Vortrag Prof. Staringer

Die Steuerreform 2015/2016 –
Internationale Aspekte
Univ. Prof. Dr. Claus Staringer
26.03.2015
Institut für Österreichisches und Internationales Steuerrecht
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Aktueller Status
 Präsentation der „Steuerreform 2015/16“ am 13.03.2015
 Beschluss des Ministerrats über Eckpunkte am 17.03.2015



12-seitige Punktation
Kein Gesetzestext, daher vieles noch unklar/offen
Einige Themen schon im Bericht der Steuerreform-Kommission (Dezember
2014) enthalten
 Gesetzesentwürfe Anfang Mai 2015
 Regierungsvorlage im Juni 2015
 Parlamentarische Beschlussfassung im Juli 2015
 Inkrafttreten überwiegend mit 01.01.2016
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Agenda
 Ausgewählte Themen der Steuerreform

Auf Basis des aktuellen Status
 Wo sind die „internationalen“ Aspekte?

Kern der Reform

Tarifreform

Abschaffung des Bankgeheimnisses

Ankündigung EStG 2016

Im Kernbereich des Internationalen Steuerrechts derzeit kaum Neuerungen
erkennbar

Aber einige Themen werden international wahrgenommen
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Reform des EinkommensteuerTarifes
 Neue Tarifstruktur: Kern der Reform, aber hier nicht Gegenstand
 Neuer Spitzensteuersatz 55% für Einkommensteile > EUR 1 Mio



Soll Anhebung KESt auf 27,5% ermöglichen
Befristet auf 5 Jahre
Einnahmen sollen in „Österreichfonds“ für Forschung und Bildung fließen
 Hohe Signalwirkung für Steuerstandort, aber nur sehr wenige Betroffene

Einkommensteuer-Statistik 2012 (ohne reine Lohnsteuerfälle): 321 Fälle
 Aber: in Statistik auch Sondersteuersatz-Fälle erfasst (insb Veräußerung von
Beteiligungen oder Immobilien)
 Daher tatsächlich noch deutlich weniger Betroffene?
 Sehr geringer Aufkommenseffekt



Steueraufkommen aller 321 Fälle in 2012 rd EUR 265 Mio
Erhöhung von 50% auf 55% könnte max. ein Zehntel davon bringen (rd EUR 26
Mio in 2012)
BReg: EUR 50 Mio Mehrertrag
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Reform des EinkommensteuerTarifes (2)
 Ist ein Spitzen-Steuersatz mit so engem Betroffenenkreis zulässig?



Max. 0,005 % der Steuerpflichtigen (1 aus 20.000) (!)
Wo sind die Grenzen der Tarif-Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers? (die
vorletzte Tarifstufe 50% erstreckt sich über EUR 910.000 (!), dh über zehn Mal
mehr (!) als alle tieferen Stufen gemeinsam)
Geplante Anhebung KESt als sachlicher Grund?
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Anhebung „KESt-Satz“ auf
27,5%
 „Kapitalertragsteuer wird generell auf 27,5% erhöht“


Seit BBG 2011 gibt es keinen „KESt-Satz“ mehr
Wohl besonderer Steuersatz gem § 27a Abs 1 EStG gemeint
 Weiter Anwendungsbereich von § 27a Abs 1 EStG bei Einkünften aus
Kapitalvermögen






Wertpapierzinsen
Dividenden
Veräußerungsgewinne
Investmentfonds
Zuwendungen von Privatstiftungen
Wegzugsbesteuerung
 Insbesondere sind Gesellschafter von Familienunternehmen bei Ausschüttung
oder Veräußerung betroffen

Körperschaften: KESt höher als KöSt-Satz?

zB bei beschränkter Steuerpflicht zweiter Art?
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Anhebung „KESt-Satz“ auf
27,5% (2)
 Ausnahme für Zinsen aus Sparbüchern und Bankkonten: weiterhin 25%




Aber § 1 Abs 4 erster Satz EndbesteuerungsG: für alle endbesteuerten Kapitalerträge
muss einheitlicher KESt-Satz bestehen
Ausnahme mit EndbesteuerungsG vereinbar?
Differenzierung insbesondere zu Wertpapierzinsen verfassungsrechtlich zulässig?
Indirekte Förderung der Bankenrefinanzierung?
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Anhebung „KESt-Satz“ auf
27,5% (3)
 Voraussetzung der KESt-Anhebung: Erhöhung Spitzensteuersatz auf 55%


Wegen § 1 Abs 4 letzter Satz EndbesteuerungsG
KESt „darf nicht weniger als 20% und nicht mehr als die Hälfte des für das jeweilige
Jahr geltenden höchsten Steuersatzes betragen“
 Ist diese verfassungsrechtliche Vorgabe des EndbesteuerungsG bei der
Anhebung auf 27,5%/55% erfüllt?






