Unsere Themen

Unsere Themen
Wir leben Gemeinschaft
TARIFRUNDE:
Auf der Zielgeraden
Die EVG hat sich in der laufenden Tarifauseinandersetzung mit der DB AG ein klares Ziel gesetzt: Bis zum 1.
Juni soll der Abschluss stehen. Und das ist auch zu schaffen, weil wir – ohne Streiks! – bereits mehr erreicht
haben als die Konkurrenzgewerkschaft.
So haben wir zu unserem 16-Punkte-Programm bereits eine Reihe von
Ergebnissen erreicht. In diesen 16 Punkten geht es um die zukunftsfähige Weiterentwicklung der Funktionsgruppen
und des Entgeltsystems. Diese Ergebnisse fassen wir in einem Tarifvertrag unter
dem Titel „Arbeit 4.0“ zusammen. Offen
sind noch einige Punkte zu unseren Forderungen. Die dazu vorliegenden Angebote hat die Tarifkommission bewertet
und die entsprechende Marschrichtung
für die nächsten Verhandlungen vorgegeben. Nachbessern muss der Arbeitgeber auch bei den materiellen Aspekten des Abschlusses: Unsere Forderung
lautet 6 Prozent, mindestens aber 150
Euro mehr für alle. Das heißt, wir werden
keine Spaltung zwischen den Beschäftigtengruppen zulassen. Die Dienstleister gehören zur Bahn und dürfen nicht
abgekoppelt werden.
Dies alles können wir ohne Streiks erreichen. Wir haben dem Arbeitgeber
klar gesagt, dass ein Streik möglich ist,
wenn er auf Zeit spielt und sein Angebot nicht vernünftig nachbessert.
Wir werden uns aber nicht zu Arbeitskampfmaßnahmen hinreißen lassen,
nur weil bei anderen gerade der Finger
locker am Abzug sitzt.
Bei der Frage „Streik oder nicht“ geht es
nicht darum, ob die EVG einen „Arsch in
der Hose hat“. Das wissen wir und sind
selbstbewusst genug, um das nicht
ständig beweisen zu müssen. Sondern
es geht darum, ob man sinnvoll etwas
erreichen kann. Allein die Streikdrohung der EVG im Februar hat dazu geführt, dass alle Beschäftigten eine Vorschusszahlung von 100 Euro pro Monat
auf den Tarifabschluss bekommen. Anders als eine Einmalzahlung bedeutet
das nicht, dass diese Monate tarifpolitisch geschlossen sind; vielmehr wird
die Vorschusszahlung mit dem Gesamtabschluss verrechnet. Wir streiken,
wenn sich am Verhandlungstisch nichts
mehr bewegt. Wenn wir müssen und
wenn auch unsere Kolleginnen und
Kollegen wissen, wofür sie streiken.
Über der laufenden Tarifrunde schwebt
nach wie vor das Gesetzgebungsverfahren für ein Tarifeinheitsgesetz. Die
EVG steht diesem Gesetzesvorhaben
kritisch gegenüber. In unserem Organisationsbereich würde kein Problem
damit gelöst, dafür würden neue geschaffen. Dazu mehr in der kommenden Ausgabe von Unsere Themen.
INHALT
TARIFRUNDE
Auf der Zielgeraden
Seite 1
KOOPERATIONSVEREINBARUNG:
Interessen der Mitglieder
stehen im Vordergrund
Seite 2
15 JAHRE ALLIANZ PRO SCHIENE:
Selbstbewusste Schienenlobby
Seite 3
EISENBAHNPAKET:
EVG bekräftigt Kritik
Seite 4
G7 GIPFEL:
G7 müssen Verantwortung
übernehmen
Seite 5
HAUSHALTSPOLITIK:
Schwarze Null auf Kosten
der Beitragszahler
Seite 6
EVA BILDUNG & WISSEN:
Jugendaustausch Türkei
Seite 7
CHRONIK UND URTEILE
Seite 8
KOOPERATIONSVEREINBARUNG:
Unsere Themen im Mai 2015
Interessen der Mitglieder
stehen im Vordergrund
Das Mitglied steht im Mittelpunkt unseres gewerkschaftlichen Handelns. Das ist und bleibt
das Credo der EVG. Deshalb hat sich die EVG zu einer weiteren Kooperation mit drei anderen
DGB-Gewerkschaften entschlossen.
