach dieser richtende,
vergleichbare bundesrechtliche Mindeststandards oder Leistungen der Arbeitslosenversicherung gewährleistet ist, fällt
deren Bereitstellung – wie bisher im Rahmen der Sozialhilfe – in die Verantwortung des Landes.
Der Einsatz der eigenen Mittel, der eigenen Arbeitskraft und die Berücksichtigung von Leistungen Dritter (Abs. 2)
sollen nach wie vor eine wesentliche Voraussetzung für den Bezug der Leistungen darstellen.
Zu § 6 (Einsatz der eigenen Mittel):
Abs. 1 geht von der bereits bisher in der Sozialhilfe geltenden Prämisse aus, dass grundsätzlich das Einkommen und das
Vermögen bei der Bemessung von Leistungen der Hilfe suchenden Person zu berücksichtigen sind. Das Gesetz
unterscheidet hier zwischen Einkommen und Vermögen, für die unterschiedliche Regelungen gelten. In Zweifelsfällen
ist eine Abgrenzung anhand einer "Zuflussbetrachtung" durchzuführen. Danach ist für die Frage, ob Geld und
Geldeswert dem Einkommen oder dem Vermögen zuzurechnen sind, der Zeitpunkt des Zuflusses an den Empfänger
entscheidend. Erfolgt der Zufluss im Bedarfszeitraum, so ist er Einkommen. Der nach Ablauf eines Bedarfabschnitts –
das ist grundsätzlich ein Kalendermonat – nicht verbrauchte Teil der Einkünfte wächst dem Vermögen zu.
Wie bereits bisher in der Sozialhilfe sind grundsätzlich alle Einkünfte, die der Hilfe suchenden Person aus welchem
Rechtstitel auch immer zur Verfügung stehen (Mieteinnahmen, Sozialversicherungsleistungen etc.), zu berücksichtigen.
In Abs. 2 Z. 1-3 sind davon bestimmte Einkunftsarten taxativ ausgenommen. Eine besondere Ausnahme findet sich in
§ 7 Abs. 8.
Wenngleich das Kinderbetreuungsgeld zwar aus dem Familienlastenausgleichsfonds (FLAF) finanziert wird, ist es
gesondert im Kinderbetreuungsgeldgesetz (KBGG) geregelt. Daher ist es als Einkommen anzusehen, das keinem
Ausnahmetatbestand in den Abs. 2 Z. 1-3 entspricht. Unter die Z. 1 fallen hingegen die explizit im FLAG 1967
aufgezählten Leistungen wie etwa die Familienbeihilfe, erhöhte Familienbeihilfe, Kleinkindbeihilfe,
Fahrtkostenzuschüsse etc.
Hinsichtlich Abs. 2 Z. 3 ist auf das Erkenntnis des VwGH vom 21. Oktober 2009 (Zl. 2006/10/0059-11 unter
Bezugnahme auf das Erkenntnis des VwGH vom 21. Oktober 1998, Zl. 97/08/0510 und den darin enthaltenen Hinweis
auf die Rechtsprechung des OGH zum Hilflosenzuschuss) zu verweisen. Demnach ist eine Anrechnung des für ein Kind
bezogenen Pflegegeldes auf das Einkommen eines Elternteils dann gerechtfertigt, wenn dieser auf Kosten seiner sonst
bestehenden Verdienstmöglichkeiten „gerade jene Pflegeleistungen erbringt, zu deren Abdeckung (zweckgebunden) das
Pflegegeld dient“.
Als Einkommen ist auch jener Teil des Einkommens der im gemeinsamen Haushalt mit der Hilfe suchenden Person
lebenden minderjährigen Angehörigen oder dieser gegenüber gesetzlich unterhaltspflichtigen volljährigen Angehörigen
oder der Lebensgefährtin/des Lebensgefährten anzusehen, der den Mindeststandard gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 lit. a (in
Höhe von 75 % des Ausgangswertes) jeweils übersteigt.
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Bei Hilfe suchenden Personen, die mit anderen volljährigen Personen im gemeinsamen Haushalt leben, wird das
Vorliegen einer Wirtschaftgemeinschaft vermutet. Nach der (übereinstimmenden) Rechtsprechung des
Verwaltungsgerichtshofes und des Obersten Gerichtshofes besteht das Wesen einer Lebensgemeinschaft in einem
eheähnlichen Zustand, der dem typischen Erscheinungsbild des eheähnlichen Zusammenlebens entspricht. Dazu gehört
im Allgemeinen die Geschlechts-, Wohnungs- und (vor allem) Wirtschaftsgemeinschaft, wobei aber, wie auch bei einer
Ehe, das eine oder andere Merkmal weniger ausgeprägt sein oder ganz fehlen kann. Es kommt dabei regelmäßig auf die
Gesamtumstände des Einzelfalles an, wobei aber der Wirtschaftsgemeinschaft nach der Judikatur überragende
Bedeutung zukommt. Da nun aber der Nachweis für das Vorliegen einer Wirtschaftsgemeinschaft von der Behörde
praktisch nicht zu erbringen ist – es handelt hier ja größtenteils um nur den beiden Partnern bekannte Interna ihrer
Verbindung – stellt das Gesetz im letzten Satz die Vermutung auf, dass Personen, die mit anderen Personen im
gemeinsamen Haushalt leben, nicht nur eine Wohn-, sondern auch eine Wirtschaftsgemeinschaft bilden – wie in der
Regel auch üblich. Es kommt daher zu einer Beweislastumkehr, zumal von den Antragstellern das Vorliegen einer
Wirtschaftsgemeinschaft viel eher widerlegbar als von der Behörde beweisbar ist. Kann die Hilfe suchende Person das
Nichtvorliegen einer Wirtschaftsgemeinschaft glaubhaft machen, hat eine Einkommensanrechnung zu unterbleiben.
Abs. 4: Beim Vermögen ist davon auszugehen, dass eine Verpflichtung zu dessen Einsatz besteht, bevor Leistungen der
Mindestsicherung in Anspruch genommen werden können. Dies setzt aber eine Verwertbarkeit voraus, die nicht
angenommen werden kann, wenn die Verwertung wirtschaftlich unsinnig wäre, weil diese etwa im Einzelfall mit
großen Verlusten verbunden wäre.
Die Z. 1 und Z. 2 betreffen im Grunde nur bereits bestehende Ausnahmen im Hinblick auf Gegenstände, die zum
Lebensunterhalt notwendig sind; Z. 3 ist als ausdrückliche Verfestigung einer weithin geübten Praxis bei der
Behandlung von Kraftfahrzeugen als Vermögenswerte anzusehen. Die inhaltlich weitere Fassung der Z. 5 erfolgte im
Hinblick auf die in sich widersprüchliche diesbezügliche Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG, wonach einerseits ein
Bezug von „sechs unmittelbar aufeinanderfolgenden“ Monaten erforderlich ist, aber andererseits auch „zwei Monate
ununterbrochen andauernde frühere Bezugszeiten“ zu berücksichtigen sind (Abs. 6). Zu den geschützten nicht zu
verwertenden Vermögensbestandteilen gehören auf jeden Fall auch Vorsorgeversicherungen und versicherungsartige
Sparformen, die armutspräventiv wirken, wie beispielsweise für die Risiken Alter, Pflegebedürftigkeit und Bildung.
Gemäß Abs. 5 ist allerdings von der Verwertung von unbeweglichem Vermögen vorerst abzusehen, wenn dieses der
Deckung des unmittelbaren Wohnbedarfes der Hilfe suchenden Person und der mit ihr im gemeinsamen Haushalt
lebenden, ihr gegenüber gesetzlich Unterhaltsberechtigten oder in Lebensgemeinschaft lebenden Personen dient.
Eine grundbücherliche Sicherstellung der Ersatzansprüche kann für jene Zeiträume erfolgen, in denen
Mindestsicherung gewährt wurde (§ 17 Abs. 1 arg. „für die gewährten Leistungen“).
Zu § 7 (Einsatz der Arbeitskraft):
Bei den Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung handelt es sich um kein arbeitsloses Grundeinkommen.
Vielmehr werden die Leistungen wie bisher in der Sozialhilfe vom Einsatz der Arbeitskraft abhängig gemacht.
Die Bezieherinnen/Bezieher von Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung sollen durch die angestrebte
Verschränkung mit dem Arbeitsmarktservice rascher und nachhaltiger (wieder) in das Erwerbsleben eingegliedert
werden können. Damit sollen nicht nur kurzfristige Perspektiven für die Leistungsbezieherinnen/Leistungsbezieher
eröffnet, sondern auch mittel- und langfristige sozialökonomische Effekte bewirkt werden. Mittelfristige Effekte
können dadurch erzielt werden, dass die Verweildauer in der Bedarfsorientierten Mindestsicherung deutlich verkürzt
werden kann; längerfristige Effekte entstehen insbesondere durch den Erwerb von Pensionsversicherungszeiten auf
Grund einer Erwerbstätigkeit, die eine eigene Absicherung im Alter ermöglichen.
Der in Abs. 1 bekräftigte Grundsatz gilt gegebenenfalls auch für andere Haushaltsangehörige, die bei der
Leistungsbemessung zu berücksichtigen sind und wird in der Folge durch die allgemeinen Kriterien des Abs. 2 sowie
durch den Ausnahmekatalog des Abs. 3 konkretisiert. Die Möglichkeit der Erfüllung dieser Voraussetzung ist bei
Drittstaatsangehörigen davon abhängig, ob sie einen Aufenthaltstitel besitzen, der zum Zugang zum Arbeitsmarkt
berechtigt. Seit der Novelle zum Ausländerbeschäftigungsgesetz, BGBl. I. Nr. 78/2007, genießen auch subsidiär
Schutzberechtigte einen freien Zugang zum Arbeitsmarkt.