Dem Wortlaut nach ja
Aber historische Zielsetzung der „Hälfte“-Obergrenze lag in Sicherstellung einer
signifikanten Entlastung (mindestens die Hälfte!) der höchsten Einkommensklassen
Gerade deshalb war verfassungsrechtliche Absicherung als notwendig angesehen
worden
Bedenklich wäre daher jedenfalls ein nur auf dem Papier bestehender
Spitzensteuersatz, der niemanden tatsächlich trifft
Bei 55%-Spitzen-Steuersatz der „so gut wie niemand“ trifft?
Umgehung der „Hälfte“-Obergrenze des EndbesteuerungsG?
 IE würde durch KESt iHv 27,5% die „mindestens hälftige“ Entlastung aller
vom 50%-Satz erfassten Steuerpflichtigen unterlaufen
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EStG 2016
 Vollständige Neukodifizierung des EStG (!)

Aber keine inhaltlichen Vorgaben in Ministerratsbeschluss
 Einige Andeutungen im Bericht der Steuerreform-Kommission
 Steuerliches Gewinnermittlungsrecht

Zusammenlegung Gewinnermittlung nach § 4 Abs 1 EStG und § 5 EStG


weil kaum noch Unterschiede
Verstärkung der Maßgeblichkeit der UGB-Bilanz

Ziel: Einheitsbilanz (durch jüngste UGB-Reform bereits vorgezeichnet)
 Zusammenlegung von Einkunftsarten

Einkünfte aus selbständiger Arbeit / Einkünfte aus Gewerbebetrieb
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EStG 2016 (2)
 Verlustverrechnung neu - Erleichterungen für „aktive“ Unternehmer,
sonst aber Beschränkungen

Voller Verlustvortrag für Einnahmen/Ausgaben-Rechner

Auslandsverlustverrechnung (§ 2 Abs 8 EStG) als Wahlrecht

Übergang Verlustvortrag an Erben bei Betriebsübergabe

Bei kapitalistischen Personengesellschaften: Begrenzung Verlustverwertung auf
Einlage, darüber hinaus „Wartetaste“ (Vorbild § 15a dEStG)
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Umfassende Neuregelung der
Personengesellschaften?
 Von Steuerreform-Kommission noch als „Konzeptidee“ präsentiert, im
Ministerratsbeschluss nicht mehr angesprochen
 Mitunternehmer nur noch bei Unternehmerinitiative (ähnlich
Einzelunternehmer) und Unternehmerrisiko


Atypisch stille Gesellschafter und kapitalistische Kommanditisten erzielen
Einkünfte aus Kapitalvermögen
Dort: Verlustverrechnung mit anderen Einkünften bis zur Höhe der Einlage
 Leistungsbeziehungen zwischen Mitunternehmer und
Mitunternehmerschaft sollen anerkannt werden



Ausnahme Gehälter
Abschaffung des Sonderbetriebsvermögens
Veräußerungen von Wirtschaftsgütern an die Mitunternehmerschaft und
umgekehrt werden möglich
 Wäre eine Fundamentalreform der Personengesellschafts-Besteuerung
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Einlagenrückzahlung
 Bisher: Wahlrecht der ausschüttenden Gesellschaft zur steuerlichen
Behandlung der Dividende



als steuerliche Gewinnausschüttung
oder als Einlagenrückzahlung (§ 4 Abs 12 EStG)
Sofern jeweils ausreichende Stände am Evidenz-Konto gem § 4 Abs 12 EStG
 Neu: Kein Wahlrecht mehr, stattdessen vorrangige Verwendungspflicht KEStauslösender „echter“ Gewinne


Entsprechend Rechtslage in Deutschland?
Oder Vorbild Substanzauszahlung bei Stiftungen (§ 27 Abs 5 Z 8 EStG seit SchenkMG
2008)?
 Insbesondere von Bedeutung bei



grenzüberschreitenden Dividenden ohne KESt-Entlastung
Familienunternehmen
Immobilien-Gesellschaften
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Zuzugsbegünstigung
 Bisherige Zuzugsbegünstigung (§ 103 EStG) unzureichend




Für Zuzug im öffentlichen Interesse (Wissenschaft, Forschung, Kunst, Sport)
„Heimkehr“ erst nach 10 Jahren begünstigt
Entlastung nur für Auslandseinkünfte möglich
Keine Entlastung für Inlandseinkünfte
 Geplant: Verbesserung Zuzugsbegünstigung für Wissenschaft und
Forschung


Ziel: Verbesserung der Position im Wettbewerb um die „besten Köpfe“
„Zuzugsfreibetrag“ bei Zuzug von Wissenschaftlern und Forschern nach
Österreich



für Zuzugsmehraufwand (auch höhere Lebenshaltungskosten)
für Steuernachteil (auch für Steuersatzgefälle zu Österreich)
zB Steuerfreiheit von bis zu 30% der Bezüge
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„Lückenschließungen“ bei der
Wegzugsbesteuerung?
 Steuerreform-Kommission