KOOPERATIONSVEREINBARUNGEN ZWISCHEN GEWERKSCHAFTEN
…sind nichts Neues.
Bereits in der Vergangenheit haben Konflikte über
die Zuständigkeiten für
einzelne Betriebe oder
Branchen durch bilaterale
Vereinbarungen gelöst.
EVG-Magazin für Funktionäre
Seit 2005 wurden zwischen
verschiedenen DGB-Gewerkschaften insgesamt elf
bilaterale Vereinbarungen
über Zuständigkeiten geschlossen. Die EVG hat eine
solche Vereinbarung bereits
seit Jahren mit ver.di. Hier
geht es um den Busbereich.
2
Erst vor kurzem haben sich
ver.di und die IG BCE über
die Zuständigkeit in der ostdeutschen Wasserwirtschaft
geeinigt. Weitere Verhandlungen laufen gerade mit
der IG Metall. Hier geht
es um die Zuständigkeit
in der Kontraktlogistik.
Der DGB wertet das positiv.
Die Vereinbarungen „stärken
die Handlungsfähigkeit der
Gewerkschaften insgesamt“, so der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann.
In einer Zeit, in der sich Produktionsprozesse und Wertschöpfungsketten in den Unternehmen verändern, darf es in der Folge nicht zu
Streitigkeiten um Zuständigkeiten
innerhalb der DGB-Gewerkschaften
kommen. Wir wollen uns voll und
ganz auf die Interessenvertretung
unserer Mitglieder konzentrieren.
Daher hat die EVG mit der IG Metall,
der IG Bergbau, Chemie, Energie
(IG BCE) und der IG Bau-Agrar-Umwelt (IG BAU) eine Vereinbarung
unterzeichnet, die DGB-interne
Auseinandersetzungen über sich
möglicherweise verändernde Vertretungsansprüche im Bereich der
Industriegewerkschaften von vornherein vermeidet.
Schon heute gibt es hier zahlreiche
„Schnittmengen“. Im Werkebereich
gibt es Berührungspunkte mit der
IG Metall, bei den Werksbahnen
mit der IGBCE und im Hinblick auf
Bautätigkeit und Reinigung mit der
IG BAU. In Zeiten von Umstrukturierungen brauchen die Beschäftigten dringend die Unterstützung
ihrer Gewerkschaft. Die Vereinbarung soll dafür sorgen, dass schon
im Vorfeld Zuständigkeiten und
Vertretungsansprüche geklärt sind
und die zuständige Gewerkschaft
sich ausschließlich um die Interessenvertretung kümmern kann.
Kern der Vereinbarung ist ein vierstufiges Verfahren, dass Konflikte um Mehrfachzuständigkeiten
rasch beilegen soll. So sollen sich
zunächst die Gewerkschaftsvertreter vor Ort um eine Einigung bemühen. Maßstab ist dabei – neben
der Organisationsgeschichte als
Kriterium der Wertschöpfungskette – auch der jeweilige Organisationsgrad. Gelingt eine Einigung auf
dieser Ebene nicht, wird eine Mediation eingeleitet. Scheitert auch
dieser Versuch, sind die Vorstände
der beteiligten Gewerkschaften
gefordert, eine tragfähige Lösung
zu finden. Erst dann kommt es zu
einem DGB-Schiedsverfahren mit
einer dann abschließenden Entscheidung.
Damit festigen die vier Gewerkschaften, die sich zunächst an dieser für alle DGB Gewerkschaften offenen Kooperationsvereinbarung
beteiligen, die Einheit des DGB. Wir
wollen handlungsfähig bleiben und
uns nicht im Streit gegenseitig lähmen. Wir betonen unsere Gemeinsamkeiten und stellen eine schlagkräftige
Interessenvertretung
unserer Mitglieder in den Vordergrund. Damit wird die EVG einmal
mehr ihrem eigenen Anspruch gerecht: Denn auch für die Kooperation gilt: „Wir leben Gemeinschaft“.