Der Zugang zum Arbeitsmarkt stellt sich im Hinblick auf die vom NAG erfassten Personenkreise derzeit wie folgt dar:
§ NAG
Titel
§ 41
NB Schlüsselkraft
§ 45
AT Daueraufenthalt EG
Arbeitsmarktzugang
gilt nur für bestimmte
Arbeitgeber
Freier Zugang zum
Arbeitsmarkt
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§ 46
NB Familienangehöriger Schlüsselkraft
§ 47
AT Familienangehöriger
§ 48
AT Daueraufenthalt Familienangehöriger
§ 49
Drittstaatsangehörige mit Daueraufenthalt-EG eine anderen MS
§ 50
Familienangehörige DST mit Daueraufenthalt-EG eines anderen EU-MS
§ 54
Aufenthaltskarte für Familienangehöriger eines EWR-Bürgers
§ 54a
Daueraufenthaltskarte für Familienangehöriger eines EWR-Bürgers
§ 58
AB Rotationskraft
§ 59
AB Betriebsentsandter
§ 60
AB Selbständiger
§ 61
AB Künstler
§ 61
AB Künstler
§ 62
AB Sonderfälle unselbständiger Erwerbstätigkeit
§ 63
AB Schüler
§ 64
AB Studierender
§ 66
AB Sozialdienstleistender
§ 67
AB Forscher
§ 58
AB Familieneigenschaft mit Rotationskraft
§ 61
AB Familieneigenschaft mit Künstler
§ 62
AB Familieneigenschaft mit Sonderfälle
§ 64
AB Familieneigenschaft mit Studierender
§ 69a
Besonderer Schutz
§ 42
NB ausgenommen Erwerbstätigkeit
§ 43
NB unbeschränkt
§ 44
NB beschränkt
§ 47
Legende:
NB Angehöriger
NB: Niederlassungsbewilligung; AB: Aufenthaltsbewilligung;
AT: Aufenthaltstitel; DST: Drittstaatsangehörige
nur mit
Arbeitsmarktdokument
Freier Zugang zum
Arbeitsmarkt
Freier Zugang zum
Arbeitsmarkt
Zugang zum
Arbeitsmarkt im
Einzelfall möglich
Zugang zum
Arbeitsmarkt im
Einzelfall möglich
Freier Zugang zum
Arbeitsmarkt
Freier Zugang zum
Arbeitsmarkt
nur mit
Arbeitsmarktdokument
nur mit
Arbeitsmarktdokument
nur selbständige
Erwerbstätigkeit
nur mit
Arbeitsmarktdokument
nur selbständige
Erwerbstätigkeit
gilt nur für best.
Tätigkeiten
nur mit
Arbeitsmarktdokument
nur mit
Arbeitsmarktdokument
gilt bei Firma/Institution
XY
gilt bei Firma/Institution
XY
kein Zugang zum
Arbeitsmarkt
kein Zugang zum
Arbeitsmarkt
kein Zugang zum
Arbeitsmarkt
kein Zugang zum
Arbeitsmarkt
nur mit
Arbeitsmarktdokument
Kein Zugang zum
Arbeitsmarkt
Freier Zugang zum
Arbeitsmarkt
nur mit
Arbeitsmarktdokument
Kein Zugang zum
Arbeitsmarkt
6
Bei der Beurteilung der Bereitschaft zum Einsatz der Arbeitskraft ist auch die Bereitschaft zur Mitwirkung an der
Begutachtung der Arbeitsfähigkeit sowie zur Teilnahme an Maßnahmen, die der Steigerung der Arbeitsfähigkeit
und/oder Vermittelbarkeit dienen, zu berücksichtigen.
Abs. 2: Diese Bestimmung orientiert sich dabei an den schon bisher bestehenden Kriterien des Sozialhilfegesetzes. Im
Hinblick auf die Zumutbarkeit einer Beschäftigung wird nunmehr aber ausdrücklich auf die für die betreffende Person
in der Arbeitslosenversicherung geltenden Maßstäbe (vgl. § 9 AlVG) abgestellt. Bestehen keine Ansprüche auf
Arbeitslosengeld, sind die Zumutbarkeitskriterien wie bei der Notstandshilfe maßgebend, nach denen kein Berufsschutz
mehr besteht. Damit soll ein weitest möglicher Gleichlauf mit der Arbeitslosenversicherung gewährleistet werden.
In Abs. 3 werden in demonstrativer Weise Ausnahmetatbestände formuliert, bei deren Vorliegen ohne weitere Prüfung
der Zumutbarkeit keine Pflicht zum Einsatz der Arbeitskraft anzunehmen ist. Diese Ausnahmen sind zum Teil
großzügiger als die Kriterien der Arbeitslosenversicherung, weil die Berücksichtigung familiärer Verpflichtungen im
Rahmen einer Bedarfsorientierten Mindestsicherung – wie schon bisher in der Sozialhilfe – einen wesentlich höheren
Stellenwert haben (müssen) als im AlVG, wo die Verfügbarkeit und die Vermittelbarkeit von Arbeitslosen im
Mittelpunkt steht. Bei den Ausnahmen in Abs. 3 wird teilweise auf bundesrechtliche Regelungen Bezug genommen.
Deren Zitierung ist lediglich als Auslegungshinweis und nicht als statischer Verweis zu verstehen.
Z. 3: Die genannten Voraussetzungen (Betreuungspflichten und geeignete, zumutbare Betreuungsmöglichkeit) sind
kumulativ zu sehen.
Kinder im Sinn dieser Bestimmung sind analog zu den Bestimmungen des AlVG leibliche Kinder, Stief-, Wahl- oder
Pflegekinder, also solche bei denen eine gesetzliche Betreuungspflicht besteht, nicht aber Kinder des/der
Lebensgefährten/Lebensgefährtin/des eingetragenen Partners zu verstehen.
Geeignete Betreuungsmöglichkeiten sind solche, die gesetzlich geregelt sind (Kindergarten, Tagesmütter etc.).
Zumutbar im Sinne dieser Bestimmung ist eine Betreuungsmöglichkeit, wenn diese unter Berücksichtigung der
arbeitslosenversicherungsrechtlichen Regeln über die Verfügbarkeit, der diesbezüglich zumutbaren Wegzeiten von der
und zur Arbeitsstelle (1 ½ Stunden) und der Wegzeiten von der und zur Kinderbetreuungseinrichtung im erforderlichen
Ausmaß in Anspruch genommen werden kann.
Bei älteren Kindern ist gemäß Abs. 2 vorzugehen.
Zu Z. 4 ist festzuhalten, dass hier nur jene Fälle erfasst sind, in welchen pflegebedürftige Angehörige tatsächlich
nachweislich unmittelbar durch den arbeitsfähigen Hilfe Suchenden selbst und in einem zeitlichen Ausmaß betreut
werden, welches die – auch nur teilweise – Aufnahme einer Erwerbstätigkeit unmöglich macht. Keinesfalls ausreichend
ist hingegen das bloße „Vorhandensein“ einer/s Angehörigen mit entsprechendem Pflegegeldbezug.
Durch die Formulierung der Ausnahme in Z. 6 („vor Vollendung des 18. Lebensjahres begonnen“ bzw. „zielstrebig“)
soll klargestellt werden, dass eine neuerliche Ausbildung nach wiederholtem Abbruch anderer Ausbildungen
grundsätzlich nicht ausnahmefähig ist. Auch ein Studium an einer Hochschule oder ähnlichen Einrichtung ist
grundsätzlich nicht als Schul- oder Erwerbsausbildung im Sinne der Z. 5 zu sehen, die vor dem 18. Lebensjahr
begonnen wird.
Unabhängig von den in Abs. 3 aufgezählten Tatbeständen, bei denen der Einsatz der Arbeitskraft nicht verlangt werden
darf, kann die Landesregierung durch Verordnung festlegen, dass auch von Personen, die sich unabhängig vom Alter in
einer bereits begonnenen Aus- bzw. Weiterbildung befinden, welche arbeitsmarktpolitisch sinnvoll erscheint und somit
nach Abschluss der Ausbildung eine nachhaltige Integration in den Arbeitsmarkt erwarten lässt, die Arbeitskraft nicht
verlangt werden darf. Dabei ist beispielsweise an Ausbildungen nach dem Steiermärkischen
Sozialbetreuungsberufegesetz gedacht.
Abs. 5: (Clearing) Unabhängig von der Reichweite der dem Arbeitsmarktservice im Rahmen der Bedarfsorientierten
Mindestsicherung überantworteten Aufgaben ist die Prüfung der Arbeitsfähigkeit eine für das Funktionieren eines
Zusammenwirkens zwischen Arbeitsmarktservice und Behörden ganz entscheidende Frage. Um hier unterschiedliche
Beurteilungen und vor allem „negative Kompetenzkonflikte“ zu Lasten der Betroffenen zu vermeiden, soll die
Beurteilung dieser keineswegs auf medizinische Aspekte beschränkten Frage (Abs. 5 definiert daher Mindestinhalte der
jeweiligen Gutachten, wie sie sich etwa bereits im Wiener Modell „Berufliches Diagnosezentrum“ bewährt haben) der
Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG folgend im Rahmen einer Verwaltungsvereinbarung indirekt Stellen „übertragen“
werden, deren Gutachten sowohl für das Arbeitsmarktservice als auch für die Behörden im Rahmen der Regelungen
über den Sachverständigenbeweis (§ 52 AVG) verbindlich ist. Da bei psychisch kranken Menschen im Rahmen der
Feststellung ihrer Arbeitsfähigkeit mitunter auch auf psychologische Gutachten zurückgegriffen wird, sollen auch diese
– nicht medizinischen – Gutachten ebenfalls als Entscheidungsgrundlage herangezogen werden können.
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Zu Abs. 5 ist weiters festzuhalten, dass nicht für jede Hilfe suchende Person, die keinem Ausnahmetatbestand gemäß
Abs. 3 und 4 unterliegt, zwingend eine Begutachtung der Arbeitsfähigkeit stattfinden muss, sondern nur dann und
insoweit, als Zweifel hinsichtlich der zutreffenden Beurteilung bestehen. So kann etwa bei chronischen oder
unheilbaren Erkrankungen in einem fortgeschrittenen Stadium, welches offenkundig die Aufnahme einer
Erwerbstätigkeit unmöglich macht, die Begutachtung entfallen.
Der zweite Satz trägt der im Art. 17 Abs. 2 der Vereinbarung gemäß Art. 15a Abs. 1 B-VG angestrebten umfassenden
und ganzheitlichen Beurteilung der Hilfe suchenden Person Rechnung, welche über ein punktuelles – primär
medizinisches – Gutachten deutlich hinausgeht und insbesondere eine „Kompetenzbilanz“ sowie eine
„Sozialanamnese“, d. h. eine umfassende Abklärung der Lebenssituation der Hilfe suchenden Person und
gegebenenfalls seiner Angehörigen, vorsieht.
Abs. 6 und 7: Der subsidiäre Charakter der Bedarfsorientierten Mindestsicherung gebietet gerade beim Einsatz der
Arbeitskraft, dass unzureichende Mitwirkung der die jeweiligen Leistungen geltend machenden Personen sanktioniert
werden muss. Im Rahmen eines letzten sozialen Netzes kann jedoch grundsätzlich kein völliger Entfall der Leistungen
in Betracht kommen. Die Kürzungsmöglichkeit, die mit Bescheid zu erlassen ist, wird daher – in unmittelbarer
Umsetzung der in der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG festgelegten Regelung – auf die Hälfte der sonst
gebührenden Leistungen beschränkt und zudem von einer vorherigen schriftlichen Ermahnung abhängig gemacht. Das
verankerte Stufenprinzip gebietet – unter Berücksichtigung von Beharrlichkeit und Ausmaß der mangelnden
Mitwirkung – grundsätzlich, nicht bereits bei erstmaliger Nichterfüllung von Auflagen (wie z. B. Meldepflichten) oder
beim Versäumen von vereinbarten Terminen, eine Kürzung um 50 %vorzunehmen. Unter Maßnahmen und Aufträge im
Sinne des Abs. 6 sind insbesondere auch Qualifizierungsmaßnahmen des Arbeitsmarktservice und Aufträge der
Behörde gemäß § 12 zu verstehen.