Derzeitiges System für bei Wegzug in EU/EWR (10 Jahre
Besteuerungsaufschub) als „besonders großzügig“ eingestuft
 Hintergrund: EuGH-Rechtsprechung lässt Mitgliedstaaten zunehmend
Spielraum
 Vorschlag für Beteiligungen im Privatvermögen


de facto Abschaffung der Verjährung der Wegzugssteuer
Verhinderung von Umgehungen durch Zuwendung der Beteiligung an
Privatstiftung - Wegzug des Begünstigten - Auflösung der Privatstiftung
(Zwischensteuergutschrift zukünftig nur mehr bei ausländischem
Besteuerungsnachweis)
 Vorschlag für Betriebsvermögen


SPÖ, BMF: statt Aufschub Verteilung der Steuer auf 5 Jahre (analog EuGH Rs
DMC) (insbesondere auch bei grenzüberschreitenden Umgründungen relevant!)
ÖVP: wie bisher Aufschub, aber ohne Verjährung, mit laufendem Reporting,
auch Sicherheitsleistung denkbar
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Immobilien
 Verschärfung Grunderwerbsteuer bei unentgeltlicher Übertragung in der
Familie

Verkehrswert statt 3-fachem Einheitswert (knapp 1 Jahr nach gegenteiliger
Neuregelung!)

„Erbschaftssteuer durch die Hintertüre“

Stufentarif: bis EUR 250.000 0,5%, bis EUR 400.000 2%, darüber 3,5%

Freibetrag für Immobilien „im Rahmen von Unternehmen“ EUR 900.000 (Härtefälle
noch offen)
 Erhöhung Immo-ESt auf 30%
 Änderungen Gebäude-Abschreibung

Einheitlicher Abschreibungssatz 2,5% (offenbar auch bei Privatvermögen)

Verlängerung Absetzung Instandsetzungsaufwendungen

Anhebung Grundanteil
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Abschaffung Bankgeheimnis
 „Überraschungstreffer“ am Freitag, den 13.03.2015

Bisher klare steuerpolitische Unterscheidung „Ausländer“-/„Inländer“-Bankgeheimnis

Aufgegeben ohne internationale Notwendigkeit
 Einrichtung eines zentralen Bankkontenregisters
 Konteneinsicht durch Finanzverwaltung

auch ohne eingeleitetes Strafverfahren

nach Ministerratsbeschluss kein begründeter Verdacht nötig

aus Anlass „jeder abgabenbehördlichen Prüfung (zB BP, USt-Sonderprüfung, GPLA)“

nur Außenprüfung iSv § 147 BAO (dann nur bei Personen, die zur Führung von
Büchern oder Aufzeichnungen verpflichtet sind)

oder auch Nachschau iSv § 144 BAO? (dann zusätzlich auch bei anderen Personen,
wenn Grund zur Annahme eines Abgabenanspruchs besteht, der anders nicht
festgestellt werden kann)
 Mitteilungspflicht für Banken bei „Abschleichen“ ab 15.03.2015
 Verfassungsmehrheit im NR erforderlich
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Advance Ruling
 Steuerreform-Kommission: Ausbau der für Auskunftsbescheid (§ 118 BAO)
zugelassenen Rechtsgebiete

Internationales Steuerrecht

Umsatzsteuer

In Ministerratsbeschluss nicht mehr angesprochen (?)
 BMF-Erlass vom 23.12.2014

Nimmt Erweiterung auf Internationales Steuerrecht bereits vorweg
 Weil implizite Anerkennung von der Rechtsfrage zugrundeliegenden Strukturen
unterstellt
Aber: Auskunftsbescheid nur wenn
 Wirtschaftliche Substanz
 Information an Ausland (an EU-Staaten automatisch)
 keine „unerwünschten Gestaltungen“

Grundfrage: Will man nun Auskunftspflicht oder nicht?

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Advance Ruling (2)
 Steuerreform-Kommission: Einrichtung einer Experteneinheit für
internationales Steuerrecht in der Finanzverwaltung

Verständigungsverfahren

APA

Rückerstattung Quellensteuern
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BEPS
 Ministerratsbeschluss kennt das Wort „BEPS“ nicht (!)
 Steuerreform-Kommission: Weiterhin klares Bekenntnis der Steuerpolitik zur
BEPS-Initiative der OECD



Österreich bisher als BEPS-Musterschüler
Zukünftige OECD-Empfehlungen werden „geprüft und quantifiziert“ (?)
Einziger aktueller Vorschlag: Verbesserung der Rechte des Steuerpflichtigen im DBAVerständigungsverfahren
 Aber keine breite Debatte über Bedeutung und Relevanz von BEPS in
Österreich


Verhältnis der BEPS-Empfehlungen zur bisherigen österreichischen Steuerpolitik?
Drohen hier weitere Verschärfungen für Unternehmen aus der Umsetzung von BEPSEmpfehlungen?
 Gefahr einer unkontrollierten „Zangenbewegung“ von restriktiver nationaler
Steuerpolitik und BEPS

Gesamtwirkung zweier getrennter Entwicklungslinien könnte erheblich sein
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INSTITUT FÜR ÖSTERREICHISCHES UND
INTERNATIONALES STEUERRECHT
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1020 Wien, Österreich
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T +43-1-313 36 - 4210
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