15 JAHRE ALLIANZ PRO SCHIENE:
Lobbyismus hat zwar für viele einen negativen Unterton. Der Begriff beschreibt allerdings etwas
Legitimes: Gruppeninteressen soll
politisches Gehör verschafft werden. Die Allianz pro Schiene tritt
daher offensiv für die Förderung
der Schiene und für die Verbesserung der Rahmenbedingungen für
den Schienenverkehr ein. Bis zum
Jahr 2020, so die Vision, will die
ApS folgende Ziele erreichen:
• Die Eisenbahnen sind in der Europäischen Union auf dem Vormarsch. Sowohl im Güter- als
auch im Personenverkehr steigt
ihr Marktanteil.
• In Deutschland ist der Marktanteil im Personenverkehr auf mindestens 15 und im Güterverkehr
auf mindestens 25 Prozent angestiegen.
• Jeder kennt die ApS und sie
wird von allen relevanten gesellschaftlichen Gruppen und
Unternehmen mit Interesse an
einer umwelt- und sozialverträglichen Mobilität unterstützt.
Charakteristisch für die Allianz
pro Schiene ist ihre Struktur: Sie
besteht aus derzeit 22 Mitgliedern und 120 Förderern. Bei den
Mitgliedern handelt es sich um
Non-Profit-Organisationen:
Die
beiden Bahn-Gewerkschaften sind
dabei, Umweltverbände, die Bahnkundenverbände, drei Hochschu-
len und sogar zwei Automobilverbände. Sie bilden zusammen den
„politischen Arm“ des Bündnisses.
Das ökonomische Rückgrat dagegen bilden die Fördermitglieder:
Unternehmen der Schienenbranche – Eisenbahnverkehrs- und
Infrastrukturunternehmen, aber
auch Produzenten und Zulieferer
bis hin zu Bauunternehmen. Allesamt Unternehmen, die ein vitales
Interesse an einer prosperierenden
Schiene haben. Die einen bringen
politischen Sachverstand ein, die
anderen finanzieren die Verbandsarbeit. Und beide stehen in einem
permanenten Austausch auf Augenhöhe.
Es geht um eine nachhaltige Veränderung des politischen Klimas
in Deutschland in Bezug auf den
Schienenverkehr. Jahrzehntelang
wurde Mobilität nur als Automobilität verstanden. Die ApS zeigt auf,
dass die Förderung der Schiene
nicht nur im Interesse des Gemeinwohls, der Umwelt und des Klimas
liegt, sondern auch ein Mittel ist,
Mobilität für viele Menschen zu gewährleisten. Viele ihrer Argumente,
ihrer Zahlen und Fakten sind schon
in die verkehrspolitische Diskussion eingeflossen. Die Allianz ist ein
starker Partner der EVG – und umgekehrt. Denn wer für die Schiene
eintritt, tritt auch für die Arbeitsplätze von Eisenbahnerinnen und
Eisenbahnern ein.
AUSGEZEICHNETE
ALLIANZ
Die Allianz pro Schiene
nutzt für ihre Arbeit eine
ganze Palette an Möglichkeiten: Pressearbeit, öffentlichkeitswirksame Aktionen
(wie z.B. Bahnhof des Jahres,
Eisenbahner mit Herz), Gespräche mit Politikern, parlamentarische Abende, Positionspapiere, Gutachten etc.
Und sie tut dies mit Erfolg.
Bereits 2004 wurde die
ApS von der Tageszeitung
Die Welt als „Deutschlands
wichtigster Interessenverband für die Eisenbahn“
bezeichnet. Die Zeitschrift
Politik & Kommunikation
listete die ApS unter den
„Top 100“ der Lobbyverbände in Deutschland auf.
Und im Herbst 2014 wurde
sie auf dem European Rail
Congress mit dem Preis
„Best Partnership of the
Year“ ausgezeichnet.
Bisher jüngster Coup ist
der Bundesländerindex
Mobilität. Er wird alljährlich
vorgelegt und macht die
Verkehrspolitik der Bundesländer vergleichbar.
EVG-Magazin für Funktionäre
Vor 15 Jahren, im Juni 2000, wurde die Allianz pro Schiene gegründet. Sie ist seitdem zu einem der wichtigsten Akteure im Bereich der Verkehrspolitik geworden. Die ApS nennt sich
bewusst „Lobbyorganisation“.