Bei grundsätzlicher Verweigerung (z. B. Nichtantreten von vermittelten Angeboten) kommt hingegen sehr wohl eine
sofortige Kürzung auf 50 % in Betracht. Es darf jedoch zu keiner Beeinträchtigung der Bedarfsdeckung der
unterhaltsberechtigten Angehörigen der arbeitsunwilligen Person kommen (Abs. 7). Auch bei Arbeitsunwilligen darf im
Sinne einer Delogierungsprävention zumindest der zu gewährende Wohnbedarf nicht gekürzt werden.
Eine noch weitergehende Kürzung, also über 50 % hinaus, ist nur in besonders schwerwiegenden Fällen (insbesondere
bei beharrlicher Verweigerung des Einsatzes der Arbeitskraft) zulässig, wobei unter Berücksichtigung von § 9 Abs. 2
auch der Ersatz von Geld- durch Sachleistungen in Betracht kommen kann.
Es ist daher davon auszugehen, dass der Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfes gemäß § 10 Abs. 5 und 6
jedenfalls zu gewähren ist – und ebenso der monatliche Mindeststandard für Haushaltsangehörige gemäß § 10 Abs. 1
Z. 2 und 3; wobei dies bei arbeitsfähigen Haushaltsangehörigen allerdings wiederum die eigene Bereitschaft zum
Einsatz der Arbeitskraft voraussetzt.
Abs. 8: Ein weiteres wesentliches Element der Bedarfsorientierten Mindestsicherung stellt der vorgesehene Freibetrag
aus Erwerbstätigkeit dar. Dieser soll zusammen mit der nunmehrigen Unzulässigkeit eines Kostenersatzes, wenn
frühere Leistungsbezieher wieder erwerbstätig sind, jene Arbeitsanreize schaffen, die vielfach für eine erfolgreiche
(Wieder-)Eingliederung in den Arbeitsmarkt notwendig, zumindest aber hilfreich sind.
Als einheitlicher Mindeststandard hat in jedem Fall ein Freibetrag in Höhe von 15 % des monatlichen
Nettoeinkommens zu verbleiben, wenn die betreffende Person vorher mindestens sechs Monate Leistungen der
Bedarfsorientierten Mindestsicherung bezogen hat und erstmalig oder nach längerer Erwerbslosigkeit eine
Erwerbstätigkeit aufnimmt. Eine längere Erwerbslosigkeit ist insbesondere bei einem Zeitraum von sechs Monaten
anzunehmen. Die Höhe des Freibetrages ist gleichzeitig mit einer Unter- und einer Obergrenze versehen; er vermindert
das anrechenbare Einkommen in diesem Ausmaß. Beträgt das Nettoeinkommen einer in den Anwendungsbereich
fallenden Person 800 Euro wären 120 Euro (dieser Betrag liegt innerhalb der Unter- und Obergrenze des Freibetrages)
als Freibetrag anzusehen und das anrechenbare Einkommen würde sich um 120 Euro vermindern.
Zur Sicherstellung einer möglichst nachhaltigen (Wieder-)Eingliederung ist der Freibetrag für 18 Monate einzuräumen,
wenn auch die Erwerbstätigkeit für diesen Zeitraum weiter besteht.
Eine Anrechnung von Bezugszeiten im Rahmen der „früheren“ Sozialhilfe kommt nicht in Betracht („nach diesem
Gesetz“).
Zu § 8 (Leistungen Dritter)
Gemäß Abs. 1 kann nicht nur die tatsächliche Bedarfsdeckung berücksichtigt werden, sondern bereits auch die
Möglichkeit, einen Bedarf durch Inanspruchnahme der Leistungen Dritter zu decken. Eine solche
Rechtsverfolgungspflicht kann aber nur angenommen werden, wenn die Geltendmachung gegenüber dem Dritten nicht
offenbar aussichtslos oder unzumutbar ist. Ist also z. B. der Schuldner nicht zahlungsfähig, nicht greifbar oder würde
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die Rechtsverfolgung die Gefahr häuslicher Gewalt bedeuten oder ist gar bereits ein Betretungsverbot gemäß § 38a SPG
verhängt worden, besteht in der Regel eine uneingeschränkte Vorleistungspflicht für den Träger der Mindestsicherung,
um eine sofortige Bedarfsdeckung zu gewährleisten.
Keine Pflicht zur Rechtsverfolgung besteht bei Ansprüchen gemäß § 947 ABGB sowie bei Unterhaltsansprüchen der
Hilfe suchenden Person.
Neben der grundsätzlichen Pflicht zur Rechtsverfolgung haben alle Hilfe suchenden Personen einen Antrag auf
Wohnbeihilfe zu stellen (sofern nicht offenbar aussichtslos oder unzumutbar). Damit kommt die Subsidiarität der
Leistungen der Mindestsicherung zum Ausdruck.
Eine unmittelbar erforderliche Bedarfsdeckung ist allerdings solange zu gewährleisten, als die Hilfe suchende Person
alle gebotenen Maßnahmen und Schritte zur Durchsetzung dieser Ansprüche setzt.
Zu § 9 (Allgemeine Bestimmungen):
Die Mindestsicherung hat vor allem durch Geldleistungen zu erfolgen, die eine Deckung der in § 3 genannten
Grundbedürfnisse ermöglichen sollen.
Die Bedarfsorientierte Mindestsicherung soll gemäß Abs. 1 grundsätzlich in Form einer pauschalierten Geldleistung
erbracht werden. Um in einer auf den Prinzipien der Geldwirtschaft beruhenden Gesellschaft die Fähigkeit zur
Selbsthilfe wieder zu erlangen, ist es zur Wahrung der eigenen Menschenwürde notwendig, frei über die Art und Weise
der Bestreitung des Lebensunterhaltes entscheiden zu können. Das schließt im Einzelfall die Deckung der
erforderlichen Mindeststandards durch Sachleistungen (Abs. 2) oder durch Kostenübernahmeregelungen (Abs. 3) nicht
aus.
Eine Deckung der erforderlichen Mindeststandards durch Sachleistungen (Abs. 2) ist insbesondere dann anzunehmen,
wenn die zweckmäßige, wirtschaftliche und sparsame Verwendung von Geldleistungen nicht gewährleistet ist. Dass die
Deckung der Mindeststandards durch Sachleistungen erfolgt, ist in einem Bescheid auszusprechen.
Geldleistungen können gemäß Abs. 3 an Dritte ausbezahlt werden, wenn keine Zweifel über deren zweckentsprechende
Verwendung bestehen. Die Auszahlung kann auch ohne Zustimmung der Hilfe suchenden Person erfolgen, wenn etwa
bei Leistungen zur Deckung des Wohnbedarfes eine drohende Delogierung verhindert oder sonst eine den Zielen und
Grundsätzen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung dienende Deckung des Lebens- oder Wohnbedarfes besser
erreicht werden kann.
Zu § 10 (Mindeststandards):
Die Vereinheitlichung der Leistungen zum Lebensunterhalt und zum Wohnbedarf bei gleichzeitig stärkerer
Pauschalierung zählt zu den weiteren Kernstücken der Bedarfsorientierten Mindestsicherung. An die Stelle der
bisherigen Sozialhilferichtsätze, die im Einzelfall auch unter- oder (praktisch freilich nur sehr selten) überschritten
werden konnten, sollen nun fixe Mindeststandards treten. Diese sollen außer bei mangelnder Arbeitswilligkeit (§ 7
Abs. 6) und unter Berücksichtigung der Anrechnungsregelungen nach den §§ 6 und 7 grundsätzlich in jedem Fall zur
Verfügung stehen.
Leistungen aus der Bedarfsorientierten Mindestsicherung sind jenen Personen zu gewähren, die auch nur einen
Bedarfsbereich gemäß § 3 Abs. 2 und 3 nicht für sich selbst bzw. für die mit ihnen im gemeinsamen Haushalt lebenden,
ihnen gegenüber unterhaltsberechtigten Personen oder die mit ihnen in Lebensgemeinschaft lebenden Personen decken
können. Damit wird gleichzeitig der Rahmen der jeweiligen Bedarfsgemeinschaft vorgegeben. Die Zugehörigkeit zu
einer solchen ist entscheidend für die Berechnung des Bedarfs, insbesondere auch im Hinblick auf die Berücksichtigung
von Einkommen und Vermögen.
Auch wenn – semantisch betrachtet – eine Bedarfsgemeinschaft implizit nur aus mindestens zwei Personen bestehen
kann, wäre jedoch beispielsweise auch bei alleinunterstützten Personen in einer Haushalts- bzw. Wohngemeinschaft mit
anderen, ihr gegenüber nicht unterhaltsberechtigten oder -verpflichteten Personen systemkonform von einer solchen
auszugehen. Die Einteilung in eine „Bedarfsgemeinschaft“ innerhalb einer Haushalts- oder Wohngemeinschaft hat
keine Auswirkung auf die Zuerkennung der für die jeweilige Haushaltskonstellation vorgesehenen MindeststandardKategorie. In diesem Sinne würde etwa dieser Person, unabhängig davon, ob die anderen Mitbewohner ebenfalls eine
Leistung aus der Bedarfsorientierten Mindestsicherung erhalten, ein Mindeststandard gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 lit. a
gebühren und nicht nach Z. 1.
Abs. 1 Z. 1: Ausgangswert für die Bemessung der Mindeststandards ist gemäß Abs. 1 Z. 1 der aus dem
Ausgleichszulagenrichtsatz für Alleinstehende (§ 293 Abs. 1 lit. a sublit. bb ASVG) abzüglich der gemäß § 11 zu
entrichtenden Krankenversicherungsbeiträge (von derzeit 5,1 %) resultierende Nettobetrag, das sind derzeit
752,93 Euro.
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Der Ausgangswert für die Mindeststandards gilt nicht nur für Alleinstehende, also Personen, deren Haushalt keine
anderen Personen angehören, sondern auch für Alleinerzieherinnen/Alleinerzieher, also Personen, die nur mit ihnen
gegenüber unterhaltsberechtigten minderjährigen Kindern im gemeinsamen Haushalt leben. Mit dieser Differenzierung
soll der besonderen Armutsgefährdung gerade dieser Personengruppe Rechnung getragen werden, indem
Alleinerzieherinnen/Alleinerzieher ein höherer Mindeststandard gewährleistet wird als nach dem bisherigen Status als
„Hauptunterstützte“.