Unsere Themen im Mai 2015
Selbstbewusste Schienenlobby
3
EISENBAHNPAKET:
EVG-Magazin für Funktionäre
Unsere Themen im Mai 2015
EVG bekräftigt Kritik
4
Das 4. EU-Eisenbahnpaket wird weiterhin noch nicht zugeschnürt. Die EU-Mitgliedstaaten
werden sich voraussichtlich bis Ende Juni nicht mehr auf eine gemeinsame Position zu den
politischen Themen des Paketes einigen. Die Diskussion geht also weiter und die EVG hat ihre
wesentlichen Kritikpunkte an diesem Gesetzespaket noch einmal zusammengefasst.
TECHNISCHE UND
POLITISCHE SÄULE
Strittig sind unter den EU-Institutionen (Kommission,
Rat, Parlament) vor allem
die politischen Kernthemen
des 4. Eisenbahnpaketes,
nämlich die Marktöffnung
und Unabhängigkeit der
Netzbetreiber. Bis Ende
Juni hat Lettland noch den
Vorsitz im Ministerrat. Der
lettische Verkehrsminister
hat ein Kompromisspapier erarbeitet, das aber
von den Mitgliedsstaaten
zurückgewiesen worden
ist. Im Juli wird Luxemburg
den Vorsitz übernehmen.
Dagegen kommen die
Trilog-Verhandlungen
zwischen Verkehrsministern,
Parlament und EU-Kommission über die sogenannte technische Säule
offenbar voran. Hier kann
es Presseberichten zufolge
noch im ersten Halbjahr
eine Einigung geben.
Hier geht es um Fragen
der Interoperabilität und
der technischen Sicherheit
des Eisenbahnverkehrs.
Generell lehnen wir das Paket ab,
weil es weder positive Effekte für
die Beschäftigten mit sich bringt
noch einen überzeugenden Plan
für die Weiterentwicklung des
Schienensektors enthält. Das
EU-Parlament und auch das deutsche Verkehrsministerium haben
einige unserer Kritikpunkte bereits
aufgenommen. Die EU-Kommission zeigt allerdings immer noch
wenig Bereitschaft, die Interessen
der Beschäftigten bei ihrem Liberalisierungsvorhaben zu berücksichtigen.
Im Einzelnen kritisiert die EVG vor
allem folgende Punkte:
• Das Paket muss verbindliche
Regeln zur Übernahme der Beschäftigten bei einem Betreiberwechsel enthalten. Die Dachorganisationen ETF und CER haben
sich bereits auf entsprechende
Vorschläge geeinigt und durch
das EU-Parlament in den Gesetzgebungsprozess eingebracht.
• Für eine Trennung von Netz und
Betrieb gibt es keine Notwendigkeit. Der deutsche Schienenverkehrsmarkt mit mehr als 300
konkurrierenden Unternehmen
zeigt, dass ein integrierter Konzern den Wettbewerb in keiner
Weise behindert. Vertikal integrierte Unternehmen spielen
zudem die Rolle von Innovationstreibern der Branche. Diese
Kompetenz ginge verloren. Und:
Eine Trennung von Netz und Betrieb würde die konzerninternen
Arbeitsmärkte gefährden und
hätte damit katastrophale Folgen für die Beschäftigten.
• Die Möglichkeit der Direktvergabe im SPNV muss erhalten
bleiben. Das komplexe System
SPNV braucht die Direktvergabe. Die Mitgliedsländer müssen
die Möglichkeit haben, den öffentlichen Verkehr gemäß ihrer
nationalen Besonderheiten zu
organisieren.
• Eine der größten Prioritäten hat
für uns die Zertifizierung der
Bordpersonale analog zu der der
Triebfahrzeugführer. Eine EU-weite Harmonisierung der Mindestanforderungen an Ausbildung und Kompetenzen erhöht
die Mobilität der Zugpersonale,
ohne das Sicherheitsniveau der
Eisenbahn zu beeinträchtigen.
• Ganz klar wenden wir uns gegen
die geplante Verstaatlichung
von Risiken beim Zugang zum
rollenden Material. Der Betrieb
eines EVU ist eine unternehmerische Entscheidung; sie birgt
Gewinnerwartungen, aber auch
Risiken. Letztere sollte die öffentliche Hand den EVU nicht abnehmen. Auch würden EVU, die
die Instandhaltung nicht mehr
selbst leisten dürfen, zu reinen
Carriern werden, der Wettbewerb würde nur noch über die
Personalkosten geführt werden.
G7 GIPFEL:
Mitte Juni findet in Deutschland der Gipfel der sieben führenden Industrienationen (G 7) statt.
Die Gewerkschaften fordern, dass die G 7 endlich auch Verantwortung für menschenwürdige
Arbeitsbedingungen übernehmen müssen.
„Beim derzeitigen Lieferketten-Geschäftsmodell haben die Beschäftigten das Nachsehen. Wir brauchen ein neues Geschäftsmodell“,
sagt Sharan Burrow, Generalsekretärin des Internationalen Gewerkschaftsbundes IGB. „Überall auf der
Welt stoßen wir in Lieferketten auf
Sklavenarbeit, informelle Beschäftigung, Hungerlöhne und gefährliche Arbeitsbedingungen. Multinationale Unternehmen müssen von
den Regierungen ihrer Heimatländer für Missbräuche in ihren Lieferketten rechtlich belangt werden.“
Burrow forderte daher auch Unterstützung für Investoren, die in
menschenwürdige Arbeit in Lieferketten investieren. „Diejenigen, die
in Unternehmen investieren, die
gegen internationale Arbeitsnormen verstoßen, sollten zur Verantwortung gezogen werden.“
Eine besondere Rolle kommt dabei
Deutschland zu, dem derzeitigen
Vorsitzland der G 7 und Gastgeber
des diesjährigen Gipfels. Deutschland steht zwar am Ende der Wertschöpfungskette – genau deswe-
gen aber dürfen wir uns nicht aus
der Verantwortung stehlen. Billige
Klamotten in den Läden hierzulande beruhen oftmals auf der Ausbeutung von Arbeiterinnen und
Arbeitern in anderen Ländern. Und
natürlich darauf, dass der Transport dieser Waren künstlich billig
gerechnet wird – auch dies nicht
zuletzt auf Kosten der Beschäftigten. Der DGB-Vorsitzende Reiner
Hoffmann fordert deshalb eine
Führungsrolle Deutschlands ein.
„In jedem Land muss ein existenzsichernder Mindestlohn gelten,
und wir brauchen funktionierende Lohnfindungsmechanismen. Es
kann nicht sein, dass hier Willkür
herrscht, nur um das Geiz-ist-GeilDenken in den reichen Ländern
zu bedienen.“ Die prekäre und lebensgefährliche
Beschäftigung
entlang der Lieferketten müsse
thematisiert werden. „Wir brauchen Transparenz. Heute weiß jeder, ob ein T-Shirt aus Baumwolle
ist, bei wieviel Grad es gewaschen
werden darf und woher die Ananas
stammt – warum schweigen wir
über den Lohn der Näherin und
die Gesundheit der Pflücker?“ Die
G7 hätten den politischen Einfluss,
die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu stärken.
„Sie müssen dafür sorgen, dass die
UN-Leitprinzipien für Wirtschaft
und Menschenrechte endlich erfolgreich umgesetzt werden.“
„GRUPPE DER 7“
Die „G 7“ wurde nach einer
Reihe von informellen Treffen 1975 offiziell gegründet.
Hintergrund waren die
Ölkrise und der Zusammenbruch des Systems
fester Wechselkurse. Ging es
zuerst um Wirtschafts- und
Währungsthemen, so hat
sich die Themenpalette inzwischen enorm erweitert.
Heutzutage wird genauso
über Gesundheitspolitik,
Klimaschutz etc. diskutiert.
Deswegen darf natürlich
das Thema Arbeitsbedingungen nicht fehlen.
Am Anfang gehörten
die USA, Großbritannien,
Deutschland, Frankreich,
Italien und Japan zur Gruppe. 1976 kam Kanada dazu.