Abs.1 Z. 2 und 3: Die Mindeststandards für alle anderen Personen werden mit Prozentsätzen dieses Ausgangswertes
einheitlich festgelegt. Dabei wird in Anlehnung an EU-SILC davon ausgegangen, dass der Regelbedarf eines Haushalts
mit zwei volljährigen Personen 150 % dessen einer allein stehenden Person beträgt. Allerdings wird nicht mehr
zwischen Haupt- und Mitunterstützten o. ä. unterschieden, sondern ein emanzipatorischer Ansatz verfolgt, nach dem
jede dieser Personen „gleich viel wert“ ist. Zwei Personen in einer Partnerschaft erhalten demnach zusammen 2 x 75 %
des Ausgangswertes.
Durch die Regelung in Abs. 1 Z. 2 lit. a werden auch bloße Haushalts- oder Wohngemeinschaften erfasst, da bei diesen
ebenfalls regelmäßig von einem geringeren Aufwand für den Lebensunterhalt als bei allein lebenden Personen
auszugehen ist. Es spielt also keine Rolle, ob zwischen den im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen
unterhaltsrechtliche Beziehungen bestehen oder nicht.
Sehr wohl maßgebend ist dieser Umstand aber im Hinblick auf weitere dem Haushalt angehörende Personen (lit. b):
Deren Mindestbedarf wird wiederum in Anlehnung an EU-SILC grundsätzlich mit 50 % eines Alleinstehenden
festgesetzt. Dies setzt jedoch voraus, dass auch andere Personen in diesem Haushalt Leistungen der Bedarfsorientierten
Mindestsicherung beanspruchen und dem dritten dort lebenden Erwachsenen gegenüber unterhaltspflichtig sind. Der
50 %-Wert würde daher etwa für ein erwachsenes, aber nicht selbsterhaltungsfähiges Kind maßgebend sein, das bei
seinen Eltern lebt. Der 50 %-Wert gilt dagegen nicht, wenn drei Erwachsene z. B. in einer „bloßen“ Wohngemeinschaft
miteinander leben, bei der eine wechselseitige Unterstützung nicht in einem dem familiären Zusammenhalt
vergleichbaren Ausmaß angenommen werden kann; in dem praktisch wohl seltenen Fall, dass drei oder mehr
Bezieherinnen/Bezieher von Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung eine Wohngemeinschaft eingehen,
würde jede dieser Personen Anspruch auf 75 % des Alleinstehenden-Mindeststandards haben.
Abs. 3: Die Koppelung an den Ausgleichszulagenrichtsatz besteht nicht nur im Hinblick auf den Ausgangswert,
sondern auch im Hinblick auf die Valorisierung der jeweiligen Beträge. Gemäß Art. 10 Abs. 5 der diesem Gesetz
zugrunde liegenden Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG verpflichten sich die Länder, ihre Mindeststandards mit
demselben Prozentsatz zu erhöhen, wie dies bei der Ausgleichszulage erfolgt. Ausgangswert für die Bemessung der
neuen Mindeststandards ist nach Abs. 2 der aus dem Ausgleichszulagenrichtsatz für Alleinstehende (§ 293 Abs. 1 lit. a
sublit. bb ASVG) abzüglich der Krankenversicherungsbeiträge (von derzeit 5,1 %) resultierende Nettobetrag. Aus
verwaltungsökonomischen Gründen ist diese Erhöhung aber stets zu Beginn eines Kalenderjahres vorzunehmen. Die
konkrete Formulierung („unter Bedachtnahme“) erfolgte lediglich zur Vermeidung einer sonst unzulässigen
dynamischen Verweisung auf Bundesrecht.
Abs. 5 stellt klar, dass zumindest ein Teil des angemessenen Wohnbedarfes durch die Mindeststandards sichergestellt
ist. Die Mindeststandards nach Abs. 1(ebenso die Sonderzahlungen gemäß Abs. 2) beinhalten einen Grundbetrag zur
Deckung des Wohnbedarfes im Ausmaß von 25 %. Soweit der Wohnbedarf damit nicht gedeckt ist, sind zusätzliche
Geldleistungen (Sachleistungen gemäß § 9 Abs. 2) zu erbringen. Diese zusätzlichen Geldleistungen sind
einzelfallbezogen und dürfen den höchstzulässigen Wohnungsaufwand (Abs. 6) nicht überschreiten. Mittels
Verordnung der Landesregierung ist der höchstzulässige Wohnungsaufwand unter Bedachtnahme auf die
durchschnittlichen regionalen statistischen Daten für Wohnungen durch Verordnung festzulegen.
Dem Prinzip der Subsidiarität folgend, ist primär allerdings die darüber hinausgehende Übernahme der Kosten von
nicht gedecktem Wohnbedarf auf Grundlage des Privatrechts durch das System der Wohnbeihilfe gewährleistet, sofern
die Hilfe suchende Person in deren Anwendungsbereich fällt. Ist dies nicht der Fall, so sind die Kosten eines
angemessenen Wohnbedarfes, soweit sie den im Mindeststandard bereits enthaltenen Anteil übersteigen, aus Mitteln
der Mindestsicherung zu übernehmen. Dazu ist auch festzuhalten, dass dies grundsätzlich nur in Betracht kommt, wenn
auch ein Anspruch auf Mindestsicherung besteht.
Zu § 11 (Krankheit, Schwangerschaft und Entbindung):
Die Mindestsicherung umfasst für die Dauer des Bezuges auch alle Sachleistungen und Begünstigungen bei Krankheit,
Schwangerschaft und Entbindung, wie sie Bezieherinnen/Beziehern einer Ausgleichszulage aus der
Pensionsversicherung zukommen. Diese Leistungen sind durch Übernahme der Beiträge zur gesetzlichen
Krankenversicherung für Bezieherinnen/Beziehern einer Ausgleichszulage aus der Pensionsversicherung
sicherzustellen.
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Die Einbeziehung nicht krankenversicherter Bezieherinnen/Bezieher von Mindestsicherung in die gesetzliche
Krankenversicherung stellt einen wesentlichen Teil des Gesamtpaketes der Bedarfsorientierten Mindestsicherung dar.
Sie erfolgt in dem Bewusstsein, dass prekäre Lebenssituationen vielfach krank machen und Erkrankungen es zugleich
erschweren, Wege aus der Armut zu finden. Mit diesem Schritt soll der uneingeschränkte Zugang zur
Gesundheitsversorgung für diese Personengruppe sichergestellt werden. Die Inanspruchnahme einer frühzeitigen
Behandlung wird für die Zielgruppe durch diese Maßnahme wesentlich erleichtert. In Folge dessen kann es daher auch
aus volkswirtschaftlicher Perspektive zu einer Entlastung des österreichischen Sozialsystems kommen.
Diese Leistungen bzw. diese Art der Vorsorge aus Mitteln der bisherigen Sozialhilfe wird in Hinkunft grundsätzlich
entbehrlich sein, da alle Bezieherinnen/Bezieher von Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung, die nicht
bereits von einer Pflichtversicherung erfasst sind (z. B. wegen eines Bezuges von Notstandshilfe oder
Kinderbetreuungsgeld), im Wege einer Verordnung zu § 9 ASVG in die gesetzliche Krankenversicherung einbezogen
werden. Die daraus resultierende Pflichtversicherung hat Vorrang gegenüber einer allfälligen Selbstversicherung gemäß
§ 16 ASVG und auch gegenüber der Angehörigeneigenschaft gemäß § 123 ASVG. Umgekehrt sind natürlich die
Angehörigen der einbezogenen Personen ebenfalls vom Krankenversicherungsschutz erfasst. Dieser beinhaltet die
gleichen Vergünstigungen wie für Ausgleichszulagenbezieherinnen/Ausgleichszulagenbezieher, also nicht nur die
Sachleistungen insbesondere im Rahmen der Krankenbehandlung, Anstaltspflege, Zahnbehandlung oder bei
Mutterschaft, sondern auch etwa die Befreiung von der Rezeptgebühr sowie vom Serviceentgelt für die E-Card. Wo
auch für Ausgleichszulagenempfängerinnen/Ausgleichszulagenempfänger Selbstbehalte z. B. für Heilbehelfe bestehen,
werden diese auch für Bezieherinnen/Bezieher der Mindestsicherung gelten.
Der durch die Behörde tatsächlich zu entrichtende Krankenversicherungsbeitrag richtet sich nach der Vereinbarung
gemäß Art. 15a B-VG nach dem für Ausgleichszulagenbezieherinnen/Ausgleichszulagenbezieher im ASVG geltenden
Regime. Dieses sieht eine einheitliche auf das Jahr bezogene Bemessungsgrundlage vor. Dadurch ist ein einheitlicher
Satz, unabhängig von der Höhe der tatsächlich geleisteten Mindestsicherung und der Anzahl der monatlichen
Leistungen gewährleistet.
Die Krankenversicherung im Rahmen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung ist nur dann möglich, wenn auch ein
Anspruch auf Mindestsicherung besteht.
Die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Leistungen aus der Krankenversicherung auch vor Abschluss des
Verwaltungsverfahrens ist im Rahmen der zu schaffenden erforderlichen Datenaustauschsysteme mit den
Sozialversicherungsträgern durch einen entsprechenden Verständigungsvormerk gewährleistet, der durch die Behörde
zu setzen ist. Wird nach Abschluss des Verfahrens festgestellt, dass kein Anspruch auf Mindestsicherung besteht, so
besteht keine Möglichkeit einer Rückforderung gegenüber dem Krankenversicherungsträger, allenfalls jedoch
gegenüber dem Antragsteller unter den Voraussetzungen des § 16 Abs. 2.
Zu § 12 (Beratungs- und Betreuungsleistungen):
Die Länder haben gemäß Art. 16 Abs. 3 der Art. 15a B-VG-Vereinbarung in wirtschaftlich vertretbarem Ausmaß
Vorsorge für dezentrale, niederschwellige und bedarfsgerechte Beratungs- und Betreuungsangebote zur möglichst
ganzheitlichen Erfassung der Problemlagen der Menschen, die Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung in
Anspruch nehmen, zu treffen. Diese Problemlagen stellen sehr häufig ein Vermittlungshindernis der Betroffenen am
Arbeitsmarkt dar. Die aus diesem Grund notwendige Beratung und Betreuung stellt neben den übrigen Leistungen ein
unverzichtbares Element der Bedarfsorientierten Mindestsicherung dar.