1998 erweiterte sich die
Gruppe durch die Aufnahme Russlands zur „G
8“. Nach der Annexion der
Krim durch Russland wurde
im vergangenen Jahr
entschieden, wieder zum
G7-Format zurückzukehren,
zumindest vorübergehend.
Der Gipfel findet jedes Jahr
statt. Deutschland richtet
ihn zum fünften Mal aus.
EVG-Magazin für Funktionäre
Die Wertschöpfungsketten sind
längst international geworden,
in vielen Bereichen verlaufen sie
schon global. Entlang dieser Wertschöpfungsketten müssen überall
menschenwürdige Arbeits- und
Sozialbedingungen herrschen. Die
G7-Staaten sind hierbei zentrale
Akteure.
Unsere Themen im Mai 2015
G7 müssen Verantwortung übernehmen
5
HAUSHALTSPOLITIK:
EVG-Magazin für Funktionäre
Unsere Themen im Mai 2015
Schwarze Null auf Kosten
der Beitragszahler
6
Bundesfinanzminister Schäuble freut sich: Er bekommt seine „schwarze Null“. Übersehen wird dabei,
dass es vor allem die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler sind, die die Zeche dafür bezahlen.
STEUERN ODER
BEITRÄGE…
…ist das nicht egal? Ist es
nicht. Denn bei der Finanzierung aus Steuermitteln
ist ein wesentlich größerer
Personenkreis beteiligt als
bei der Beitragsfinanzierung.
Viele Steuerpflichtige wie z.B.
Freiberufler zahlen Steuern,
sind aber nicht sozialversicherungspflichtig und ggf.
privat versichert. Vor allem
aber werden Kapitaleinkünfte nicht zur Beitragsfinanzierung herangezogen.
Sozialversicherungsbeiträge
sind außerdem gedeckelt
– durch die Beitragsbemessungsgrenze. Nur bis zu dieser Grenze werden Sozialversicherungsbeiträge bezahlt.
Einkommensbestandteile, die
darüber liegen, sind von der
Sozialversicherungspflicht
befreit. Besserverdiende
haben auch die Möglichkeit,
sich aus der Sozialversicherung ganz zu verabschieden
– nämlich wenn ihr Einkommen über der Versicherungspflichtgrenze liegt.
Eine Steuerfinanzierung
verbreitert also die Finanzierungsbasis.
Der Bundeshaushalt wird zum einen durch steigende Steuereinnahmen ausgeglichen. Zum anderen aber durch Einsparungen in
den sozialen Sicherungssystemen.
Die müssten aber eigentlich gestärkt werden.
Ein paar Beispiele, wie die Sozialkassen zur Sanierung des Bundeshaushaltes beitragen:
• Bei der Rente wird der Bundeszuschuss Schritt für Schritt heruntergefahren. Die „Mütterrente“,
die eine gesamtgesellschaftliche
Aufgabe ist, wird in der Finanzierung allein den Beitragszahler/
innen aufgebürdet.
• In der Gesundheitsversorgung
hat die Bundesregierung ihren
Steuerzuschuss zur Gegenfinanzierung gesamtgesellschaftlicher
Leistungen bereits seit 2010 abgesenkt. Und durch die jüngste
„Reform“ in diesem Bereich werden zusätzlich allein den Beitragszahlern die absehbaren Kostensteigerungen aufgebürdet.
• Im Bereich der Arbeitslosenversicherung gibt es ebenfalls eine
Reihe von gesamtgesellschaftlichen Aufgaben, so die Förderung
von Maßnahmen in Werkstätten
für behinderte Menschen oder
Leistungen der beruflichen Rehabilitation im Rahmen der Ersteingliederung. Auch diese Kosten
werden ausschließlich über die
Beiträge finanziert.
Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften fordern einen Kurswechsel. Denn, wie es der DGB in
einem Positionspapier formuliert,
„auf die Solidarität der kollektiven
Sicherungssysteme sind all diejenigen angewiesen, die sich vor
der Gefahr des Absturzes nicht individuell mit einem Konto auf den
Caymaninseln oder in Luxemburg
schützen können.“
Die großen Lebensrisiken wie Alter, Krankheit, Arbeitslosigkeit
oder Pflege können nicht individuell, sondern nur in den Sozialversicherungen geschultert werden.
Um sie langfristig auf eine solide
Grundlage zu stellen, fordern die
Gewerkschaften u.a.
• eine Bürgerversicherung in Gesundheit und Pflege
• die Wiederherstellung der Beitragsparität
• eine nachhaltige Finanzierung der
gesetzlichen Rentenversicherung
(z.B. durch Aufbau von Rücklagen)
• eine systemgerechte Finanzierung
gesamtgesellschaftlicher
Aufgaben aus Steuermitteln.
EVG BILDUNG & WISSEN:
Junge Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter der EVG haben sich in Istanbul mit jungen Gewerkschaftern der türkischen Schwestergewerkschaft Demiryol-Iş getroffen. Dieser Jugendaustausch ist ein Projekt der EVA-Akademie, das dazu dienen soll, gegenseitiges Verständnis und
Toleranz, Offenheit für andere Kulturen, den Erfahrungs- und Meinungsaustausch zu fördern.
Was haben wir in der Türkei erlebt?
Die Kollegen von Demiryol-Iş haben uns ein interessantes, vielfältiges Programm geboten, das uns
Einblicke in den Arbeitsalltag dortiger Verkehrsbetriebe, Ausbildungsstätten und das Leben der jungen
Kollegen ermöglicht hat. Hier einige Stationen: Bei einem Besuch
der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES)
in Istanbul, zu deren Aufgaben es
gehört, die türkischen Gewerkschaften zu unterstützen, haben
wir Informationen über die Struktur
der Gewerkschaften und über Konfliktpotentiale und Chancen erhalten. Auf der neuen Hochgeschwindigkeitsstrecke
Ankara–Istanbul
sind wir nach Eskişehir gereist,
haben eine Ausbildungsstätte und
einen Betrieb besucht sowie mit
Gewerkschaftern vor Ort geredet.
In der Metro-Werkstatt in Istanbul
konnten wir bestaunen, wie Bahnen, die früher durch Köln fuhren,
komplett überarbeitet, aufpoliert
und umgerüstet werden, so dass sie
demnächst als moderne Metros in
Istanbul zum Einsatz kommen. Und
natürlich waren wir auf – und auch
unter – dem Bosporus unterwegs,
zwischen der asiatischen und der
europäischen Seite, mit dem Schiff,
der Fähre und der Metro.
Begleitet wurden wir nicht nur von
den jungen Kollegen, sondern auch
von Funktionären der Demiryol-Iş,
wie dem Generalsekretär Hüseyin
Kaya. Wir haben viel gesehen und
erlebt und nehmen diese Erfahrungen mit in den Betrieb und in die
gewerkschaftliche Arbeit. Die Gastfreundschaft und Offenheit, die wir
an allen Orten, die wir besuchen
konnten, erfahren haben, hat uns
sehr positiv überrascht. Wir werden
den Kollegen mit der gleichen Offenheit begegnen, wenn sie uns im
Juni in Berlin besuchen und ihnen
ein spannendes und informatives
Programm bieten.
Informationen und Kontakt:
[email protected]
[email protected]
[email protected]
Tel.: +49 30 3087522
Mobil: +49 176 10436486
FREIE
SEMINARPLÄTZE
Prävention und Konfliktmanagement für den BR
01.06. – 05.06.2015, Lüneburg
Der DemografieTV –
Gesundheitsförderung
und BEM
08.06. – 12.06.2015,
Ostseebad Damp
Betriebsverfassungsrecht –
Mitbestimmung in personellen
Angelegenheiten
08.06. – 12.06.2015, Rostock
Die KBV Beschäftigtendatenschutz und die Umsetzung im DB Konzern
10.06. – 12.06.2015, Bad Hersfeld
Betriebsverfassungsrecht –
Mitbestimmung in sozialen
Angelegenheiten
15.06. – 19.06.2015, Lübeck
Die Zusammenarbeit
zwischen BR und JAV
15.06. – 17.06.2015, Berlin
Weitere Informationen
und Kontakt:
Marion Geib,
Tel.: 030-308 75 10
[email protected]
www.eva-akademie.de
EVG-Magazin für Funktionäre
Das Zusammenwachsen Europas
und die Schaffung eines einheitlichen europäischen Verkehrsraums
bedeuten für die Beschäftigten ein
Mehr an grenzüberschreitenden
Einsätzen und eine erhöhte Mobilität auf dem Arbeitsmarkt. Der
Druck auf die Arbeitsstandards
steigt. Interkulturelle Kompetenz
ist ein Schlüssel, um die Anforderungen zu bewältigen. Sie hilft,
unterschiedliche Arbeits- und Lebensverhältnisse, Verhaltensweisen
und Werte besser zu verstehen, Respekt und Toleranz zu fördern. Die
EVG unterstützt mit dem Jugendaustausch junge Aktive in der Gewerkschaft und den betrieblichen
Interessenvertretungen, für die der
europäische Verkehrsraum weit
stärker Realität werden wird als für
die älteren Generationen.