Das damit angesprochene so genannte „Case Management“ übernimmt neben der Mitwirkung im Ermittlungsverfahren
alle Angelegenheiten der Leistungssteuerung und der sozialen Beratung. Dazu zählen insbesondere Durchführung eines
„Assessments“ (soziale Anamnese, Diagnose), die Erstellung eines Hilfeplanes unter aktiver Einbindung der
Klientinnen/Klienten und die Begleitung und Überwachung für die Umsetzung des Hilfeplans. Einzusetzen sind jeweils
die gelindesten, zum Ziel führenden Hilfen. Dem „Case Manager“ obliegen im Zuge der Fallführung die
Betreuungsverantwortung und die erforderliche beraterische Begleitung. Das Case Management wird als Aufgabe des
Landes wahrgenommen.
Als allgemeine Zielgruppe sind Leistungswerberinnen/Leistungswerber und Leistungsbezieherinnen/Leistungsbezieher
der Bedarfsorientierten Mindestsicherung vorgesehen. Aus dieser Gruppe werden für das Case Management jene
Personen ausgewählt, die professionelle Hilfe für die Bewältigung schwieriger Lebenssituationen benötigen und bei
denen noch die Möglichkeit der Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit besteht.
Die Auswahl der engeren Zielgruppe, also jener Personen, die begleitend zum Bezug von Leistungen der
Bedarfsorientierten Mindestsicherung im Rahmen von Case Management sozialarbeiterisch betreut werden, erfolgt
fallbezogen und nach Maßgabe der zur Verfügung stehenden Ressourcen und umfasst insbesondere folgende
11
Zielgruppen: Jugendliche und junge Erwachsene, Frauen, Migrantinnen/Migranten,
Basisbildungsschwächen und von sozialer und gesellschaftlicher Ausgrenzung Bedrohte.
Personen
mit
Eine laufende qualitative und (nach 2 Jahren) auch quantitative Evaluierung der Leistungen des Case Management wird
in Aussicht genommen.
Die Teilnahme der Betroffenen am Case Management stellt ebenfalls ein Bemühen um eine Erwerbstätigkeit im Sinne
des § 7 Abs. 1 dar und zieht im Fall der Verweigerung die in § 7 Abs. 6 genannten Konsequenzen nach sich. Die Hilfe
suchende Person ist verpflichtet, die angebotenen Beratungs- und Betreuungsleistungen in Anspruch zu nehmen. Die
Aufträge zur verpflichtenden Inanspruchnahme der Beratungs- und Betreuungsleistungen haben schriftlich zu ergehen.
Zu § 13 (Anträge):
Entsprechend der höchstpersönlichen Natur des Anspruchs auf Mindestsicherung soll künftig jede volljährige Hilfe
suchende Person ein eigenes Recht auf Antragstellung und Parteistellung im Verfahren haben. Zwar soll es wie bisher
auch weiterhin möglich sein, dass eine Hilfe suchende Person Leistungen auch für die mit ihr in Haushaltsgemeinschaft
lebenden Personen geltend macht. Dies kann allerdings in Hinkunft nur mehr im Namen, also in Vertretung der
betroffenen Person(en) erfolgen. In der Praxis hat nämlich bisher die Beschränkung der Antragslegitimation auf eine
Person der Familiengemeinschaft vereinzelt zu dem Ergebnis geführt, dass weitere Personen in der Gemeinschaft auf
die Dispositionen der (allein) antragsberechtigten Person angewiesen waren. Nach der Judikatur des
Verwaltungsgerichtshofs hat nur die Hilfe suchende Antragstellerin/der Hilfe suchende Antragsteller einen
Rechtsanspruch auf Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes, nicht aber die mit ihm oder ihr in Familiengemeinschaft
lebenden unterhaltsberechtigten Angehörigen, und zwar auch kein rechtliches Interesse am Verfahren (vgl. VwGH vom
31. März 2003, 2003/10/0041, zum nahezu gleichlautenden § 8 Abs. 1 des Wiener Sozialhilfegesetzes 1973).
Im Sinne der Verwaltungsökonomie besteht bei Antragstellung einer Hilfe suchenden Person im eigenen Namen sowie
für die mit ihr im gemeinsamen Haushalt lebenden, ihnen gegenüber unterhaltsberechtigten oder mit ihnen in einer Ehe,
in einer eingetragenen Partnerschaft oder Lebensgemeinschaft lebenden Personen für die Behörde die Möglichkeit über
diese Anträge einen gemeinsamen Bescheid zu erlassen. Über jeden Antrag ist allerdings in einem eigenen Spruch (mit
eigener Begründung) abzusprechen sowie jeder Partei zuzustellen.
Vielfach galten der Zugang zu den Leistungen und das für die Rechtsdurchsetzung zur Verfügung stehende
Verfahrensrecht als wesentliche Schwachstellen des Sozialhilferechts. In den letzten Jahren sind hier zum Teil
grundlegende Änderungen erfolgt, die als „good practice“ – Modelle die gemeinsamen prozeduralen Mindeststandards
im Rahmen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung bilden.
In Abs. 2 wird dementsprechend nunmehr festgelegt, dass Anträge auf Leistungen der Mindestsicherung bei der
Gemeinde, der Bezirksverwaltungsbehörde oder bei der Landesregierung eingebracht werden können. Anträge, die
nicht bei der zuständigen Behörde (§ 21 Abs. 1 und 2) eingebracht werden, sind an diese weiterzuleiten, die dann die
entsprechenden Maßnahmen zu treffen hat.
Abs. 3 legt eine besondere Informations- und Manuduktionspflicht fest, um den Möglichkeiten und Bedürfnissen der
Hilfe suchenden Personen besser entsprechen zu können. Demnach haben die in Abs. 2 genannten Stellen die
Antragsteller der jeweiligen Sachlage entsprechend zu informieren (bspw. mittels Ausgabe von Broschüren oder
Checklisten) und anzuleiten. Die Anleitungspflicht der in Abs. 2 genannten Stellen richtet sich nach deren jeweiligen
Informationsstand.
Zu § 14 (Überbrückungshilfe):
Der in der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG intendierten Beschleunigung und Effektuierung der Verfahren wird in
§ 14 (sowie in § 15 Abs. 3 mit der Verkürzung der Entscheidungspflicht in erster Instanz auf drei Monate für ganz
Österreich) Rechnung getragen. Danach haben Leistungen der Mindestsicherung rechtzeitig einzusetzen.
Leistungen der Mindestsicherung sind bereits vor Abschluss des Ermittlungsverfahrens (ohne Erlassung eines
Bescheides) zu gewähren, wenn Umstände bekannt werden, die eine Leistung unmittelbar erforderlich machen. Diese
Umstände müssen eine besondere Dringlichkeit erfordern, die eine unmittelbare Leistung zur Sicherung des
Lebensbedarfs oder des Wohnbedarfes sowie die Anmeldung zur Krankenversicherung notwendig machen.
Bei Zuerkennung der Mindestsicherungsleistung im Bescheid ist eine bereits geleistete Überbrückungshilfe zu
berücksichtigen und gegenzuverrechnen. Falls das Ermittlungsverfahren ergibt, dass kein Anspruch auf Leistungen der
Mindestsicherung
besteht,
sind
die
bereits
geleisteten
Zahlungen
(Überbrückungshilfe)
vom
Überbrückungshilfeempfänger rückzuerstatten. Von der Verpflichtung zur Rückerstattung kann nur unter den
Voraussetzungen des § 16 Abs. 4 abgesehen werden.
12
Zu § 15 (Verfahren):
Ausgehend davon, dass Personen, die öffentliche Leistungen in Anspruch nehmen wollen, auch an der Feststellung der
materiellen Wahrheit mitzuwirken haben, sieht Abs. 1 entsprechende Mitwirkungspflichten für die Hilfe suchenden
Personen und die sonstigen zur Antragstellung berechtigten Personen vor. Die Mitwirkungspflicht erstreckt sich dabei
insbesondere auf Angelegenheiten, in denen der Behörde die Ermittlung von Tatsachen ohne entsprechende Mitwirkung
der Partei nicht möglich ist (z. B. Offenlegung der Einkommensverhältnisse der Ehegattin/des Ehegatten sowie der
Lebensgefährtin/des Lebensgefährten).
Eine (erhöhte) Mitwirkungspflicht trifft die Hilfe suchende Person auch im Ermittlungsverfahren betreffend die
Arbeitsfähigkeit (§ 7), weil sich die Behörde die Kenntnis über seinen körperlichen und geistig-seelischen Zustand nicht
allein von Amts wegen verschaffen kann und daher auf die Bereitschaft der Hilfe suchenden Person angewiesen ist,
Befunde beizubringen und sich im Bedarfsfall untersuchen zu lassen (vgl. Erkenntnis des VwGH vom 26.02.2002,
2001/11/0220).
Auch die Gemeinden trifft bei der Ermittlung des Hilfebedarfs eine Mitwirkungspflicht (Abs. 2).
In Abs. 3 wird eine (österreichweite) Verkürzung der Entscheidungspflicht in erster Instanz festgelegt. Die nun
vorgesehene Maximalfrist von drei Monaten ändert natürlich nichts daran, dass die Entscheidungen im Sinne des
Soforthilfegedankens so rasch wie möglich zu treffen sind. Die Frist beginnt mit Einbringung des Antrages bei den in
§ 13 Abs. 2 genannten Stellen zu laufen.
Bescheide sind schriftlich zu erlassen. Eine Ausnahme vom Gebot der Schriftlichkeit wird in Abs. 4 normiert, wonach
bei einer Neubemessung von zuerkannten Leistungen auf Grund von Änderungen dieses Gesetzes, darauf gestützter
Verordnungen oder auf Grund der Anpassung (Aufwertung) sonstiger regelmäßiger gesetzlicher Leistungen, die als
Einkommen der Hilfe suchenden Person anzusehen sind (insbesondere Pension, Rente, Ruhe- oder
Versorgungsgenuss), ein Bescheid nur zu erlassen ist, wenn es die Hilfe suchende Person (ihre gesetzliche
Vertreterin/ihr gesetzlicher Vertreter oder ihre Sachwalterin/ihr Sachwalter) innerhalb von zwei Monaten ab deren
Neubemessung ausdrücklich verlangt.
Leistungen sind ab dem Eintritt der Hilfsbedürftigkeit, frühestens jedoch ab Antragstellung zuzuerkennen (Abs. 5).
Gemäß Abs. 6 kann die Behörde im Zusammenhang mit der Leistungsgewährung Bedingungen und Befristungen
vorschreiben (z. B. Gewährung von Leistungen unter der Bedingung des Einverständnisses der Hilfe suchenden Person
zur grundbücherlichen Sicherstellung des Ersatzanspruches und der Verpflichtung zur beglaubigten Unterfertigung der
Pfandbestellungsurkunde binnen bestimmter Frist).