Unsere Themen im Mai 2015
Jugendaustausch Türkei
7
Unsere Themen im Mai 2015
CHRONIK UND URTEILE
Vor 50 Jahren:
Vor 25 Jahren:
Rollende Royals: Die britischen Königin Elizabeth II.
besucht im Mai 1965 die Bundesrepublik. Dafür wird
ein 15 Wagen umfassender Sonderzug zusammengestellt. Damit reist die Queen zehn Tage lang durch
Deutschland.
Am 22. Mai 1990 beschließt der DGB, „eine einheitliche
deutsche Gewerkschaftsbewegung unter dem Dach des
DGB zu schaffen“.
IMPRESSUM
Das Magazin für Funktionäre
und Amtsinhaber der
Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG
Herausgeber:
EVG
Weilburger Straße 24
60326 Frankfurt/Main
EVG-Magazin für Funktionäre
Verantwortliche
Redakteure:
Oliver Kaufhold,
Michael Klein
8
Redaktionsschluss:
11.5.2015
Redaktion & Gestaltung:
creadicto text - sprache gestaltung GmbH & Co. KG
Reinhardtstr. 23
10117 Berlin
Tel: (030) 42 43 90 77
Fax: (030) 42 43 90 71
Email: evg.themen@
evg-online.org
Forderung nach Mindestlohn: Kündigung unwirksam
Ein Arbeitsverhältnis zu kündigen, weil der Beschäftigte den gesetzlichen Mindestlohn fordert, ist unzulässig. Das hat das Arbeitsgericht Berlin entschieden.
Der Kläger war als Hausmeister mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 14
Stunden beschäftigt. Er bekam dafür 315 €, das entspricht einem Stundenlohn von 5,19 €. Nach Einführung des allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns forderte er eine Bezahlung auf der Basis von 8,50 € pro Stunde. Der
Arbeitgeber lehnte dies ab und bot dem Kläger vielmehr an, die Arbeitszeit
zu reduzieren. Statt 14 Stunden wöchentlich sollten es künftig 32 Stunden
monatlich sein – bei nahezu gleich bleibender Bezahlung. Dies hätte einen
Stundenlohn von 10,15 € ergeben. Nachdem der Kläger dieses Angebot abgelehnt hatte, erhielt er umgehend die Kündigung.
Das Arbeitsgericht erklärte diese für unwirksam. Der Kläger habe seinen gesetzlichen Anspruch geltend gemacht, hieraus dürfe ihm kein Nachteil entstehen. Die Kündigung käme einer Maßregelung gleich und sei daher unwirksam.
Die Reduzierung der Arbeitszeit ist ein weit verbreiteter Trick zur Umgehung
des Mindestlohns. Denn sie hätte wohl auch in diesem Fall nur auf dem Papier gestanden. Die Arbeitsmenge hätte sich nicht reduziert, nur wären die
überzähligen Stunden als unbezahlte Überstunden geleistet worden.
Damit haben sich die Berliner Richter bereits zum zweiten Mal binnen
weniger Wochen mit dem Mindestlohn beschäftigt. Bereits Anfang März
hatten sie entschieden, dass der Arbeitgeber ein zusätzliches Urlaubsgeld
und eine jährliche Sonderzahlung nicht auf den gesetzlichen Mindestlohn
anrechnen darf.
AZ: 28 Ca 2405/15