In Abs. 7 wird klargestellt, dass die Leistungen der Mindestsicherung entfallen, wenn eine Voraussetzung für die
Gewährung, z. B. die Hilfsbedürftigkeit wegfällt. Sie ist außerdem neu festzusetzen, wenn eine Änderung in einer für
das Ausmaß maßgeblichen Voraussetzung (z. B. durch eine geänderte Familien- oder Einkommenssituation) eintritt.
Das Verfahren zum Entfall bzw. zur Neufestsetzung wird in aller Regel von Amts wegen einzuleiten sein, nachdem die
Veränderungen vom Hilfsbedürftigen gemäß § 16 Abs. 1 mitgeteilt bzw. diese der Behörde auf andere Weise zur
Kenntnis gelangt sind. Die Mitwirkungspflicht des § 7 Abs. 5 und die Folgen bei Missachtung dieser Pflicht gelten auch
in diesen Verfahren.
Berufungen sind innerhalb von vier Wochen (Abs. 9) bei der Behörde, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat,
einzubringen. Schließlich wird sichergestellt, dass der Ausschluss von Berufungsverzichten gemäß § 63 Abs. 4 AVG
(Abs. 8) zum grundsätzlichen prozeduralen Mindeststandard gehört. Lediglich Berufungen gegen Bescheide mit denen
Leistungen der Mindestsicherung zuerkannt werden haben keine aufschiebende Wirkung.
Zu § 16 (Anzeige- und Rückerstattungspflicht):
Um unrechtmäßig bezogene Leistungen nach diesem Gesetz im Verwaltungswege rückfordern zu können, bedarf es
einer ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmung. In Abs. 1 werden beispielhaft Umstände angeführt, die für den Fall
einer der Hilfe suchenden Person bekannten Änderung der örtlich zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde anzuzeigen
sind. Dazu zählen bspw. Vermögens-, Einkommens-, Familien- oder Wohnverhältnisse und länger als zwei Wochen
dauernde Aufenthalte in Kranken- oder Kuranstalten oder sonstige Abwesenheiten (Aufenthalte in Pflegeheimen, in
Haftanstalten oder im Ausland).
Leistungen der Mindestsicherung sind gemäß Abs. 2 rückzuerstatten, wenn sie wegen Verletzung der Anzeigepflicht
gemäß Abs. 1 oder wegen bewusst unwahrer Angaben oder bewusster Verschweigung wesentlicher Tatsachen zu
Unrecht in Anspruch genommen wurden. Gleiches gilt, wenn die Person erkennen musste, dass die Leistung nicht oder
nicht in dieser Höhe gebührte. Die Verwirklichung des Tatbildes gemäß Abs. 2 bildet eine gemäß § 24 zu ahndende
Verwaltungsübertretung. Die Rückerstattung kann in angemessenen Teilbeträgen bewilligt werden, wenn sie auf andere
Weise nicht möglich oder der rückerstattungspflichtigen Person nicht zumutbar ist (Abs. 3).
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Von einer Rückerstattung kann gemäß Abs. 4 gänzlich abgesehen werden, wenn durch sie der Erfolg der
Mindestsicherung gefährdet wäre, sie zu besonderen Härten für die rückerstattungspflichtige Person führen würde oder
das Verfahren der Rückforderung mit einem Aufwand verbunden wäre, der in keinem Verhältnis zu der zu Unrecht in
Anspruch genommenen Leistung steht. Ein derartiger unverhältnismäßiger Aufwand ist etwa dann anzunehmen, wenn
eine Rückerstattung im Ausland angestrebt wird, derartige Bescheide allerdings zuvor übersetzt werden müssten und
die Übersetzungskosten den Rückerstattungsbetrag übersteigen.
Die Rückerstattungsansprüche unterliegen nicht der Verjährung, worauf im Abs. 6 in klarstellender Weise hingewiesen
wird.
Zu § 17 (Ersatzansprüche, Anspruchsübergang):
Die Subsidiarität der Mindestsicherung hat auch eine nachwirkende Dimension. Wie in der Sozialhilfe sollen andere
Möglichkeiten einer Deckung des jeweiligen Bedarfes zumindest im Nachhinein in Anspruch genommen werden
können. Insbesondere der nun als bundesweiter Mindeststandard vorgesehene weitgehende Entfall der Ersatzpflicht von
(ehemaligen) Leistungsbezieherinnen/Leistungsbeziehern, die wieder eine Erwerbstätigkeit aufgenommen haben, ist als
sozialpolitischer Meilenstein zu bewerten.
Abs. 1 zählt taxativ auf, wer für Leistungen nach diesem Gesetz zum Ersatz heranzuziehen ist. Das sind Personen, die
diese Leistungen in Anspruch genommen haben (Z. 1), ihre Eltern bzw. Kinder (Z. 2) und ihre Erben (Z. 3).
Z. 1: (Ehemalige) Leistungsbezieherinnen/Leistungsbezieher dürfen auch dann nicht mehr zum Ersatz herangezogen
werden, wenn sie sich ein Vermögen aus eigenem Erwerb erwirtschaftet haben. Damit bestehen Ersatzpflichten (jeweils
unter Berücksichtigung der Freigrenzen gemäß § 6 Abs. 4 Z. 4) nur mehr bei geschenktem, ererbtem o. ä. Vermögen
sowie bei ursprünglich schon vorhandenem Vermögen, dessen Verwertung vorerst nicht möglich oder zumutbar war,
das aber im Rahmen der Möglichkeiten gemäß § 6 Abs. 5 grundbücherlich sichergestellt wurde.
Z. 2: Auch die Eltern und Kinder, soweit diese nach Bürgerlichem Recht verpflichtet sind, für die
Bezieherinnen/Bezieher der Mindestsicherung Unterhalt zu leisten sind zum Ersatz verpflichtet. Die Höhe der
Ersatzpflicht wird in einer Verordnung der Landesregierung geregelt, wobei bei der Festsetzung der Höhe der
Ersatzpflicht auf das Einkommen (§ 6) und das Angehörigenverhältnis der ersatzpflichtigen Person Bedacht zu nehmen
ist. Ein bereits geleisteter Unterhalt ist in Abzug zu bringen. Die Ersatzpflicht ist mit der Höhe der
Unterhaltsverpflichtung begrenzt, wobei der Nachweis einer im Gegensatz zur Ersatzpflicht niedrigeren
Unterhaltsverpflichtung durch den Ersatzpflichtigen zu erbringen ist. Der Nachweis gilt nur durch eine rechtskräftige
gerichtliche Entscheidung als erbracht.
Ein Ersatzanspruch darf nicht geltend gemacht werden (Abs. 2), wenn dies wegen des Verhaltens der Person, die
Leistungen der Mindestsicherung in Anspruch genommen hat oder in Anspruch nimmt, gegenüber der gesetzlich
unterhaltspflichtigen Person sittlich nicht gerechtfertigt wäre, oder wenn durch den Ersatz die Ziele der
Mindestsicherung, insbesondere im Hinblick auf die gemäß § 2 zu beachtenden Grundsätze, gefährdet wären.
Gemäß Abs. 3 sind (geschiedene) Ehegatten/Ehegattinnen oder (frühere) eingetragene Partnerinnen/Partner nach
Auflösung der eingetragenen Partnerschaft zum Kostenersatz verpflichtet, falls eine Unterhaltsverpflichtung besteht.
Entsprechend der bisherigen Regelung ist eine Legalzession normiert, damit der Träger der Mindestsicherung an Stelle
des ursprünglichen anspruchsberechtigten Empfängers der Hilfe den oder die Kostenersatzpflichtige(n) direkt
heranziehen kann.
Wie bisher ist auch von nicht unterhaltspflichtigen Dritten (Abs. 4) Ersatz zu leisten, soweit der Hilfeempfänger ihnen
gegenüber Rechtsansprüche oder Forderungen hat (auch Schadenersatzansprüche, die auf Grund eines Unfalls oder
eines vergleichbaren Ereignisses zustehen) – ausgenommen solche gemäß § 947 ABGB und Schmerzensgeldansprüche
– und der Träger der Mindestsicherung die Abtretung in Anspruch nimmt. Damit gehen Ansprüche des
Hilfeempfängers gegenüber einem nicht unterhaltspflichtigen Dritten im Ausmaß der Leistung auf den Träger der
Mindestsicherung über. Der Übergang erfolgt mit Verständigung des verpflichteten Dritten, wobei zu den Dritten auch
das
Arbeitsmarktservice
bzw.
das
Finanzamt
oder
die
Gebietskrankenkasse
zählt.
Geschenknehmerinnen/Geschenknehmer oder Nutznießerinnen/Nutznießer von Vermögensübertragungen ohne
adäquate Gegenleistung dürfen nicht zum Ersatz für Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung
herangezogen werden.
Eine Begrenzung ergibt sich durch Abs. 5, der – wie schon bisher in den meisten Sozialhilfegesetzen – eine dreijährige
Verjährungsfrist für alle Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung verlangt. Dies gilt nicht für innerhalb
dieser Frist grundbücherlich sichergestellte Ersatzforderungen sowie für die nicht zum Ersatz im engeren Sinn zu
zählenden Rückerstattungspflichten (§ 16) bei Erschleichung, bewusster Verheimlichung von eigenen Mitteln etc.
14
Die Geltendmachung von Ersatzansprüchen und die Verwertung eines gemäß § 6 Abs. 5 sichergestellten Vermögens
dürfen die wirtschaftliche Existenz der ersatzpflichtigen Person und den Unterhalt ihrer Angehörigen und der mit ihr in
Lebensgemeinschaft lebenden Person nicht gefährden (Abs. 6).
Von der Geltendmachung von Ersatzansprüchen und der Verwertung eines sichergestellten Vermögens kann gemäß
Abs. 7 abgesehen werden, wenn der Verwaltungsaufwand in keiner wirtschaftlich vernünftigen Relation zu den geltend
gemachten Ersatzansprüchen steht.
Die Behörde (§ 21 Abs. 5) hat über die Ersatzpflicht gemäß Abs. 1 mit Bescheid zu entscheiden.
Die Träger der Mindestsicherung können über Ersatzansprüche mit der ersatzpflichtigen Person gemäß Abs. 3 und 4
einen Vergleich über Höhe und Modalitäten des Ersatzes abschließen. Diesem Vergleich kommt, wenn er von der
Bezirksverwaltungsbehörde beurkundet wird, die Wirkung eines gerichtlichen Vergleiches zu. Gemäß § 1 Z. 15
Exekutionsordnung sind Vergleiche Exekutionstitel, die vor zur Aufnahme von Vergleichen berufenen öffentlichen
Organen abgeschlossen wurden, falls denselben durch die bestehende Vorschrift die Wirkung eines gerichtlichen
Vergleiches zukommt. Kommt ein Vergleich im Sinne des Abs. 7 nicht zustande, so hat auf Antrag des Trägers der
Mindestsicherung die Behörde mit Bescheid zu entscheiden (Abs. 9).
Zu § 18 (Träger):
Das Gesetz sieht zur Besorgung der Aufgaben der Mindestsicherung das Land, die Sozialhilfeverbände, die Stadt Graz
als Stadt mit eigenem Statut und die Gemeinden vor.
Zu § 19 (Kostentragung):
Gemäß Abs. 1 sind die Kosten der Mindestsicherung vorläufig von den Sozialhilfeverbänden (Stadt Graz) zu tragen
(§ 22 SHG). Das Land hat allerdings 60 % der Kosten den Sozialhilfeverbänden und der Stadt Graz zu ersetzen (§ 18
Abs. 1 SHG), wenn nachstehende Bedingungen erfüllt sind:
Die Sozialhilfeverbände (Stadt Graz) haben der Landesregierung jährlich bis zum 31. März eine Schätzung der im
kommenden Jahr zu erwartenden Kosten zu übermitteln und diese glaubhaft zu machen. Ergeben sich bei der Prüfung
durch die Landesregierung Bedenken gegen die Plausibilität, hat die Landesregierung dies dem Sozialhilfeverband
(Stadt Graz) bis 15. Mai mitzuteilen und den Sozialhilfeverband (Stadt Graz) dazu zu hören. Wird die Plausibilität der
Schätzung anerkannt, hat das Land dem Sozialhilfeverband (Stadt Graz) den dem Land zukommenden Gesamtbetrag in
sechs gleichen Raten im Vorhinein zu überweisen.
Kommt der Sozialhilfeverband (Stadt Graz) seiner Verpflichtung zur Vorlage der Schätzung samt Unterlagen nicht
rechtzeitig nach oder kommt es hinsichtlich der Plausibilität der Schätzung zu keiner Einigung, so hat das Land
vorläufig eine Kostenabgeltung in Höhe von 60 % des Gesamtbetrages des Jahres zu leisten, das jenem vorangegangen
ist, für das keine plausible Schätzung erfolgt ist. Hat der Sozialhilfeverband (Stadt Graz) eine Erhöhung der
Kostenabgeltung verlangt und wurde vom Land nur ein Teil dieser Erhöhung als berechtigt anerkannt, so ist die
vorläufige Kostenabgeltung in jenem Ausmaß zu erhöhen, das vom Land als berechtigt anerkannt worden ist.
Nach Ende jedes Rechnungsjahres hat der Sozialhilfeverband (Stadt Graz) dem Land eine Aufstellung der gesamten
Kosten vorzulegen und deren Höhe glaubhaft zu machen. Ergibt sich, dass diese Kosten höher gewesen sind als die
geschätzten Kosten, hat das Land 60 % der Differenz zu überweisen; sind diese Kosten geringer gewesen als die
geschätzten Kosten, hat das Land 60 % der Differenz von den Überweisungen, die im darauffolgenden Jahr fällig
werden, einzubehalten.
Die Sozialhilfeverbände bzw. die Stadt Graz haben an das Land 60 % der hereingebrachten Kostenersätze abzuführen.
Die Kosten der Überbrückungshilfe (§ 14) fallen ebenso in den Aufteilungsschlüssel.
Bezüglich des Kostenersatz an andere Länder ist gemäß Abs. 2 die Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen den
Ländern über den Kostenersatz in der Sozialhilfe heranzuziehen. Bestehende Ersatzansprüche richten sich im Falle von
Wohnsitz- oder Aufenthaltsverlegungen in ein anderes Bundesland nach der bestehenden Kostenersatzvereinbarung
zwischen den Ländern.
Zu § 20 (Datenaustausch und Datenverwendung):
Abs. 1 schafft eine gesetzliche Grundlage für eine automationsunterstützte Verarbeitung von personenbezogenen Daten
im Anwendungsbereich der Mindestsicherung. Dieser umfassende Datenkatalog ist abschließend und kann durch die
nachfolgenden Absätze auch nicht erweitert werden.
Eine gesetzliche Ermächtigung für eine automationsunterstützte Verwendung von personenbezogenen Daten ist
insofern erforderlich, als nach der Verfassungsbestimmung des § 1 Abs. 2 Datenschutzgesetz 2000 Beschränkungen des
15
Anspruchs auf Geheimhaltung von Daten bei Eingriffen einer staatlichen Behörde grundsätzlich nur durch Gesetze
erfolgen dürfen.
Die in Abs. 2 erster Satz vorgesehene Abfrage und Übermittlung von Daten der Antragstellerinnen/Antragsteller und
Leistungsbezieherinnen/Leistungsbezieher durch die angeführten Stellen ist erforderlich, um den grundsätzlichen
Leistungsanspruch sowie die Höhe der Leistung festzustellen. Die Daten dienen der Überprüfung der Angaben der
Antragstellerin/des Antragstellers bei Antragstellung sowie der laufenden Überprüfung bei Leistungsbezug, um
insbesondere die missbräuchliche Inanspruchnahme hintan zu halten. Unter Berücksichtigung, dass zur Vornahme der
Leistungsüberprüfung und -kontrolle mitunter umfassende Daten erhoben werden müssen, wird ein Katalog von
(jeweils im Einzelfall) erforderlichen, abzufragenden Daten genannt.
In Anlehnung an § 25 AMSG sind für die Wahrnehmung der Aufgaben die Übermittlung folgender (hier nur
demonstrativ aufgezählter) Daten von Interesse: Stammdaten über Vor- und Zunamen, Geburtsdatum und -ort,
Sozialversicherungsnummer, Staatsangehörigkeit, Aufenthalts- und Arbeitsberechtigungen, Adresse, Aufenthaltsort,
Personenstand, Ausbildung, Beruf, die letzte berufliche Verwendung, Beschäftigungsdaten wie Arbeitgeber, Verdienst,
berufliche Verwendung; Leistungsbezugsdaten wie Beginn, Einstellungen und Sperren des Leistungsbezuges gemäß
den §§ 10, 49 und 50 AlVG, Ende, Art, Höhe von finanziellen Leistungen, wie insbesondere Tagsätze, die Anzahl der
Familienzuschläge, Art und Umfang von Sorgepflichten, die die Verfügbarkeit am Arbeitsmarkt berühren (§ 7 Abs. 3
Z. 3-4), sonstige Umstände, die die Verfügbarkeit am Arbeitsmarkt berühren (§ 7 Abs. 3 Z. 1, 2, 5 und 6), Beihilfen zu
den Kurskosten sowie Informationen über die Teilnahme an Maßnahmen zur Wiedereingliederung, Beginn und Ende
des Beschäftigungsverhältnisses oder Pensionsverfahren.
Mangels fehlender Anhaltspunkte für die Beurteilung der Vollständigkeit und Richtigkeit der Angaben der
Anspruchswerber zur Zusammensetzung der Haushaltsgemeinschaft, kann es zur missbräuchlichen Inanspruchnahme
von Geldleistungen kommen. Daher wird zum Zweck der Überprüfung der Glaubhaftigkeit der Angaben die
Möglichkeit einer Verknüpfungsanfrage via Zentrales Melderegister vorgesehen, wobei gemäß § 16a Abs. 3 des
Meldegesetzes die Auswählbarkeit aus der gesamten Menge aller im Zentralen Melderegister verarbeiteten Daten auch
nach anderen Kriterien als dem Namen des An- oder Abgemeldeten erfolgen darf. Der Behörde soll es so ermöglicht
werden, die Angaben der Anspruchswerber über im gemeinsamen Haushalt lebende Personen im Wege einer
Verknüpfungsanfrage via ZMR, welche vom Bundesminister für Inneres zu ermöglichen ist, auf Richtigkeit und
Vollständigkeit zu prüfen.
Unter einer Fremdenbehörde im Sinne dieses Gesetzes sind Behörden nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz
(NAG), dem Fremdenpolizeigesetz und auch dem Asylgesetz zu verstehen.
In Entsprechung des Art. 18 Abs. 2 der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG sollen sich Bund und Länder auch die
Gutachten zur Feststellung einer Arbeitsfähigkeit wechselseitig zur Verfügung stellen können. Diese Gutachten
enthalten allerdings besonders schutzwürdige (sensible) Daten im Sinne des § 4 Z. 2 DSG 2000. Die Nichtverwendung
dieser Daten hätte allerdings zur Folge, dass wesentliche Voraussetzungen zur Wahrung des öffentlichen Interesses
gesetzlich nicht umgesetzt werden könnten. Diese betreffen insbesondere Fragen der Rechtsträgerschaft, im Sinne der
sachlichen Zuständigkeit, und damit auch Rechtsfolgen für die begutachteten Personen insbesondere dem erforderlichen
Einsatz der Arbeitskraft und der eigenen Mittel als Voraussetzung für die Leistungsgewährung.
Die Feststellung der Arbeitsfähigkeit durch die „Clearinggutachten“ (§ 7 Abs. 5) soll in erster Linie einen negativen
Kompetenzkonflikt zwischen Bund (Arbeitsmarktservice) und Ländern in Einzelfällen hintanhalten. Die
Nichtverwendung der Gutachten hätte zur Folge, dass die Feststellung der Arbeitsfähigkeit in strittigen Fällen zu einer
Leistungsverweigerung für die Bezieherin/den Bezieher von beiden Seiten führen könnte.
Im Sinne der gebotenen Verhältnismäßigkeit des Eingriffes kann die Mitteilung über den für die Feststellung der
Arbeitsfähigkeit zu beurteilenden Status der Person nicht auf die „bloße“ Mitteilung der Arbeits(un)fähigkeit reduziert
werden. Eine ganzheitliche Anamnese der in Frage kommenden Person ist insbesondere erforderlich, um in Folge
abschließend abklären zu können, ob (Wieder)Eingliederungsmaßnahmen in das Erwerbsleben als erfolgversprechend
zu bewerten sind.
Es dürfen allerdings nur jene Daten verwendet werden, die für die Beurteilung der Anspruchsvoraussetzungen und
Überprüfungen erforderlich sind. Daher ist die Verwendung der Daten zur Beurteilung der Arbeitsfähigkeit zudem auf
einen bestimmten Kreis von Rechtsträgern beschränkt, die diese Gutachten zur Vollziehung des Gesetzes benötigen.
Eine Übermittlung bzw. Verwendung der Daten an andere Dritte ist gesetzlich ausgeschlossen.
Außerdem haben die Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservice auch jene Daten zu übermitteln, die für die
Aufrechterhaltung, die Minderung oder Einstellung von Leistungen der Mindestsicherung erforderlich sind. Dies
umfasst auch die Verpflichtung des Arbeitsmarktservice, die vom Land einmal im Monat elektronisch übermittelte
16
Liste der Bezieherinnen/Bezieher der Mindestsicherung gemäß einem Musterentwurf mit den zu übermittelnden Daten
an das Land rückzuübermitteln.
In Abs. 4 ist eine Auskunftspflicht für Dienstgeber vorgesehen. Gegenstand kann insbesondere Art und Dauer der
Beschäftigung und Höhe des Verdienstes sein. Dementsprechende Ersuchen an Dienstgeber können sich nur auf den
Einzelfall erstrecken und umfassen auch nicht eine ständige Meldeverpflichtung über Veränderungen im
Beschäftigungsverhältnis der Hilfe suchenden, der ersatzpflichtigen oder unterhaltspflichtigen Person.
Die Sozial(hilfe)statistik der Länder, die alljährlich im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und
Konsumentenschutz anhand der von den Ländern zur Verfügung gestellten Daten von der Statistik Austria
zusammengestellt wird, ist die bundesweit einzige Statistik im diesem Bereich, die regelmäßig in den Statistischen
Nachrichten publiziert wird. Derzeit existiert keine einheitliche Grundlage, auf deren Basis die Ländermeldungen
erfolgen. Dementsprechend relativ ist auch die Aussagekraft dieser Statistik. Darüber hinaus enthält die Statistik auch
keine Merkmale der Sozialhilfeempfängerinnen/Sozialhilfeempfänger wie Alter oder Gründe der Hilfebedürftigkeit.
Die Beratungen im Zuge der Ausarbeitung der Vereinbarung über eine bundesweite Bedarfsorientierte
Mindestsicherung wurden daher zum Anlass genommen, in einer eigenen Unterarbeitsgruppe die
Optimierungspotenziale in diesem Bereich eingehend zu erörtern. In einem konstruktiven Dialog zwischen Bund,
Ländern und Experten der Statistik Austria ist es gelungen, einen Raster zu entwickeln, der Mindestvorkehrungen für
den erforderlichen Informationsaustausch sowie die Erfassung und Verarbeitung der erforderlichen Daten unter
Beachtung der Vorgaben des Datenschutzgesetzes 2000 trifft. Der genaue Inhalt und Umfang der gemäß Abs. 5 zur
Verfügung zu stellenden Daten sind in einer Anlage zur Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG festgelegt worden.
Zu § 21 (Behörden):
In erster Instanz obliegt die Entscheidung über Leistungen der Mindestsicherung den Bezirksverwaltungsbehörden. Die
örtliche Zuständigkeit der Bezirksverwaltungsbehörde richtet sich nach dem Hauptwohnsitz der Hilfe suchenden
Person, in Ermangelung eines solchen nach deren gewöhnlichem Aufenthalt. Der gewöhnliche Aufenthalt ist gemäß
§ 66 JN zu bestimmen.
Zu einer effektiven Überbrückungshilfe (§ 14) ist es notwendig, dass Leistungen der Mindestsicherung vor Abschluss
des Ermittlungsverfahrens erbracht werden können. Im Sinne einer Beschleunigung der Leistungserbringung ist die
Überbrückungshilfe von der Gemeinde oder der Bezirksverwaltungsbehörde, in der die Hilfe suchende Person ihren
Hauptwohnsitz, in Ermangelung eines solchen ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, zu erbringen (Abs. 3).
Der Unabhängige Verwaltungssenat entscheidet gemäß Abs. 4 über Berufungen gegen Bescheide einer
Bezirksverwaltungsbehörde. Die Landesregierung ist berechtigt, gegen diesbezügliche Bescheide des Unabhängigen
Verwaltungssenates allenfalls „Amtsbeschwerde“ an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben (Art. 18d Gesetz über den
Unabhängigen Verwaltungssenat).
Da die Landesregierung als Berufungsbehörde immer auch gleichzeitig die Interessen des Kostenträgers Land
Steiermark vertritt, erscheint die Installierung des UVS als Berufungsbehörde im Interesse der Gewährleistung eines
„fairen Verfahrens“ im Sinn des Art. 6 MRK geboten.
Die Interessen der Fachaufsicht durch die Landesregierung bleiben durch die Möglichkeit der Amtsbeschwerde
gewahrt.
Zu § 24 (Übergangsbestimmungen):
Personen, die nach diesem Gesetz anspruchsberechtigt sind, denen im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes Hilfe
zum Lebensunterhalt gemäß § 8 des Steiermärkischen Sozialhilfegesetzes gewährt wird, ist diese Hilfe bis zum
31. März 2011 weiter zu gewähren. Falls sie bis zum 31. März 2011 einen Antrag auf Mindestsicherung stellen, ist die
Hilfe zum Lebensunterhalt gemäß § 8 des Steiermärkischen Sozialhilfegesetzes allerdings bis zur Entscheidung in erster
Instanz über den Antrag auf Gewährung von Mindestsicherung weiter zu gewähren.
17
Zu Artikel 2 (Änderung des Steiermärkischen Sozialhilfegesetzes):
Zu Z. 1:
§ 4 Abs. 1a war dahingehend abzuändern, dass nunmehr nicht nur Personen, denen nach betreuungsrechtlichen
Bestimmungen ein Rechtsanspruch auf Gewährung der Grundversorgung zusteht, kein Rechtsanspruch auf Leistungen
zur Sicherung des Lebensbedarfes nach dem Steiermärkischen Sozialhilfegesetz zusteht, sondern auch Personen, die
nach dem Steiermärkischen Mindestsicherungsgesetz anspruchsberechtigt sind.
Jenen Personen, deren Lebensbedarf mit Rechtsanspruch durch die Vorschriften nach dem Steiermärkischen
Mindestsicherungsgesetz bereits gedeckt ist, soll nicht zusätzlich auch noch ein Rechtsanspruch auf Leistungen zur
Sicherung des Lebensbedarfes im Rahmen des Steiermärkischen Sozialhilfegesetzes, mit Ausnahme der Geldleistungen
für einmalige Unterstützungen gemäß § 7 Abs. 2 lit. a Z. 3 sowie der erforderlichen Pflege gemäß § 9 Abs. 2 lit. a und
c, zustehen. Alle übrigen Leistungen nach dem Steiermärkischen Sozialhilfegesetz bleiben davon unberührt.
Zu Z. 2:
Mit der Novelle zum Sozialhilfegesetz, LGBl. Nr. 113/2008, wurde der sogenannte Angehörigenregress in § 28
abgeschafft. Allerdings ist gemäß § 5 Abs. 1 StSHG „Hilfe nur so weit zu gewähren, als das Einkommen und das
verwertbare Vermögen des Hilfeempfängers nicht ausreichen, um den Lebensbedarf zu sichern.“ Nach der ständigen
Rechtsprechung sind als Einkommen im Sinn dieser Bestimmung auch Unterhaltsansprüche zu sehen. Dies führt in der
Praxis dazu, dass Angehörige, trotz des mit der Novelle intendierten Wegfalls der Ersatzpflicht, im vollen Rahmen ihrer
Unterhaltspflicht weiterhin in Anspruch genommen werden können. Das hat allerdings in einigen Fällen dazu geführt,
dass diese selbst hilfebedürftig wurden. Zur Ergänzung und Klarstellung der angeführten Novelle soll dies nunmehr
ausgeschlossen werden, wodurch der Unterhaltspflichtige keinen Unterhalt mehr leisten muss, soweit er selbst dadurch
hilfsbedürftig wird.
Zu Z. 3:
In Angleichung an das Steiermärkische Mindestsicherungsgesetz sind – abweichend vom Grundsatz der monatlichen
Gewährung gemäß § 8 Abs. 2 – richtsatzgemäße Geldleistungen für Mitunterstütze, für die Familienbeihilfe bezogen
wird, in den Monaten Juni und November in zweifacher Höhe zu gewähren, wobei die diesen tatsächlich zufließenden
Einkünfte dem zweifachen Richtsatz gegenüberzustellen sind und die sich ergebende Differenz als Sozialhilfeleistung
zu gewähren ist.
Zu Z. 4:
Gemäß § 17 Abs. 1 Z. 3 Steiermärkisches Mindestsicherungsgesetz ist für die Mindestsicherung, die auf Grund eines
Rechtsanspruches geleistet wurde, von den Erben der Personen, die diese Leistungen in Anspruch genommen haben, bis
zur Höhe des Wertes des Nachlasses Ersatz zu leisten. Im Sinne einer Vereinheitlichung wurde diese Bestimmung
wieder in das Steiermärkische Sozialhilfegesetz aufgenommen.
Zu Z. 5:
Die Strafhöhe der in § 42 Abs. 2 normierten Verwaltungsübertretung wurde ein wenig erhöht und mit 4.000 Euro
festgesetzt. Das entspricht auch der Strafhöhe die für eine Verwaltungsübertretung in § 23 Abs. 2 Steiermärkisches
Mindestsicherungsgesetz festgesetzt wird.
Zu Z. 6:
Leistungen zur Sicherung des Lebensbedarfes gemäß § 8, die vor Inkrafttreten des Steiermärkischen
Mindestsicherungsgesetzes durch Bescheid Personen, die nach dem Steiermärkischen Mindestsicherungsgesetz
anspruchsberechtigt sind, zuerkannt worden sind, sind nach Maßgabe dieses Bescheides weiterzugewähren. Solche
Leistungsbescheide treten mit 31. März 2011, wenn jedoch bis zu diesem Zeitpunkt ein Antrag auf Gewährung von
Mindestsicherung gestellt wurde, mit der Entscheidung in erster Instanz außer Kraft (vgl. die Erläuterungen zu § 24
StMSG).
Zu Z. 7:
Die Änderungen des Steiermärkischen
Mindestsicherungsgesetz in Kraft.
Sozialhilfegesetzes
treten
zeitgleich
mit
dem
Steiermärkischen
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Zu Artikel 3 (Änderung des Steiermärkischen Wohnbauförderungsgesetzes 1993):
Zu Z. 1:
Um eine Gleichbehandlung hinsichtlich des Steiermärkischen Sozialhilfegesetzes sowie dem Steiermärkischen
Mindestsicherungsgesetz im Steiermärkischen Wohnbauförderungsgesetz 1993 zu gewährleisten, wird klarstellend im
§ 2 Z. 10 lit. c zehnter Spiegelstrich festgehalten, dass bei der Ermittlung des Einkommens gemäß § 2 Z. 10 lit. a und b
auch Leistungen nach dem Steiermärkischen Mindestsicherungsgesetz außer Ansatz bleiben.
Zu Z. 2:
Die Änderung des Steiermärkischen Wohnbauförderungsgesetzes 1993 tritt zeitgleich mit dem Steiermärkischen
Mindestsicherungsgesetz in Kraft.
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